Moskau.[]
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Moskau. Die alte ehrwürdige Hauptstadt des mächtigen russischen Reichs hat in unsern Tagen eine neu erhöhte Wichtigkeit erhalten; Moskau ward die Fackel der neuen Freiheit für den gesammten, durch langen, schmählichen Druck der Tyrannei unterjochten Continent von Europa. Als im J. 1812 Napoleon unstäter Eroberungsgeist Rußland zum Kriege gezwungen, das Reich, welches allein noch dem Despoten einen mächtigen Damm gegen seine Universalherrschaft über den europäischen Continent entgegenzusetzen schien, drang er mit dem zahlreichsten Heere, welches Europa seit der Völkerwanderung gesehn, unaufhaltbar in das Innre des russische Reichs vor. In zwei blutigen Schlachten, der einen bei Smolensk den 17ten August, der zweiten an der Moskwa bei Mosaisk am 7ten Sept. 1812, suchte vergeblich das russische Heer den raschen Zug des Gefürchteten aufzuhalten. Die heroischste Tapferkeit sah sich gezwungen, der Uebermacht zu weichen, und Napoleon hielt am 14ten Sept. desselben Jahrs seinen triumphirenden Einzug in Moskau. Doch schon stand die große Kaiserstadt in Flammen, und bald einsam unter den dampfenden Ruinen von Moskau zwangen den Eroberer der Mangel und der nahende Winter und die drohende Nähe des verstärkten russischen Heeres zu jenem unvergesslichen Rückzuge aus Rußland, der die zahllosen Schaaren des Uebermüthigen vernichtete und für Europa die Morgenröthe besserer Tage ward.
Moskau, die alte und erste Hauptstadt des russischen Reichs, wiewohl die Residenz; seit der Erbauung von Petersburg durch Peter den Großen nach letzterm Orte verlegt war, liegt an zwei Flüssen, der Moskwa und der Reglina, und enthält in einem Umkreise von fünf deutschen Meilen, vier Haupttheile, deren jeder beinahe wiederum eine eigne Stadt für sich bildet, nämlich 1. den Kreml, mit dem alten kaiserlichen Residenzschlosse und der Kathedralkirche, in welcher die Kaiser gesalbt und gekrönt werden, nebst mehrern andern ansehnlichen Gebäuden; 2. Kitaigorod; 3. Belgorod, mit den Gebäuden der in unsern Tagen vollkommen neu organisirten Universität, und 4. Semlänoigorod. Die ganze Stadt ist in 90 Quartiere abgetheilt, und hat einen Flächeninhalt von 16,120,800 Quadratklastern. Die Bevölkerung betrug vor dem Brande nahe an 400,000 Einwohner; im J. 1814 zählte man aber deren nur 172,991. Vor dem Brande waren 9158 nachher 2626 Häuser vorhanden. Die Wiederherstellung des Zerstörten ging aber, unter der Leitung des thätigen Gouverneurs Tormasow, mit unglaublicher Schnelligkeit von Statten, wie denn schon im J. 1813 2180, im Jahr 1814 2798 Gebäude theils neu errichtet, theils ausgebessert wurden. Dieser Eifer dauerte auch in den folgenden Jahren fort, und die Stadt stieg viel regelmäßiger und schöner, als sie zuvor gewesen war, aus ihren Ruinen empor. Ueber die Wiederherstellung des Kreml s. d. Art. So machen denn noch immer eine Menge Kirchen, der Sitz verschiedner hohen Reichscollegien, Erziehungs- und wissenschaftlicher Anstalten, der vornehmsten Fabriken und Manufacturen des Reichs, Moskau zu einer der ersten und prächtigsten Städte der Welt, und sie war und bleibt die Hauptstadt von Rußland, der Sitz des innern Handels, und der Ort, wo die russischen Nationalsitten und der russische Nationalcharakter sich am längsten unvermischt erhalten hatten, wozu die Gegenwart eines zahlreichen, begüterten Adels, der vom Hofe unabhängiger bleiben wollte, vorzüglich mit beitrug.
Die Umgebungen von Moskwa.[]
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Die Umgebungen von Moskwa bilden eine herrliche Gegend, mit den schönsten pittoresken Laen, den anmuthigsten Gefilden geziert, und mit zahlreichen Lusthäusern, Lustgärten, Schlössern und zerstreuten ländlichen Wohnungen bedeckt. -- Besonders reizend ist die Gegend und Aussicht auf den Sperlingsbergen. -- Auch sind drei kaiserliche Lustschlösser in der Nähe, nämlich Kolomenskoe, Selo Werobiew und Ismailew. -- Bei dem Dorfe Cchoroschowa ist eine Stuterei mit 360 neapolitanischen Pferden. Bemerkenswerth ist auch in dieser Gegend die Obstzucht in den Treibhäusern. -- Ferner sind in den Umgebungen von Moskwa besonders zu bemerken:
(1) Astankina, ein Gut des Grafen Schermetjew, an dem Flüßchen Liborcha, mit einem geschmackvoll erbauten, und im Innern überaus prächtig und prunkvoll verzierten, aber nur hölzernen Pallaste. In demselben sind, außer einem sehr schönen Theater, sehr viele Kunstwerke und ungemeine Kostbarkeiten zu sehen. Der Park ist sehr groß.
(2) Kuskowa gehört demselben Grafen, hat auch ein schönes Schloß, eine vortreffliche Orangerie und große, schönangelegte Gärten, worunter auch ein englischer.
(3) Swirlowa, eine bezaubernd schöne Gegend, mit vielen Landhäusern der Vornehmen und einem gleichnamigen Dorfe, in welchem mehrere Sommerwohnungen für Stadtleute eingerichtet sind.
(4) Petrowski, Gut eines Grafen Rasumowsky, mit einer vortrefflichen Orangerie, einem herrlichen Garten, der dem Publikum offen steht, einem großen Park, einem schönen, außerordentlich großen künstlichen See, und einer sehenswerthen Menagerie von Vögeln.
(5) Gorinka, dem Grafen Alexei Rasumowsky zugehörig, ist ein besonders merkwürdiges Landgut, wegen seines unvergleichlichen botanischen Gartens; auch der Park ist groß und schön.
Anderer schöner Landsitze und Gärten nicht zu gedenken. -- Noch müssen wir hierbei anmerken, daß in dem Dörfern um Moskwa sehr vieler Kunstfleiß herrscht und mehrere Fabriken angelegt sind.
Tabelle von Moskau.[]
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Tabelle von Moskau, vom 1sten Januar bis zum 1sten Juny 1812, aufgesetzt im Polizeyamt. (Das Original ist vom Generalmajor Iwaschkin, Oberpolizeypräsidenten in Moskau, unterschrieben.)
Geboren. Knaben 1238, Mädchen 1417, zusammen 2655. Gestorben. Erwachsene: männlichen Geschlechts 975, und weiblichen Geschlechts 838, zusammen 1813; Kinder: Knaben 1015, Mädchen 739, zusammen 1754; überhaupt gestorben: 3567. Feuersprützen 220. Bespannung 900. Polizeybeamte: Oberbeamte 393, Unterbeamte 3777, zusammen4170. Umfang von Moskau: 16,120,800 Sageren, oder 7386 Hektaren, 41 Aren. (Die Hektare beträgt ungefähr 2 Morgen.) Eintheilung von Moskau: Reviere 20, Viertel 90. Steinerne Häuser 2571, hölzerne Häuser 6591, zusammen 9162. Kasernen 8. Ställe für die Kavallerie 7. Zuchthaus 1. Wohlthätigkeitsanstalten 17. Fabriken 464. Märkte 192. Steinerne Buden 6324. Hölzerne Buden 2191. Kronapotheken 4. Privatapotheken 17. Kronbuchdruckereyen 5. Privatbuchdruckereyen 9. Universität 1. Akademien 3. Gymnasium 1. Pensionsanstalten 24. Schulen 22. Schauspielhaus 1. Oeffentliche Klubbs 2. Klubbs für den Adel und den Handelsstand 2. Gewerke 41. Restaurateurs 166. Kaffeehäuser 14. Weinhäuser 227. Bierhäuser 118. Branntweinläden 2011. Gasthäuser 17. Bäckerladen 162. Speisehäuser 145. Kuchenbäcker 213. Wirthshäuser 568. Schmiede 316. Brezelbuden 163. Privatbäder 1198. Oeffentliche Bäder 41. Steinerne Brücken 17. Hölzerne Brücken 21. Schilderhäuser 360. Laternen 7294. Bevölkerung: Geistliche beyderley Geschlechts 5104, Adeliche 9381, Militär 3173, Handelsleute 19,124, Bürger 18,138, Gesinde 47,584, übrige Einwohner 96,409, zusammen 198,914; worunter 96,382 männlichen und 102,532 weiblichen Geschlechts.
Quellen.[]
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Neueste Länder- und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Dritter Band. Europäisches und Asiatisches Rußland. 1808.
- ↑ Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 268 Donnerstag, den 7. /19. November 1812.