Mexico.[]
[1]
Mexico, Neuspanien, großes Land, in Nordamerika, der Krone Spaniens gehörig, für welches es Ferdinand Cortes, in den Jahren 1519 - 1521 eroberte. Seine Gränzen sind gegen Norden Neumexico und das Mar Vermejo, gegen Süden der Isthmus von Panama, gegen Osten der mexicanische Meerbusen, und gegen Westen das Mar del Sur. Das Klima ist verschieden. An den Seeküsten ist es heiß, feucht und ungesund; in den höhern Gegenden ist es kalt, und der Schnee bleibt lange liegen. Die übrigen innern Gegenden sind frey von übergroßer Hitze und Kälte, und das Vieh bleibt das ganze Jahr hindurch unter freyem Himmel. Die vornehmsten Produkte dieses Landes sind Baumwolle, Zucker, Tabak, Indigo, Reis, Vanille, Ingwer, Jalappa, Färbeholz, Seide, Balsam, Cochenille und Cacao. Sein größter Reichthum beruht auf den Gold- und Silberadern. Diese laufen zum Theil sehr tief, wie die zu Pachuca, die über 300 Elen tief ist, und worinnen beständig über 1000 Neger arbeiten. Jeder, der eine Gold- oder Silberader entdeckt, hat die Freyheit sie zu bearbeiten, wenn er dem Könige 1/5 der Ausbeute entrichtet. Die östliche Küste von Mexico ist wüste und mit undurchdringlichen Wäldern bedeckt; und dadurch gegen die Angriffe fremder Mächte gesichert. Die Zahl der sämmtlichen Einwohner schäzt man gegen 3 Millionen. Die Krone Spaniens läßt dieses Land durch einen Vicekönig regieren, dessen Regiment insgemein nur 5 Jahre dauret. Die Gewalt des Vicekönigs ist sehr groß; und blos die Hauptstadt Mexico, so wie Cusco, in Peru, hat die Erlaubniß, am Hofe zu Madrid durch Abgeordnete zu solicitiren, oder Beschwerde zu führen, wenn sie es für nöthig hält. Diese Gewalt ist aber dennoch in einem minder wichtigen Puncte eingeschränkt. Der Vicekönig kann so wenig, als andere spanische Statthalter, unehliche Kinder legitimiren, ohne vorläufigen Bericht an den Rath von Indien. Mexico wird in drey Theile abgesondert, welche man Audiencias nennt, und diese sind Guadalaxara, Mexico und Guatimala. Die Audiencia von Mexico besteht aus 9 Provinzen, welche sind Jucatan, Tabasco, Guaxaca, Tlascala, Mexico, Mechoacan, Panuco, Chiapa, Soconusco.
Die Stadt Mexico, liegt an einem Salzsee, der bey 30 französische Meilen im Umkreise hat, und ist die Hauptstadt des ganzen Landes, wie auch die Residenz des Vicekönigs, des Erzbischofs und der Audiencia.
Über Neuspanien.[]
[2]
Südamerika mit seinen verworrenen Verhältnissen ist gegenwärtig zu wichtig, als daß man nicht zuweilen einen Blick auf dasselbe hinwerfen sollte. Wir glauben deßhalb unsern Lesern einen angenehmen Dienst zu erweisen, wenn wir Ihnen folgende allgemeine Übersicht Neuspaniens mittheilen. Sie ist aus einer so eben erschienenen Reisebeschreibung entlehnt, welche den Major Zebulon Montgomery Pike zum Verfasser hat, und den 48sten Band der bekannten Sprengel-Ehrmannschen Bibliothek ausmacht. Herr Pike unternahm diese interessante Reise auf Befehl der Regierung der vereinigten Staaten.
In Gastfreundschaft, Freygebigkeit und Mässigkeit übertreffen die Einwohner von Neuspanien vielleicht alle andern Nationen auf dem Erdboden, allein an Patriotismus, Nationalenergie und Unabhängigkeit des Charakters stehen sie ihnen dagegen auch allen nach. Dennoch gibt es unter ihnen einzelne Männer, die bey vorkommenden Gelegenheiten Wunder der Tapferkeit gethan haben, und diejenigen unter ihnen, die in Europa geboren sind, sprechen mit Entzücken von den großen Thaten ihrer Vorfahren.
Die Frauenspersonen in diesem Lande haben insgesammt schwarze Haare und Augen, schöne Zähne und eine bräunliche Gesichtsfarbe; ich habe als Ausnahme hiervon nur eine einzige Blondine zu Chihuagua gesehen, und diese wurde deßhalb auch, der Seltenheit der Sache wegen, nichts anders genannt, als das Mädchen mit den hellen Haaren. Wenige unter ihnen haben eine schöne, schlanke Gestalt, und die meisten fangen schon frühzeitig an, allzu stark zu werden. Ihre Kleidung besteht in einem kurzen Jäckchen und Rock, über welchen sie beständig einen seidenen Schleyer tragen, mit dem sie sich in Gegenwart der Männer das Gesicht sorgfältig bedecken scheinen. Als wir uns jedoch unserer Gränze wieder mehr näherten, so sahen wir auch mehrere Frauenzimmer von der vornehmern Classe, die ganz eben so, wie die Amerikanerinnen, und folglich auch wie das weibliche Geschlecht in Europa gekleidet waren. Die Mannspersonen aus den unteren Ständen tragen fast durchgängig große, mit goldenen Porten besetzte Hüte, kurze Jäckchen, weite Oberwesten und kurze Hosen, die an den Knien immer offen stehen, um sich mit desto größerer Leichtigkeit zu Pferde setzen zu können; an den Füssen haben sie eine Art von Stiefeln, oder vielmehr Kamaschen, die aus einem weichen und sehr geschmeidigen Leder verfertiget sind, und über den Knien fest gebunden werden. In den östlichen Provinzen pflegen die Dragoner über diesen Kamaschen noch eine Art von Courierstiefeln von sehr starkem und dicken Leder zu tragen, an welchen die Spornen, deren Spitzen zuweilen einen Zoll lang sind, vermittelst einer Klammer befestiget werden. Die Spornen der Officiers und der reichen Personen sind zwar ebenfalls plump gearbeitet, aber häufig von Silber und mit den reichsten Verzierungen versehen; der Riemen, womit sie befestiget werden, ist alsdann auch oft mit Silber- und Goldfaden gestickt. Fast alle Mannspersonen sind in jedem Augenblicke bereit, zu Pferde zu steigen, und die Bewohner der inneren Provinzen bringen über die Hälfte des Tages mit Reiten zu.
Der oben beschriebene Anzug gilt jedoch bloß von den geringen Ständen denn in den Städten; kleiden sich alle Mannspersonen von einigem Range nach europäischer Art. Beyde Geschlechter haben durchgängig äusserst schöne Haare, und setzen einen Stolz darein, sie über die Schultern herab hängen zu lassen, um sie recht zu zeigen. Deßwegen tragen auch die Frauenspersonen ganz und gar keine Art von Kopfputz.
Ihre Belustigungen bestehen in Vokal- und Instrumental-Musik, im Tanzen und Spielen. Obgleich die Hazardspiele streng verbothen sind, so wird doch nur selten Rücksicht auf dieses Verboth genommen. Ein bey ihnen allgemein beliebter Tanz, der Mexikanischen Ursprungs ist, wird von einer Manns- und zwey Frauenspersonen aufgeführt; er ist äusserst sanft und wollüstig, zuweilen aber wieder lebhaft und munter, und die Tänzer sind bemüht, die Leidenschaften der Seele oft durch die allerunanständigsten Geberden auszudrücken. Der Fandango wird auf sehr verschiedenerley Arten getanzt, denn die Spanier haben diesen ihren Lieblingstanz auf die Mannigfaltigste Weise abgeändert. Menuetten werden eben so, wie bey uns nur noch von Personen aus den höheren Ständen getanzt. Die Musik bey allen diesen Tänzen besteht aus Violinen und Guitarren, und in dem zuerst angeführten Mexikanischen Tanze wird dieselbe auch häufig von Sängern begleitet, deren Worte aber gewöhnlich so unanständig sind, daß in Europa jedes Frauenzimmer von einiger Erziehung sogleich das Zimmer verlassen würde.
Außer mancherley Kartenspielen und dem Billardspiel sind auch Pferdrennen und Hahnenkämpfe bey ihnen sehr gewöhnlich. Bey den ersten können sie eine unbegreifliche lange Zeit hintereinander aushalten, und gewinnen und verlieren dabey oft unermeßliche Summen. Der jetzige Generalcommandant ist jedoch in diesem Stücke sehr streng gegen seine Officiers, und schickt sie oft, bloß weil sie im Spiele große Summen verloren haben, mehrere Monathe lang auf einen weit entfernten, ganz an der äussersten Gränze des Landes gelegenen, Militärposten.
In allen nur einigermaßen ansehnlichen Städten gibt es öffentliche Spaziergänge, wo sich des Abends alle Herren und Damen von gutem Tone versammeln, und sich mit Musik belustigen. Die Frauenzimmer haben fast insgesammt schöne Stimmen, und singen französische, italienische und spanische Lieder, in welche die ganze Gesellschaft als Chor einstimmt; der Inhalt aller dieser Lieder ist durchgängig Liebe. Auch in ihren Häusern spielen die Frauenzimmer häufig auf der Guitarre und singen dazu. Sie sitzen dabey gewöhnlich, wie die Orientalen, mit untergeschlagenen Beinen auf Teppichen, oder liegen nachlässig auf einem Sofa hingestreckt. Aufrecht auf einem Stuhle zu sitzen, sind sie im höchsten Grade unbequem, und wenn auch die Vornehmern unter ihnen bey unsern ersten Besuchen sich auf Europäische Art niedersetzten, so bathen sie uns doch bald nachher um Erlaubniß, ihrer alten Gewohnheit folgen zu dürfen.
Im Essen und Trinken sind die Bewohner dieser Provinzen, so wie überhaupt die Spanier, außerordentlich mäßig. Des Morgens genießen sie eine Tasse Chocolade mit einem Stückchen Kuchen. Das Mittagessen, das um 12 Uhr eingenommen wird, besteht aus einigen Fleischspeisen, Fischen und Geflügel, worauf eine große Menge von verschiedenen Arten von Eingemachten und gewöhnlich ein ausgesucht schöner Nachtisch folgt; alsdann trinken sie einige weinige Gläser Wein, singen einige Lieder, und stehen auf, um ihre Siesta oder ihr Mittagsschläfchen zu machen. Dieß Letztere geschieht ganz ohne alle Ausnahme, sowohl von Reichen, als Armen; um zwey Uhr des Nachmittags sind alle Thüren und Fensterläden an allen Häusern in der ganzen Stadt verschlossen, die Straßen leer und öde, und überall herrscht die Stille der Mitternacht. Um 4 Uhr stehen sie wieder auf, kleiden sich an, und treffen Anstalten zu den Abendbelustigungen. Gegen 11 Uhr werden der Gesellschaft einige Erfrischungen angebothen, allein wenige Personen nehmen etwas anders an, als höchstens ein Glas Wasser und Wein, und ein Stückchen Kandiszucker.
Den Heirathen zwischen den Europäern und den Creolen, oder Mestizzen sind von der Regierung so ausserordentlich viele Schwierigkeiten in den Weg gelegt worden, daß dieselben fast gänzlich unmöglich sind. Wenn ein europäischer Spanier ein nicht in Europa gebornes Frauenzimmer zu heirathen wünscht, so muß er sich vor allen Dingen ein Certificat über die Reinheit ihrer europäischen Abstammung bis auf 200 Jahre hinauf zu verschaffen suchen, und dieses alsdann dem Gerichthofe einreichen, worauf ihm endlich nach genauer Untersuchung ein Erlaubnißschein ausgefertigt wird. Ist jedoch das Mädchen die Tochter eines Mannes von Stande, nähmlich vom Capitain an gerechnet, so fallen alle diese Formalitäten weg, weil, wie man sagt, der Rang das Blut reinigt.
Die Gespräche der Mannspersonen drehen sich gewöhnlich um Weiber, Geld und Pferde herum; außer diesen drey Gegenständen scheint nichts in der Welt einigen Werth für sie zu haben. Dadurch aber, daß sie das weibliche Geschlecht mit ihrem Golde und ihren unvernünftigen Thieren in gleiche Linie setzen, und es auch sehr häufig nicht besser behandeln, als die Letzteren, haben sie aus den Herzen der Frauenspersonen jedes Streben, sich zu vervollkommnen, und diejenigen Eigenschaften zu erwerben, die sie zu liebenswürdigen Gefährtinnen ihrer Männer, zu verständigen Müttern, und zu achtungswürdigen Mitgliedern der Gesellschaft machen könnten, gänzlich ausgerottet. Einige wenige Ausnahmen abgerechnet, beschäftigen sich die sämmtlichen Frauenzimmer in ganz Neuspanien, eben so wie die Türkinnen, mit nichts weiter, als Musik, Putz und anderen frivolen Unterhaltungen. Da sie wissen, daß die Männer nichts weiter von ihnen verlangen, als die Befriedigung ihrer sinnlichen Triebe, so geben sie sich auch auf keinerley Art mit der Ausbildung ihres Geistes ab, und haben keinen Begriff von dem gegenseitigen hohen Genusse, der aus dem Umgange zweyer gebildeter und tugendhafter Personen von beyden Geschlechtern entspringen kann.
In der Stadt Mexico allein sollen sich, nach einer sichern Berechnung 60,000 Bettler befinden, und wie hoch muß sich nicht hiernach die Anzahl derselben in dem ganzen Königreiche belaufen? Was ist denn wohl der Grund davon, daß in einem Lande, welches alle andere in der Welt durch seine Reichthümer an Gold und Silber übertrifft, und das auch außerdem nicht nur alle nothwendige Bedürfnisse des Lebens, sondern auch die meisten Gegenstände eines schwelgerischen Luxus im größten Überflusse hervorbringt, es dennoch eine solche ungeheuere Menge von Einwohnern gibt, denen es gänzlich an Nahrung und Kleidung fehlt? Bloß allein in der Regierung und in dem schändlichen, alle Begriffe übersteigenden Luxus der Reichen kann die Ursache davon gefunden werden. Die Regierung ist unablässig beflissen, durch alle mögliche Arten von Einschränkungen, die nur erdacht werden können, ohne geradezu das Volk zur Verzweiflung zu bringen, das spanische Amerika in der größten Abhängigkeit von Europa zu erhalten.
Der Handel von Neuspanien mit Europa und den vereinigten Staaten von Nordamerika wird vermittelst des einzigen Hafens von Veracruz getrieben, so wie der nach Ostindien und dem südlichen Amerika über Acapulco; allein auch in diesen beyden einzigen Häfen gibt es, in Rücksicht auf die Ein- und Ausfuhr der Producte, eine solche Menge von Hindernissen, daß dieser Handel für den allgemeinen Wohlstand des Landes nur eine sehr schwache Hülfsquelle abgibt. Ständen die zahllosen Häfen und Baien in den Meerbusen von Mexico und Californien dem Welthandel offen; dürften die Anbauer sich auf die Cultur aller Producte legen; welche der Erdboden hervorzubringen im Stande ist; herrschte mehr Freyheit in Ansehung der Ein- und Ausfuhr, wobey immerhin auf ausländische Waaren mäßige Zölle gelegt werden könnten; so würde das Land zuverlässig in kurzer Zeit reich und mächtig werden. Es würde für den Armen ein mächtiger Antrieb zur Arbeit seyn, wenn er mit völliger Gewißheit auf einen schnellen Absatz der Erzeugnisse seiner Pflanzung oder seines Gewerbfleißes rechnen könnte. on diesem allen hat jedoch gerade das Gegentheil Statt.
Das Land hat z. B. einen Überfluß an Eisengruben, und dennoch müssen alle Eisen- und Stahlwaaren aus Europa dahin gebracht werden, und es ist auf das strengste verbothen, im Lande selbst das Eisen auf irgend eine Art zu verarbeiten. Die nothwendige Folge hiervon ist, daß die allerunentbehrlichsten Ackergeräthschaften und Handwerkszeuge, so wie auch alle Arten von Waffen unermeßlich theuer sind, wodurch denn dem Ackerbau, den Manufacturen und der Kriegskunst der größte Schaden zugefügt wird. Die Arbeiten, welche die Mexikaner in Gold und Silber liefern, und ihre Fortschritte in der Mahlerey diesen zum Beweise, daß sie viele natürliche Anlagen zu den Künsten besitzen, und daß sie, wenn man sie mehr ausbildete, und zweckmäßiger leitete, sehr bald Meisterstücke aufstellen könnten, die mit denen der größten Künstler in den alten und neuen Zeiten weteifern würden. Sie lieben sitzende Beschäftigungen, und sind auch von Jugend auf daran gewöhnt; ich zweifle daher nicht, daß, wenn man sie gehörig aufmunterte, eine Menge von Wollen- Baumwollen- und Seidenmanufacturen entstehen würden, die sehr bald Nebenbuhlerinnen von denen in Europa werden, ja vielleicht dieselben sogar übertreffen würden. Ihr Klima ist ganz dazu geeignet, um die schönste Baumwolle von der Welt hervorzubringen, und ihre Schafheerden liefern die nähmliche außerordentlich feine Wolle, durch welche die sogenannten Merinos in Spanien so berühmt geworden sind. Hierzu kommt auch noch, daß sie eine ungeheure Menge von rohen Materialien besitzen, die sie um die wohlfeilsten Preise einkaufen können; die Wolle z. B. wird beynahe um nichts verkauft, und sie nehmen daher auch gewöhnlich höchstens nur die Hälfte von dem jährlichen Vließ der Schafe, um grobe Zeuge daraus zu verfertigen, oder Matrazzen damit anzufüllen.
Den Zustand der Einkünfte von Neuspanien kann ich zwar nicht nach authentischen Berichten darstellen, allein die hier folgenden Nachrichten habe ich dennoch aus einer sehr guten Quelle geschöpft, und ich glaube versichern zu dürfen, daß man auf ihre Richtigkeit rechnen kann. Die königliche Münze schlägt jährlich zum wenigsten 50 Millionen Silberpiaster, und 14 Millionen Piaster in Gold, wovon also der fünfte Theil, welchen die Krone bekommt, 12,800,000 Piaster beträgt. Die Zölle von den ausländischen Waaren, und die Abgaben für die Erlaubniß des Alleinhandels tragen ungefähr 4 Millionen Piaster ein. Hiernach beläuft sich also der Gesammtbetrag der jährlichen Einkünfte auf 16,800,000 Piaster.
Die Civilliste des Königreichs macht eine Summe von 580,000 Piaster aus, und der Militärstand erfordert jährlich 7,189,200 Piaster; zusammen als 7,769,200 Piaster, es bleibt daher für den König von seinen mexicanischen Besitzungen ein reines Einkommen von 9,030,800 Piaster übrig.
Unter den Verwaltungskosten habe ich die Einkünfte der Geistlichkeit nicht mit begriffen, weil sie dieselbe von Gütern, die ihr eigenthümlich zugehören, bezieht. Die sämmtlichen Beamten, auch diejenigen, welche die allermeisten Einkünfte besitzen, kosten unmittelbar der Krone von Spanien nichts; allein sie üben solche schreckliche Bedrückungen aus, um sich auf Kosten des armen Volkes zu bereichern, daß man weit besser thäte, wenn man alle Abgaben, die sie eigenmächtig zu ihrem Vortheile eingeführt haben, gänzlich abschaffte, und ihnen unmittelbar aus dem königlichen Schatze eine Verhältnißmäßig hinlängliche Besoldung auswerfen würde. Die Truppen, welche in den Provinzen von Neuspanien unterhalten werden, bestehen in folgenden: Reguläre europäische Truppen, 1000 Mann Cavallerie, 1000 Mann Artillerie, und 4000 Mann Infanterie, zusammen 6000 Mann.
Regulaire Mexicanische Truppen: 5088 Mann Cavallerie, 1200 Mann Infanterie, zusammen 6288 Mann.
Exerzirte, besoldete und von Linienofficieren commandirte Milizen 7000 Mann Cavallerie, 1000 Mann Artillerie, und 300 Mann Infanterie, zusammen 11,000 Mann.
Die Gesammtzahl der disciplinirten Truppen beträgt also 23,288 Mann; hierzu kommen aber auch 30,500 Mann nicht disciplinirter, aber mit Flinten bewaffneter Milizen, und 209,000 Milizen, die mit Bogen, Pfeilen und Lanzen bewaffnet sind. Die ganze Anzahl der Waffen führenden Mannschaft beläuft sich demnach auf 162,788 Mann.
Die europäischen Truppen bestehen aus einigen der auserlesensten Regimenter, die aus Spanien dahin gekommen sind, und es läßt sich daher mit Recht annehmen, daß sie gut disciplinirt, und die Officiers brave und kenntnißreiche Männer sind. Die regulären Truppen des Vice-Königreichs, welche der mächtige Sporn des Ehrgeitzes und vielleicht auch des Neides zur Nacheiferung antreibt, stehen ihren aus Europa gekommenen Brüdern in nichts nach. Die Miliz, welche von Officieren der Linientruppen commandirt wird, ist ebenfalls ein ziemlich gutes Corps von Truppen, allein sie steht doch nicht in einem so hohen Grade von Achtung, als die beyden andern Corps. Diese drey Corps nun können als die eigentliche Stütze des Reichs betrachtet werden; denn was die irreguläre Miliz anbelangt, die sich auf 139,500 Mann beläuft, so glaube ich nicht, daß sie sich mit der Armee von irgend einer civilisirten Macht mit mehr Glück würde messen können, als die alten Landeseingebornen mit der Armee von Cortes. Die nachfolgenden Bemerkungen gelten vollkommen von den Truppen der inneren Provinzen; ich weiß aber nicht, in wie weit sie sich auch auf diejenigen in dem Vice-Königreich Mexico anwenden lassen. -- Die Haltung der spanischen Soldaten ist in der That sehr kriegerisch. Ihre Lanzen sind an der Seite des Sattels unterhalb des linken Schenkels befestigt, und ragen ungefähr 5 Fuß über das Pferd hervor. Rechts hängt der Carabiner in einem Futteral quer über dem Sattelknopfe, so daß sich der Kolben auf der rechten Seite befindet. Hinter dem Reiter ist auf jeder Seite des Sattels ein Pistol. Unterhalb des Carabinerkolbens hängt der Schild, der aus einem dreyfachen, durch starken Riemen mit einander befestigten Sohlenleder besteht, und an dessen inneren Seite sich ein Riemen befindet, um den Arm hindurch zu stecken. Die Schilde der gemeinen Soldaten sind rund, und haben ungefähr zwey Fuß im Durchmesser; die Officiers und Unterofficiers haben ovale Schilde, die auf jeder Seite gewölbt sind, damit die Pfeile davon abgleiten können. Diese Schutzwaffe gibt einem Reiter ein vortreffliches Ansehen, besonders da sich auch auf den Schilden gewöhnlich das Waffen von Spanien, reich mit Gold verziert, befindet, und über demselben eine oder die andere Devise angebracht ist; von wahrem Nutzen ist aber diese Waffe bloß allein gegen die Wilden, die keine Feuergewehre haben. Die Dragoner des Vice-Königreichs bedienen sich weder der Lanzen, noch der Schilde, sondern sie sind auf die neue Art bewaffnet und gekleidet. Das Nähmliche ist auch der Fall mit den Dragonern der östlichen, an Louisiana gränzenden Provinzen. Als neuerlich die Spanier einen Bruch von Seiten der vereinigten Staaten zu besorgen hatten, so wurden diesen letztern Dragonern der Schild und die Lanze abgenommen, und ihnen dafür Säbel gegeben.
Die Kleidung dieser Reiterey besteht in einer kurzen, blauen Jacke mit rothem Kragen und Umschlägen, und in ledernen oder blauen manschesternen Westen und Hosen. Die Hosen sind aus der oben angeführten Ursache an dem Kniegelenke immer offen. Über den Kamaschen tragen sie die oben beschriebenen großen Reiterstiefeln, an welchen die Spornen beständig fort befestigt bleiben. Ihr Kopf ist mit einem großen, hoch aufgekrempten Hute bedeckt, von welchem gewöhnlich irgend ein buntfarbiges Band herab hängt; diese Bänder sind stets ein Geschenk von irgend einer Schönen, und sie betrachten dasselbe als ein Unterpfand ihrer Liebe, und als ein Zeichen ihrer eigenen fortdauernden Treue.
Die Pferde sind klein und mager, aber sehr schnellfüssig, und können große Strapazen ertragen. Das Pferdegeschirr ist zwar nicht schön; allein ich halte es für zweckmässiger, als das englische. Der Zaum ist mit einer äußerst starken Kinnkette versehen, und durch den eigenthümlichen Mechanismus derselben wird die Kraft des Reiters in einem solchen Grade erhöht, daß er bey gewaltsamen Ziehen die Kinnlade des Pferdes zu zerbrechen im Stande wäre.
Der Sattel ist nach persischer Art gemacht, d. h. er hat einen sehr hoch hervorragenden Knopf, und auch die Rückseite ist beträchtlich erhöht. Er ist mit zwey-oder dreyfachem Leder ganz überzogen, und dieses ist mit mancherley Stickerey, bey vielen von Gold und Silber reichlich verziert. Die Steigbügel sind von Holz, und vorn, wo sie durchgängig verschlossen sind, befindet sich gewöhnlich der Kopf eines Löwen, oder eines anderen wilden Thieres; übrigens sind sie plump und nichts weniger, als schön. Jeder Reiter hat ein kleines Felleisen hinter sich auf dem Pferde, und auf seinen Decken sitzt er entweder, oder er bindet sie mit seinem Mantel zwischen seinem Körper und des Sattelknopf fest, so, daß er dadurch einen desto bequemern und festern Sitz bekommt, und auch durch das allerwildeste oder scheueste Pferd schwerlich jemahls abgeworfen werden kann. In dieser Ausrüstung hohlen sie ohne Mühe ein anderes Pferd ein, wenn beyde in dem gestrecktesten Galopp laufen, und werfen ihm alsdann mit der grössten Geschicklichkeit eine von Roßhaaren verfertigte Schlinge um den Hals, wodurch das Thier auf der Stelle zu Boden geworfen wird. Mit einem Worte, die Einwohner dieses Landes sind ohne Zweifel die geschicktesten und gewandtesten Reiter, die irgendwo in der Welt gefunden werden.
Auf jedem Militärposten gibt es ein sogenanntes königliches Magazin, auf welchem sich, nach der ursprünglichen Absicht der Regierung, die Soldaten für einen geringen Preis Lebensmittel, Kleidungsstücke, Waffen und alle andere Bedürfnisse sollen verschaffen können; allein da man diese Posten gewöhnlich jungen Officieren gibt, bloß damit dieselben Gelegenheit bekommen, ihr Glück zu machen, so entstehen hieraus die gröbsten Mißbräuche, und der gute Zweck wird gänzlich verfehlt. Wenn ein Dragoner in Dienste tritt, so werden ihm, auf Kosten des Königs, fünf Pferde und zwey Maulthiere geliefert; allein diese Anzahl muß er beständig auf seine Kosten vollständig erhalten; bekommt er hingegen Entlassung, so wird den sämmtlichen Thieren, die er besitzt, ein besonderes Entlassungszeichen aufgedrückt, und sie werden von diesem Augenblick an sein völliges Eigenthum. Die Dienstzeit dauert von fünf bis zu zehn Jahren, nach dem eigenen Belieben des Soldaten; das Anwerbegeld, das jeder bekommt, ist jedoch sehr verschieden. Es ist nichts leichter, als die Corps vollzählig zu erhalten, denn jeder gemeine Dragoner betrachtet alle, auch die angesehensten Bürger, als seines Gleichen, und über das gemeine Volk dünkt er sich weit erhaben. Es ist daher auch ein sehr häufiger Fall, daß Männer von beträchtlichem Vermögen ihre Töchter an Feldwebel und Unterofficiers verheirathen.
Der Sold der Truppen ist nach den einzelnen Provinzen verschieden; allein in den inneren Provinzen ist Folgendes der mittlere Betrag desselben: ein Oberster erhält jährlich 4500 Piaster; ein Oberstlieutenant 4000; ein Major 3000; ein Capitän 2400, ein Fähndrich 800; ein Feldwebel 350, ein Corporal 300; und ein gemeiner Soldat 288 Piaster. Für diesen Sold müssen sie sich aber insgesammt, nach der ersten Ausrüstung, die sie umsonst bekommen, mit Kleidungsstücken, Lebensmitteln, und allen anderen Arten von Bedürfnissen versorgen. Körperliche Strafen sind durch die spanischen Militärgesetze gänzlich verbothen; die bey ihnen allein üblichen Strafen sind Gefängniß, Ketten und Tod. Es gereicht jedoch der Disziplin und der guten Aufführung der Provinzialtruppen zu wahren Ehre, daß ich, wie ich bestimmt versichern kann, während meiner beynahe viermonatlichen Reise, unter einer ziemlich starken Bedeckung, doch nicht einen einzigen Fall erlebt habe, daß ein Soldat zu irgend einer Strafe, ja auch nur zu einem Arrest von einer Stunde hätte verurtheilt werden müssen. Wie schwer würde es in Europa halten, irgend ein ähnliches Beyspiel aufzustellen!
Die Manoeuvres der spanischen Truppen sind äußerst mangelhaft, und man scheint daselbst auf militärische Schwenkungen und Tactik wenig Werth zu legen. So lange ich mich in dem Lande aufhielt, habe ich nicht ein einziges Mahl ein Cavalleriecorps derselben machen sehen; sondern sie marschirten gewöhnlich peletonweise zu Fuß; in der Garnison verrichten sie regelmäßig den Dienst als Infanterie, und zwar mit ihren Carabinern. Ein Detaschement Cavallerie, das sich auf dem Marsche befindet, lagert sich jederzeit in einem Zirkel herum. Die Posten werden mit Eintritt der Nacht abgelöst; die aufziehende Wache marschirt zu Fuß, und mit den Carabinern im Arm vor dem Zelte des Befehlshabers auf, wo alsdann der Officier, der die Wache commandirt, drey Mahl mit lauter Stimme die heilige Jungfrau anruft. Der Befehlshaber gibt jedes Mahl zur Antwort: Es ist gut! Hierauf setzen sich die Dragoner zu Pferde, und es wird jedem derselben sein Posten angewiesen; die Einen bleiben sitzen, und bewachen die Pferde, die Andern aber bewachen das Lager als Fußvolk. Wenn die neuen Schildwachen ausgestellt sind, so stellt sich auch noch die anziehende Wache in Ordnung, und wird förmlich abgelöst. Die Schildwachen bringen die Hälfte ihrer Zeit mit Singen zu, und es ist auch gar kein seltener Fall, daß sie ihre Posten verlassen, um sich an dem Feuer zu wärmen, um Wasser zu hohlen, oder irgend eines anderen Bedürfnisses wegen. Ja, es ist sogar häufig geschehen, daß, wenn sich der commandirende Officier zu Bette gelegt hatte, auch die sämmtlichen Schildwachen das Nähmliche thaten, und doch ist mir kein einziges Beyspiel bekannt, daß ein Soldat dieses militärischen Verbrechens wegen gestraft worden wäre.
Im Kriege geschieht der Angriff gewöhnlich schwadronenweise auf den beyden Flanken des Feindes, allein ganz ohne Plan und ohne alle Ordnung. Die Dragoner machen dabey ein gewaltiges Geschrey und feuern vorerst ihre Carabiner ab; wenn sie sich aber für gleich stark, als die Feinde halten, so nähern sie sich hierauf denselben noch mehr und greifen ihn mit der Pistole und der Lanze an. Nach der Kenntniß, die ich jedoch von ihren militärischen Übungen besitze, glaube ich ohne Bedenken versichern zu können, daß ich auf einer Ebene, mit 500 Mann Infanterie, und mit verhältnißmäßiger reitender Artillerie, von der Armee der vereinigten Staaten, gegen ein Corps von 5000 Mann solcher Dragoner vorrücken wollte. Hiermit will ich jedoch nicht behaupten, daß es einer in diesem Verhältniß schwächern Armee wirklich glücken würde, in Neuspanien einzudringen. Die feindliche Reiterey würde ihr vielmehr die Lebensmittel anschneiden, sie auf dem Marsche und in den Lägern bey Tag und bey Nacht unaufhörlich necken und in Athem halten, so, daß sie endlich genöthigt seyn würde, sich zu ergeben, ehe es noch zu einer eigentlichen Schlacht gekommen wäre. Wenn hingegen der Ausgang des Feldzugs auf einer entscheidenden Schlacht beruhte, so würde eine Nordamerikanische Armee, wenn sie auch gleich mit einer weit überlegenen Macht zu kämpfen hätte, doch ohne allen Zweifel den Sieg davon tragen. Ferner ist auch ganz und gar meine Meinung nicht, daß es diesen Soldaten mehr als andern an physischer Stärke, oder an ausdauernder Festigkeit gebreche; denn wir sehen nicht nur, daß Wilde an 500 Mann stark, in einer freyen Ebene, vor 50 Bajonetten derselben die Flucht ergreifen, sondern daß sie auch wieder bey andern Gelegenheiten den größten Gefahren und dem unvermeidlichsten Tode mit einem Muthe und einer Kaltblütigkeit Trotz biethen, die man von den disziplinirtesten und tapfersten Veteranen nicht grösser erwarten könnte. Die Schwäche der mexicanischen Truppen rührt bloß allein von ihrem Mangel an Taktik und an Zutrauen zu einander selbst her. Dieß ist aber immer der Fall bey schlecht organisirten Truppen, wenn sie nicht etwa durch den mächtigen Sporn der Vaterlandsliebe angetrieben werden; von dieser haben jedoch diese Unglücklichen keinen Begriff.
Die Lebensmittel, von denen die Dragoner in Neu-Mexico auf ihren Märschen leben, bestehen in vortrefflichem Weitzenzwieback, und in Fleisch, das in Stücke zerschnitten und recht getrocknet ist. An dieses Fleisch thun sie viel rothen Pfeffer, lassen es kochen und vermischen es alsdann mit Stückchen von zerschlagenem Zwieback; dieß gibt ihnen eine sehr gesunde und wohlschmeckende Nahrung. Gegen Süden hin leben die Dragoner, eben so wie die Jäger in den nordamerikanischen Freystaaten, von geröstetem Maismehle, das sie mit Zucker vermischen, und wovon jeder einen Vorrath in einem kleinen Sacke bey sich führt. Im Nothfalle leben sie von einer so äußerst mäßigen Portion, daß alle Truppen dabey von Hunger zu sterben fürchten würden. Bloß allein des Abends essen sie etwas, was einer eigentlichen Mahlzeit ähnlich sieht; den ganzen Tag über begnügen sie sich damit, daß sie an einem Stückchen Zwieback nagen, oder ein wenig gedörrtes Mehl verschlucken, das sie in Wasser und Zucker eingerührt haben.
Sowohl aus den physischen als aus den moralischen Eigenschaften der Bewohner von Neuspanien kann man mit Grund schließen, daß aus ihnen, wegen ihrer Mäßigkeit und wegen der Kühnheit, womit sie jeder Gefahr trotzen, wegen ihrer Körperkräfte, ihrer Gelehrigkeit, und ihres so eben so lebhaften, als durchdringenden Verstandes, die besten Soldaten von der Welt gemacht werden könnten.
Die Art, wie in den inneren Provinzen, die militärischen Beförderungen geschehen, ist zwar sonderbar, aber doch wahrscheinlich von guter Wirkung. Wenn z. B. die Stelle des Oberlieutenants in einer Compagnie erledigt wird, so überreicht der Capitän derselben dem General eine Liste, worauf immer von Rechtswegen der älteste Secondelieutenant steht, und außer ihm noch zwey andere Lieutenants, nach der Wahl des Capitäns, welcher auch über alle drey seine Meinung beyfügt. Aus diesen wählt nun der General zwey heraus, die er dem Hofe vorschlägt, worauf alsdann von dem letztern einem von beyden Candidaten die Stelle übertragen wird. Da über die beyden erstern Vorschläge das tiefste Geheimniß beobachtet wird, so können die beyden Officiers, welche durchfallen, unmöglich wissen, wem sie eigentlich die Schuld davon zuzuschreiben haben. Auf die nähmliche Art geschehen auch alle übrigen Beförderungen bis zum Obersten hinauf.
Die Militär-Einrichtungen in Spanien gründen sich insgesammt auf Gerechtigkeit und auf ein lebhaftes Gefühl von Ehre; kein alter Soldat wird jemahls verabschiedet, wenn er nicht ein Verbrechen oder eine entehrende Handlung begangen hat. Hat einer funfzehn Jahre treu gedient, und will noch ferner fortdienen, so erhält er eine bestimmte Vermehrung seines Soldes; hat er zwanzig Jahre gedient, so bekommt er abermahls eine Zulage; nach 27 Dienstjahren erhält er den Grad und den Gehalt eines Fähnrichs, und nach 32 Jahren den eines Lieutenants. Diese Einrichtung bringt offenbar die heilsamsten Folgen hervor, obgleich kaum einer unter tausenden bis zu der dritten Periode gelangt, wo es ihnen erlaubt ist, mit lebenslänglicher Beybehaltung ihres vollen Gehaltes den Dienst zu verlassen. Die Söhne des Capitäns und der übrigen Oberofficiers haben das Recht, in dem Alter von 12 Jahren in die königlichen Cadettenschulen aufgenommen zu werden. Wenn ein Officier oder ein Gemeiner in der Schlacht das Leben verliert oder späterhin an seinen Wunden stirbt; so kann sein Vermögen nicht wegen Schulden mit Arrest belegt werden, sondern fällt unverkürzt seinen Erben zu, und diese erhalten noch von dem Könige eine ansehnliche Pension.
Einen sehr schädlichen Grundsatz stellen jedoch auch diese Militärgesetze auf, und dieser besteht darin, daß der Befehlshaber eines Postens, und wenn er auch ein bloßer Capitän wäre, von keinem General, der auf seinen Posten kommt, irgend einen Befehl anzunehmen braucht, wenn dieser General nicht von höherem Range ist, als derjenige, welcher ihn auf seinen Posten gestellt hat; denn, sagen die Gesetze, der Capitän ist für seinen Posten bloß allein dem Könige verantwortlich. Dieser Grundsatz kann aber die allerverderblichsten Folgen nach sich ziehen. Wenn z. B. ein höchstwichtiger Posten, wobey sich vielleicht unermeßliche Magazine befinden, im Begriff ist, dem Feinde in die Hände zu fallen, und ein davon unterrichteten General hinzueilt und dem commandirenden Officier befiehlt, seinen Posten unverzüglich zu verlassen; so braucht dieser ihm nicht zu gehorchen, denn er hat von Niemand, als von dem General, der ihm seinen Posten angewiesen hat, Befehle zu empfangen; hierdurch werden aber die Magazine eine Beute des Siegers.
Was nun endlich noch die religiöse Verfassung von Neuspanien anbetrifft, so ist selbes in vier Erzbisthümer eingetheilt, nähmlich: Mexico, Guadalaxara, Durango und St. Luis Potosi; unter jedem von diesen stehen wieder mehrere Bischöfe, und eine große Anzahl von Weihbischöfen, Diaconen, Pfarrern und dergleichen. Jeder von diesen letztern steht unter den Befehlen seines unmittelbaren Vorgesetzten, und die ganze Geistlichkeit, ohne alle Ausnahme, ist den Aussprüchen des Inquisitionsgerichtes, das in Mexico seinen Sitz hat, unterworfen. Von diesem furchtbaren Gerichte werden so wohl gegen Ketzereyen, als auch gegen philosophische Schriften, deren religiöse oder politische Grundsätze gefährlich zu seyn scheinen, häufige Bannstrahlen geschleudert, und nach allen eingezogenen Nachrichten ist es außer Zweifel, daß dasselbe in den Staaten von Mexico einen weit grössern und wirksamern Einfluß hat, als in irgend einem andern katholischen Staate in Europa, und vielleicht in der ganzen Welt. Es sind erst wenige Jahre, daß ein Mann durch dasselbe zum Feuertode verurtheilt worden ist, weil er einige Lehrsätze aufgestellt und verfochten hatte, die für ketzerisch gehalten wurden. Das nähmliche Schicksal hatte auch ein Jude, der die Tollheit beging, Christi Bildniß von einem Kreutze herabzunehmen, es unter der Schwelle seiner Hausthür zu verbergen, und sich dabey gegen mehrere Personen die unsinnige Äußerung zu erlauben: "er wolle machen, daß die Christen über ihren Gott hinwegschreiten müßten."
Dieser Gerichtshof untersucht auch und verurtheilt zu den Flammen alle neueren Bücher, deren Inhalt den von der Inquisition angenommenen Grundsätzen zuwider läuft, und thut alle diejenigen in den Bann, bey denen ein Exemplar derselben gefunden wird. Von Zeit zu Zeit liest man in der mexikanischen Zeitung ein Verzeichniß von solchen Büchern, die als ketzerisch, gottlos und der Ruhe und Ordnung im Staate nachtheilig, von der Inquisition verurtheilt worden sind. Daß hierunter die Werke von Helvetius, Rousseau, Mirabeau und dergleichen begriffen sind, ist weniger auffallend, als daß sich auch viele andere, weit weniger oder ganz und gar nicht gefährliche Bücher, z. B. Pope s Versuch über den Menschen darunter befinden.
Der Gehalt der Erzbischöfe ist weit beträchtlicher, als der von allen Civil- und Militärbeamten im ganzen Königreiche. Der Erzbischof von Mexico hat eine jährliche Einnahme von 150,000 Piaster, da hingegen der Vicekönig nur 80,000 Piaster und 50,000 Piaster Tafelgelder, folglich 20,000 Piaster weniger als der Erstere hat. Diese Einkünfte der Geistlichkeit werden ganz allein von dem Volke erhoben, welches zwar dem Könige keine bestimmten Abgaben entrichtet, dagegen aber an die Geistlichkeit den zehnten Theil von seinen gesammten jährlichen Einkünften bezahlen muß. Außerdem sind auch noch die Accidenzien an Geschenken für die Beichtväter, Dispensationen, Taufen, Heirathen, Begräbnissen und tausend anderen Dingen, äußerst beträchtlich, und wenn das Volk sie alle fortdauernd gutwillig bezahlen soll, so muß man alles Mögliche anwenden, um es immerfort bey den alten Gesinnungen und Begriffen zu erhalten.
Die niedere Geistlichkeit, die eigentlich alle beschwerlichen Dienstgeschäfte ausschließend verrichtet, besteht großen Theils aus unterrichteten und helldenkenden Männern. Ich habe keinen einzigen unter diesen Geistlichen kennen gelernt, der nicht auf das sehnlichste eine baldige Veränderung der Verfassung gewünscht hätte. Sie sind fast durchgängig Creolen, und bleiben beständig in den untern Graden, ohne daß einer von ihnen die geringste Hoffnung haben darf, ohne daß einer von ihnen die geringste Hoffnung haben darf, sich jemahls zu den höhern Würden der Kirche empor zu schwingen, indem diese ausschließend nur den gebornen Europäern zu Theil werden. Deßhalb sind sie aber auch in einem solchen Grade erbittert, und gegen die ganze, höchst verderbliche Verfassung so sehr aufgebracht, daß sie, nach meiner Überzeugung, die ersten seyn werden, die sich, wenn über kurz oder lang die Fahne der Unabhängigkeit in jenem Lande wegen wird, an die Spitze stellen und die gefährlichsten Feinde der jetzigen Verfassung seyn werden.
Zeitungsnachrichten.[]
- [1806]
Großbrittanien.
In Mexico ist eine Proclamation publicirt worden, nach welcher alle Differenzen zwischen America und Spanien beygelegt werden sollen, und die Commandeurs angewiesen worden, von den Gränzposten zurückzukehren, und ein freundschaftliches Vernehmen mit den Americanern zu erhalten.
Quellen.[]
- ↑ Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1806.
- ↑ Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst. 1813.
- ↑ Wiener Zeitung. Nro 78. Sonnabend, den 27. September 1806.