Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Von Reisende.[]

Gottlieb Franz Xaver Gugomos.

[1790]

Kriegswesen der Türken.

Der königlich-bayersche Major von Gugomos hat eine kurze Beschreibung der Reise herausgegeben, welche er, im Jahre 1790, durch Bulgarien machte. Er stand nämlich damals als Hauptmann im kaiserl. österreichischen Generalstabe und ward von dem Feldmarschall, Prinzen von Koburg, am 19ten May von Bucharest mit Depeschen an den bey Schiumla kampirenden Großvezier abgeschickt. Was er unterwegs von der türkischen Militärverfassung theils gesehen, theils durch Umgang mit den Türken erfahren, theils während des Feldzuges in der Praxis beobachtet hat, stellt die Türken eben nicht als sehr furchtbare Feinde das. Man kann, sagt er, den Türken im Ganzen persönlichen Muth und einen offenen Kopf nicht absprechen; den Vorpostenkrieg und kleinere Unternehmungen verstehen sie meisterhaft und führen ihn, vielleicht ohne sich dessen deutlich bewußt zu seyn, nach allen Regeln der Kunst; es ist unmöglich, zu Fuß den Säbel besser zu gebrauchen, als sie, und an Bravour stehen sie fast über alle civilisirte Völker hinaus. Als sie aus ihrem verschanzten Wäldchen bey der Bataille von Martinestie, zwischen den Flüssen Rimnik und Rimna, ihre Kanonen nicht mehr fortbringen konnten, weil die Schanzen von unsern Leuten überstiegen waren, klammerten sich viele an die Lavetten und an die Räder, und ließen sich in dieser Stellung durch eine Menge Bajonnetstiche niedermachen, um, in Ermangelung von Widerstand, ihre Kanonen wenigstens bis auf den letzten Blutstropfen zu schützen! In den Laufgräben, wo sie, überwältigt, nicht mehr Widerstand leisten konnten, ließen sich, besonders die asiatischen Truppen, von unsern Pioniers eher mit der Hacke und mit dem Hammer todtschlagen, als daß sie sich ergeben hätten. Als Schützen wissen sie so gut Bescheid, daß ich sie auf 300 Schritte weit selten fehlen sah. Aber alle diese Vorzüge helfen nur bey solchen Gelegenheiten, wo einzeln oder in kleinen Abtheilungen gefochten wird. So gut sie in dergleichen Fällen bestehen, so schlecht gelingt es ihnen, wenn sie sich auf größere Unternehmungen einlassen. Ehe ich von diesen und von ihrem Verfahren dabey spreche, möge eine kurze Beschreibung ihrer verschiedenen Truppengattungen vorangehen.

Die Janitscharen machen den Kern ihrer Infanterie aus. Sie sind in 196 Orta's oder Regimenter eingetheilt, die zusammen gegen 240,000 Mann stark seyn sollen; es sind jedoch nur etwa 80,000 Mann als wirkliche Janitscharen anzusehen, denn nur so viel bekommen Sold, und auch von diesen ziehen selten mehr als 40,000 Mann ins Feld, zwischen 30 und 40,000 Mann bleiben in den Gränzfestungen als Garnison zurück. Die übrigen nicht besoldeten Janitscharen theilen sich in zwey Klassen, von denen die eine bloß freye Kost, die andere gar nichts erhält, sondern als Freywillige zu betrachten ist. Es lassen sich nämlich sehr viele als Janitscharen einschreiben, weil mit diesem Stand große Vorzüge verbunden sind. Der Großsultan selbst ist Janitschar, und bezieht als solcher einen Sold von täglich Eintausend Aspern (ungefähr fünftehalb Thaler preuss. Courant). Ihr Aga, oder oberster Befehlshaber, ist zugleich militärischer Kommandant von Konstantinopel und hat Sitz und Stimme im Divan. Kein Janitschar kann wegen irgend eines bürgerlichen Versehens ins Gefängniß geworfen und von dem Civilrichter, sondern immer nur von seinen eigenen Officieren gerichtet werden. Bey Plünderungen haben alle Häuser, deren Eigenthümer Janitscharen sind, nichts zu befürchten, weshalb sich auch fast alle angesehene Bürger und Kaufleute als Janitscharen einschreiben lassen; ein jeder Janitschar darf täglich bey jedem Zollamte zwey Körbe mit Eßwaren unversteuert einbringen und dergleichen mehr. Ihre Kleidung ist niemals Uniform; ihr Oberkleid ein langer talarähnlicher Rock, der bis über die Waden herabhängt, ist bey dem Einen von dieser, bey dem Andern von jener Farbe, doch tragen sie Alle blaue Hosen, die lang und sehr weit sind, und gehen in rothen Pantoffeln meistentheils barfuß. Ihr Turban ist weiß, durchgängig von einerley Form und hat hinten einen starken Ellenlangen doppelten Lappen herabhängen, der einen Sack ausmacht in welchem sie etwas beherbergen können. Ihre Bewaffnung besteht in einer langen Flinte mit sehr dünnen und kurzen Kolben, woraus meistens sehr kleines Bley geschossen wird, einer Pistole, die gewöhnlich an einer dünnen Schnur über der Achsel auf dem Rücken hängt, einem mittelmäßig langen Säbel, und einem im Gürtel steckenden auswärts gekrümmten zwey Fuß langen Messer, mit dem sie, trotz dem geübtesten Scharfrichter, den Todten oder stark Blessirten den Kopf anschneiden. Sie setzen bey dieser Operation jenseits des Halses die Messerspitze in die Erde, schneiden, mit einem raschen Zuge des Messers gegen sich selbst hin, den Kopf vom Rumpfe, und werden denselben in einen Sack, den sie zu diesem Zweck stets bey sich am Gürtel tragen. Haben sie der Köpfe mehrere beysammen, so laufen sie von der Armee weg nach Konstantinopel, erhalten dort aus der Schatzkammer für jeden Kopf einen Dukaten (Zechine), und kommen vielleicht in Jahr und Tag nicht wieder zur Armee. Zu Versorgung der Janitscharen mit Officieren giebt es eine Pflanzschule, die sich gewissermaßen mit unsern Kadettenkorps vergleichen läßt. Gemeiniglich werden dazu Christkinder genommen und beschnitten. Diese erhalten Unterricht in der türkischen Sprache, im Schreiben, in der Religion und in der Mathematik. Die wissenschaftlichen Lehrer sind größtentheils Engländer oder Franzosen, je nachdem die politische Windfahne auf dem Serail weht. Die türkischen Ingenieur- und Artillerieofficiere stammen fast alle aus dieser Schule.

Das Fußvolk, welches nicht zu den Janitscharen gehört, besteht mehrentheils aus asiatischem Gesindel, und ist von den Janitscharen an Kleidung und Bewaffnung so verschieden, daß man sie schon von weitem daran erkennen kann. Den weissen Turban haben sie mit allen Türken gemein, auch tragen sie, wie die Janitscharen, lange blaue tuchne Hosen, die jedoch nicht so weit sind, hiernächst eine Art von Tyroler Jacke von dunkelgrauem oder von braunem, sehr groben Tuche, die bis auf die Lende herabreicht, einen langen Bart, den Hals und die Brust bloß, und gehen in spitzigen Pantoffeln barfuß. Flinten haben sie nicht, sondern einen Dolch und zwey Pistolen die um Gürtel stecken, desgleichen einen Säbel, den sie meisterlich zu führen wissen.

Die Kavallerie zerfällt ebenfalls in zwey Klassen; die erste, welche man die reguläre nennen könnte, hält mit den Janitscharen Schritt, sie wird durch ein Aufgebot des Großsultans von den Lehnsbesitzern ins Feld gestellt, fast so wie zu Kriegszeiten in Polen und Ungarn der Adel aufsitzt. Das ganze Korps ist zwischen 50 und 60,000 Mann stark, und in Pulks von zwey bis drittehalbtausend Mann eingetheilt, die sich durch die Farbe der über den Roßschweifen wehenden Fahne von einander unterscheiden. Vierzigtausend stehen in regulärem Sold, die übrigen dienen als Freywillige, equipiren und unterhalten sich aus eigenen Mitteln. Diese Freywilligen setzen eine große Ehre in den Dienst; sie sind es gewöhnlich, die vor den Attaken einzeln zum Plänkeln gegen den Feind ansprengen. Wenn sie sich auszeichnen, so werden sie durch Lehngüter belohnt, und gelangen vielfältig zu Staatsämtern. Gleich den Janitscharen haben sie das Vorrecht, von keinem Civilrichter belangt werden zu können, sondern sie stehen in allen Fällen bloß unter der Gerichtsbarkeit ihrer Officiere. Ihre Bewaffnung ist verschieden. Alle führen krumme Säbel von vorzüglicher Güte, desgleichen Pistolen und Dolche, manche ausserdem noch sehr lange Lanzen, andere hingegen kurze, vier Fuß lange Wurfspieße, noch andere Bogen und Köcher.

Das Artilleriekorps soll, wie mir ein ehemaliger Chef desselben (Topschi-Baschi), ein Engländer und Renegat, sagte, den ich in Schumla kennen lernte, eigentlich 15,000 Mann ausmachen, ist aber nie stärker als 9 bis 10,000 Mann, und auch unter diesen sind noch alle die zum Fuhrwesen gehören, und die mehr Handlanger den Artilleristen sind, mit eingerechnet. In Kriegszeiten pflegen auch Ausländer bey der Artillerie mit sehr guter Bezahlung angestellt zu werden. Der englische Renegat, von dem ich dieses habe, war ein Mann von etlichen und und sechzig Jahren, der jetzt, vom Dienste zurückgezogen, mit einer Pension von Eintausend Dukaten in Adrianopel lebte, dermalen aber in Schumla beym Großvezier sich aufhielt, um in Dienstangelegenheiten guten Rath zu geben.

Zum Beschluß noch ein Wort von ihren Lagern. Wenn sie die Kunst, ein Lager zu wählen, und es zu sichern, auch noch besser verständen, als wirklich der Fall ist, so sind doch, wegen der Menge des Trosses und überhaupt wegen der allzubeträchtlichen Ausdehnung, ihre Lager immer der größten Gefahr ausgesetzt. Das Lager, welches, während meines Aufenthalts in Schumla, der Großvezier unweit dieser Stadt bezogen hatte, formirte ein längliches Viereck, in dessen Mitte ein großer freyer Platz, ungefähr dreytausend Schritt lang und zweytausend Schritt breit, vorhanden war. Auf diesem tummelten sich die geschicktesten Spahis, wie auf einem Exercierplatze, herum. Die Zelte des Großveziers standen so, daß man, von ihnen aus, das ganze Lager übersehen konnte, prächtig und majestätisch in einer viereckigen, mit breiten Gräben versehenen, und mit Kanonen besetzten Redoute. Ueber den Graben führte eine Zugbrücke; die Zelte standen in Form eines halben Mondes aufgeschlagen, und waren jedes für sich theils längliche Vierecke, theils rund, alle aber sehr geräumig. Ausserhalb der Barriere jener Redoute kampirten in eben dergleichen schönen Zelten die Minister. Rechnet man nun noch mehr als 120 sehr große Zelte hinzu, die griechischen und armenischen Kaufleute zugehörten, die zum Theil viele und kostbare Waaren zum Verkauf bey sich führten, zum Theil auch die Marketender der Armee machten; so giebt schon dies allein eine große Lagerfläche, ohne daß noch von der Soldateske die Rede ist. Die Zelte der gemeinen Soldaten sind meistens rund; und in jedem liegen zehn Mann. Kann man aus irgend einem Standpunkte die Reihen der Zelte, sowohl der Länge, als der Breite nach, überzählen, so wird man sich in der Schätzung der Truppen nie irren. Von dem Lager bey Schumla versicherten die vornehmsten Türken, es sey 80,000 Mann stark, als ich ihnen aber aus Gründen bewies, daß es, den Troß mit eingerechnet, nicht mehr als 35,000 Mann enthalten könne, gaben sie dieses zu, versicherten aber, es solle in Kurzem bis auf 80,000 Mann gebracht werden.

Die Schlachtordnung un das Verfahren der Türken bey Angriffen ist fast jedesmal unverändert dasselbe, die Infanterie steht in der Mitte, in einen dichten Haufen, dessen Masse sich, ihrer großen Tiefe wegen, sehr schwer fortbewegt. Die Kavallerie hält auf beyden Flügeln ziemlich weit ab von der Infanterie, weßhalb denn der Feind die Bewegungen dieser beyden Waffengattungen desto genauer übersehen kann. Die Kavallerie stellt sich in mehrere Pulks auf, jeder von ungefähr 2000 Mann. Diese Pulks halten, einer neben dem andern, in Form eines rückwärts gekrümmten halben Mondes. In den vordersten nach dem Feinde zu gerichteten Reihen stehen etwa 10 bis 15 Mann neben einander, in der Mitte etwa 25 bis 30, nach hinten zu aber stellen sich, nach eigenem Belieben, 80 bis 100 Mann, so daß die äussersten Enden dieser Korps sehr dünn auslaufen. Die Artillerie wird gemeiniglich auf den Flügeln der Infanterie, zwischen dieser und der Kavallerie, aufgefahren, und durch kleine Erdaufwürfe gedeckt.

Die Kavallerie greift immer zuerst an, und zwar selten auf beyden Flügeln zugleich, sondern auf einem, und wenn dieser Angriff abgeschlagen wird, alsdann erst auf dem andern. Sogar den Punkt der Attake kann man im Voraus erkennen, und sich also darauf vorbereiten, denn auf diesem Punkt kommen einzelne Spahi's (Reiter) vielfältig wohl eine halbe Stunde Weges weit von ihrem noch in Ruhe stehenden Pulk im stärksten Galopp angesprengt, springen in einiger Entfernung vom Feinde vom Pferde, stecken ein kleines roth und schwarzes Fähnchen in die Erde, schwingen sich dann wieder in den Sattel, und jagen bis auf 30 Schritte weit an die feindliche Fronte, schießen nun gegen dieselbe ihre Pistolen ab, und schwenken zur Herausforderung, ob Jemand sich mit ihnen messen will, den Säbel. Meldeten sich bey solchem Anlaß einzelne Bursche, von unserm Husaren und Dragonern, und es war noch kein dringender Anschein von einer allgemeinen Attake vorhanden, so erlaubten ihnen unsere Officiere, einen Gang mit dem Türken zu wagen. Solcher Plänkler gab es oft viele; von den Unsrigen suchten dann, vermittelst ihrer leichten Schwenkungen, zwey oder drey einen Türken in ihre Mitte zu bekommen, und dann war er gemeiniglich von der Seite oder von hinten zu niedergehauen. Ging es aber Mann gegen Mann, so siegte mehrentheils der Türke, weil diese voraussprengenden Hohnsprecher (fast immer Asiaten) arabische Pferde, und vermittelst dieser, wegen ihrer Gewandtheit und Leichtfüßigkeit, vor den unsrigen gar zu viel voraus hatten. Der Sieger jagte dann zu dem Pulk zurück, von welchem er hergekommen war. Lange dauerten indeß diese Vorspiele nicht, denn bald setzten sich die feindlichen Pulks rasch in Bewegung und attakirten auf den Punkten, die durch die vorgedachten in die Erde gepflanzten Fähnlein dazu bezeichnet waren. Gegen diesen Angriff bewährte sich nachstehende Schlachtordnung als die vortheilhafteste: die Infanterie formirt zwey Treffen; in diesem bildet jedes Bataillon für sich ein Viereck und führt 5 drey- und sechspfündige Kanonen bey sich; ausserdem noch Zwölfpfünder und Haubitzen als Reservegeschütz. Jedes einzelne Viereck steht 250 bis 300 Schritt weit von dem andern entfernt; ein eben so großer Zwischenraum befindet sich zwischen dem ersten und zweyten Treffen; in dem Letzten stehen die Bataillone, gegen das erste Treffen zu, en Echiquier; hinter dem zweyten Treffen ist die Kavallerie mit gehörigen Distanzen ebenfalls in zwey Treffen geordnet. Sobald die türkischen Kavalleriepulks angesprengt kommen, werden sie von den Quarrés der Infanterie mit einem kreuzenden Kartätschenfeuer empfangen. Dieses Feuer ist um so wirksamer und unwiderstehlicher, da alle diese einzelnen Vierecke der Infanterie, die neben und hinter einander en Echiquier stehen, vermöge dieser Stellung wie kleine Forts oder Redouten anzusehen sind, die eins das andere decken und den Feind, er mag von einer Seite kommen, woher er will, mit einem ununterbrochen sich kreuzenden Kartätschenfeuer von allen Seiten in die Flanke nehmen. Von einem solchen Feuer hält aber die türkische Kavallerie nur eine kleine Anzahl gut gerichteter Lagen aus.

Von ihrer Artillerie haben sie keinen Vortheil zu erwarten; ob sie jetzt darin weiter gekommen sind, lasse ich dahin gestellt seyn; damals aber (im Jahre 1790) schossen sie aus den Festungen im Anfang gemeiniglich zu kurz, in der Folge aber über den Gegenstand hinaus. In Schlachten führten sie viel schweres Geschütz, selbst Sechsunddreyßigpfünder, bey sich. Diese waren mit 20 und mehr Büffelochsen bespannt; mit solchem Fuhrwerk aber ließ sich nicht gut schwenken; glückte es vollends, daß man unter eine solche Bespannung ein paar Kugeln brachte, so war das Stück so gut als verloren. Sie hatten bey diesem großen Geschütz vielfältig nur acht passende Kartouschen im Protzkasten bey sich. Waren diese verschossen, so ward auf Gerathewohl eine Portion Pulver in hartes Papier gewickelt, in die Kanone gesteckt, aufgestoßen, mehrere kleine Kugeln von verschiedenem Kaliber in dieselbe hineingelassen und ein Stück fester Rasen statt Pfropfs drauf gesetzt. Von den auf diese Weise abgeschossenen kleinen Kugeln fielen einige nah, andere weiter und rollten auf der Erde fort, wie man denken kann, ohne Effekt. Die Deroute der türkischen Kavallerie zieht die Flucht ihrer Infanterie jedesmal nach sich, besonders wenn, wie gewöhnlich geschieht, ihre hinter kleinen Erdaufwürfen feststehende Artillerie durch die diesseitige zum Theil demontirt, und die in halben Mond aufgestellte dichtgedrängte Truppenmasse in gehöriger Schußweite mit Kartätschenfeuer geängstigt, vielfältig von ihrer eigenen fliehenden Kavallerie gedrängt und von der diesseitigen auf den Flanken bedroht wird. Was alsdann laufen kann, das läuft in panischen Schrecken ohne alle Ordnung davon, die auch bey dem gänzlichen Mangel an Subordination und an Disciplin gar nicht wieder herzustellen ist. Diejenigen aber, die einen festen Punkt finden, in welchem sie sich halten können, wehren sich gemeiniglich als Verzweifelte. Nach der Schlacht bey Foczan erreichten 400 Janitscharen das Kloster Samuel und hielten sich in demselben gegen die mit stürmender Hand eindringenden Oesterreicher, bis auch nicht ein einziger mehr von ihnen am Leben war."


Von Reisende..[]

Von einem Staabsoffiziere der brittischen Armee.

[1801]

Jetzt will ich Ihnen eine kurze Skizze der türkischen Armee geben, von welcher die Türken, wenn Sie nach deren Anzahl fragten, sagen würden: "sie sind so zahlreich, als die Sandkörner der Wüste," oder, nach den Sternen zeigend: "zähle sie," ungeachtet das ganze Corps, wovon sie sprechen, wirklich nicht über fünftausend Mann betragen mag.

Die Offiziere -- um mit diesen anzufangen, sind, etwa ein Dutzend ausgenommen, Leute von der niedrigsten Geburt, ohne Erziehung, Abentheurer, oder ehemalige Bediente von Großen in der Türkei, die Leute von Familie oder Eigenthum nur ungern verlassen, da sie lieber zu Hause, in Ruhe und Müßiggang versunken, ihre Weiber, ihre Pfeiffe und ihren Kaffee genießen. Auf einen solchen Offizier setzt der türkischen Soldat natürlich kein Vertrauen; er betrachtet ihn, und mit Recht, als ein eben so unwissendes Thier, als er selbst ist; hat nie Ehrerbietung für ihn, fürchtet ihn zuweilen, verachtet ihn aber immer. So ist der Subaltern-Offizier.

Einige ihrer Anführer fehlt es nicht an Verstand, sie sind hellsehend und listig. Dazu gehören der Pascha, der Caya Bey (Anführer der Mamelucken), und Taya Bey (Anführer der Albanier), und überdies sind diese Anführer eifrige, thätige Männer. Dagegen ist der Vizir, trotz seines angenehmen, in der That höchst artigen Betragen, völlig ein altes Weib, gut für seinen eigentlichen Posten, aber ganz unnütz an der Spitze einer Armee.

Auch ist der Mangel an geschickten Männern bei der türkischen Armee deshalb nicht befremdend, weil die Eifersucht oder das Mißfallen eines Augenblicks ihnen leicht den Kopf kostet; eine gewöhnliche Bestrafung in dem türkischen Lager, an die wir jetzt so gewöhnt sind, daß wir kaum mehr bei der Nachricht von mehreren unglücklichen Schlachtopfern schaudern, wie wir so eben ein Beispiel hatten, da vier oder fünf, die bei einer brittischen Schildwache vorbeidringen wollten, ihre Köpfe verloren.

Trotz dieser schrecklichen Art, Disciplin zu erzwingen, kann doch die türkische Armee nicht zusammengehalten werden, und in der That läßt sich kaum begreifen, wie es noch so geschehen kann, als es geschieht, wenn man die Art, wie sie zu Felde ziehen, betrachtet.

Eine gewisse Anzahl von Beys erhält Befehl, mit einer gewissen Anzahl von Leuten ins Feld zu rücken. Die Beys fordern dann ihre Leute auf, ihnen zu folgen; und diese müssen ihre eigene Pferde, Waffen, Geräthschaften, Munition und alle Bedürfnisse für eigene Rechnung mitbringen. Dieser vermischte Haufen versammelt sich dann um seinen Anführer; es werden Offiziere ernannt, Fahnenträger gewählt, vielleicht 30 bis 40 auf 200, da jeder kleiner Haufen seine Fahne hat, und alle folgen dann, vermischt in einem Haufen, einer einzelnen Fahne.

Die Ankunft verschiedener Horden dieser Art an dem Zelte des Vizirs (von dem sie immer eine Geschenk -- Backsheesch -- fordern), kündigt ihm die Errichtung einer Armee an, deren größerer Theil gewöhnlich Reiterei ist, da jeder, der ein Pferd aufbringen kann, -- und fast jeder Türke hat ein Pferd -- sich sogleich zum Dragoner macht, so daß die Infanterie vorzüglich aus Albaniern besteht, die in der That als leichte Truppen keineswegs schlecht sind, besonders wenn man sie in ein Dorf, einen Wald, eine Ruine, auf der Fronte oder der Flanke der Armee, legen kann. Aus einem solchen Posten lassen sie sich schwerlich treiben; aber als ein ordentliches, disciplinirtes und daher nützliches Corps gegen regelmäßige Truppen, lassen sie sich nicht brauchen. Sie schlafen immer am Tage und wachen des Nachts, bei Gesang und Spiel auf einer Art von Mandoline.

Fast jeder Soldat führt eine hölzerne Schaufel bei sich, und sobald die Armee Halt macht, wird sogleich eine Brustwehr aufgeworfen, ohne die sie sich nie sicher glauben, aus der sie aber auch schwer vertrieben werden können. Ihre Art, darüber zu raisonniren, ist nicht übel: "So lange ich mich dicht hinter diesem Werke halte -- sagen sie -- kann ich nicht getroffen werden; sobald ich aber davon laufe, bin ich weit und breit dem Schusse ausgesetzt." Die Art, sich durch eine Brustwehr zu decken, und einige Symptome der Todesfurcht, wie z. B. das rasche Weglaufen aus Gefechten, mögen vielleicht bei Ihnen Zweifel gegen ihre Meinung von der Vorherbestimmung erregen. Indessen ist es doch gegründet, daß einzelne Türken große Tapferkeit zeigen, und daß sich unter ihnen Leute finden, die, bei ihrem festen Glauben an das Paradieß, wie ihr Prophet es ihnen mit glühenden Farben geschildert hat, und folglich bei der Ueberzeugung, alle ihre Wünsche erfüllt zu sehen, wenn sie diese Welt verlassen, mit einem, den Christen unbekannten, fanatischen Eifer sich jählings in die Ewigkeit stürzen.

Will der Vizir weiter rücken: so läßt er als Signal zum Marsche drei Kanonen anfeuern; sie brechen dann auf, und verbreiten sich über die ganze Fläche, auf der sie marschiren, bis sie, nachdem wieder drei Kanonen abgefeuert worden, halt machen, und zwar jeder, wo er es am bequemsten für sich findet, ohne irgend einen Anschein von Ordnung oder Regelmäßigkeit, ausgenommen, daß sie regelmäßig unregelmäßig verfahren.

Als eine Probe ihrer Subordination, ihrer Thätigkeit und ihres Eifers, muß ich anführen, daß sie allenfalls, selbst auf dem Marsche gegen einen Feind, aus eigener Willkühr Halt machen, um nicht durch das Warten auf die Erlaubniß ihres Befehlshabers Zeit zu verlieren; -- sich niederlassen, ihre Feuer und ihre Pfeiffen anzünden, ihrer Kaffee machen und trinken. Dies geschah auf unserem Marsche zum Angriff auf Rhamanié, und bei ihrer am besten disciplinirten Armee. Wenn aber eine solche Unregelmäßigkeit und Verwirrung bei ihnen in einen verhältnißmäßig ruhigen Zeitpunkte statt findet, wie muß es in Schlachten hergehen?

Daß eine so zusammengesetzte und so organisirte Armee von einer europäischen, die nur ein Drittheil so stark ist, geschlagen wird, kann nicht befremden. Durch individuelle Tapferkeit werden die Türken nie vermögend seyn, europäischen Truppen Widerstand zu leisten; sie müßten sich bemühen, in regelmäßigen Corps zu agiren, und so in ihre Bewegungen eine verstärkte Kraft zu legen.

Schon hat der Pascha, mit Unterstützung einigen teutschen Renegaten, das Geschäft begonnen, zwei seiner Regimenter, die sich ungefähr auf 1000 Mann belaufen, zu discipliniren; und durch die Thätigkeit der commandirenden Offiziere wurde die Bildung dieser Corps größtentheils vollendet, seitdem sie mit uns agiren; sie bewegen und formiren sich mit ziemlicher Regelmäßigkeit, brauchen das Bajonet (das den übrigen Türken fehlt), und können, wenn man sie mit ihren übrigen Corps vergleicht, wirklich disciplinirt genannt werden. Uebrigens zweifle ich nicht, daß der Pascha, im Falle er Vicekönig von Aegypten werden sollte, wornach er zu streben scheint, alles aufbieten wird, diese Disciplin zu erhalten, und nach diesen zwei Regimentern andere zu errichten. Auch dürfte es ihm gelingen, eine regelmäßige und wirksame Kriegsmacht aufzustellen, wenn er von der Pforte gehörig mit Leuten und Geld unterstützt würde. Daran ist aber zu zweifeln; bis auf einen gewissen Punkt würde man ihn wohl unterstützen, um die Mamelucken in der Unterwürfigkeit zu erhalten; dann aber würde man aus Eifersucht ihn hülflos lassen, um nicht einen zweiten Dgezzar Pascha aus ihm werden zu sehen. *)

*) Wie weit es mit der fernern Disciplinirung der türkischen Truppen unter diesem Pascha gekommen ist, läßt sich hier nicht angeben; wie es aber diesem Pascha nachher in Aegypten gieng, ist aus den öffentlichen Blättern bekannt. d. Ueb.

Die Art, das Wasser für die Armee in Aegypten herbeizuschaffen, ist trefflich. Außer der Quantität, die jeder Soldat mit sich nimmt, hat jedes Corps eine gewisse Anzahl von Pferden, Mauleseln und Kameelen, die mit Wasser beladen werden, das in Büffelhäute gegossen wird, die vorn und hinter offen, übrigens aber so fest zugenäht sind, daß kein Tropfen heraus laufen kann.

Wenn die Armee Halt macht, schlagen sogleich eine Menge Leuten aus dem Trosse (der vielleicht den Fechtenden an Zahl überlegen ist) Buden auf, und legen regelmäßige Kaffeehäuser (oder vielmehr Kaffee-Gesellschaften) an. -- Mehrere dieser Kaffeeschenken gesellten sich zu unserer Armee; und sie waren uns -- da es an geistigen Getränken fehlten -- willkommen. Eine Tasse Kaffee kostete nur zwei Paras.

Um die obige Darstellung der Subordination bei der türkischen Armee noch etwas vollständiger zu machen, will ich noch einen Umstand beifügen. Der Vizir darf es nicht wagen, eine dieser Horden von Wilden, die als ein unordentlicher Haufe unter einem Bey, oder Pascha in sein Lager kommen, zu mustern, so daß man ihm, wenn 500 kommen, sagt, es wären 1500 gekommen, der commandirende Offizier aber die Löhnung für die angegebene Anzahl ziehen kann. Als vor einiger Zeit der Vizir ein Regiment Albanier mustern wollte, erregten sie einen Aufstand, und schossen in sein Zelt; -- ein nicht ungewöhnlicher Fall, wenn sie Beschwerden zu haben glauben, -- so daß die Ruhe nur erst wieder hergestellt wurde, nachdem einige ihre Köpfe verloren hatten.

Die Stärke der Armee des Vizirs leidet beständig durch Desertion (wie auch durch Enthauptungen) ganze Horden gehen gemeinschaftlich davon. Doch erhält er, wiewohl eben nicht wirksamen, Ersatz durch asiatische Türken, und durch schwärme von Arabern. Durch die Wüste zwischen El Arisch und Salagleigh zog er mit einer Armee von 11,000 Mann; und gegenwärtig hat er beinahe 30,000 Mann, da ganze Stämme von Arabern sich zu ihm geschlagen haben, in der Hoffnung, und mit dem ausdrücklichen Vorsatze, Cahira zu plündern. Da wir sie aber nicht plündern zu lassen gedenken, so hat er vielleicht in einer Woche nur noch 10,000 Mann.

Aus diesen Bemerkungen sehen Sie, wie es mit der Armee des Vizirs steht. Die des Pascha ist jedoch etwas besser. Sie besteht aus ungefähr 4000 Mann Infanterie, wovon 1000 Mann reguläre Truppen sind, 5 bis 600 Mann Cavallerie, von der Armee des Vizirs, und aus Mamelucken, die mit ihm agiren. *)

*) Auch andere Engländer, welche die türkischen Truppen in der Nähe beobachteten, haben von der schlechten Verfassung dieses Militärs ähnliche Schilderungen geliefert; außer Wittmann, besonders Morrier, Privatsekretär des Grafen Elgin, der sich bei der gegen Aegypten anrückenden Armee des Großvizirs befand, in seiner (1802 verteutschten) Schrift über den Feldzug der Türken in Aegypten, vom Februar bis zum Juli 1800. Hier ist eine Zeuge mehr von einem Offizier der Armee der Bundesgenossen. d. Ueb.

Bei dieser Gelegenheit mag Einiges über die Mamelucken, als ein ergänzender Nachtrag zu Volney's Nachrichten, folgen.

Der gegenwärtige Befehlshaber ist Osman Bey. Er war der Nachfolger Murad Bey's, der eben starb, als die brittische Armee sich in Bewegung setzte, um Rhamanié anzugreifen, so daß die Nachricht von seinem Tode an demselben Morgen nach Rosette kam, an welchem die Armee abmarschirte. Dieser Osman wird jetzt von den anderen Beys Tambourjee genannt, weil er ehedem Trommelschläger war. unter ihm stehen mehrere Beys, deren jeder eine Anzahl von Mamelucken commandirt; ihre Zahl überhaupt ist aber so sehr vermindert, daß es zweifelhaft ist, ob sie im Stande seyn werden, in dem Lande wiederum die Obergewalt zu gewinnen, die sie ehedem, nicht durch ihre Menge, sondern durch ihre Tapferkeit, furchtbare Stärke und Gewandtheit in Kriegsübungen so lange behauptet haben. Ihre gegenwärtige Stärke beträgt nicht über 1200 Mann wirklicher Mamelucken, von denen gegenwärtig nicht mehr als 800 bei der Armee sind, ungeachtet Osman Bey mit beinahe 3000 Mann, größtentheils Arabern zu uns gestoßen ist; die übrige 400 Mamelukken, die krank und in Oberägypten zerstreut sind, lassen sich jetzt nicht in Anschlag bringen, so daß die Türken jetzt ihren Händen die Macht, wenigstens auf einige Jahre entreißen könnten, wenn sie das Spiel verstehen; und die Politik würde dazu unsere Zustimmung fordern; denn die Mamelucken können jetzt nicht leicht recrutirt werden, da die Türken jährlichen Ankauf von Sklaven in Konstantinopel für Aegypten, die Russen aber die Ausfuhr von Sklaven aus Georgien, von woher gewöhnlich die mehrsten Mamelucken kommen, verboten haben.

Ihr Aeußeres ist wahrhaft prächtig, nichts kann glänzender und reicher seyn, als ihr Anzug und ihre Rüstung. *) Ihre Pferde sind schön, (so verschieden sie auch von den gewöhnlichen sind) in der besten Ordnung, und werden mit so viel Anstand, und Gewandtheit behandelt, daß ihre Uebungen ein sehr sehenswerthes Schauspiel sind. Den Säbel wissen sie so geschickt zu führen, daß es eine ihrer gewöhnlichen Uebungen ist, einen lose hängenden Faden durchzuhauen, wozu eine ausserordentliche Geschicklichkeit gehört. Einen Ballen Baumwolle hauen sie mit einem Striche durch, und man hat mich für gewiß versichert, daß Murad Bey, mit einem einzigen Säbelhiebe, den Kopf eines ungeheuer großen Büffels vom Rumpfe trennte. Ihre Säbel sind aber auch von vorzüglicher Güte, und hoch im Preise, so daß manche wohl tausend Thaler kosten.

*) In Denon's Reise findet man Abbildungen davon. d. Ueb.

Unter den Mamelucken kann, so wie bei den Türken der, der heute Hausknecht ist, Morgen Bey, oder auch Oberbefehlshaber seyn. Erbrecht gilt bei ihnen nicht, im Gegentheil überlassen sie, ohne Widerrede ihren Wohlstand und ihre Macht jedem Mamelucken, dem es gelungen ist, der Liebling des Oberbefehlshabers zu werden, wiewohl sie im Ganzen darauf sehen, daß das Obercommando an einen Bey kommt, der, ausserdem daß er der Liebling gewesen ist, auch Macht genug hat unter seinem Kommando den boshaften Willen, den Eifersucht erregen dürfte, und Blutvergießen, das unvermeidlich daraus entstehen würde, zu verhindern. Osman Bey Tambourjee hatte die mehrsten Mamelucken unter seinem Commando, und fand daher als Nachfolger Murad Bey's, keinen Widerstand.

Wäre übrigens nicht die Armee des Generals Baird auf dem Marsche aus Oberägypten zu der unserigen gewesen, wodurch die Mamelucken zwischen beide brittische Armeen kamen, so würden sie wahrscheinlich ihre Vereinigung mit uns noch verschoben haben, vielleicht bis zur Entscheidung des Schicksals von Cahira, so vortheilhaften Eindruck auch unsere glänzenden Siege auf die gemacht hatten, wie man aus verschiedenen Briefen an Sir Sidney Smith sah, mit dem Murad Bey und sein Nachfolger in beständigem Briefwechsel waren, und dessen Entfernung von der brittischen Armee -- ein Werk der Eifersucht des Paschas -- sie sehr bedauerten, da sie in ihm ein unbeschränktes Vertrauen setzten.

Der Mann, der gegenwärtig alle Geschäfte der Mamelucken leitet, ist ein Schwarzer. Er war ein Sklave, wenn ich nicht irre, in Abyssinien gekauft; aber Murad Bey's durchdringendes Auge ließ seine Talente nicht unbedeckt; er fand an ihm bald einen hellsehenden, und listigen, thätigen, und kühnen Mann, wie er ihn eben für den Posten eines Ministers brauchte.

Das Urtheil des alten Beys war richtig; dieser Schwarze, Caya Bey genannt, wurde bald so nützlich, und in der Politik so gewandt, folglich so nothwendig, daß er ihre Angelegenheiten gänzlich und allein besorgte; und Murad Bey setzte auf ihn ein so unbeschränktes Vertrauen, daß er ihm auf seinem Todesbette den Schutz, und das Interesse seines Nachfolgers Osman Bey's, und die Aufsicht über das Mameluckencorps vermachte. *)

*) Er wurde nachher, mit mehreren anderen Mamelucken-Beys von den Türken mit ausgezeichneter Feindschaft ermordet; er starb mit Wunden bedeckt, denn sein Widerstand hörte nur mit seinem Leben auf. d. Verf.

Ungeachtet die Tyrannei der Mamelucken gegen die Araber sehr groß, und vielleicht stärker noch war, als die, der Türken, unter welcher sie jetzt seufzen, so schien sie ihnen doch nicht so unerträglich; Gewohnheit hatte sie daran gewöhnt; aber mit eifersüchtigem Auge sahen sie auf die Türken, die ihrerseits mit Verachtung auf sie herabblicken; und ich glaube, daß, wenigstens in einigen Fällen, die Beschwerden der armen Dulder von den Mamelucken Beys gehört werden, deren Interesse es ist. Einen anderen Beweggrund haben sie wohl nicht, es mit dem Volke zu halten, unter welchem sie beständig leben. Dagegen glauben die Türken, die Einwohner eines Landes, gegen das sie keine natürliche Zuneigung fühlen, nicht genug plündern und unterdrücken zu können; und darin liegt wohl der Grund, daß das Volk die Bedrückungen der Mamelucken geduldig erträgt.

Erstaunen werden Sie wahrscheinlich, wenn ich Ihnen sage, daß mehrere französische Soldaten zu den Mamelucken übergegangen sind. Wie sie so verworfen seyn können, ist mir unbegreiflich; aber man sagt, daß sie sich nicht nur alle Demüthigungen, sondern auch Schändlichkeiten gefallen lassen. Wahrscheinlich werden wir diese französischen Soldaten nicht im Lande bleiben lassen; indem ihr Aufenthalt dürfte sehr unglückliche, und wichtige Folgen haben. Denn da Jedermann das Haupt der Beys werden kann: warum sollte nicht einer dieser intriganten Franzosen, der vielleicht absichtlich zu den Mamelucken geschickt seyn dürfte, durch Talent, geistige und körperliche Thätigkeit und Kraft, so viel Einfluß sich verschaffen können, daß er die Herzen der Mamelucken gewänne, und sich nicht nur den Franzosen geneigt machte, sondern diesen auch die Verbindung, und den Beistand der Mamelucken für irgend eine künftige Periode sicherte, da Frankreich einen neuen Versucht zur Eroberung des Landes machte. *)

*) Diese Besorgniß scheint anfangs übertrieben; denkt man aber an den Einfluß, den der Franzose Veron sich in Ostindien zu verschaffen wuste, (s. Archenholzen's Minerva 1805. IX.), so kann man dem Engländer nicht ganz Unrecht geben. Gelegentlich wollen wir übrigens noch an Reynier's Bemerkungen über die Mamelucken im Anhange zu Collards Reise (S. 598 ff.) und in seiner Schrift über Aegypten nach der Schlacht bei Heliopolis (Berlin 1802 S. 66 bis 77. 251) wie auch an Olivier (II. S. 241 bis 44) erinnern. d. Ueb.

Ein unglücklicher Franzose, der lange vor unserer Ankunft desertirt war, um sich zu den Mamelucken zu begeben, kam in unser Lager bei Alexandrien mit einem Haufen Araber, bei welchen er vierzehn Monate in der Wüste gelebt hatte. Der arme fast ausgehungerte Kerl hatte noch kaum das Ansehen eines menschlichen Geschöpfs; sein Bart und sein arabisches Gewand paßte zu der, durch seine Lumpen hervorstechenden weißen Haut des Europäers keineswegs, und stach gegen die offenen von der Sonne verbrannten Theile seines Körpers grell ab. An seinem ursprünglichen Vorhaben hinderte ihn eine Krankheit, die ihn in der Wüste überfiel, wo einige Beduinen-Araber ihn in einem so kläglichen Zustande fanden, daß das Mitleid ihre übrige Gefühle besiegte, und sie sich seiner so annahmen, daß er bei ihnen blieb. Doch gestand er, daß ihre Lebensart selbst für einen Soldaten der Armee des Orients, zu frugal sey. Wir kleideten ihn, und schickten ihn aufs Schiff.

Doch ich kehre wiederum zu den Mamelucken zurück. Ein Beispiel von ihrer Tyrannei, und ihrer Verdorbenheit zugleich ist unter anderen folgendes. Die Kaufleute von Cahira hatten bei Gizé kleine Landhäuser, wohin sie sich zur Erholung von der Hitze in der Stadt und von dem Handelsgewirre begaben; sie wurden aber von dort durch Murad Bey vertrieben, der sein Hauptquartier dort anlegte. Von dieser Zeit an wurde die Gegend ein Kloak von Verdorbenheit und Liederlichkeit; die Leute des Beys betrugen sich auf eine Art, daß man davor zurückschaudert. Auch erzählte ein Italiäner, der bei den Mamelucken gegen die Franzosen diente, solche Greuelscenen von ihnen, daß mir das Blut in den Adern starrte.

Dagegen muß man ihnen als Soldaten Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Die Franzosen gestehen, daß ihre Cavallerie -- ohne Zweifel die schönste europäische, die je in Aegypten focht -- nicht in gleicher Zahl mit den Mamelucken fechten durfte. *) Sobald sie sich mit uns vereinigt hatten, wurden sie sehr wirksame Freunde. Ihrem Beistande hat die Armee des Generals Baird es zu danken, daß sie sich mit uns vereinigen konnte; und durch ihren Einfluß, und die Wirksamkeit des Osman Bey Berdici, der dem Generale entgegen marschirte, wurden alle Bedürfnisse, Kameele und Boote herbeigeschafft. Ohne seine Hülfe würde uns dies unmöglich geworden seyn. So viel von unseren neuen Alliirten.

*) Ob dieß buchstäblich wahr sey, mag dahin gestellt bleiben; gegründet ist es jedoch, wie sich auch aus Denon's Nachrichten ergiebt, daß die Franzosen der Tapferkeit der Mamelucken Gerechtigkeit wiederfahren ließen. d. Ueb.


Von Reisende..[]

William Wittmann.

[1799 - 1802]
Eilftes Kapitel.

Die Armee des Großveziers -- Die vornehmsten Offiziere -- Verschiedene Volkskasten -- Handwerker und Bediente -- Unsicherheit der Größe im türkischen Reiche -- Fahnen -- Derwische -- Auffallender Aberglaube der Türken -- Sage in Bezug auf den Umsturz des türkischen Reiches -- Ursprung und gegenwärtiger Zustand der Janitscharen -- Die Arnauten -- Leichte Reiterei -- Freiwillige -- Religiöse Sektirer, die der Armee folgen -- Plünderer -- Mamelucken -- Arabische Kameeltreiber -- Hang zur Dieberei bei den Arabern -- Tartarn -- Ehrenwachen -- Allgemeiner Charakter der Türken -- persönliche Tapferkeit -- Aberglaube -- Mäßigkeit -- Große Neigung zum Kaffeetrinken und Tabaksrauchen -- Spiele -- Sold und Unterhalt der Soldaten -- Elender Zustand der Arzneikunde unter den Türken -- Reitkunst.

Die vormehmsten türkischen Offiziere, die im Lager unter dem Großvezier standen, waren folgende:

Der Seraskier *) Mahomed Pascha, Pascha von drei Roßschweifen.

*) D. i. Haupt des Kriegsheeres.

Der Charcagis *), Taher Pascha, Pascha von zwei Roßschweifen.

*) Dies soll wohl Tschorbadgi d. i. Obrister heißen. D. Ueb.

Der Yenecheri Agassi, oder Janitscharen Aga; dieser hat den Rang eines Paschas von zwei Roßschweifen und ist Oberbefehlshaber der Janitscharen.

Der Jebigis Bashi, oder Proviantcommissair, Pascha von einem Roßschweife.

Der Topgis Bashi, oder Befehlshaber der Artillerie.

Der Arabaghir Bashi, oder Oberaufseher der Kanonenwägen.

Der Cumbaraghis Bashi, oder Befehlshaber der Bombardierer.

Der Lakemgis Bashi, oder Befehlshaber der Minirer.

Der Seymen Bashi, oder zweiter Befehlshaber der Janitscharen.

Der Cul Caiyahsi, der soviel ist, als bei uns die Offiziere, die die Aufsicht über den Preßgang führen.

Der Cadi Asker, oder Kriegsrichter, der sich nur gelegentlich bei der türkischen Armee befindet.

Der Etchi Bashi, oder Koch-Bashi.

Der Samsungis Bashi, oder vornehmste Hundewärter.

Der Zahergis Bashi, oder zweite Hundewärter.

Ausserdem befanden sich noch viele andere Personen im Lager, die ich nicht nöthig habe, anzuführen. Mehrere darunter waren nicht von dem geringsten Nutzen. Von dieser Art sind sogleich die beiden zuletzt erwähnten Hundewärter, dich ich blos der Sonderbarkeit wegen mit aufgezählt habe. Ehemals befanden sich jedesmal eine Menge Hunde in einem türkischen Lager, die den Soldaten angehörten; ob nun aber jetzt dies gleich nicht mehr gewöhnlich ist, so blieben doch noch immer ihre Aemter und Besoldungen. Das Amt des Tournaghis Bashi, oder Vogelwärters, der die Vögel zu besorgen hatte, die man mit ihn Lager brachte, ist jetzt abgeschaft.

Der Name von den meisten dieser Offiziere zeigt die verhältnißmäßige Wichtigkeit ihrer Posten an. Einen oder ein Paar aber muß ich jedoch noch besonders erwähnen.

Der Cadi Asker ist in Ansehung seiner richterlichen Würde eine große und wichtige Person in der türkischen Armee. Er ist in allen entstehenden Streitigkeiten, sowohl bürgerlichen als militärischen, und in allen gesetzmäßigen Untersuchungen der höchste Richter. Man darf jedoch nicht glauben, daß sein Ausspruch unter einen solchen despotischen Regierung, wie die türkische ist, besonders in Militärsachen, nicht einer großen Einschränkung unterworfen sey. Eine Vorstellung von seiner Tracht findet man auf der X Platte.

Der Etchi Bashi, oder der Koch der Janitscharen, hat bei einer türkischen Armee einen hohen Rang. Um sein Ansehen noch mehr zu erhöhen trägt er gewiße Kennzeichen und charakteristische Unterscheidungen bei sich, die ihm ein höchst lächerliches Aussehen geben. Er trägt ein großes Kleid von schwarzgefärbtem Leder, das ganz mit Wappen von plattirtem Metal bedeckt ist. Es erhält hierdurch eine solche Schwere, daß ihn an Ceremonientagen, wo er mit allen Insignien seiner Würde geschmückt ist, welche nebst seinem schweren Kleide und seinem übrigen schweren Anzuge, der auch mit Metalplatten bedeckt ist, eben so beschwerlich und lästig sind, beim Gehen zwei Leute unterstützen müßen. Dieser Officier, der bei seinem Corps eben so sehr gefürchtet als geehrt ist, theilt den Janitscharen die Stockschläge aus, wenn sie dergleichen als Strafe erhalten. Die XI Platte wird eine deutlichere Vorstellung von dem Anzuge dieser sonderbaren Person geben, als dies jede Beschreibung zu thun im Stande ist.

Bei einer türkischen Armee trifft man Gesichter von allerhand Farben, schwarze, Kupferfarbene, olivengelbe, lohfarbene, gelbe und weiße an; eben so bemerkt man eine große Verschiedenheit in den Gesichtszügen und eine ausserordentliche Mannichfaltigkeit in der Gestalt und Größe unter derselben; dies rührt von der buntschäckigen Zusammensetzung her, aus welcher ein türkisches Heer besteht, worunter es Leute von so vielen verschiedenen Nationen gibt. Die verschiedenen Gesichtsfarben hängen folglich von den verschiedenen Himmelsstrichen ab, unter welchen die Truppen angeworben sind. Die Afrikaner sind schwarz; hiervon sind bloß diejenigen ausgenommen, die aus den mehr nördlichern Gegenden Afrikas abstammen und die, ob sie schon krause wollige Haupthaar der Neger haben, doch im Gesichte lohfarben aussehen. Man hat behauptet, diese Völker stammten von Colonien her, die aus verschiedenen Theilen Europens und Asiens nach ihrer jetzigen Wohnplätzen eingewandert wären. Sowohl die Aegypter als die Bewohner Asiens, Syriens, Diarbekrs u. s. w. sehen ebenfalls dunkel oder lohfarben aus. Unter die Weißen gehören nicht allein die Europäer, sondern auch die Einwohner Armeniens, Natoliens, Georgiens und der Tartarey. Die Georgier sind mit Recht eben so sehr wegen ihrer schönen Gesichtsfarbe als wegen ihrer regelmäßigen Gesichtszüge berühmt. Viele Beduinen unterscheiden sich in Ansehung der Farbe so sehr von ihren Landsleuten, daß sie fast schwarz aussehen. Die Anzahl von Handelsleuten, Bedienten, Aufwärtern und von Gefolge aller Art ist bei einer türkischen Armee so beträchtlich, daß, wenn man die Armee zwanzig tausend Mann stark rechnet, man beinahe die Hälfte davon abziehen muß, um ihre Größe und Stärke richtig zu bestimmen, wenn sie ins Feld rücken soll. Jedes Oberhaupt und jeder Pascha ist beständig von einem sehr großen Schwarme von Bedienten umringt, die ihre Augen beständig auf ihn gerichtet haben, um seinen Wink aufzufassen und sogleich seine gebieterischen Befehlen zu vollziehen. Nach der Menge der Begleiter, die um ihn herumschwärmen, beurtheilt man seine Größe und sein Ansehen. Allein die Dauer seiner Größe ist sehr ungewiß; man sollte daher glauben, daß sie weder Neid noch Eifersucht erregen könnte; denn hat er sich etwan bei einer wichtigen Gelegenheit ausgezeichnet, so ist es nur zu oft der Fall, daß sein ausgezeichnetes Verdienst die Ursache der schändlichsten Verfolgungen von Seiten seiner Obern gegen ihn wird. Auf diese Art wird er in seinen Absichten getäuscht und in seinen Erwartungen betrogen; man ergreift die erste beste Gelegenheit, um ihn gänzlich zu Grunde zu richten und seine schändliche Rachsucht an ihm zu befriedigen. Man gibt ihm z. B. einen Auftrag auf, bei dessen Ausführung er unüberwindliche Schwierigkeiten antrifft und wo er also nothwendig scheitern muß. Ist dies geschehen, so entsezt man ihn seines Amtes, nimmt ihm seinen Rang, raubt ihm sein Vermögen und bei allen seinen Leiden kann er sich noch glücklich schätzen, wenn ihm seine grausamen Verfolger das Leben lassen. Der Glaube der Türken, daß der glückliche Ausschlag allen Handlungen eine göttliche Sanktion ertheile, läßt es ihnen nicht an Gründen fehlen, die schändlichen Verbrechen zu entschuldigen.

Es kann nicht anders seyn, als daß eine solche Menge unnützen Volkes bei einer türkischen Armee viele Nachtheile haben, so wie sie auch gelegentlich Mangel an Lebensmitteln verursachen muß. Während man so aufmerksam auf alles das ist, was auf die äußere Pracht Bezug hat und was man wohl sonst den schwelgerischen Bewohnern des Morgenlandes verzeihen würde, vernachläßigt man alles, was sich auf die Errichtung von Depots, die Anlegung von Magazinen u. a. m. bezieht. Daher ist es nicht selten der Fall, daß in einem türkischen Lager eine Hungersnoth entsteht, wie ich selbst erlebt habe.

Jeder Bascha und jedes Oberhaupt hat seine besondere Fahne, die sehr groß ist; auch die Derwische, die die türkischen Heere begleiten, haben ihre geheiligten Paniere, die gewöhnlich grün aussehen. Ausserdem hat jede kleine Compagnie, die aus fünf und zwanzig bis dreisig Gemeinen besteht, welche zur Infanterie gehören, noch eine kleine Fahne. Bei den Arnauten sind diese kleinen Fahnen noch zahlreicher. Die nothwenige Folge einer solchen Menge von Fahnen, Standarten und Panieren ist, daß diejenigen, die sie tragen, nicht allein die Armee bei einer Schlacht beträchtlich vermindern, da sonst eine größere Anzahl am Gefechte Theil nehmen könnte, sondern auch die Kriegsunternehmungen erschweren und hindern müßen. Wie sehr verrechnen sich daher die Türken, die glaubten, daß die Fahnen nicht allein die Pracht und Größe einer Armee vermehren, sondern auch dem Feinde Furcht und Schrecken einjagen.

Ein türkisches Lager ist des Nachts von einer Art von großen Laternen erleuchtet, die aus eisernen Reifen bestehen und an langen Stangen befestigt sind. Mehrere solche Laternen, in denen man Lappen brennt, die in Fett, Oel oder eine harzige Substanz getaucht sind, stehen in der Fronte vor jeder Zelte eines Paschas. In der Ausstellung und Anordnung der Wachen, so wie in der Vertheilung der Zelte, und überhaupt in allem, was durchaus zur Sicherheit erfoderlich ist, sind die Türken so ausserordentlich nachläßig und unaufmerksam, daß sie alle Augenblicke, besonders aber in der Nacht, überfallen werden können. In einem solchen Falle muß nothwendig der panische Schrecken das ganze Lager in die größte Verwirrung bringen, da man unmöglich die Armee dort wieder sammeln und zu einem Ganzen vereinigen kann, wo man weder Ordnung noch Methode in der Vertheilung der einzelnen Theile beobachtet. Daher kann nichts die Fortschritte des Feindes aufhalten, der des Nachts vorsichtig ins Lager einzudringen versucht, und sie Zeltstricke entzwei hauet; er kann versichert seyn, daß er die größte Niederlage unter den Truppen anrichtet. Ob das Gefecht mehr oder weniger schrecklich ausfällt, dies thut nichts zur Sache, genug, der Ausgang bleibt doch derselbe, nemlich, das Lager wird verlassen, und man läßt Gepäcke und Artillerie dem Feinde zurück. Die schreckliche Niederlage, welche vierzehn tausend Türken den 17 Sept. 1769. erlitten, rührte von ihrem unvorbereiteten Zustande in ihrem Lager her; weshalb sie auch einen nur sehr schwachen Widerstand leisten konnten. Anstatt sich zu vertheidigen, kroch der größte Theil derselben unter den Zelten weg, wo sie sich mit dem Bajonnette niederstechen ließen, ohne daß sie ihre Sieger um Gnade angefleht hätten. Während des lezten Krieges in Aegypten ereignete sich bei Abukir ein eben so trauriger Vorfall, wo viele tausend Türken, die sich in ihrem Lager hatten in Unordnung bringen lassen, eilig die Flucht ergreifen wollten und sich ins Meer stürzten.

Die Türken, die voller Aberglauben sind, tragen beständig sowohl im Lager und im Felde, als auch an jedem andern Orte gewisse Talismane bei sich, die vorzüglich in Sprüchen aus dem Koran bestehen. Diesen schreiben sie sehr ausserordentliche Kräfte zu und sehen sie als Schutz- und Rettungsmittel gegen jede Gefahr an, in die sie etwa gerathen können.

Sie glauben steif und fest an eine alte Prophezeihung, von der man nach ihren Sagen einen Theil auf dem Grabe eines Santons eingehauen gefunden hat, und welche ungefähr folgenden Inhaltes ist: "Das türkische Reich wird von den Russen zerstört werden, die erste Schlacht, die zwischen den beiden streitenden Mächten vorfällt, wird von den Türken an den ufern des Dnisters verloren werden; eine zweite Schlacht, die in der Nähe von Constantinopel geliefert wird, fällt wieder zum Nachtheile der Othomanen aus; und ihre Kaiser sind endlich genöthigt, ihren Aufenthalt zu Damaskus zu nehmen." Werden sie daher von den Rußen in einem künftigen Kriege überwunden, so kann man dies vielleicht nicht sowohl auf den unvollkommnen Zustand ihrer Taktik, auf ihre elende Aufführung im Felde, oder auf die Tapferkeit ihres Feinde, als vielmehr auf die grundlosen und abergläubischen Vorstellungen schieben, denen sie aus Schwachheit Gehör geben.

Der Ursprung eines solchen ausserordentlichen militärischen Corps als die Janitscharen sind, hat mit Recht die Neugierde erregt; man wird jedoch sehen, daß es mit andern Einrichtungen fast einerlei Ursprung hat. Amurat I. fand es zum Schutze und zur Erhaltung seines reiches für nöthig, eine furchtbare und gut disciplinirte Miliz zu errichten, wovon ein Theil zur Sicherheit seiner eigenen Person bestimmt war. Er suchte daher jeden fünften Knaben, der das funfzehnte Jahr erreicht hatte, unter den christlichen Einwohnern von Bulgarien, Macedonien und den griechischen Provinzen aus, welche auf diese Art ihm nach der verhältnißmäßigen Anzahl ihrer Bewohner einen Tribut liefern mußten. Diese Kinder wurden sorgfältig in der mahomedanischen Religion unterrichtet und eine gewiße Anzahl von Jahre bei den Landleuten, deren Aufsicht sie übergeben wurden, an beschwerliche Arbeiten gewöhnt. Nachmals wurden sie im Gebrauche der Waffen unterrichtet, und damit sie sich an Blutvergießen gewöhnten und ihr Charakter wild und grausam würde, übten sie ihre Waffen an den Körpern der Kriegsgefangenen oder der verurtheilten Verbrecher. Sie erhielten den Namen Hadjemoglar oder Kinder der Fremden. Dieser persönliche Tribut, den die Christen bezahlen mußten, wurde endlich in eine Geldabgabe verwandelt und die Janitscharen wurden durch Freiwillige ergänzt, wovon man neuerlich den größten Theil aus den untersten Volksklassen genommen hatte; sie befinden sich daher jetzt in einem sehr herabgesunkenen Zustande, wenn man sie mit dem vergleicht, was sie bei ihrer anfänglichen Errichtung waren. Das Wort Janitschar kommt von den Wörtern Yeni-asker her, welche in der türkischen Sprache soviel als Neugeworbene bedeuten.

So sehr aber auch die Janitscharen wegen den Abweichungen von ihrer ursprünglichen Einrichtung und von der Mannszucht, die sie ehemals so furchtbar machte, von ihrem Rufe verloren haben, so sind sie doch noch die besten und regelmäßigsten Truppen unter der türkischen Armee. Zugleich sind sie besser und einförmiger gekleidet und gerüstet. Sie haben eine kurze Flinte mit einem gezogenen Rohre, die sie über die Schultern geworfen tragen, und die kein Bayonnet hat. Das Schießen mit diesen Flinten, die größtentheils zu Damaskus verfertigt werden, kann nicht schnell von Statten gehen, weil sie viele Zeit zum Laden erfodern. Die übrigen Waffen der Janitscharen bestehen in einem großen Messer oder Dolche und einem Paar Pistolen, die in dem Gürtel stecken, welchen sie um den Leib gebunden haben. Manchmal führen sie auch Degen. Bei besondern Gelegenheiten tragen sie eine große sonderbare Mütze von weißem Filz, mit einem langen Läppchen hinten, das nachlässig auf dem Rücken hinunter hängt und vorne eine kupferne Röhre, die für den Löffel zum Pillauessen bestimmt ist, dergleichen der Etchi Bashi auf der XI Pl. trägt. Da ihre Pumphosen weit enger als diejenigen sind, welche insgemein die Türken tragen, so sind sie beim Gehen nicht so hinderlich. Während des Sommers tragen sie ihre Beine nackt; dies ist auch der Fall mit den Armen, die sie bis an die Schultern entblößt haben. An den Füßen tragen sie rothe Pantoffeln und gelegentlich haben sie sich auch in einen dünnen Mantel gehüllt. In ihren Zelten sitzen oder liegen sie auf einem kleinen türkischen Teppiche, und können sie diesen nicht bekommen, auf einem Schaaffelle. Auf dem Marsche führen sie ihr Wasser entweder in einer blechernen oder in einer ledernen Flasche bei sich.

Die Anzahl dieser Truppen ist sehr verschieden angegeben worden. Einige haben über hundert tausend Mann geschäzt. Andere haben behauptet, sie beliefen sich bloß auf vierzig tausend Mann. Jede Odah *), oder jedes Regiment hat eine Fahne oder Kennzeichen, wodurch es sich von den Andern unterscheidet. Diese Kennzeichen haben einigermaßen etwas Charakteristisches, wie es bei der ein und dreisigsten Odah der Fall ist, wo der Anker auf der Fahne soviel bedeutet, daß dies Regiment zum Seedienst bestimmt ist. Auf einige Fahnen findet man sehr sonderbare Symbole, als Vögel, Fische, Thiere, Säbel u. s. w. Gelegentlich sieht man auf diesen Fahnen auch die Wappen der Provinzen, in denen die Regimenter angeworben worden sind und deren Namen sie führen. Die Stärke jeder Odah hängt größtentheils von ihrer Berühmtheit ab.

*) Odah heißt eine Kammer. Der Uebers.

Im Treffen sorgen die Janitscharen nicht so sehr für die Rettung ihrer Fahnen, als vielmehr der großen kupfernen Kessel, wovon jedes Regiment zwei hat, die sich allemal vor der Fronte seines Lagers befinden, wozu noch ein Schaumlöffel, ein Kochlöffel und eine Art von Hellebarde gehört. Sie haben zwei Paar solcher Küchengeräthschaften, um gegen jeden Unfall geborgen zu seyn; diese hält man für so heilig, daß sie denjenigen, die bei ihnen einen Zufluchtsort suchen, eine Art von Schutz verschaffen. Gehen beide Paar verloren, so wird das Regiment abgedankt. Auf dem Marsche werden die Kessel vor jedem Regimente hergetragen.

Zu Constantinopel machen die Janitscharen die Nachtwache; wenn sie durch die Straßen gehen, so haben sie einen schweren Stock oder einen unten mit Blei beschlagenen Prügel bei sich. Wenn sie in Kriegszeiten in die Städten oder Dörfern liegen, so verbinden sich viele mit den Handwerkern und Marketendern, denen sie, besonders aber den Christen, eine Art von Schutz gewähren, und deren Kundschaft sie auch jedesmal vermehrten, und am Gewinne Theil haben.

Ausser den Rationen, die sie regelmäßig erhalten, bekommen sie noch einen mäßigen Sold, der monatlich nicht über eine Krone (1 Rthl. 12 gr. sächs.) beträgt. Die monatliche Auszahlung ihrer Löhnung habe ich schon oben geschildert.

Der Yenitcheri-Agassi, oder Oberbefehlshaber dieser Truppen ist eine Person von hohem Range und Ansehen; er genießt alle Würden eines Pascha von zwei oder drei Roßschweifen und hat gelegentlich mit Sitz im Divan. Unter den übrigen Offizieren befinden sich der Choarbagis oder Obriste, und der Bayractar oder Fahnjunker. Der Titel Seraskier kommt mit unserm Oberbefehlshaber der Armee überein; ihn bekommt ein Pascha, der nebst andern Paschas, die un- unter ihm stehen, eine Armee befehligt. Nimmt man den Aga und den Obristen aus, so stehen die türkischen Offizier gar nicht in dem Ansehen, welches die Offiziere der übrigen europäischen Mächte genießen. Bei ihren Beförderungen kommt es mehr auf das Geld und die Gunst als auf das Verdienst an; die unbedeutendste und unbekannteste Person darf bloß bei einem Mächtigen in Gnaden stehen, um zu den höchsten Befehlshaberstellen zu gelangen.

Ich will hier noch einige Bemerkungen über diejenigen Korps der türkischen Armee beifügen, die eine besondere Aufmerksamkeit verdienen.

Die Truppen, die in Morea, Macedonien, Bosnien u. s. w. angeworben werden, heißen Arnauten, und ich habe sie schon oft wegen ihres unruhigen Geistes und ihrer Widerspenstigkeit angeführt. Die Infantriecorps, aus denen sie bestehen, werden von Offizieren befehligt, die aus ihren verschiedenen Provinzen abstammen, die, wenn die Türken in Krieg verwickelt sind, großentheils ihrer männlichen Einwohner beraubt werden, weil diese sehr kriegerisch, und sich ausschließlich in der Führung der Waffen üben. Sie treten daher auch als Lohnsoldaten in die Dienste jedes, der sie verlangt. Da sie von Jugend auf an Strapatzen gewöhnt werden, so sind sie abgehärtet und muthig; ihre Beschäftigung gibt ihnen ein wildes Ansehen, das sehr genau ihrem Charakter entspricht. Ausser andern unmoralischen Eigenschaften zeichnen sie sich auch noch vorzüglich durch ihre Diebereien aus, worin sie ausserordentlich geschickt sind. Wenn man sie anwirbt, so bekommt ein Pascha oder irgend ein anderer Häuptling eine gewisse Summe, um eine gewisse Anzahl auf eine bestimmte Zeit zu unterhalten. Er zahlt jedem Arnauten einen kleinen monatlichen Sold aus; wenn es aber ins Feld geht, so erhalten die Arnauten ausserdem von der türkischen Regierung noch Zwieback und Reiß. Ein Bin-Bashi, welcher mehrere geringere Offiziere unter sich hat, befehligt ein Corps solcher Truppen von tausend Mann.

Ob sie gleich gewöhnlich bloß zu Fuße dienen, so wurden doch mehrere Tausende von ihnen während des letzten Feldzuges in Aegypten beritten gemacht. Ihr Anzug hat etwas Aehnliches mit der Tunika. Die Montirung der Oberoffiziers ist von reichem Sammt, der schön mit Gold gestickt ist. Sie tragen einen Brustharnisch von Silber oder weißem Metall; manchmal schnallen sie auch einen Beinharnisch an, und gehen in Sandalen, um in ihrer Kleidung so viel als möglich die Spartaner nachzuahmen, von denen sie nach ihrem Vorgeben abstammen, und deren wildes und kriegerisches Aussehen sie beibehalten zu haben scheinen. Den Kopf tragen sie geschoren, ausgenommen in der Mitte oder auf dem Wirbel, von dem ein Büschel Haare herabhängt, der nachläßig bis auf den Rücken herabfällt. Auf dem Kopfe haben sie eine rothe Mütze, die über die Stirne herabhängt. Im Ganzen zeigt ihr Ansehen, daß sie in Ansehung ihrer Person sehr nachläßig und schmutzig sind. Auf einem langen Marsche und nach einer ziemlich langen Abwesenheit von Hause sind sie oft der größten Noth und dem größten Elende ausgesetzt, wie wir mehrmals selbst gesehen haben. Unter den Lastern, denen sie vorzüglich ergeben sind, ist die Spielsucht bei ihnen auf einen solchen hohen Grad gestiegen, daß, wenn sie ihr weniges Geld verspielt haben, sie auch häufig noch ihre Feuergewehre und alles, was sie haben, daran wagen. Sie sind gewaltige Landstreicher, und stehlen alles, was ihnen in den Weg kommt; ihre Leidenschaften sind so wild und ungestüm, daß sie sich oft einander selbst meuchelmorden. Sie sprechen eine ihnen ganz eigene Sprache, die von der alten Illyrischen abstammen soll.

Ihre Waffen bestehen in ein Paar Pistolen, die sie in einem Gürtel stecken haben, nebst einem Dolche und einer Flinte mit einem langen Rohre. Ihre Pistolen und Flinten sind gewöhnlich mit Silber beschlagen und sonst noch stark verziert. Sie haben keinen Schnappsack bei sich, den sie auch in der That nicht brauchen könnten. Die Art, wie sie von Jugend auf erzogen werden, macht sie zu vortreflichen Schützen. Die XII. und XIII. Platten enthalten verschieden Vorstellungen von dem Anzuge und den Rüstungen eines Arnauten.

Sowohl bei der Infanterie als bei der Cavallerie der Türken versieht sich der Soldat selbst mit den Waffen, die ihm am meisten gefallen. Indessen haben die Reiter häufig Piken und Wurfspieße von verschiedener Länge, wovon die kürzern am Sattel befestigt sind. Einige von diesen Waffen sind sechs und mehrere Fuß lang, haben eine Spitze von Eisen, die beinahe auch einen Fuß lang ist, und in der unter eine Quaste von Federn oder Haaren hängt. Sind sie an regelmäßige Mannszucht gewöhnt und ordentlich exercirt, so macht das Dscheridwerfen bei ihnen eine besondere Beschäftigung und ein Hauptvergnügen aus; den Wurfspieß wissen mit großer Geschicklichkeit und mit vielem Nachdruck zu werfen. Sie führen auch Streitäxte und Keulen nebst Degen und in einigen Fällen Carabiner oder Flinten mit gezogenen Röhren bei sich. Das Bayonnet braucht der türkische Soldat selten; bei der Reiterei aber hat jeder Soldat zwei, selbst noch mehrere Pistolen, die mit Silber beschlagen sind, im Gürtel stecken.

Es gibt zwei unentbehrliche Artikel, mit denen sich ein türkischer Reiter jederzeit versieht. Diese sind eine oder vielleicht auch mehrere lederne Flaschen, die mit Wasser gefüllt sind und die von dem Sattel bis unten an den Bauch des Pferdes reichen, und eine Tabakspfeife, die vorne am Sattelknopfe befestigt ist.

Die Anzahl der Reiterei ist viel größer als die des Fußvolkes. Die Pferde, auf denen jene sitzt, sind mehr oder weniger werth und ansehnlich; es kommt auf das Land an, aus welchem man sie bezogen hat. Die türkischen Reiter besitzen viele Geschicklichkeit in der Lenkung der Pferde, und reiten mit vieler Grazie und Gewandheit. Da dies der Fall bei allen türkischen und arabischen Reitern ist, so haben sie sehr kurze Steigriemen.

Auf dem Marsche marschirt die Reiterei nicht regelmäßiger und ordentlicher als die übrigen türkischen Truppen. Im Gefechte sollen sie nicht wie die Janitscharen in Masse angreifen, sondern einzeln und zerstreut fechten. Indessen ist doch so viel gewiß, daß sich bei solchen Gelegenheiten jeder Trupp und jede Schwadron, so stark sie übrigens auch seyn mag, zusammenhält, ohne sich mit den andern Truppen zu vermischen. Wenn sie auf ein gegebenes Zeichen vorrücken, um den Feind anzugreifen, so ruft jeder Reiter mit aller Macht, Allah! Allah! und fleht die Gottheit um Beistand an.

Unter der leichten Reiterei zeichnen sich die Eingebornen Georgiens und Circassiens, die unter dem gemeinschaftlichen Namen Leghis bekannt sind, am meisten aus. Sie sind vortreflich gebauet, von einer starken untersetzten Statur, und haben schöne Gesichtszüge und Farbe, wodurch jene beiden Provinzen berühmt sind. Mit den russischen Truppen, die an ihren Grenzen liegen, leben sie in einem beständigen Kriege. Zugleich befehden sie sich untereinander stets selbst, und wenn sie verfolgt werden, so fliehen sie in ihre Gebirge. Nimmt man den ungeschornen Kopf und die schaaffellene Mütze aus, die sie statt des Turbans tragen, so sehen sie fast wie die Tartarn aus.

Unter die Freiwilligen kann man die religiösen Schwärmer rechnen, die aus Enthusiasmus ihr weniges Eigenthum verkaufen, und sich aus allen Theilen des türkischen Reiches unter der Fahne ihres Propheten versammeln. Allein unter allen den schwärmerischen Anhängern Mahomeds machen die Plünderer den größten Theil aus; sie eilen zur Fahne, um Gelegenheit zu plündern zu erhalten, und eine größere Beute zu erhaschen, als sie möglicherweise anderwärts erwarten konnten.

Unter dem Worte Mameluck *) versteht man einen Eingebornen aus einer fernen Gegend. Die Mamelucken, die vor mehrern Jahrhunderten in der Geschichte eine so ausgezeichnete Rolle spielen und die sich beim Einfalle der Franzosen wieder so bekannt machten, sind georgische und circassische Sklaven, die man nach Aegypten verkauft hat; hiervon sind jedoch einige wenige ausgenommen, deren dunkle und schwärzliche Gesichtsfarbe, so wie ihre Gesichtszüge, zeigen, daß sie aus Nubien herstammen. Jeder Mamelucke mußte Sklave gewesen seyn, wenn er zu den höchsten Würden z. B. der Beys u. s. w. emporsteigen wollte. Der ägyptische Himmelsstrich oder irgend ein anderer Umstand ist jedoch für die Abkömmlinge der Mamelucken sehr nachtheilig. Sie leben insgemein nur kurze Zeit, und sie sollen niemals zu hohen Stellen unter den Mamelucken gelangen können. Auch die Kinder der Europäer, die sich in dem Lande niedergelassen haben, sind ungesund und werden nur mit der größten Mühe aufgezogen.

*) Dies Wort bedeutet einen Sklaven. Der Uebers.

Es war eine Zeit, wo der Glücklichste und Kühnste unter den Mamelucken zu den höchsten Würden in Aegypten, von der Stelle des Beys zu der Stelle des Sheick-el-belled oder Generalstatthalters emporstieg; allein neuerlich haben sie viel von ihrer Macht in diesem Lande verloren **). Die Anzahl derjenigen, die sich bei der Armee des Großveziers befanden war verhältnißmäßig nur klein; sie verdienten aber mehr Zutrauen, als die meisten übrigen türkischen Truppen. Eine genaue Abbildung von ihrer Tracht findet man auf der XIV. Platte.

**) Dies ist schon jetzt nicht mehr der Fall. Durch die Schwäche der türkischen Regierung haben sie alle ihre ehemalige Gewalt wieder bekommen; wie lange sie aber dieselbe behalten werden, hängt ohnstreitig von den übrigen europäischen Mächten ab. Der Ueb.

Die arabischen Kameeltreiber, die nicht wie die türkischen Truppen mit Zelten zu ihrer Wohnung und Bequemlichkeit versehen sind, müssen auf dem Marsche nach Beendigung jedes Marsches einen Ring oder Zirkel von den Satteln und andern Geräthschaften ihrer Kameele machen, in deren Nähe sie beständig bleiben müssen, um sie zu bewachen. In diesem Zirkel machen sie Ein Feuer an, das sie mit dem Miste der Thiere, mit dürren Wurzeln, verdorrten Sträuchen u. s. w. unterhalten, setzen sich Abends um dasselbe her, sind froh und heiter, und vertreiben sich mit allerhand Lustbarkeiten die Zeit. Sie singen, tanzen, erzählen Geschichten, wovon manche eine Stunde dauern. Während ein Theil tanzt, schlägt ein anderer mit den Händen den Takt.

Während unserer Reisen in Syrien und Aegypten, wo ihre Kameele unser Gepäcke trugen, hatten wir nicht das geringste Mistrauen in die Ehrlichkeit dieser Araber, allein kaum hatten sie ihre Thiere abgeladen, als sie alles gethan zu haben glaubten, was ihnen obliege, und daß alles, was sie erhaschen konnten, ihnen gehöre. Dieser Hang zum Stehlen, den man unter allen Klassen von Arabern bemerkt, nöthigte uns sowohl auf den Märschen als im Lager zur größten Aufmerksamkeit; die nächtlichen Diebereien die im Lager so häufig vorfielen, wurden allemal von den Arabern verübt.

Schon öfters habe ich der Tartarn erwähnt, von denen sich beständig eine gewissen Anzahl unter einem Khan oder Häuptlinge ihrer eigenen Nation bei der Armee des Großveziers befand, um seine Befehle zu vernehmen, und die mancherlei Aufträge, die der öffentliche Dienst erforderte, weiter zu befördern. In dieser Absicht werden sie nicht allein von den Armeen, sondern auch aus der Hauptstadt nach jedem Theile des türkischen Reichs geschickt. Sie betragen sich eben so ruhig und vernünftig als sie sich durch ihre Treue auszeichnen. Statt des Turbans tragen sie einen gelben Calpack, um welchen rund herum ein breiter Streifen von schwarzem Zeuge geht. Sie sind ein starker und dauerhafter Schlag Leute; sie können die größten Beschwerlichkeiten ertragen. Auf ihren Reisen sind sie außerordentlich schnell und schlafen selten oder niemals unterweges. Sie sind mit einem Firman oder kaiserlichen Befehle versehen; vermittelst desselben setzen sie in den Städten, durch die sie reisen, Pferde und alles, was sie zu ihrer weitern Reise nöthig haben, in Requisition; diesen Foderungen müssen die Statthalter, Obrigkeiten und andere Personen pünktlich gehorchen.

Der Großvezier, so wie mehrere seiner vornehmsten Offiziere hatten eine Art Ehrenwache, die Bostangis heißen, welches Wort so viel als Gärtner bedeutet. Zu Constantinopel sind sie sehr zahlreich und machen die Leibwache des Sultans aus, dessen Boot ihrer Leitung anvertrauet ist, wenn er einen öffentlichen Aufzug zu Wasser hält. Ihr Oberhaupt, der Bostangi Bashi, hat ein wichtiges Amt, indem er nicht allein die bürgerliche Gerechtigkeitspflege im Serail sondern auch in allen Dörfern hat, welche auf beiden Seiten des Bosphorus liegen.

Ich will diese Nachrichten mit einigen allgemeinen Bemerkungen über die Türken, besonders aber über ihren militärischen Charakter beschließen.

Daß die Türken vielen persönlichen Muth besitzen, leidet keinen Zweifel; es ist daher zu beklagen, daß ihr Aberglaube und ihre schlechte Regierung diese Tugend nutzloß, ja sogar schädlich macht. Sie sind kühn, mäßig, geduldig im Leiden, und ehrlich im Handel. Da sie von Jugend an Mäßigkeit und Beschwerlichkeiten gewöhnt werden, so liefert die untere Volksklasse vortrefliche Soldaten. Ihre gewöhnlichen Nahrungsmittel bestehen in einer kleinen Portion Brod oder Zwieback, mit einem kleinen Stück Käse. Zwiebeln, Oliven und Oel, wenn sie dergleichen Artikel bekommen können. Sie können sich nur selten eine Güte in Fleischspeisen thun; ist dies aber der Fall, so kochen sie Pillau, den sie sehr lieben und der aus einer dicken Brühe von Hammelfleisch, Geflügel u. s. w. besteht, in welcher ein Theil gekochter Daisches geschmort wird. Dieser Leckerbissen kommt jedoch selten an die Soldaten der türkischen Armee, die sich mit andern, weniger theuern Speisen begnügen müssen. Caffee und Tabak machen ihre vorzüglichsten Wohlgenüsse aus. Der Erstern trinken sie in erstaunlicher Menge, und den Letztern lieben sie so sehr, daß die Pfeife der unzertrennliche Gefährte selbst vieler Frauenzimmer unter den niedern Klassen der Türken ist. Da der Wein durch den Koran verboten ist, so ist Wasser das gewöhnliche Getränk aller Stände unter den Muselmännern; können sie es aber dahin bringen, die religiösen Bedenklichkeiten zu besiegen, und Wein oder geistige Getränke zu trinken, daß sie sich toll und voll saufen und dann äußerst lermend und aufrührerisch werden.

Das Schachspiel, das nicht wie das Karten- oder Würfelspiel verboten ist, macht sowohl im Lager als in den Städten Einen ihrer Zeitvertreibe aus. Auch lieben sie das Singen sehr, das aber gewöhnlich sehr rauh und unharmonisch klingt, weil keine Modulation der Stimme dabei vorkommt.

Außer dem wenigen Brode oder Zwiebacke und Reiß, welche der türkische Soldat erhält (und Gerste für sein Pferd, wenn er zur Reiterei gehört), bekommt er täglich noch fünf bis zehn Aspers Löhnung, für diesen erbärmlichen Sold muß er sich Tabak, Zwiebeln, Oliven u. s. w. kaufen. Ist er krank, so hat er wenig von der Geschicklichkeit und Pflege des Arztes zu erwarten; eben so wenig kann er auf den Empfang der nöthigen Arzneien rechnen, die man überdies sehr selten zur Vertreibung seiner Krankheit braucht. Ich habe bei der Armee des Großveziers vier Wundärzte kennen gelernt, wovon drei Italiener waren, deren Praxis sich hauptsächlich an ... Paschas und Befehlshaber der verschiedenen ... beschränkte. Sie wurden alle ein Opfer ihrer Pflicht. Der vierte war ein Türke, alle seine Kenntniß in der Arzneikunde glich jener des größten Theiles seiner Landsleute, die dies Geschäft treiben.

Sowohl im Lager als an jedem andern Orte beten die Türken täglich regelmäßig fünfmal und zwar bei Sonnenaufgang, um neun Uhr Vormittags, zu Mittage, um 4 Uhr Nachmittags, oder zwei Stunden vor Sonnenuntergang und bei Sonnenuntergang *). Vor jedem Gebete waschen sie allemal die Hände, Füße und das Gesicht, und wenn sie ihren kleinen Teppich im Zelte ausgebreitet haben, werfen sie sich nieder und verrichten ihre frommen Uibungen. Nach dem zweiten Gebete, früh um neun Uhr frühstücken sie und ihre Mittagsmahlzeit genießen sie erst nach dem lezten Gebete oder nach Sonnenuntergang. Dies sind die einzigen Mahlzeiten, welche die geringern Classen der Türken halten.

*) Dies stimmt nicht mit der in der Note S. 136. geäußerter Behauptung überein, die aus d'Ohosson genommen ist.

Dem Seis oder arabische Stallknecht geben die Türken insgemein den Vorzug, weil er die Pferde sehr gut abwartet. Eine Abbildung eines solchen Stallknechts findet man auf der XV Platte. Indessen stehen die Türken den Arabern hierin wenig nach; sie warten und pflegen die Thiere, die ihnen anvertrauet sind, auch sehr gut. Der Leib dieser Thiere ist beständig entweder mit einem dicken Zeuge, der ihn gegen das Wetter und gegen die Insekten schüzt, oder mit dem Sattel bedeckt. Die Pferde der türkischen Reiterei, mögen sie im Stalle oder aussen am Pfahle stehen, sind beständig stark gegurtet und gefesselt oder angebunden und völlig zum Dienste angeschirrt.

Es ist nichts ungewöhnliches, einen Türken in vollem Gallop auf den Andern, der auch beritten ist, loßreiten, und wenn er sein Pistol loß geschossen hat, plötzlich halt machen zu sehen. Er thut dies, um jemand ein Compliment zu machen, und nicht allein um seine Geschicklichkeit im Reiten, sondern auch die Zuversicht zu zeigen, die er zu seinem Pferde hat, das er regieren kann, wie er will. Diese Art, jemand der sie zum erstenmal sieht, einen hohen Grad von Unruhe und Besorgniß, und sie kann leicht jemand, der in der Reitkunst kein Meister ist, in Gefahr setzen.

Ob schon der religiöse Glaube diese Nation stolz und gebieterisch gemacht hat, so gibt es doch viele Türken von Stande, die im gesellschaftlichen Umgange eine große Feinheit und Artigkeit in ihrem Betragen beweisen.

Die Türkische Militair-Macht.[]

(Konstantinopel und die Dardanellen. Dessau und Leipzig. 1809.)

Die Größe des türkischen Gebiets in Europa beträgt gegen 10600 Quadrat-Meilen, und der Flächeninhalt der ganzen Türkei beläuft sich vielleicht auf 45,000 Q. M. Allein da die Gränzen der asiatischen Provinzen nicht genau angegeben werden können, so ist auch obige Bestimmung der Größe des türkischen Reichs nicht ganz gewiß. Die Lage des Reichs aber ist vortrefflich. Ein glückliches Klima, Produkte im Ueberfluß; ein großes Meer drängt sich in seiner Mitte hindurch; in Europa durchschneidet seine Provinzen ein schiffbarer Fluß, und seine Hauptstadt liegt an der Gränze zweier Erdtheile und kann sich leicht mit allen Provinzen in Verbindung setzen. Wäre diese große Strecke Landes von einer aufgeklärten und weisen Regierung beherrscht, so würde es eine ungeheure Masse von Kraft aufbieten können.

Seine Armee, die noch immer sehr zahlreich seyn kann, weil eine türkische Armee weniger braucht, als eine europäische, beträgt nach Eton 388,400 Mann; allein da man von dieser Anzahl viele Tausende Troßvolks abziehen muß, so glaube er, daß sich die Anzahl der Dienstthuenden Truppen nicht höher als auf 136400 belaufe. Diese Angabe ist aber sicherlich viel zu gering. James Porter schlägt sie auf 2 bis 300,000 und Tott auf 400,000 an. Dieß Letztere scheint der Wahrheit etwas näher zu kommen.

Befindet sich das Reich in einer großen Gefahr, so kann, da jeder Krieg für eine Religionskrieg gilt, der Großherr eine sehr zahlreiche Armee aufbieten, sobald ihm die Pascha's aller Orten Folge leisten. Jede Mannsperson, die die Waffen führen kann, ist alsdann verpflichtet, zu Felde zu ziehen.

Die Kriegsmacht der Türken besteht hauptsächlich aus den Janitscharen und Spahis, welche in allen Provinzen des Reichs zerstreut leben. Das ganze militärische System der Türken beruht auf Feudaleinrichtungen. Der Großherr wird als der alleinige Eigenthümer alles Grunds und Bodens angesehen, und die Besitzer sind seine Lehensleute, welche ihm zu dienen verbunden sind. Jedes Paschalik ist in Bezirke eingetheilt, welche Sandschaks heißen. Der Sandschakbei (Unterpräfekt) versammelt die Janitscharen, Spahi's, Zaim's und Timorioten, die sich in seinem Bezirke befinden, und erwartet dann die Befehle des Pascha's. Die Lehen sind jetzt, vorzüglich in Europa erblich geworden, und ihre Eigenthümer müssen, im Falle eines Kriegs, eine Anzahl Leute stellen, die völlig ausgerüstet sind, und sogleich zu Felde ziehen können; allein die Besitzer dieser Lehen gehorchen entweder gar nicht, oder zaudern doch mit der Vollstreckung des Befehls, daher kommen ihre Leute erst spät an und kehren doch jedes Jahr zu der bestimmten Zeit wieder in ihre Heimath zurück, wenn sie nicht der Großvezier mit Gewalt zurückhält.

Die Verfassung des ganzen türkischen Reichs ist militärisch. Jeder Einwohner ist Soldat und verbunden, die Waffen zu ergreifen, sobald der Großherr befiehlt. Ist eine Kriegserklärung erfolgt, so ergeht an alle Einwohner der Sandschaks von 16 bis 60 Jahre die Aufforderung, sich unter die Fahnen des Pascha's zu stellen und an einem bestimmten Platze zu versammeln. Die Lehnsmiliz (nämlich der Ziamets d. h. der Lehngüter, welche über 500 Acker Feld enthalten, und der Timars d. h. der Güter, welche aus 300 bis 500 Acker Landes bestehen) thut dieß aus ihrer besondern Lehnspflicht; die übrige Miliz hingegen hält es für eine Religionsverbindlichkeit, doch folgt sie im Ganzen ihrer Neigung; sie zieht zu Felde, wenn es ihr beliebt. Liebt sie den Krieg oder ihrem Anführer, so vereinigt sie sich mit der Armee, die sie aber verläßt, wenn es ihr einfällt. Der Anfang und das Ende der türkischen Feldzüge bestimmen die beiden Festtage der christlichen Heiligen, Georg und Demetrius. Ein Soldat, der nicht bis zum 23. April bei der Armee eingetroffen ist, wird entweder an Gelde oder an der Ehre bestraft. Mit dem 26ten Oktober aber kann er die Armee verlassen, und der Feldrichter kann ihm das nachgesuchte Zeugniß nicht verweigern. Er kann alsdann nach Hause zurückkehren, ohne daß man ihn als Ausreisser betrachtet.

Die Janitscharen, welche im J. 1362 errichtet worden, sind Fußvölker, deren oberster Anführer der Janitscharen-Aga ist. Sie sind in Odas, d. h. Kammern, Kompagnien eingetheilt, deren Anzahl sich auf 196 beläuft, und genießen das Vorrecht, daß sie, was sie auch begangen haben mögen, mit der Schnur hingerichtet werden. Zu Konstantinopel erfolgt diese Hinrichtung allemal in der größte Stille, und der Leichnam wird ins Meer geworfen; in den Provinzialstädten hingegen macht man nach alter Sitte den Tod eines Janitscharen dem Volke allemal durch das Abfeuern einer Kanone bekannt. Da die Janitscharen Vorrechte genießen, so lassen sie die meisten Einwohner der Städte, welche Mohamedaner sind, unter sie aufnehmen. Die Offiziere, welche bei jeder Janitscharen-Kompagnie stehen, führen folgende Benennungen: Tschorbadschi, d. h. Hauptmann, Odabaschi, d. h. Lieutenant, Bekil-Hardschi, d. h. Kommissair, Bairaktar d. h. Fähndrich, Bascheski d. h. Fahnenträger und Aschtschi oder Koch, der bei vorkommenden Fällen auch die Stelle eines Kerkermeisters versieht. Jedes Regiment ist mit zwei großen kupfernen Kesseln versehen, welche beständig vor die Fronte eines jeden Regiments hingestellt werden, und bei denen sich gewöhnlich ein Schaumlöffel, eine Schöpfkelle und eine Art Hellebarde befinden.

Die Janitscharen sind zwar jetzt sehr ausgeartet, doch sind sie immer noch der Kern der Armee. Selim III hatte ein beträchtliches Truppenkorps (Seymens) errichtet, das auf europäische Art exerzirt war. Diese Truppen erhielten einen bessern Sold als die Janitscharen, und dieser Umstand trug viel zur Eifersucht zwischen beiden Korps und zum Unwillen des Volks gegen jene bei. Selims Schicksal wird seine Nachfolger von der Herstellung dieses Korps abschrecken. Die türkischen Soldaten können viele Strapazzen ertragen, leben sehr mäßig, und wenn sie besser disziplinirt und exerzirt wären, so würden sie unter der Anführung eines einsichtsvollen und tapfern Anführers große Dinge ausführen.

Ausser den Janitscharen giebt es noch andere Infanterie-Korps, unter denen das wichtigste die Topschi's d. h. Artilleristen sind. Diese sind etwa 30,000 Mann stark, sind ebenfalls durch das ganze Reich zerstreut und müssen sich auf erhaltenen Befehl sogleich zu ihren Fahnen begeben. Bei jeder Armee befinden sich außerdem noch Waffenschmiede (Schebeschi's) und Waffenträger (Sakka's), welche im Felde und auf dem Marsche die Truppen mit Waffen versorgen.

Die Spahi's werden in die vom rechten und vom linken Flügel eingetheilt, und unterscheiden sich durch ihre rothen und gelben Standarten von einander.

Zieht der Sultan oder der Großvezier zu Felde, so schlägt man ihre Zelte auf den Ebenen vor Konstantinopel auf, und zwar in dem Erdtheile, in welchem der Krieg geführt werden soll. Man steckt fünf bis sieben Roßschweife auf, welche den Truppen den Sammelplatz anzeigen. Diese Stellen sich aus den verschiedenen Provinzen zu der festgesetzten Zeit ein; sie kommen entweder einzeln, oder in kleinen Haufen an. Der Marsch, welchen die Truppen aus den entlegenen Provinzen nehmen, richtet sich nach der Richtung der Heerstraßen. Der Pascha von Anatoly (Natolien) setzt im Falle eines Kriegs in Europa, bei Skutari über den Bosporus, und schlägt sein Lager in der Nähe von Konstantinopel auf, indem er die Stadt zur Linken läßt. Die Truppen aus Medina setzen bei Gallipoli über den Hellespont, lassen Adrianopel zur Linken und marschiren nach Philippopel, wo sie zur großen Armee stossen oder sie erwarten. Die Truppen aus Haleb, Damask und Aegypten gehen, wenn das Meer frei und sicher ist, in den nächsten Seehäfen zu Schiffe, und begeben sich nach Salonichi in Mazedonien. Ihre Reiterei macht jedoch den Marsch zu Lande und geht alsdann über Gallipoli nach Europa. Auf diese Art versammeln sich alle Truppen an den für sie bestimmten Plätzen, auf den Märschen aber begehen sie in den Provinzen viele Unordnungen, ja Räubereien und Grausamkeiten, besonders gegen die Rayah's d. h. Nichtmohamedaner.

In der Lagerkunst sind die Türken höchst unerfahren. Ohne Ordnung schlagen sie ihre Zelte um jenes der Großveziers oder kommandirenden Generals auf, und ihr Lager ist nichts weiter, als ein verworrener Haufe von Zelten und Gepäck. Sonst zogen die Türken mit vielem Gepränge und Kostbarkeiten zu Felde; dieß ist jetzt nicht mehr in dem Grade der Fall, weil sie in den neuern Zeiten immer geschlagen worden sind und dabei ihre Reichthümer eingebüßt haben.

Die Zufuhr von Lebensmitteln zur Armee ist äußerst unordentlich, und diese befindet sich bisweilen in der größten Noth.. In solchen Fällen begehen die Soldaten die größten Ausschweifungen. Was die Regierung liefert, das besteht in Mehl, Brot, Zwieback, Reis, Bulgur oder Weitzengraupen, Butter und Fleisch für die Mannschaft und Gerste für die Pferde. Der Koch einer jeden Janitscharenkompagnie nimmt sämmtliche Razionen in Empfang, theilt sie in zwei Mahlzeiten, die eine um 11 Uhr des Mittags und um 7 Uhr des Abends, und trägt sie in Schüsseln auf, aus welchen 7 bis 8 Personen essen.

Bei dem Marsche einer türkischen Armee geht es sehr unordentlich her. Wenn jeder nur zur Zeit des Abendgebets im Lager eintrifft, so macht man ihm keine Vorwürfe. Jeder marschirt allein oder in Gesellschaft, wie es ihm gutdünkt. Der Vortrab besteht gewöhnlich aus der besten Kavallerie und ist 5 bis 6000 M. stark. Gewöhnlich ist er 7 bis 8 englische Meilen vor der Hauptarmee voraus, und wenn sich Tataren bei der Armee befinden, so zerstreuen sich diese nach allen Seiten hin und plündern allenthalben, wo sie durchkommen. Die türkischen Truppen fechten mit kühner Tapferkeit und unerschütterlichem Muthe; sie sind aber gemeiniglich bei ihren Angriffen sehr unvorsichtig und lassen sich leicht zu tollkühnen Streichen verleiten. Gegen ihre Gefangenen betragen sie sich sehr grausam; wer bei den Transportiren nicht gut fortkommen kann, dem schneiden sie ohne Barmherzigkeit den Kopf ab. Diejenigen, die am Leben bleiben, werden entweder ins Bagno gethan, wo sie mit Fesseln belastet und mit der größten Unmenschlichkeit behandelt werden, oder als Sklaven verkauft. Um das Schicksal ihrer eigenen Gefangenen bekümmert sich die türkische Regierung nicht.

Die Seemacht der Türken ist in neuern Zeiten bedeutender als sie sonst war. Sie besteht jetzt aus mehreren guten Schiffen, die entweder von Europäern oder nach europäischen Modellen gebaut sind; allein ihre Mannschaft ist nicht an die See gewöhnt. Es giebt bei ihnen noch keinen Plan, nach welchem Seeleute erzogen und abgerichtet werden. Ihre Offiziere sind höchst unwissend, und weder an strenge Subordinazion gewöhnt, noch halten sie auf Ehre. Man nimmt an, daß jetzt die ganze Seemacht der Türken aus 12 bis 14 Linienschiffen, 6 Fregatten und mehreren kleinen Fahrzeugen bestehe. Der Kapudan Pascha ist der Chef des ganzen Seewesens. Die Matrosen und Seesoldaten bestehen größtentheils aus Griechen und heißen Levanti.


Quellen.[]

  • Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 225. u. 226. u. 250. Mittewoch, den 18ten September 1812.
  • Briefe aus Aegypten während des brittischen Feldzugs daselbst im Jahre 1801. Von einem Staabsoffiziere der brittischen Armee. Auszugsweise aus dem Englischen übersetzt. Weimar, im Verlage des F. S. privil. Landes-Industrie-Comptoirs. 1805.
  • W. Wittmann's der Arzneykunde Doctor's Reisen in der europäischen Türkey, Kleinasien, Syrien und Aegypten in den Jahren 1799, 1800, 1801 und 1802. Nebst Bemerkungen über die Pest und andern in der Türkey herrschenden Krankheiten, wie auch einem meteologischen Tagebuche. Aus dem Englischen mit Anmerkungen, und mit Desgenettes, Larrey's, Pugnets, Sotiras und anderer Untersuchungen über die Pest übersetzt von J. A. Bergk. Leipzig, 1804. Bey Wilhelm Rein und Comp.
  • Geist der Journale und anderer Schriften, oder neueste Ansichten der Geschichte, Politik und Weltkunde. Mit Kupfern, Landkarten, und historischen, statistischen Tabellen. Herausgegeben von Ernst Ferdinand Buchholz. Berlin und Leipzig. 1810.
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