Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Krönung Napoleons zum Kaiser der Franzosen.[]

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Der zweyte December 1804.

Musée Carnavalet, Paris

Jetzt, auf dem Teppich vor dem Hochaltar in der Kirche Notre Dame zu Paris, stund der weiland Artillerie-Lieutenant Bonaparte auf dem höchsten Gipfel der Ehre. Niederkniend vor dem Pabst empfiengen er und Josephine die Salbung von demselben auf Haupt und Hände. Während der Messe segnete der Pabst die Kronen, Mäntel, Ringe und das Schwert Karls des Großen ein. Dann nahm der neue Kaiser die Krone von Altar, und setzte sich solche, wie einst König Friedrich I. von Preussen, selber auf. Die Kaiserin, welche am Altar niedergekniet war, wurde von ihrem Gemahl gekrönt, worauf der Pabst beyde zu dem Thron am Ende der Kirche führte, ein kurzes Gebet sprach, den Kaiser auf die Backen küßte, (man kann denken mit welchen Empfindungen!!) und dann dem Volk zurief: "Vivat Imperator in eaternum!" Nun leistete Napoleon den constitutionsmäßigen Eid auf das Evangelium und Herolde verkündigten die geschehene Krönung. Die Krönungs-Procession gieng beym Schein der Fackeln über die prachtvoll erleuchteten Boulevards nach dem Pallast der Tuillerien zurück und die große Ceremonie war zu Ende.


Anekdoten von Bonaparte.[]

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Mitten unter den beunruhigenden Entdeckungen und Begebenheiten dieser Wochen zeigte Bonaparte eine grosse Furchtlosigkeit. Am Mardi gras, wo er schon um die Verschwörung wußte, warf er Abends eine leichte Verkleidung um, und entfernte sich zu Fusse aus den Tuillerien. Nur ein einziger Guide, ebenfalls in Maskenkleidung, begleitete ihn. Man will ihn die und da in der Stadt, ja sogar in den Hallen des Palais royal, gesehen haben. So viel ist wenigstens gewiß, daß er bis in die Vorstadt St. Martin kam, und daß er während dieses Ganges manches wahrnahm, was ihm zu der Zeit, wo sein Gefolge um ihn ist, so leicht nicht in die Sinne fallen kann. Von diesen Wahrnehmungen machte er einige Tage darauf gegen den gegenwärtigen Polizei-Präfekt von Paris, Dübois, Gebrauch, jedoch nur so, als ob er sie aus der dritten Hand erhalten habe. Unter anderm sagt er: er habe gehört, daß während der Maskentage in der Carnevalszeit manche Plätze in Paris nicht hinlänglich erleuchtet worden wären: und so habe man besonders in der Vorstadt St. Martin die Erleuchtung sehr schwach gefunden. -- Die Bemerkung ist richtig -- entgegnete ihm hierauf Dübois -- allein dies geschah nicht ohne Absicht; man wußte, daß ein gewisser kühner, aber der Republik sehr theurer, Mann sich, nur in einen grauen Frak verhüllt, und blos von einem einzigen Guide begleitet, in das wilde Getümmel auf den Strassen tragen würde, wozu eine vollkommne Erleuchtung unter den gegenwärtigen Umständen eben nicht dienlich war! -- Man sagt, daß Bonaparte, dem der Gedanke zu diesem Ausfluge nur flüchtig eingekommen war, und der, nach seiner bekannten Taciturnität, weder vorher noch nachher jemanden auch nur das Geringste davon gesagt hatte, über diese Wachsamkeit der Polizei sich verwundert, und ihrem Präfekten sein Wohlgefallen darüber bezeugt habe, daß man auch seine Schritte nicht unbemerkt lasse.

Während der Gefangennehmung der Verschwörer gieng er beynahe täglich in die Theater, wo er bey dieser Gelegenheit doppelt und dreyfach beklatscht wurde. So oft Bonaparte ins Theater kommt, begrüßt er das Publikum durch eine Verbeugung, auf dieselbe Weise dankt er für den Beyfall, endlich zieht er sich etwas in seine Loge zurück, um dem Händeklatschen ein Ende zu machen. Wenn er fortgeht, und dies geschieht meistens nach dem Hauptschauspiel oder sogar nach dem Aufzug, der ihn angezogen hatte, verbeugt er sich wieder gegen das Publikum, und wird aufs neue beklatscht. Der Ausdruck seine Physiognomie bey diesen Gelegenheiten zeugt von einem edeln Bewußtseyn der wechselseitigen Verhältnisse von geleisteten und noch dauernden großen Diensten, von Zutrauen und Dankbarkeit zwischen ihm und diesem Volke, als dessen Repräsentant das Publikum der bessern Theater gar wohl angesehen werden kann. Er erscheint meistens in einfacher National-Uniform, und sogar bey seinen Audienzen bemerkt man oft eine steigende Kleiderpracht in absteigender Linie des Ranges und der Verdienste.

Bey Gelegenheit der Besuche, die ihm nicht nur die verschiednen öffentliche Autoritäten und Institute, sondern auch viele Privatpersonen machten, sagte er viele interessante Dinge, wovon blos der kleinste Theil in die Zeitungen eingerückt worden ist. Besonders gegen die Mitglieder des National-Instituts war er äusserst freundlich. "Die Entdekungen in Wissenschaften und Künsten, sagte er denselben, sind schöne Eroberungen, die ohne Schwerdtstreich geschehen, und die man nicht zurückgeben muß, um den Frieden zu erhalten." Es schien ihm mitten unter seinen Kriegsplanen und innern Gefahren wohl zu thun, sich auf einige Augenblicke ganz in den stillern friedlichen Kreis der Wissenschaften einzuschliessen.

Bonaparte ist gegen den Erzbischoff von Paris von einer merkwürdigen und herzlichen Freundlichkeit, mit der liebenswürdigsten Sorgfalt erkundigte sich leztens der jugendliche Held um alle kleinen Umstände der Lebensart dieses ehrwürdigen, beynahe hundertjährigen Greises. *) Als dieser ihm sagte, er gehe um 10 Uhr zu Bette, antwortete Bonaparte: "So muß man im 50sten Jahre leben, in Ihrem Alter sollte man sich im halb neun Uhr zur Ruhe begeben." Da alles, was Bonaparte umgiebt, sein Betragen nachahmt, so liebt der Greis die Gesellschaft der Tuillerien auch sehr, "ich bin da immer in meiner Familie," sagte er vor wenigen Tagen einem seiner Freunde.

*) Er ist im 97sten Jahre seines Alters, genießt der vortrefflichsten Gesundheit und der glücklichsten Erhaltung seines Gedächtnisses und seiner Sinne. Sein ruhiges Temperament hielt ihn von jeher von aller Leidenschaft entfernt, aber sein heller Geist lehrte ihn die menschlichen Schwachheiten errathen, und sein gutes Herz heißt ihn sie dulden. Die Beschreibung, die ich leztens durch einen seiner Freunde von ihm machen hörte, glich ganz jener göttlichen Schilderung des Greises auf der Felsen-Insel in unserm Oberon.

Madame Bonaparte betrug sich bey Gelegenheit der Conspiration sehr edel, mehrere unschuldigerweise in Verhaft gesezten Personen erhielten durch ihren Vorschub ihre Freyheit. Sie wird täglich mehr geschätzt und geliebt.

Bey der Parade vom 26sten Februar wurden einige ausserordentliche Sicherheitsmaasregeln ergriffen, niemand als das Militär durfe im Hof der Tuillerien seyn, selbst die präsentirten Fremden mußten in den Zimmern bleiben, und viele derselben entbehrten das Vergnügen, die Parade zu sehen. Abends war großer Cirkel bey Madame Bonaparte, die Frauen der meisten Oberbeamten der Republik erschienen bey der Gemahlin des ersten Consuls, um ihr zur Erhaltung ihres Gatten Glück zu wünschen, sie verdoppelte bey dieser wichtigen Gelegenheit ihre gewöhnliche Liebenswürdigkeit. Seitdem geht alles seinen gewöhnlichen Gang, nur war gegen das Ende des Monats der Consul meistens in Malmaison. An dieser Entfernung aus Paris mag aber eben so sehr die Rückkehr des Frühlings Schuld seyn, als die politischen Begebenheiten, an welchen überhaupt das Publikum mehr Antheil genommen zu haben scheint, als diejenigen, welche dieselben näher angiengen.

Der Festigkeit, welche Bonaparte bey Durchsetzung wichtiger Plane und bey andern Gelegenheiten beweist, können mehrere Beyspiele von edler Zurücknahme von Irrthümern oder von auf falsche Berichte gegründeten Verfahren entgegengestellt werden. So wurde z. B. vor Kurzem ein Professor aus Caen bey ihm auf eine Weise verläumdet, die ihn nöthigte, denselben seiner Stelle zu entsetzen. Der Gekränkte kam nach Paris, und übergab seine Rechtfertigung dem Staatsrathe Fourcroy und dem Consul Lebrun. Jener wies sie dem ersten Consul zuerst, und als dieser Fürsprache thun wollte, erhielt er von Bonaparte zur Antwort, "ich kenne die Sache, er hat seine Stelle wieder erhalten, er ist schon wieder abgereißt."


Quellen.[]

  1. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  2. Französische Miscellen. Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1804.
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