Noch sieht es hier sehr weit aus mit den Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten, die in 3, 4 Tagen unwiderruflich vor sich gehen sollen: die Kirche Notre Dame sieht freilich äußerlich aus, als bauete man sie aufs neue, und ich sehe nicht ein, wie man in diesen 3 Tagen nun alles das Holzwerk wird herunterreißen können, welches an der Façade aufgethürmt ist. Mit einem von dem Oberceremonienmeister Segur unterzeichneten Billet wurde ich heute in das Innere dieser Kirche eingelassen. Da steht nun etwas, welches in den Zeitungen un arc de triomphe genannt und als vollendet angesehen wird, dieser aber mit sammt den Bänken, die längs den Wänden stehen, und der Thron des Papstes ist so wohl in Rücksicht der Malereien als der Form nach ein solches Theatermachwerk, wie bei mir zu Hause von einem Abend zum andern zusammengeschlagen wird, wenn eine neue Oper gegeben werden soll. Die großen Worte: Honneur, Patrie, scheinen als Symbolum des Tages erwählt zu seyn und wechseln so wohl auf diesen so genannten Triumphbogen als auf einer Art von Coulissen, die vermuthlich an der Seite angebracht werden sollen, mit den Buchstaben N und J ab. –-
Die Metropolitan- oder Cathedral-Kirche von Paris ist die Kirche Notre-Dame, welche fast mitten in der Cité unweit des Hotel-Dieu liegt. Sie ward unter dem Kaiser Valentinian dem Ersten gegen das Jahr 365 der christlichen Zeitrechnung auf den Ruinen eines Tempels erbaut, den die Bewohner der alten Lutetia dem Castor und Pollux errichtet hatten. Unter Childebert's des Ersten Regierung ward sie vergrößert, und im Jahr 1185 unter Philipp August vollendet. Die Hauptfaçade dieses Tempels, eines Ueberbleibsels der edlern gothischen Bauart, hat drei Thüren, an welchen Figuren und Statuen angebracht sind. Ueber den beiden Seitenthüren ragen zwei ungeheuer große viereckige Thürme hervor, deren jeder zweihundert und vier Fuß hoch ist, und zu welchem man auf einer Treppe von dreihundert neun und achtzig Stufen steigt. Zwischen beiden Thürmen ist eine sehr schöne Gallerie, die von gothischen Säulen getragen wird.
Das Schiff und das Chor haben doppelte Nebenflügel, über welchen großen Gallerien schweben, in deren Zwischenräumen kleine, aus einem Stück gehauene Säulen angebracht sind. Auf der mittlern Gallerie des Chors, dem großen Haupteingange gegenüber, sind die den Russen und Oesterreichern in der Austerlitzer Schlacht abgenommenen Fahnen als Trophäen aufgestellt.
Diese große Kirche, welche die Parochialkirche des Erzbischofs von Paris ist, besaß sonst mehrere vorzügliche Gemälde, welche aber während der Revolution herausgenommen wurden. Sonst befanden sich in verschiedenen Kapellen, welche diesen Tempel verzieren, die Grabmäler der berühmtesten französischen Familien, deren Mausoleen in der Revolution theils herausgenommen, theils zerstört wurden. Diejenigen, welche man vor der Zerstörung hat bewahren können, sind von Herrn Lenoir gesammelt, und im Museum der französischen Denkmäler aufgestellt worden.
Dieser Tempel, der während der Anarchie durch den sogenannten Gottesdienst der Vernunft entweiht worden war, ward unter der consularischen Regierung am achtzehnten April 1801 dem katholischen Cultus zurückgegeben, und im Dezember 1804 ward Napoleon als erster Kaiser der Franzosen von dem Pabste Pius dem Siebenten hier gesalbt und gekrönt.
Man findet in dieser Kirche sehr schöne antike Fensterscheiben. In der Sacristei werden die schönen Geschirre von vergoldetem Silber, welche der Kaiser dieser Kirche schenkte, so wie der Mantel, welchen er bei der Krönungs-Ceremonie trug, gezeigt. Dieser Mantel ist von carmesin rothem Sammt, mit goldenen Bienen besäet und mit Zobel gefüttert. Der königliche Mantel mit dem der Kaiser bei der Krönungs-Ceremonie in Mailand geschmückt war, wird hier gleichfalls aufbewahrt; er ist von dunkelgrünem Sammt mit Kronen übersäet, das Futter ist von weißem Atlas, mit Vorstoß von Zobelfell.
In der Nähe dieser Kirche sieht man auf einer Seite das Hotel-Dieu, das vornehmste und größte Pariser Hospital, und nicht weit davon den Pallast des Erzbischofs von Paris. Wenn man von der Kirche Notre-Dame nach dem Pont-Neuf geht, kommt man bei einem Gebäude vorbei, das dicht am Ufer der Seine erbaut ist: man nennt es die Morne, und es ist ein sprechendes Memento mori. Dieses Gebäude enthält im Erdgeschoß ein großes Eingangszimmer, welches in ein anderes Gemach führt, dessen Glasfenster bis auf den Boden gehen. Hier stellt man mehrere Tage hintereinander die Leichname der Unglücklichen aus, die in der Seine oder in den Pariser Straßen todt gefunden werden, damit diejenigen Einwohner von Paris, welche einen ihrer Angehörigen vermissen, Zeit und Gelegenheit haben, nachzusehen, ob sich sein Leichnam unter denjenigen, welche hier ausgestellt werden, befindet. Dieses Zimmer, dessen Fenster hermetisch verschlossen sind, läßt auch nicht den geringsten Geruch der Verwesung sich verbreiten. Seilten vergehen einige Tage, in welcher die Morne nicht einige Schlachtopfer aufnähme. Die Mehrzahl derselben wird in der Seine gefunden; diese ist die verschwiegene Zeugin der Verzweiflung so vieler Unglücklichen, die von Kummer und Elend niedergedrückt, in den Wellen das Ziel ihrer Leiden suchen.
Quellen.[]
↑Paris zur Zeit der Kaiserkrönung. Nebst einer Schilderung der Hauptpersonen bei diesem merkwürdigen Schauspiele. Aus den Briefen eines Augenzeugen. Kölln, bei Peter Hammer. 1805.
↑Paris, wie es jetzt ist, oder Neuestes Gemälde dieser Hauptstadt und ihrer Umgebungen. In Briefen von einem reisenden Deutschen. Chemnitz bei Carl Maucke. 1810.