Zeitungsnachrichten.[]
- [1808]
Türkey. [1]
Die Russische Armee in der Moldau und Wallachey ist neuerdings ansehnlich verstärkt worden, und aus den Zeughäusern von Kiow ein Park Belagerungsgeschütz nach eben dieser Route abgeführt worden. Die Armee des Großveziers um Adrianopel hat sich im Dezember und Januar bis auf einen Heerhaufen zwischen 4 bis 6000 Mann stark größtentheils aufgelöst. Die Janitscharen sind nach Hause gekehrt mit dem Versprechen, bey eintretendem Frühjahre wieder zu kommen. Die Streitkräfte Mustapha Bairaktars werden zwischen 25 bis 30,000 Mann geschätzt. Ein unverbürgtes Gerücht bestimmt den Generallieutenant Golenitschew-Kutusow zum Oberkommando in der Moldau und Wallachey an die Stelle des erkrankten Feldmarschalls Fürsten Prosorowsky. Oberster Kriegskommissär der Armee und Präsident des Divans in Jassy ist der bisherige Kriegsgouverneur von Moskaw, Kuschnikow, statt des Generals Lascarow geworden, welcher bekanntlich den Waffenstillstand von Slobosja unterzeichnet hat, der sich mit kommendem April endigt.
Zu den wenigen Truppen, welche der Großvezier im Winterlager bey Adrianopel beysammen hat, ist in der zweyten Hälfte des Februars annoch der berüchtigte Kuschanzy Ali, vordem Befehlshaber der hohen Pforte in Belgrad mit einem Heerhaufen von etwa 2000 Mann gestossen. Mollah Pascha hält sich in Widdin ganz ruhig, eben so seit kurzem die Servischen Insurgenten. Mustapha Bairaktar fährt fort, Gyurgewo mehr und mehr zu befestigen. Dahin sowohl als nach den übrigen Gränzplätzen, läßt die Pforte ungemein viele Munizion und schweres Geschütz abführen, aber die Garnisonen sind ziemlich schwach.
Türkey. [2]
Das kürzlich von Sebastopol durch das schwarze Meer nach Konstantinopel gekommene Russische Parlamentarschiff ist am 10. Febr. mit verschiedenen, der Freyheit und ihrem Vaterlande wiedergegebenen Russischen Kriegsgefangenen zurückgekehrt. Gleichwohl rüstet die hohe Pforte mit der größten Anstrengung, die während des Winters sehr geschmolzene Armee des Großveziers wieder in vollzähligen Stand zu setzen. 150,000 Mann sind hierzu aus den Asiatischen Provinzen aufgeboten. Strenge Fermans und mehrere mit eben so gemessenen Aufträgen abgeschickte Kapidgi-Baschis haben die dortigen Statthalter zur größten Thätigkeit aufgefordert. Wirklich sind am 12. und 15. Febr. schon mehrere Bairaks (Fahnen) Fußvolks aus Natolien, Konstantinopel vorüber, nach Adrianopel und Schiumla ins Hauptquartier des Großveziers gezogen. Auf der grossen Schiffswerfte im Kanal wurde Tag und Nacht gearbeitet, die Flotte des Kapudan-Bascha in den Stand zu setzen, auf Befehl unverzüglich in die See gehen zu können. Schon am 8. Febr. ist die zur Beyschaffung des nöthigen Tauwerkes ausgeschickte Fregatte von Sinope zurückgekommen. Mit Ende Januars ließ der Großherr Mustafa auch den Bau der von Sultan Selim begonnenen grossen Kaserne zu Pera wieder fortsetzen.
Im Lager des Großveziers war zwischen ihm und Mustafa-Bayraktar eine bedenkliche Entzweyung, und zwischen den Janitscharen und Topgis (Artilleristen der Großherrlichen Garde) Thätlichkeiten ausgebrochen, die jedoch ohne alle weitern Folgen wieder beygelegt worden sind.
Türkey. [3]
Der Waffenstillstand zwischen Rußland und der hohen Pforte dauert annoch ungetrübt fort. Gleichwohl sind neuerliche Anträge an sämmtliche Gränzstatthalter ergangen, in ihren Rüstungen thätig fortzufahren. Alle Plätze längs den Aegäischen, Ionischen und Adriatischen Küsten werden verstärkt. Das Hauptquartier des Großveziers ist beordert, von Adrianopel nach Sophia vorzurücken, dennoch wird die heilige Fahne des Propheten vor der Hand noch in Adrianopel zurückbleiben. Zahlreiche Truppenkorps aus Natolien haben bereits den Hellespont passirt. Auch der Gouverneur von Salonichi, Chosrew Mehmed Pascha, und der bekannte Ayan von Seres, Ismail Bey, erhielten ernste Fermans zur Rüstung und Vorrückung, welche, wie man glaubt, zuvörderst gegen die Servischen Insurgenten gerichtet seyn wird, die bisher alle Vergleichsvorschläge der hohen Pforte hartnäckig von der Hand gewiesen haben.
Die Flotte des Capudan Pascha liegt segelfertig im Kanal von Constantinopel vor Anker.
Türkey. [4]
Die Armee des Großvessiers in Bulgarien und Rumelien hat neuerlich ansehnliche Verstärkungen, besonders durch Asiatische Truppen erhalten. Mustafa Bayraktar hat sich nach langer und hartnäckiger Entzweyuung mit dem Großvessier ausgesöhnt, und befindet sich im Hauptquartier desselben zu Adrianopel, wo er mit grosser Auszeichnung behandelt wird. In eben dieses Hauptquartier hat der Russische General en Chef in den Fürstenthümern Moldau und Wallachey, Feldmarschall Fürst Prosorowsky, den Major von Berevitz abgesendet. -- Uebrigens haben unter den Russischen Truppen keine neuerlichen Bewegungen Statt gehabt. Sie stehen noch immer in ihren Lagern auf beyden Seiten der Donau, wie sie solche in der ersten Hälfte des May bezogen hatten. Unruhiger ist es hingegen in Servien, und selbst in Bosnien haben sich einzelne Unruhen geäussert, die jedoch keine Folgen hatten, und durch den Ernst des Gouverneurs, Chosrew Pascha, bald wieder gestillt waren.
Türkey. [5]Der Aufenthalt Mustapha Bairaktars zu Adrianopel, im Hauptquartier des Großveziers, was von bedeutenden Folgen, indem nicht nur der alte Zwiespalt zwischen diesen zwey Heeresführern völlig verglichen ist, sondern Mustapha Pascha auch seine 25 bis 30,000 Mann an das wenige Wochen zuvor, durch eine grosse Zahl Asiatischer Völker, verstärkte Heer des Großveziers angeschlossen hat. Diese vereinigte Truppenmasse soll alsdann zwischen dem 13. und 18. July eine rückgangige Bewegung in die Gegend von Varna und von Konstantinopel selbst gemacht haben. Der Grund dieser unerwarteten Bewegung hat sich bald aufgeklärt. Es war nehmlich bisher unmöglich gewesen, durch gelinde Mittel oder durch Strenge, die unruhigen Tabialis (Garnisonssoldaten in den Dardanellen-Schlössern) zum Gehorsam zu bringen. Ihr vorzüglichstes Oberhaupt, Kavagki Oglu, einer der Revoluzionsmänner, durch welche die letzte Thronveränderung bewirkt worden, erhielt sie immer in einer Art von anarchischer Unabhängigkeit. Auf einmal erschien früh Morgens am 13. July vor Kavagki Oglu's Aufenthalt, Fanaraki, dem äussersten Schloß der Europäischen Küste, mit einem auserlesenen Reiterhaufen, Ketengi Oglu Achmed Aga, und forderte und erzwang endlich den Einlaß im Nahmen des Großherrn, ließ dem Kafagki Oglu sogleich das Haupt abschlagen, und schickte es durch einen Tartarn ins Hauptquartier des Großveziers nach Adrianopel. Wüthend über den Verlust ihres Anführers, umringten die Tabialis am andern Tage das Schloß, in welchem nun Ketengi Oglu von ihnen belagert wird, sich aber bisher mit dem Muthe der Verzweiflung vertheidigte, in der sichern Erwartung eines raschen Entsatzes durch das Heer des Großveziers und durch Mustapha Bairaktar, welche vom Divan den Befehl erhalten haben, vor jedweder weitern Unternehmung, zuerst die Ruhe und Ordnung in Bulgarien und Rumelien und in den Umgebungen der Hauptstadt mit gewaffneter Hand wieder herzustellen.
Türkey. [6]
In dem grossen bey Daud-Pascha unfern Konstantinopel versammelten Lager befinden sich gegenwärtig fast nur mehr die eigenen Truppen Mustapha Bairaktars, und die von ihm, mit unglaublicher Thätigkeit neu organisirten Korps der Seymens. -- Alles übrige ist theils zur grossen Armee in Rumelien, theils (insbesondere die Asiatischen Dörebeghs und Ayans) nach Hause gezogen, nachdem sie vorher dem Großvezier Mustapha Pascha, mit den heiligsten Eiden zugeschworen, alle Privatfehden aufzugeben, und auf den ersten Wink zum Schutze des muselmännischen Glaubens und Reichs wieder zu erscheinen. Ismail-Bey von Seres, Kara Osmann Oglu und Kaliangi Oglu, zogen die ersten ab, darauf auch der bekannte Ciapan Oglu.
Mustapha Bairaktar ist unaufhörlich beschäftigt, die durch ihre rothe, grüne und weisse Montur unterschiedenen Seymens (auf Europäischen Fuß exerzirte Truppen) auf 160,000 Mann zu bringen. Er theilt sie in 100 Buluks, jeden zu 160 Mann, bey jedem ein Bin-Baschi, ein Mulahzin (zwey Stabsoffiziere von unbestimmtem Range,) 16 Juz-Baschi, und 160 On-Baschi (Hauptleute und Lieutenants). Mustapha Bairaktar hat den bisher in den Kriegsdiensten der Pforte so streng beobachteten Religionsunterschied völlig aufgehoben, Türken und Griechen dienen unter den Seymens neben einander. Schon in Rudschuk hatte |Mustapha viele Rajas unter seinen Kerntruppen, am 12. Oktober hielt auch sein Vertrauter und Banquier seinen Einzug, begleitet von 60 Seymens, die lauter Armenier waren.
Politische Notizen. [7] [Dezember]
Nach den neuesten Nachrichten aus Konstantinopel sind die dort befindlichen Asiatischen Truppen nach der Donau aufgebrochen, und in der Moldau und Wallachei sammeln sich immer mehrere Russen.
Quellen.[]
- ↑ Wiener-Zeitung. Nro 18. Mittwoch, den 2. März 1808.
- ↑ Wiener-Zeitung. Nro 20. Mittwoch, den 9. März 1808.
- ↑ Wiener-Zeitung. Nro 46. Mittwoch, den 8. Juny 1808.
- ↑ Wiener-Zeitung Nro 61. Sonnabend, den 30. July 1808.
- ↑ Wiener-Zeitung. Nro 64. Mittwoch, den 10. August 1808.
- ↑ Wiener-Zeitung. Nro 94. Mittwoch, den 23. November 1808.
- ↑ Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.