Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Marie Louise.[]

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Marie Louise (Königin von Spanien), Prinzessin von Parma, ward geboren am 9ten December 1751, und mit Carl IV. wider dessen Willen, auf ausdrücklichen Befehl seines Vaters, vermählt am 4ten September 1765. Sie ist eine kluge, höchstgewandte und ihrem Gemahle an Geisteskraft weit überlegne Frau. Frühzeitig wußte sie es dahin zu bringen, den stürmischen Sinn ihres Gemahls, der anfänglich sogar in thätliche Beleidigungen gegen sie ausbrach, sich unterthänig zu machen und selbst die spanische Etikette so zu mildern, daß sie sich dem Könige zu jeder Zeit nahen durfte. Von allem, was in Staatsangelegenheiten vorging, war sie bald gut unterrichtet; oft wohnte sie der Ausfertigung geheimer Staatsacten im geheimen Rathe bei und nicht selten mußten die Minister Beförderungsdecrete, welche zur Unterschrift schon bereit lagen, zurücknehmen, wenn sie einen andern Candidaten befördert wissen wollte. Sie war nämlich klug genug, ihre Günstlinge nur von solchen Seiten zu empfehlen, die den König am meisten einnahmen, und auch dann erst sich öffentlich zu dem Empfohlenen hinzuneigen, wenn Carl IV. ihm seine Gunst schon geschenkt hatte, und sie also nur dem Befehle ihres Gemahls und ihres Gebieters Gehorsam zu leisten schien, wenn sie den von ihm Begnadigten gleichfalls auszeichnete. Auf diesem Wege erhielt sie völlige Herrschaft über ihrem Gemahl und schon als Prinzessin von Asturien hatte sie eine Intrigue mit dem ältern Godoy, dem Sohn eines armen Edelmanns in Estremadura. Allein der kluge König Carl III. hatte die Gewohnheit, sobald er dergleichen Liebesverhältnisse bei seiner Schwiegertochter entdeckte, den Günstling schnell zu entfernen. Bald kam jedoch in die offene Stelle sein jüngerer Bruder Don Manuel Godoy, damals Leibgardist, ein schöner, angenehmer Mann, trefflicher Guitarrenspieler und Höfling. Maria Louise wußte ihre neue Liebe dem scharfsichtigen Schwiegervater zu verhehlen und den Don Manuel bei ihrem Gemahle dergestalt in Gunst zu setzen, daß er bald dessen erster Liebling wurde. Nachdem also Carl IV. den Thron seines Vaters bestiegen, rückte Godoy schnell von einer Stufe der Macht zur andern, ward endlich selbst einer Prinzessin aus Königlichem Geblüte vermählt und mit dem Titel Principe de la Paz zum Generalissimus der spanischen Landmacht, und zum Generaladmiral der ganzen spanischen Marine ernannt. Maria Louise und Godoy regierten Spanien unumschränkt, und ihr beiderseitiges Streben ging darauf hin, den Kronprinzen Ferdinand und dessen Partei beim alten Könige verdächtig zu machen, damit sie ungestört das Ruder fortführen könnten. Aus diesen Hofcabalen, an welchen unläugbar Maria Louise aus unnatürlichem Widerwillen gegen ihren eignen Sohn thätig Antheil nahm, entspann sich mit Hülfe französischer Intriguen und gegenseitiger Aufhetzungen jene seltsame, die spanische Thronrevolution vorbereitende Catastrophe vom 29sten October 1807, wobei der alte König seine Sohn und Thronfolger vor aller Welt des Verbrechens beleidigter Majestät, projectirter Empörung und unnatürlicher Gewaltthat gegen sein Vater beschuldigte. Doch wurde dieser schimpfliche Handel, weil Maria Louise und ihr Liebling des Volks Stimme fürchteten, vorerst wieder beigelegt und der Prinz, welcher auf Godoy's dringende Vorstellung einen demüthigen Brief an Vater und Mutter gestellt, zu Gnaden angenommen. Seine bekannten Anhänger, Infantado und Escoiquiz, aber blieben vom Hofe verwiesen. Dem schimpflichen Vorspiele folgte bald die große Tragödie selbst; schon am 18ten März 1808 brach die weltbekannte Revolution von Aranjuez aus. Ferdinand warf seinen Vater vom Throne, nöthigte ihn zur feierlichen Entsagung der Krone, drohte, seiner Mutter Ausführung einer strengen Untersuchung zu unterwerfen, und setzte sich mit allgemeinem Volksjubel auf Spaniens Thron. Maria Louise hatte jetzt, da Godoy verhaftet und der wildesten Volkswuth Preis gegeben war, keinen andern Rückweg, als sich dem Kaiser Napoleon und seinem Oberfeldherrn, Joachim Murat, der schon mit beträchtlicher Heeresmacht nach Madrid vorgerückt war, in die Arme zu werfen. Carl IV. mußte daher ins geheim (am 21sten März) gegen seine Thronentsagung protestiren, und durch Murats Adjutanten, Demouthion, wurde jene Correspondenz mit Murat eingeleitet und fortgesetzt, die ein ewiger Schandfleck für Marie Louise bleiben wird, indem sie selbst in einem eigenhändig am 18ten März geschriebnen Briefe ihren Sohn beschuldigte, er habe ein sehr schlechtes Herz, sey blutdürstig und habe Vater und Mutter nie geliebt. Murat wußte mit Gewalt den Liebling der Königin aus den Händen seiner Feinde zu retten. Carl IV., Marie Louise und Godoy erschienen, von französischen Truppen escortirt, sämmtlich zu Bayonne vor Napoleons Thron, als Ankläger Ferdinand VII., und die schändliche Intrigue, wobei Düroc einer der thätigsten Mitgehülfen war, entwickelte sich also, daß Ferdinand durch Todesdrohung zur feierlichen Entsagung des spanischen Throns zu Gunsten der Verfügung Napoleons gezwungen und als Gefangener ins innere Frankreich nach Valençay abgeführt, Carl IV., Marie Louise, Godoy und die Königin von Etrurien aber mit königlichem Pompe nach Frankreich begleitet und daselbst ebenfalls wie Staatsgefangene bewacht wurden. Man veränderte dort mannichfaltig ihren Aufenthaltsort; zuletzt war es Marseille, von wo sie nach Rom abreis'ten, wo sie sich seit der Thronbesteigung ihres Sohnes noch aufhalten.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
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