Oberwiesenthal.[]
Oberwiesenthal,[1] Kursächsische Bergstadt mit 200 Häusern und 1,500 Einwohnern, im Erzgebirg, hart an der böhmischen Gränze. Es wird hier vorzüglich auf Silber, aber auch auf Arsenik und Galmey gebaut, auch werden viele Bänder und Nadeln verfertigt. Das weibliche Geschlecht beschäftigt sich mit Spitzenklöppeln. Nahe dabey liegt der Flecken Unterwiesenthal mit 400 Einwohnern, 2 Eisenwerken und 1 Eisendrahthammer.
Von Reisende.[]
Friedrich Schulz. [2]
- [1793]
Man fährt nun in einem Thale fort, das eine einzige zusammenhangende blumigte Wiese bildet, die von dem Gränzbache durchschlungen wird. Der Weg führte links am Abhange hin und war stellenweise gefährlich. Es ward schon dunkel, als ich vor Niederwiesenthal ankam. Der Weg war allmählig bergan gestiegen. Das Thal hatte sich verengert und erschien jetzt mehr mit Bäumen besetzt. Unter diesen standen Schmelzhütten herum, aus denen von Zeit zu Zeit Flammen hervorschossen, welche die Dunkelheit des schwarzen Waldes vermehrten. Der Weg führte dazwischen hindurch nach Oberwiesenthal. Auf beyden Seiten nichts als schwarze Häuser und schwarze Menschen, glühende Essen, umhersprühende Funken und das Gerassel und Pochen der Hammerwerke. Endlich kam ich nach Oberwiesenthal, das, in einer beträchtlichen Länge, theils im Thale, theils am Abhange der Anhöhen liegt, schwarz, ungepflastert, und mit schwarzen, lärmenden Einwohnern besetzt ist. Ich war gezwungen, die Nacht hier zu bleiben. Man versicherte mich, ich würde einen guten Gasthof auf dem Markte finden. Dahin fuhr ich also. In einer Ecke desselben erhob sich ein altes hölzernes Haus mit einem Thurme. Nach langem Pochen ging ein Thorweg knarrend und seufzend auf, und im Vordergrunde zeigte sich ein altes Weib in den Sechzigen, mit einem Stumpen Licht in der bloßen Hand. Ich zog ein. Eine steile, schwankende Treppe mit ausgetretenen Stufen, führte in den ersten Stock. Durch den Boden des Vorsaals, der voller Risse und Astlöcher war, sah ich unten im Hause mehrere Menschen, mit Kienbränden in der Hand, mitten unter Stroh und Holzspänen, Platz für meinen Wagen machen. Ich ging mit leichten Schritten wie auf dem Boden eines Siebes, über den Saal und trat in ein Zimmer, das mir die erwähnte Alte aufschloß. Hier erblickt' ich eine lange Tafel, um welche herum sechs bis acht uralte hölzerne Stühle standen. In der Mitte war ein Kruzifix aufgepflanzt, auf welches die Alte einige Tropfen Unschlitt tröpfelte und solchergestalt ihr Endchen Licht befestigte, mit der Vertröstung, daß sie mir bald einen Leuchter bringen wolle. Das Gemach zitterte bey jedem Schritte, den ich auf und ab machte. Es war rund umher mit uralter Täfeley bekleidet. Ein paar hohe, mit Eisen beschlagene, feste Schränke standen an den Seiten, und zwischen ihnen hingen mehrere schwarz geräucherte Gemälde, worauf ich unter andern einen gefesselten armen Sünder, und ein jüngstes Gericht, von der Dreyfaltigkeit gehegt, erblickte. Am obern Ende des Tisches, vor einem Lehnsessel, stand ein Todtenkopf, und über demselben hing der Griff zu einer Klingel herab. Kurz, ich befand mich, was man schon errathen haben wird, auf dem Rathhause, in der Gerichtsstube, auf dem Lehnstuhle des Bürgermeisters von Oberwiesenthal. Ein Abendessen, das zu diesen Umgebungen paßte, und ein Nachtlager in einer Bettkammer, die rothe Balken und ein schwarz und weiß bemahlte Decke hatte, krönten dieses Abenteuer.
Von Oberwiesenthal aus fuhr ich den andern Morgen auf Karlsbad (2 M.)
Quellen.[]
- ↑ Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1806.
- ↑ Reise eines Liefländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau, Dresden, Karlsbad, Bayreuth, Nürnberg, Regensburg, München, Salzburg, Linz, Wien und Klagenfurt, nach Botzen in Tyrol. Berlin, 1795. bei Friedrich Vieweg dem ältern.