Blicke auf den Waarenhandel in der Leipziger Jubilatemesse 1812.[]
Nur zu sehr ging jede Besorgniß in Erfüllung, die wegen des Mißlingens der Frankfurter Messe nun auch wegen der Leipziger Platz greifen mußte. Eine Menge Meßwohnungen standen leer, eine noch größere Menge von Logis und Gewölben wurden aufgesagt, und die Eigenthümer mußten sich gerade in der Zeit, wo ihre Bürde sich verzehnfachte, die schmerzlichsten Miethzinsverringerungen überall, wo die Messe ins Spiel kam, gefallen lassen. Verbote und Sperren hemmten den Handel auf allen Seiten. Die mit der gesetzmäßigen Strenge befolgten Einfuhrverbote an der weiten Douanenlinie des französischen Reichs gaben manchem Handelszweig eine ganz andere Richtung. Die Liste der in Oesterreich verbotenen Waaren füllte drey enggeschriebene Seiten; der russische Ukas, der fast alle Einfuhr versperrt, blieb in seiner vollen Wirkung. Die Ungewißheit der verhängnißschwangern Zeit vereitelt und verbiete jede Spekulation. Gegründete und ungegründete Aengstlichkeit wegen der Zukunft beschränkt und mindert auf allen Seiten den Verbrauch der Waare und die Zahl der Konsumenten, indem sich die Konkurrenz der dieselbe fabricirenden Verleger und also auch die Waarenmasse immer vermehrt hatte. Wenig Kredit, viel Mißtrauen bey Wechslern und Verkäufern, da überall die Behutsamkeit aufs Höchste zu treiben, Pflicht der Selbsterhaltung ist. Die Folgen aus allem diesem begreifen sich von selbst. Die Preise müssen aufs Aeusserste herabgedrückt werden. Wer ja noch etwas verkaufen will, muß lieber gleich neue Rechnung anfangen und, wenigstens im Vergleich mit ehedem, spottwohlfeil verkaufen. Auch die solidesten Handlungen, die wohl noch abwarten könnten, müssen nun gleichfalls mit dem Strome schwimmen. Den Ausschnitthändlern und Wiederverkäufern erwächst dadurch, daß die früher und theurer verkauften Waaren in den Magazinen selbst preiswürdig zu seyn aufhörten, empfindlicher Verlust, und, das Schlimmste von Allem, die einmal herabgedrückte Waare gelangt spät oder vielleicht nie wieder zu ihren alten Preisen. Die schlechte Messe wird so die Mutter einer noch weit schlechtern, die erste noch kommen könnte. Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet, wird das Jubilate dieser Messe leicht in ein Miserikordias zurückgeführt werden können. So erst wird man wohl auch die Nachrichten vom Absatz in einzelnen Artikeln, der doch ganz beträchtlich und aufmunternd gewesen sey, gehörig würdigen können. Freylich wurde verkauft, sogar einzeln viel verkauft und nachgeschickt, aber um welche Preise und mit welchen Aussichten für die Zukunft? Auch lasse man sich ja nicht, was manchem Ausländer begegnet, von Ideen des fortdauernden Wohlstandes täuschen. Selbst das einst so gesegnete Sachsen dürfte sich leicht in der Lage eines Kranken befinden, der zu den bekannten Liberschen Auszehrungskräutern seine Zuflucht nimmt. Zwar haben die staats- und landschaftlichen Anleihen, gestützt auf die in ganz Europa gekannte und geschätzte Rechtlichkeit des Fürsten, und die Gewissenhaftigkeit aller Staatsbehörden, bis hierher leidlichen Fortgang gehabt. Allein dies ist für den Handel eben kein erfreuliches Anzeichen. Blühete der Handel, wäre irgend ein andrer Erwerb, so wäre in diesem das Geld höher, als in jenen Anleihen zu nützen. Nicht im großen Reichthum einzelner Besitzer, sondern in der richtigen Vertheilung des Geldes unter die möglichst große Anzahl webender und schaffender Hände lag bis jetzt der Wohlstand eines Landes, wo Frugalität vom Fürsten herab Hauptgesetz, Beschränkung auf Unentbehrlichkeit die Lebensbedingung von Hunderttausenden war. – Alle schaafwollenen Waaren gingen im Verhältniß zu vormaligen Preisen schlecht, auch wissen Wohlunterrichtete nichts von dem anfänglichen Anschein zu einem guten Geschäft, wovon ein Handelsbericht (im Nürb. Korresp. No. 117.) erzählt. Um so nachtheiliger wirkte die bey gefüllten Magazinen fortdauernde Fabrikation, weil man sich, nach dem letzten Erfolg urtheilend, weit bessere Geschäfte versprochen hatte. Je feiner die Tücher waren, desto weniger Absatz fanden sie, weßwegen nicht nur die großen Tuchhändler aus Verviers, Eupen, Lennep, sondern auch die Görlitzer, und wo sonst im Inlande feine und gute Mitteltücher fabricirt werden, bittere Klagen zu führen vollkommene Ursache hatten. Auch die Reichenberger waren diesmal höchst unzufrieden. Die Wege in den Norden und nach der Levante waren gesperrt, und in Deutschland trägt jetzt mancher Ehrenmann zum Aerger seines Bedienten oder des Trödeljuden einen gewendeten Rock und eine gröbere Flaushülle. Aber auch der gemeinste Bedarf schien zu stocken; denn auch die klagten, welche Moltongs, Friese und Futterzeuge zu verkaufen hatten. Nur die grauen Mitteltücher, und was sonst in absteigender Linie dazu gehört, wurden zu Kapots und Pantalons fleißiger gekauft. Die meisten Tuchhändler machten also gar keine Messe, und waren dann immer noch glücklicher, als wo Nothverkauf drängte und, mit dem Sprichwort zu reden, die Henne mit dem Eyerstock auffraß. Denn es ist doch vorauszusehen, daß im Laufe des Jahres und gegen den Herbst hin stärkerer Begehr kaum ausbleiben kann. Glücklich also, wer warten konnte. Auch die Kasimirs waren flau, und werden so lange nicht stark begehrt werden, bis sich neue Wege ins Ausland eröffnen. Immer bleibt es dabey bemerkenswerth, daß sowohl in Kasimirs als Nankins neuerlich Fälle vorkamen, wo sie mit englischen verwechselt und so lange angehalten wurden, bis die unbezweifeltesten Bescheinigungen ihren ächten deutschen Ursprung beurkundet hatten. Nur einige Modewaaren, als modische Westen- und Beinkleiderzeuge, Shawls und Fichus in Wolle und Kachemire, und vor allen die so beliebten Merinos, hatten sich einiger Gunst zu erfreuen, und hier möchte wirklich zuweilen die Nachfrage den Vorrath übersteigen. Bey den Merinos zu Kapots für die Damen, waren sie, auch auf die Shawls übergegangenen, Doppelreihen von Einfassungen an den Kanten, die der Pariser à la Bayadère getauft hat, ein verschönernder, aber auch vertheuernder Zusatz; wie denn überhaupt die Borderie in Kachemirbordüren einen eigenen bedeutenden Handelszweig ausmacht, der auch in Sachsen mit Erfolg nachgemacht wird. Man fand in wohlversehenen Modehandlungen, wie bey Göhring und Gerhard, sehr anlockende Muster davon. Auch die viereckigten 12/4 großen Merino- und Kachemirshawls hatten ringsherum laufende Palmettenkanten, die mit Inbegriff der sie begränzenden zwey türkischen Käntchen über Handbreit ausfielen. Die gedruckten Ribos und Kordeline zu Männerbekleidung, so wie die schottischen geg~~rten ombrirten Merinos (die Elle zu 2 Rthlr. 15 Gr.) fanden Absatz. Auch glatte Merinokachemirs (die Elle zu 2 Thalern) gewannen Beyfall, und hießen, wie bunte Streifen eingewirkt waren, Pyrmontinos. Doch sind alle diese Artikel mehr auf die Herbstmesse berechnet. -- Die Wolle selbst schien zwar noch tiefer sinken zu wollen, erhielt sich aber doch im Ganzen bey den vorigen Preisen, die freylich noch immer gegen die frühern sehr tief standen, indem selbst von guter veredelter Wolle der Stein nur zu 22 bis 24 Thalern verkauft wurde. Die Wollhändler lassen indeß die Hoffnung nicht sinken. Ordinäre Schafwolle wird wegen des militärischen Bedarfs, ferner spanische wegen Mangel, immer gesucht und preiswürdig seyn.
Quellen.[]
- ↑ Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 175. Montag, den 22. July/3. August 1812.