Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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British Library.


Meissen.[]

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Meissen die Hauptstadt, mit 511 Häusern in der Stadt und den Vorstädten und noch 45 öffentlichen Gebäuden, an der Elbe, in einer höchst anmuthigen Gegend.

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In den 448 Bürgerhäusern, mit Ausschluß der übrigen in den Gärten und Weinbergen, lebten im J. 1800 3,705 Einwohner. Auf einem Berge liegt das Schloß; es sind aber der vorderste Theil, welcher den ehemaligen Burggrafen gehöret hat, und der hinterste, welcher den Bischöfen zuständig gewesen, eingegangen, und nur noch der mittlere oder markgräfliche Theil, die Albrechtsburg genannt, übrig. In demselben ist seit 1710 die berühmte Porzellanfabrike. Sie macht die Stadt zu einem Sammelplatz geschickter Chymisten, Künstler und Maler, wie denn auch von der 1763 gestifteten kurfürstl. Akademie der Künste, ein Hauptzweig hier etablirt ist. In neuern Zeiten hat zwar der Absatz des Porzellans abgenommen, weil auch in andern Gegenden ähnliche Fabriken angelegt und das Geheimniß abgelernt wurde; aber die ausgezeichnete Güte und Schönheit, wird doch diese Mutter aller übrigen in Europa lange erhalten. Sie beschäftigt noch immer über 700 Personen. Die Hauptniederlage der hier verfertigten Waare befindet sich in Dresden.

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Nicht weniger verdient die Domkirche nebst ihrem hohen oben durchsichtigen steinernen Thurm besehen zu werden, inwendig aber die Fürstenkapelle mit den sächsischen Begräbnissen, von Friedrich des Streitbaren Nachkommen, bis auf 1539, und mancherley Grabmäler. Auf dem Berge St. Afra steht die hiesige kurfürstliche Landschule, die 1543 aus einem Benediktinerkloster errichtet ward und das Afraneum heißt. Zur Erhaltung desselben sind die Einkünfte einiger Dörfer des ehemaligen Klosters bestimmt. Die Schule hat einen Inspector, 5 Lehrer, und 118 Alumni, welche größtentheils frey unterrichtet und genährt werden. Die lateinische Stadtschule heißt das Franciscaneum. Den Einwohnern bringt die Porcellainfabrike, und der Weinbau, welcher als der vorzüglichste in Sachsen gilt, auch einige Arbeiten der Tuchmacher und Töpfer, die Nahrung. Die von den Preussen im Kriege 1757 abgebrannte künstlich bedeckte Elbbrücke ist nunmehr vortrefflich wieder hergestellt.


Von Reisenden.[]

Carl Gottlob Küttner.[]

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[1794]

Dreyßigster Brief.

Meißen.

Wer die Porzellanfabrike zu Meißen sehen will, muß einen Erlaubnißschein haben, den wir von Dresden mitbrachten. -- Die Handarbeit ist in allen Porzellanfabriken die nehmliche, mehr oder wenige, und ich würde die hiesige nicht besehen haben, (besonders da das Niederlager, das man Dresden aufbewahrt, mehr schönes darbiethet, als was man hier sehen kann) wenn Lord *** nicht gewünscht hätte, gerade die Fabricke zu sehen, die in Europa die beste Erde besitzt.

Mit dieser Ueberlegenheit sollte man glauben, daß das Meißner Porzellan, seiner theuern Preise ungeachtet, am meisten in Europa gesucht werden müsse. Aber gerade das Gegentheil ist der Fall, und ich habe bemerkt, daß in allen den Ländern, wo ich auf ausländischem Porzellan speißte, das Meißner mir gerade am seltensten vorkam. Ich kann diesen Umstand aus keiner andern Ursache erklären, als durch die vielen ungestallten Formen, nach denen man noch immer fort arbeitet, während daß die übrige, auch die schlechtesten und unbedeutendsten Fabricken in Europa sich nach dem Geschmacke der Zeit gerichtet und edlere Formen eingeführet haben. Ich sage hiermit nicht, daß man zu Meissen gar keine Verbesserungen getroffen habe, wohl aber, daß man noch eine Menge Gefäße nach Formen arbeitet, die seit der ersten Erfindung des Sächsischen Porzellans gebräuchlich gewesen sind. Das war immer mein Glaube, und einige Personen aus der Fabricke haben mich darinne bestätiget.

Der Vorwurf, daß man in andern Fabriken besser arbeite, ist ganz ungegründet. Durch das beßere Arbeiten kann man, wenn ich die schlechten Formen ausnehme, doch wohl nur die Mahlerey und die Verzierungen verstehen. Ich behaupte aber, daß man zu Meißen einige Mahler hat, die so gut sind, als ich sie in irgend einer Fabricke von Europa getroffen habe, vielleicht die von Seve nicht einmahl ausgenommen. Man zeigte mit einen Teller, auf welchem der Tod des Generals Wolf nach West copiert war, über den ich nichts anders zu sagen wußte, als daß die Arbeit nur zu gut für einen so zerbrechlichen Grund war. Man gebe also nur schöne Formen und lasse den Mahlern freyen Willen in ihren Verzierungen, und ich bin gewiß, daß die Meißner Arbeit, wenn sie auch an Geschmack derjenigen nicht ganz gleichkommen sollten, die ich sonst zu Seve zu sehen gewohnt war, doch gewiß die Neapolitanischen erreichen und die Wiener und Berliner vielleicht übertreffen wird. Daß die Meißner Künstler das Schöne kennen und das Gute auszuführen wißen, beweisen hinlänglich eine Menge Figuren in Biscuit, die in der Niederlage zu Dresden zu sehen sind.

Das Unbegreiflichste in dieser Fabricke ist nur, wie man so viel und so lange in einem gewißen Stile von Figuren fortarbeiten konnte, der so barbarisch ist, daß ich wirklich von dem guten Sinne der Deutschen glaube, daß die diesen Stil nimmermehr angenommen haben würden, wenn sie ihn nicht einst aus Frankreich empfangen hätten. Ich meyne jene heßlichen Figuren, die Pauloo zuerst anfieng und die Boucher Watelet und Consorten zum non plus ultra der Abgeschmacktheit brachten -- jene galanten Schäfer und insectenförmige Schäferinnen; jene graziosen Tänzer in krampfigen Verzuckungen, jene Leyermänner, Flötenspieler, Pantalons, Colombinen, Harlequins, Jäger und Jägerinnen, samt und sonders in natürlichen oder unnatürlichen Farben. -- Von diesem Wuste, den ein beßerer Geschmack schon längst verbannt hat, liegt zu Meißen auch ein ungeheurer Vorrath. Freylich arbeitet man schon längst nicht mehr in diesem Fache; aber es muß eine Zeit gegeben haben, in welcher dieser Geschmack allmählig verbannt wurde, ohne daß man es zu Meißen bemerkte, ohne daß man aufhörte, darinne zu arbeiten. Das Erbaulichste war mir, daß mit jemand aus der Fabricke sagte, es fänden sich doch noch hin und wieder Liebhaber.

Ich weiß nicht, wie das Unglück es haben wollte, daß es mir einfiel, den Lord *** der selbst ein einer öffentlichen Schule erzogen worden ist, eine große deutsche Schule zu zeigen. Wir besahen also die Meißner Fürstenschule, oder vielmehr, wir eilten davon, so bald wir ein Lehrzimmer, den Speisesaal und ein Paar Wohnzimmer gesehen hatten. Lange habe ich keinen meiner Einfälle so sehr bereuet; denn so wenig auch sonst meine deutschen Freunde mit Partheylichkeit für Deutschland vorwerfen, so that mir es dich in allem Ernste wehe, daß ich einem Ausländer mehreres hatte sehen lassen, das in manchen Englischen Stalle so gar viel besser und reinlicher ist.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1806.
  2. Wanderungen durch die Niederlande, Deutschland, die Schweiz und Italien in den Jahren 1793 und 1794. Leipzig, 1796. bei Voß und Kompagnie.
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