Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Orleans.[]

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Orleans, an der Loire, mitten unter Weinbergen gelegen, die Hauptstadt des ehemaligen Gouvernements und der Landschaft Orleannois, jetzt die Hauptstadt im Departement des Loiret, und eine der größten Städte in Frankreich. Im J. 1802 zählte man 36,000 Einwohner. Merkwürdig sind die nach gothischer Art gebaute Domkirche, an welcher, bis auf die Zeiten der Revolution, Christus der erste Domherr war, und bei allen Austheilungen eine doppelte Portion bekam, die dem Spital zufiel; ferner die öffentliche Bibliothek im Kloster Notre Dame de bonne nouvelle; das ehemalige Jesuitercollegium, die vier Marktplätze, das Rathhaus, das Chatelet, die große Mailbahn im Stadtgraben, die 1760 fertig gewordene prächtige Brücke über die Loire, sonst mit dem metallnen Denkmale geziert, welches König Carl VII. und die Jungfrau von Orleans vor dem Kreuze Christi knieend vorstellte, zum Andenken an die 1429 durch dieses Mädchen glücklich ausgeführte Befreiung der Stadt von den Engländern. Jährlich wurde deswegen am 12ten Mai eine feierliche Prozession gehalten, während der Revolution aber das Denkmal vernichtet. Im J. 1312 hatte König Philipp IV. eine juristische Universität hier errichtet, die vormahls sehr berühmt war, jetzt aber durch ein Lyceum ersetzt worden ist. Der Bischof von Orleans steht unter dem Erzbischof von Paris. Die Stadt hat einigen Handel, ferner Strumpf-, Wollenzeug-, Hut-, Messer- und Lederfabriken, und wichtige Zuckersiedereien und Raffinerien. Es wird hier das beste Französisch geredet. Seit 1344 war Orleans ein Herzogthum und eine Pairie, die verschiedene Prinzen des königlichen Hauses besaßen. Ludwig XIV. gab sie seinen Bruder Philipp, bei dessen Nachkommen sie bis zur Zeit der Revolution blieb.


Von Reisende.[]

Franz Xaver Rigel.

[1808]

Ueber Courtenay, Montargis an der Loing, Bellegarde und Chateau neuf gelangten wir nach

Orleans. [2]

Hatten wir bisher auf unserm Marsche keine Truppen angetroffen, die sich nach Spanien begaben, so war hier Alles gedrängt voll von solchen, die auf einer andern Straße aus Preussen herbei geeilt waren, und doch lagen wir in recht guten Quartieren. Ich zum Beispiele wurde von einem ehemaligen Parlementsadvocaten, bei dem ich wohnte, gegen meine Erwartung trefflich bewirthet. Wir setzten uns zusammen an seinen Tisch und schlürften zu den ausgesuchtesten Schüsseln einen sehr kostbaren Wein.

Die Stadt, umringt von Reben, liegt in dem Mittelpuncte des jetzigen Frankreichs und gehört zu den größten Städten dieses Landes. Sie ist uralt und zählt 40,000 Einwohner; sie hat eine Menge großer Branntweinbrennereien und mehrere Manufacturen von wollenen Strümpfen und andern Waren. Die Vegetation ihrer Umgegend ist äußerst üppig. Ehedem ehrte Orleans die Jungfrau Jeanne d'Arc durch eine metallene Statue auf der Brücke über der Loire, so wie durch einen Umgang am 12. Mai eines jeden Jahrs, als dem Tage, an welchem einst (im Jahre 1429) der Heldenmuth dieses weiblichen Kriegers die siegtrunkenen Britten nöthigte, die Belagerung der Stadt aufzuheben. Aber die Revolution hat dieses Denkmal umgestürzt, und keine Wallfahrt erneuert mehr das Andenken an diese Heldinn früherer Tage. Sehenswerth sind die öffentliche Bibliothek im Kloster de nôtre Dame de bonne nouvelle, das Rathhaus, das Chatelet und die große Mailbahn im Stadtgraben. Die Kathedralkirche zeichnet sich durch den rein Gothischen Styl ihrer Bauart aus und erinnert an einen seltsamen, vor der Revolution bei dem dortigen Domstifte üblichen Gebrauch. Christus nämlich war für immer der erste Domherr des Stiftes, und die für ihn bestimmten doppelten Einkünfte flossen dem Armenhospitale zu, dessen Fonds sie ansehnlich vermehrten.

Mit Entzücken vernahm ich hier die schöne Aussprache; die minder hübsche Französinn durfte nur den Mund öffnen, um ganz zu bezaubern. Die Reinheit des Dialects ist fast allgemein, und die niedern Stände geben der gebildetern Classe nur wenig nach; einem Fremden, der die Französische Sprache in Frankreich erlernen will, würde ich daher Orleans zum Aufenthaltsorte vorschlagen.

Die von mit schon früher erwähnten Kellnerinnen gaben uns hier nicht die beste Idee von einem jungfräulichen Wandel. Sie kennen noch allerlei andere Arten, sich Geld zu erwerben, und besonders schienen sie es auf unsere Tugend, oder noch besser zu sagen, auf unsere harten Thaler abgesehen zu haben. Sie erhalten gar keinen Lohn, sie müssen lediglich von den Trinkgeldern *) leben; daher mag es kommen, daß sie meistens Lustdirnen sind, die mit ihren Reizen ein Gewerbe treiben und sie für ein halbes Fünffrankenstück anzubringen suchen. Sie lassen es sich nicht nehmen, dem Fremden das Licht in sein Schlafzimmer voraus zu tragen, und wissen sich dort allerlei Geschäfte zu machen, bis man sie entweder gehen heißt oder ihren Reizen williger huldigt. Nicht selten nimmt der Unvorsichtige ein trauriges Andenken mit sich fort, verfluchend die Verworfene, in deren Armen er sich für die Minute befriedigter Lust jahrelange Leiden bereitete. Warnen möchte ich, jeden jungen Mann vor der betriegerischen Stimme dieser süß lockenden Sirenen, die zugleich nicht die gewissenhaftesten sind, wenn sie sich einer Börse bemächtigen können!

*) Lächerlich genug nennen die Französinnen das ganze Jahr hindurch eine solche Gabe des Etrennes (Neujahrsgeschenk).

Jenseit der schönen Brücke, die über die Loire in die südwestliche Vorstadt führt, musterte uns der Marschall Lefebvre auf einem üppigen Wiesengrunde. Er ritt schnell, aber mit einem scharf beobachtenden Blicke die Regimentsfronte hinab und ließ uns alsbald das Gliederfeuer machen, für welches wir damals in unserm Exercierreglement noch keine Vorschrift hatten. Dieser graue, feuerige Held nahm selbst einem unserer Unterofficiere das Gewehr aus der Hand und zeigte uns diese Art, zu feuern, practisch. Wir chargirten mehrmals durch, bildeten uns hierauf in Angriffscolonne und erstürmten die etwas hoch gelegene Landstraße, wo wir alles über den Haufen warfen, was die Neugier hierher getrieben hatte. Er bezeigte uns in einem Tagsbefehle seine volle Zufriedenheit über die genaue Ausführung der Manoeuvres und meinte, daß der Sturmangriff mit schlagenden Tambours und das Gliederfeuer die besten Mittel wären, über die Spanier Meister zu werden. Zunächst versicherte er uns in einer kurzen, eben nicht Ciceronischen Anrede, daß er sich zu einer besondern Ehre rechne, so brave Truppen anzuführen, an deren Spitze er schon bei Danzig gestanden, und schloß mit der Bemerkung, daß ihm der Kaiser den Oberbefehl über uns schon versprochen habe. Wir durften mit dem Marschalle schon zufrieden seyn; denn dieser alte Bekannte war ein tüchtiger Mann, der gern im Auge des Feindes das Weiße sah, und uns liebte.

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Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Der siebenjährige Kampf auf der Pyrenäischen Halbinsel vom Jahre 1807 bis 1814; besonders meine eigenen Erfahrungen in diesem Kriege nebst Bemerkungen über das Spanische Volk und Land. Von Fr. Xav. Rigel, Großherzoglich-Badischem Hauptmann, des Carl-Friederich-Militär-Verdienst- und des Kaiserlich-Russischen St. Wladimir-Ordens Ritter. Rastatt 1819. Auf Kosten des Verfassers und bei ihm selbst.
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