Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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NB Bern


Montblanc.[]

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Montblanc, in Savoyen, südöstlich von Chamouni, ist der höchste unter allen europäischen Bergen, indem er sich 14,676 Fuß über die Oberfläche des mittelländischen Meers erhebt. Seit dem J. 1760, wo Saussure einen Preis darauf gesetzt hatte, einen Weg auf den Montblanc zu finden, waren viele vergebliche Versuche gemacht worden. Erst 1786 gelang es dem Dr. Pacard und Jacques Bolma; im folgenden Jahre bestieg ihn Saussure selbst und stellte verschiedne Beobachtungen an; einige Andre sind ihm noch gefolgt, indeß sind die Schwierigkeiten ungeheuer. Der höchste Gipfel des Montblanc ist ein schmaler Rücken, ungefähr sechs Fuß breit, nach Norden steil abgeschnitten, nach Süden aber weniger, und wird in Savoyen Dos de Dromédare genannt.


Von Reisende.[]

Friedrich Heinrich von der Hagen.[]

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[1816]

In Martigny oder Martinach, wo wir die Nacht blieben, trafen wir alles voll Reisender, die vom Montblanc]/big> kamen, oder dahin gingen, und ein Führer bot sich sogleich uns dar. Der Abend war heiter geworden und versprach gut Wetter, und da uns die ganze übrige Gebirgsreise verregnet war, so entschlossen wir uns kurz und gut, diesen gar nicht im Plan gelegenen Seitenweg zu versuchen, und den höchsten der Berge in Europa, den wir erst auf den Rückreise, von Genf aus, besuchen wollten, jetzo schon mit seinen Wundern zu schauen.

Dießmal war uns der Himmel günstig, und wir haben wenigstens vier Tage verlebt, die wirklich wie vom Himmel und aus den Wolken gefallen waren, vollkommen heiter und blau; zwar kühl und scharf, aber gerade so für diese ungeheure Natur passend.

Durch ein Seitenthal, anfangs an der Drance hinauf, führt ein Paß über den Col de Balme in das Chamouny-Thal, wo der Montblanc mit seinen Riesensöhnen thront. Wir bestiegen jeder, zum erstenmal, einen Maulesel, und der meinige führte den Zug an. Dieß Seitenthal ist sehr reizend und fruchtbar, und hier erschienen zuerst häufig die zahmen Kastanien mit ihrem schönen Laube. Bald ging es steil auf steinigem Pfad hinan, und ich mußte oft absteigen, um das arme Thier nicht zu sehr zu ermüden. Überhaupt war es mir ängstlich, beim steilen Auf- und Absteigen sitzen zu bleiben; nicht, weil es gefährlich gewesen wären, denn diese Thiere gehen sicherer, als ein Mensch; auch war nirgend Gefahr: aber es jammerte mich die Qual des Viehes, das an sich selber genug zu arbeiten hatte. Doch war es mir sehr angenehm, auf ebenen Strecken mich sitzend und reitend zu ruhen. Je mehr wir stiegen, je höher trat die ganze Reihe der Schneegebirge herauf, welche im Norden das Wallis begränzen, und zum Theil die zu Bern genannten sind, nur von der andern Seite gesehen. Unter ihnen ragte der Gemmi, und als Schluß der Kette, der Gotthart, mit der Furca und Grimsel, über alle. Sie standen im herrlichsten Morgenlichte hoch in den blauen Himmel hinein, und unter ihnen lag das Rhone-Thal mit den vielen Krümmungen und Spiegeln des Flusses ganz eben ausgebreitet und sichtbar bis Sitten hin. Die Spuren des ehemaligen Sees zeigten sich von hier auch am Fuße der Berge in den durchlaufenden Linien des Wasserstandes. Auf der Höhe, gleichsam dem Sattel des ersten Bergrückens, Forcla (Gabel) genannt, erschienen uns gegenüber auch schon Schneeberge aus dem Chamouny-Thal, aber noch nicht die höchsten.

Wir mußten nochmals wieder in die Tiefe zum Flüßchen Trient hinab in ein ödes Bergthal, wo wir (für mich auf dieser Reise) den ersten Gletscher sahen, d. i. eine ins grüne Thal aus dem geschmolzenen und wieder gefrorenen Schnee gebildete Eisdecke, aus welcher der Trient kam. Es ging aber gleich wieder so steil hinan, daß unmöglich gewesen wäre hinauf zu reiten. Wir stiegen also, mit Rufen und Jodeln den Wiederhall ausfordernd, durch einen Wald in die Höhe, der immer zwerghafter wurde; endlich erschien der schöne myrthenähnliche Strauch der glühenden Alpenrosen, das Zeichen des nahen Schnees, und bald schritten wir zwischen nackten grünen Matten über Schneebrücken hinweg, mit großem Jubel, der durch einige aufsteigende Schneebälle ausgedruckt wurde.

Es war fast Mittag, und noch lag der Col de Balme grün über einem breiten Schneefelde, hoch über uns. In einer Sennenhütte, wo wir anderen Reisenden (meist immer nur Engländer, -- die uns fast zum Ekel) begegneten, fanden wir den köstlichsten Nidel, d. i. süße Sahne, und im Freien auf dem Grünen, dicht am Schnee, wo überall Schneeglöckchen und purpurblaue Enziane hervorsproßten, verzehrten wir unsern mitgebrachten Vorrath: eins der köstlichsten Mahle, so ich je genossen. Bald aber weiter, ich voran, da ich ungeduldig war, so lange an dem Vorhange des erhabenen Schauspiels zu stehen.

Das Steigen auf diesen himmelhohen Bergen ermüdet weit weniger, als das Gehen auf der Ebene; die reine Luft dehnt die Brust aus und hebt sie, gleichsam wie einen Luftball, über die Erde, und bei vollem Schein der Sonne, drückt diese doch nicht. Also rasch über das große Schneefeld, an welchem ringsher Gras und Blumen stehen, von dem Busen der Balme, an dem wir ruhten, hinauf an ihren Hals, den Col de Balme: und hier, 5720 Fuß über der Höhe des Meeres, that sich endlich das große Schauspiel auf. Von der einen Seite erschien nachmals jene Alpenkette mit einem Theil des Walliser Thals bis auf die Rhone bei Martigny herab: gegenüber vor uns aber das ganze Chamouny-Thal mit seinen Schnee- und Eisriesen in zwei langen Reihen, meist mit furchtbar zerschmetterten Felsenhäuptern und scharfen in den Himmel stechenden Spitzen; deßhalb sie auch meist Aiguilles oder Dents heißen; nur der Montblanc steht als die höchste Kuppel des großen Domes mit seinem breiten undurchbrochenen Schneerücken da (wenigstens auf dieser Seite, denn auf der andern Seite ist er auch zerrissen). Manche dieser mit Schneestreifen durchzogenen Felsenhäupter, sahen wirklich aus wie Thürme oder Portale gothischer Kirchen, die ohne Zweifel auch hier ein Vorbild fanden, besonders der wie ein ungeheurer Thurm dastehende Dru, und eine Spitze des Dent Charmoix. Ich will sie Dir der Reihe nach nennen, zur Linken, la Tour, Argentiere, Aiguille verte mit dem Dru, Dents Charmoix, Dents du Midi, Taconay, Montblanc, mit dem Dome du Gouter und Dent du Gouter; auf der andern Seite, zunächst eine schwindelnd steile Felsenwand, von welcher vor einige Jahren der junge Escher aus Zürich, dessen Bruder wir dort kennen lernten, zu Tode stürzte; dann die furchtbar zerrissenen und nackten Aiguilles rouges, die Flechiere und der Mont Brevent, dem Montblanc gegenüber; aber diese Reihe ist niedriger, als die rechte. Zwischen beiden, ein schönen grünes waldiges und Korn tragendes Thal mit freundlichen Dörfern und Menschen, besser und auch schöner, als im nahen Wallis, obwohl auch Französisch.

Unser Führer Simon, weil er häufig Damen geführt, des Dames genannt, war ein sehr netter und tüchtiger Mensch, und wir haben vier Tage gern in seiner Gesellschaft verlebt.

Aus den Schneefeldern zwischen den hohen Kolossen hangen überall Gletscher herab ins grüne Thal, die Quellen des Arveiron und der Arve, welche vereint hindurchfließen. Wir sahen von hier die Gletscher von la Tour, Argentierre, Montanvert (am Dru) und Mont Bosson, am Montblanc. Auf dem letzten Gletscher konnten wir thurmhohe Eispiramiden selbst von hier aus unterscheiden. –

Leider mußten wir wieder hinab, rascher zwar, als hinauf. Die von oben gesehenen Berge traten nun erst in ihrer Riesenhöhe über uns, und zeigten immer neue Seiten. Am Gletscher von la Tour sah ich mit Donnern einen großen Eiskegel einstürzen und zerstäuben. Der Dru trat immer mehr als ein hoher Thurm hervor, der Montblanc aber etwas in die Tiefe zurück.

Im Wirthshause zu Chamouny hat man stäts die ganze Reihe vor sich. Der Tag war aber zu heiter und die Luft zu klar, als daß am Abend die Schneefelder im glühenden Rosenlicht erschienen wären, wie ich sonst schon an den Berner Alpen gesehen, und die Sonne ging hell und scharf unter.

Herzlich zufrieden mit diesem Tage, als vollem Lohne so vieler Entbehrung, streckten wir uns nieder: aber dem Mondschein weckte mich nach Mitternacht, und ich ging hinaus in die mondhelle Sternennacht, und erhaben stand über dieser Riesenwelt der tiefblaue Himmelsdom. Die herrlichen Sterne des Südens, der Orion, standen über dem Montblanc, und über eine Spitze funkelte eben der Sirius herauf. Von den Stufen der stillen Kirche auf der Höhe betete ich an, und legte mich beseeligt wieder nieder. Einige Leute, die mich im langen grauen Mantel wandeln sahen, mochten mich für einen unheimlichen Gast halten, denn einer folgte mir fern nach, und gesellte sich endlich zu mir.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Briefe in die Heimat aus Deutschland, der Schweiz und Italien von D. Friedrich Heinrich von der Hagen, ordentl. Prof. an der Universität zu Breslau. Breslau. 1818. Verlag von Josef Max und Komp.

Literatur.[]

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