Maynz.[]
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(lat. Mogunita, Moguntiacum)
Maynz, die alte ehemalige Haupt- und Residenzstadt des gleichnamigen Erzstifts, am westlichen Ufer des Rheins gelegen. wo sich der Mayn in denselben ergießt. Hier legte schon Drufus eine Festung an. Der erste Ursprung der Stadt ist dunkel. Im Mittelalter stand sie (seit 1247) an der Spitze des Rheinischen Bundes. Im J. 1631 nahm sie Gustav Adolph ein, 1635 wieder die Kaiserlichen; 1644 die Franzosen, welche sie im westphälischen Frieden wieder zurückgeben mußten. 1689 wurde sie mit Sturm erobert. Sie ist eine ansehnliche Stadt und zählte vormals 27,000 Einwohner; im J. 1803 fanden sich deren noch 21,583. Seit dem lüneviller bis zum pariser Frieden gehörte Maynz zu Frankreich und war die Hauptstadt im Departement des Donnersbergs. Als Festung ist es von großer Wichtigkeit; die Werke sind von den Franzosen noch sehr verstärkt und vergrößert worden. Die Gassen der Stadt sind meist enge und winklicht, doch erblickt man unter den Häusern auch hin und wieder ansehnliche Paläste. Das ehemalige Residenzschloß Martinsburg wurde von den Franzosen zur Niederlage für den maynzer Handel bestimmt. Dem Einflusse des Mayns gegenüber lag die churfürstliche Favorita mit ihrem Garten, Wasserkünsten und der vortrefflichen Aussicht über den Rhein und Mayn.
Durch die mehrmaligen Belagerungen aber während der letzten Kriege sind jenes Lustschloß, die Domgebäude, einer von den großen Thürmen der Domkirche, die Jesuiterkirche und viele andre öffentliche und Privatgebäude zerstört worden. Die Domkirche enthielt einen kostbaren Schatz und viele schöne Grabmäler, welche aber größtentheils nicht mehr vorhanden sind. Die Klöster sind aufgehoben und zum Theil zerstört, wie die Carthause. Von den Hospitäler ist das zu St. Roch mit seiner Buchdruckerei, Strumpf- und Zeugfabrik von weltlichen Gebäude aber das Rathhaus, Zeughaus, Redouten- und Ballhaus, das adelige Gesellschaftshaus, die Reitschule u. s. w. merkwürdig. Von Antiquitäten bemerkt man vorzüglich das Monumentum Drusi oder den Eichelstein (von seiner Form) nahe am Walle vor Maynz. Uebrigens schreibt sich Maynz die Erfindung der Buchdruckerkunst (s. d. Art.) zu. Die Universität, welche 1477 gestiftet und 1746 mit neuen Statuten und Privilegien, ingleichen mit einer schönen Bibliothek, medicinischem Garten und anatomischem Theater versehn und von dem Churfürsten Friedrich Carl so verbessert worden war, daß 1784 eine feierliche Instauration derselben Statt fand, ward 1798 von den Franzosen in eine Centralschule und 1802 diese in ein Lyceum verwandelt. Im J. 1803 wurde hier eine von den fünf großen Arzneischulen Frankreichs angelegt. Die bei Maynz über den Rhein gehende Schiffbrücke, welche 450 Schritte lang ist, führt zu dem gegenüberliegenden Städtchen Cassel. Nach dem pariser Frieden wurde Maynz, das bisher blokirt gehalten worden, an die Deutschen übergeben, die Festung von preußischen und österreichischen Truppen gemeinschaftlich besetzt; die Stadt aber unter hessendarmstädtische Hoheit gestellt, und im Juli 1816 in Besitz genommen.
Von Reisenden.[]
Heinrich Clauren.[]
- [1791]
Den 10ten giengen wir wieder an Bord, und fuhren mit dem Marktschiffe hieher nach Mainz zurück: unsere Gesellschaft schränkte sich diessmal nur auf einen niederländischen Juden und eine Strasburger Galanteriehändlerin ein, der Plebs aber, der in der Kajüte sich aufhielt, belief sich auf achtzig und mehrere Personen. Wir blieben auf dem Verdecke, und labten uns noch einmal an dem herrlichen Hochheim, dem schönen Höchst, und manchen hübschen Gegenden. Im Mainzer Hof nahm man uns auf ein Empfehlungsschreiben des Herrn G. . . d sehr willig auf.
Den 11ten October. Noch vor dem Essen besahen wir die Lieb-Frauenkirche und die Domkirche: letztere ist besonders merkwürdig, theils ihres Alters, theils ihrer Pracht halber, die aber so plump gearbeitet ist, dass man das darinnen befindliche Silber und Gold für Zinn und Messing halten muss: im Chor stehen die hölzernen Statüen von Bonifacius, Wilichisus, Bardo und Crescens: beyde letztern liegen in massiv silbernen Särgen über dem Choraltar: unter der Menge von Epitaphien, die hier stehen, ist unstreitig das des Markgrafen Albrechts von Brandenburg das merkwürdigste: die hier befindliche Fastrada, die Gemahlin Carls des Grossen, ist itzt nach dem allgemeinen Urtheil der Kenner für falsch erkannt worden, sonst wäre es eins der ältesten Denkmäler dieser Art: die Monumente der Grafen von Lamberg, von Schönborn und Schönberg sind neuer, und nach dem Maassstabe ihrer Zeiten geschmackvoller.
Wichtig für den Hof, aber äusserst uninteressant für den Reisenden ist der Domschatz, den wir durch die Gelegenheit des Herrn Grafen Carnitz aus Berlin zu sehen bekamen, da er sonst nicht jedem gezeigt wird. Wir mussten beynahe zwo Stunden in dem dumpfen Gewölbe weilen, und ich der Brillanten und Juwelen so ekel, dass ich Insul, Mütze, Kelch und alles das gern um ein Stück Rindfleisch hingegeben hätte, nach dem sich mein theures Ich herzlich sehnte: den mehrsten Antheil nahm ich noch an den Messgewändern, deren einige 60 da seyn mochten, die alle von dem darauf liegenden Golde und den daran hängenden Diamanten so schwer sind, dass ein Mensch vom heutigen Schlage kaum im Stande ist, einen solchen Chorrock eine halbe Stunde zu tragen. Wie manche unglückliche Familie, deren viertes und fünftes Geschlecht noch itzt in der niedrigsten Armuth weint, man wohl all sein Haab und Gut haben hingeben müssen, ehe ein einziges Seitenblatt, oder ein einziger Aermel eines solchen unnützen Sündenkittels zu Stande kam! wie manches reiche Mädchen wurde vielleicht von der List eines geldgierigen Pfaffen beschwatzt, sich, und woran am meisten gelegen war, ihr Vermögen der Kirche zu schenken, um sich einen Stuhl im Himmel zu bauen, oder eigentlicher, um hier einen goldenen Kelch zu giessen, aus dem der Priester das Blut Jesu tränke.
Wie viele ganze Dörfer wurden ehmals vielleicht bis auf den letzten Tropfen ausgesogen, um ein einziges Steinchen zu kaufen, das auf einer Insul blitzen sollte! Jesus hatte nicht, wo er sein Haupt hinlegen sollte, und nun haben, Bischöffe, die die Rolle seiner Apostel spielen wollen, Land und Leute, Stimmen auf dem Reichstage, und Schätze liegen, die millionenmal grösser sind, als die Summe, um die ihr Herr und Lehrer verkauft wurde.
Ein pragmatische Geschichte dieses Domschatzes müsste ein sehr lesenswerther Artikel seyn, und wenn man die Bewegungsgründe aller der Schenkungen, aus denen eigentlich dieser Schatz besteht, aufsuchen könnte, würde man wohl manche Bübereyen entdecken.
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Die baaren jährlichen Einkünfte des Doms zu Mainz müssen sehr ansehnlich seyn, denn es leben von denselben 24 Domherren, 37 Vicarii, und 18 Domicillaren, deren geringste Besoldung 1800 bis 2000 Fl. ist, da hingegen die Domherrn 15 - 36000 Fl. haben: überdiess wird auch noch der baare Geldschatz, der aber nie gezeigt wird, jährlich um ein beträchtliches vermehrt: und diess ist bloss und allein der Dom, nun nehme man noch die hier befindlichen 5 Manns- und 7 Nonnenklöster, und die auf 200 sich belaufenden und in Mainz allein wohnenden Weltgeistlichen, so kann man ungefähr berechnen, was die dortige Geistlichkeit koste! und wohl zu merken, bey dieser Berechnung darf man nicht den Maassstab der Besoldung unserer Geistlichen nehmen, denn eine wletliche Pfarre von 4 - 500 Fl., nennen sie, wie ich aus dem Munde eines Geistlichen selbst habe, Pönitenzstellchen: die gewöhnlichsten sind zu 800, 1800 bis 2000 Fl. Ein einzelner Mann, der für kein gesetzliches Weib und Kinder zu sorgen und für Niemanden zu sparen hat, kann in einer so wohlfeilen Gegend, als die Mainzische ist, mit dem Gelde gar nicht fertig werden, besonders da er auf Kleidung äusserst wenig zu wenden hat. Der Bauch und der Gaumen kosten aber viel, und was diese übrig lassen, opfern manche auf dem Altar des Genusses. In den Zimmern der Geistlichen herrscht Reinlichkeit und Geschmack: prächtige modische Meubles verrathen eine fleissige Aufsicht und leckere Bequemlichkeit, und an den Wänden hängen mehrentheils die lüsternsten Kupferstiche; um alle Sinne zu kitzeln, findet man gewöhnlich eine oder mehrere Spieluhren, und im Vorhause dampft ein Kohlenbecken die süssesten Wohlgerüche aus, die alle Zimmer erfüllen, und den Kopf allmählig und sanft benebeln. Ehe ich mit den Leuten dieses Schlags näher bekannt wurde, hielt ich immer das Gemälde ihrer häuslichen Freuden für erdichtet, oder doch wenigstens für übertrieben, aber seit dem ich sie öfters sah, und die mehresten in ihren Häusern sprach, so unterschreibe ich alles, was man von dergleichen Histörchen erzählt: . . . . . .
Nach dem Mittagsmahle stiegen wir in den Churfürstlichen Lustgarten, die Favorite: sie liegt auf einer kleinen Anhöhe, und hat die reizendste Aussicht, die man sic denken kann, zu ihren Füssen verfliessen die beyden Brüder Rhein und Main in einander, links liegt das schöne Rheinthal, weiter rechts die Gegend von Frankfurt, unten am Horizonte thürmen sich die darmstädtischen Gebürge auf, Höchst blinkt mit seinen neuen Häusern hervor, und Hochheim thront mit seinen Weinbergen auf dem offenen Hügel, weiter hinten liegt der Feldberg, vor sich dähnt sich eine lachende unübersehbare Ebene aus, die mit Weingärten, Dörfern und grünen Gebüschen reichlich gesegnet ist, und links beginnt der göttliche Rheingau. Auf so einem Standpunkte bedurfte es keiner grossen Mühe oder Kunst, eine der glücklichsten Anlagen hervorzuschaffen, und man hat denn auch nicht Gelegenheit, sich über Ueberladung zu beschweren, im Gegentheile sind die mehresten Parthien alltäglich und ärmlich; hätte man hier die Kosten eines Wörlitzer Gartens angewendet, das Plätzchen wäre die Favorite aller Naturfreunde geworden: Wir duchwanderten noch die Rheinallee, und einige andere Promenaden, die mehrentheils trefflich angelegt sind, und von der hiesigen schönen Welt stark besucht werden.
Abends gieng ich in die Lesegesellschaft, die zwar recht artig eingerichtet ist, dem Esslingerischen Institute aber bey weitem nicht gleich gesetzt werden darf.
Heute hatten wir den Plan, das Reichsarchiv zu sehn, dessen Schätze vieles interesse für mich hatten: man wies uns an einen Geheimen Rath, dieser an seinen Secretair, der Secretair wohnte am andern Ende der Stadt: als wir nach langem Ausfragen sein Haus gefunden hatten, war er eben ausgegangen: wir erwarteten ihn, und als er dazu kam, hatte er das Hofarchiv, aber nicht das des Reichs unter seinen Händen: Wir wanderten itzt zu einem andern geheimen Rath, erhielten die Erlaubniss, es zu sehen, und der Archivarius Ordre, es uns zu zeigen: der liebe Mann war unpässlich, er schickte uns an einen der Custoden, dieser war nicht zu Hause; wir hatten viel volle Stunden die Stadt durchkreuzt, es schlug ein Uhr, wir mussten zur Tische, hatten das Archiv nicht gesehen, uns müde gelaufen, und die schöne Zeit so schändlich versäumet! ein Verlust, der besonders auf Reisen weh thut, wo man jeden Augenblick zu benutzen suchen muss: nach dem Essen giengen wir über die Schiffbrücke, die in gewöhnlichem Gange 750 Schritt hält, nach Kassel, einem ansehnlichen Dorfe jenseit des Rheins (Kassel ist eigentlich ein corrumpirtes Wort, und kömmt von Castell *) her). Von der Brücke selbst hat man eine reizende Aussicht: Mainz mit allen seinen Thürmen liegt links weit ausgedähnt in voller Pracht, rechts Kassel, in ländlicher Stille am Ufer des Rheins, und gerad aus strömt der wallende Fluss gegen eine hochbebuschte Insel, auf welcher eine herrliche Holländerey angelegt ist.
- *) Die Römer erbauten es gegen die Katten.
Von den hiesigen Bibliotheken, die in manchen Klöstern nicht unbeträchtlich sind, konnten wir nichts zu sehen bekommen, die Leute sind hier zurückhaltender, als irgend wo, und fühlen für ihre Güter kein Interesse; ob diess auch von ihren Weinkellern gilt, kann ich nicht sagen.
Die Universität ward 1477 von dem Churfürsten Diether von Isenburg gestiftet, aber vorzüglich von dem itzigen Churfürsten Friedrich Carl Joseph von Erthal verbessert, und sieht unter der künftigen Aufsicht eines Dalberg immer mehreren Vollkommenheiten entgegen. Die zur Universität gehörige Bibliothek fasst auf 80000 Bände, und besitzt einen ansehnlichen Schatz von 30000 alter seltener Disputationen *).
- *) Umständlicher über die hiesige Universität handeln Heuns vertraute Briefe.
Mainz ist im Ganzen genommen nicht gut gebaut, und hat, ich nehme die drey Bleichen aus, höchst schlechte Strassen: die besten Häuser, die sich mit Pallästen messen könnten, stehen in kleinen Gässchen eingeengt, so, dass sie alle Wirkung verlieren. Die Zahl der Feuerstellen beläuft sich auf 2000, und die der Einwohner auf 30000. Das zweyte Geschlecht ist, so viel ich im Fluge beurtheilen kann, nicht so durchgehends schön, als ich es in den übrigen katholischen Städten fand; der Umriss des Kopfs gemein, die Auge ohne Feuer, die Wangen bleich, und der lieblichfromme Zug im Munde, der bey den andächtigen Messgängerinnen sonst so unverkennbar ist, fehlt hier ganz: Wie aber keine Regel ohne Ausnahme ist, so auch besonders diese; ich habe z. B. zwey Damen gesehen, die als Ideale weiblicher Schönheit auftreten könnten; diess möchten wohl aber Ausnahmen seyn. Das männliche Geschlecht zeigt im Allgemeinen eine gewisse freye Addresse, die besonders unter gemeinen Leuten auffallend ist.
Die Theuerung der Lebensmittel liesse sich in einer Residenz, die durch die Handlung und die Universität noch mehrere Menschen fassen muss, weit höher erwarten; so wohlfeil, wie z. B. in Heidelberg, feilscht man wohl nicht, dennoch stehn die Preise mit denen in andern grossen Städten in gar keinem Verhältnisse.
Noch einer wichtigen Anstalt muss ich erwähnen, nämlich des prächtigen neuen Krahns, der erst vor einigen Jahren ausgeführt worden ist. Unter den merkwürdigen Antiquitäten ist der Eichelstein der vorzüglichste; einige Jahrhunderte jünger, aber immer noch sehenswerth ist der metallene Taufstein im Collegiatstifte U. L. F. -- Die Einkünfte des Churfürsten belaufen sich auf 1800,000 Gulden, und der Umfang seiner ganzen Lande mit Einschluss des Eichsfeldes auf 126 Q Meilen, auf denen 318000 Menschen leben. Das Fäbelchen, dass Mainz von Crescens, einem Schüler des Paulus, im Jahre 80 p. C. gestiftet worden sey, wird blos von der niedern Klasse der hiesigen Einwohner geglaubt, aber da auch so fest, dass man fürchten muss, sie zu beleidigen, wenn man daran zweifelt: dass Mainz 745 zum Erz- und Hauptstifte des heil. Röm. Reichs erhoben worden sey, ist Dir aus der Geschichte bekannt.
Johann Nikolaus Becker.[]
- [1792]
Der Häuser- und Straßen-Bau ist in Mainz sehr verschieden. Winklichte Gassen und alte Einsturz drohende Häuser sind die Hauptzüge der sogenannten alten Stadt. Da findest du fast kein einziges Gebäude, das einer Auszeichnung werth wäre, keinen einzigen Gegenstand, der deine Aufmerksamkeit auch nur auf einige Minuten fesseln könnte. Um so schöner ist aber der obere Theil der Stadt, besonders da, wo die kurfürstliche Residenz liegt. Die 3 Bleichen, die sich auf 720 Schritte in parallelen Linien von der Residenz bis zum Münsterthore strecken, verdienen die ganze Aufmerksamkeit des Reisenden. Sie haben ein gutes Pflaster, und thun Abends, wenn sie beleuchtet sind, eine ungemein gute Wirkung. Schade, daß die Häuser daselbst nicht gar ansehnlich sind; auf der großen Bleiche siehst du meist zweistöckige Gebäude, einige herrschaftliche Häuser ausgenommen. Besonders gefällt mir der Kurfürstliche Marstall auf dieser Straße nicht, der an heissen Sommertagen seinen Nachbarn sowohl wegen der Fliegen, als durch den übeln Geruch sehr überlästig seyn muß. Weiter hinaus, ohnweit dem sogenannten neuen Brunnen, sieht man die Börsche, die auch die Universitätsbibliothek bewahret. Ich ließ mir bei dieser Gelegenheit die Kerker der Akademiker zeigen, die wahrlich eher Mördergruben, als Gefängnissen gesitteter Menschen ähnlich sehen. Die Universität hat hier die oberste Kriminal-Gerichtsbarkeit über ihre Untergebene. Sie kann zum Tode verdammen und lossprechen, ohne daß der Kurfürstliche Justizsenat etwas darein reden darf. Sie verdankt diese Rechte Dietern von Isenburg, der sie im Jahre 1482. gestiftet hat. Der Kurfürst soll vor kurzem jenes Haus um 150000 Fl. der Universität abgekauft, und seiner vertrauten Freundin, der Fr. v. G****, zum Stammhause geschenkt haben. Man sagt, die Bibliothek würde nun in die Jesuitenkirche wandern. Wozu auch so viele Kirchen in einer Stadt? Man schaffe sie um, daß sie gemeinnütziger werden, und dem Volke nützlich sind, dies ist der Natur gemäßer.
Unter den übrigen Straßen verdienen noch die Augustiner- und die wegen dem benachbarten Markte so bevölkerte Schustergasse angemerkt zu werden. An dieser nimmt sich besonders das Universitätshaus gut aus. Ein schönes Gebäude, sowohl von außen als innen. Es hat helle und geräumige Horsäle, die es vor andern empfehlen. Der Promotionssaal ist minder geschmackvoll; ich ziehe den zu Trier weit vor. Man hat sich hier ins Ohr geraunet, als würde dieses Gebäude in eine Fabrik metamorphosiret. Die Professoren sollten dann mit einem noch ansehnlichern Gehalt in ihren Häusern lesen, wie auch auf andern Universitäten geschieht. Ich muß diesem wohlthätigen Projekte meinen ganzen Beifall geben.
Gegen der Universität über liegt das ehemalige Jesuiten-Kloster, das nun auch eine Tuchfabrique ist, worinn ansehnliche Arbeiten gemacht werden.
Ueberhaupt sucht man unter der itzigen, so wie unter der vorigen Regierung ein starkes Augenmerk auf die Verschönerung der Stadt zu richten. Die neuangelegten Häuser auf dem Thiermarkt und ohnweit dem Dom geben volle Beweise davon.
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Seit meinem letztern Schreiben, lieber Freund! hatte ich das Glück, mehrere schöne Gebäude der Stadt zu durchwandern. Heute besah ich die Residenz des Fürsten an der nördlichen Seite. Sie erregt von aussen kein günstiges Urtheil. Man sollte sie eher für ein Ritterschloß aus den vorigen Zeiten, als für den Wohnsitz des ersten Prälaten von Deutschland halten. Wlrklich schreibt sich auch ihre Entstehung aus dem 15ten Jahrhundert her. Dieter von Isenburg, einer der merkwürdigsten Mainzer Kurfürsten, hat sie erbauet. Ich rede hier nur von einem Theile derselben, der sogenannten Martinsburg; die übrigen zwei wurden nachher erst aufgeführt. So wenig versprechend aber die äussere Absicht ist, um so frappanter war es mir, da ich mich auf einmal gleichsam in einen Göttersitz versetzt sah. Die neuere Einrichtung dieses Gebäudes enthält Alles, was man von Kunst und seinem Geschmack sagen kann. Die Zimmer sind prächtig meublirt, und vorzüglich merkwürdig einige Gemäldekabineter, die sehenswürdige Arbeiten von den besten Meistern in sich fassen. Auffallend muß es jedem Fremden seyn, wenn er in allen Zimmern Portraite des itztregierenden Kurfürsten gewahr wird. Mein Führer, der auch meine Verwunderung mochte bemerkt haben, sagte mir, daß der Fürst ein sehr großer Liebhaber seines eigenen Gesichtes sey. Ich konnte mir das nicht entziffern, und mehrere Aufklärung wollte ich nicht fordern.
Nicht minder sehenswürdig ist auch die Bibliothek, die aus zwei schön eingerichteten Zimmern besteht. Das Glänzende darinnen thut beim Eintritt eine unbeschreiblich gute Wirkung. Man zeigte mir verschiedene kostbare Werke, unter denen mich die ersten Bücherabdrücke von Faust besonders freuten. Heinze ist Bibliothekär. Das schöne Werk Ardinghello, was uns so manche frohe Stunde gemacht hat, ist aus seiner Feder geflossen. Er hat sich dadurch eine Stelle unter den Classischen Schriftstellern Deutschlands erworben. Als es zum erstenmale anfieng hier in Umlauf zu kommen, sollte es sogleich in den Katalog verbotner Bücher geschrieben werden. Am nämlichen Tage kam Heinze zum Fürsten, der ihm über sein Buch ein artiges Kompliment machte, und ihn fürstlich beschenkte. Und der Herr Katalogenschmieder mußte mit seiner unzeitigen Hitze zurückstehen.
Doch Alles, das, was ich gesehen hatte, übertraf die unvergleichliche Aussicht, die ich vom Balkon vor mir hatte. Ich lege hier die Feder nieder. So was kann man nicht beschreiben; man muß es fühlen. Es war eines der schönsten Schauspiele, die mir die Mutter der Natur in meinem ganzen Leben dargeboten hat. Glücklich ist der Fürst, der, wenn er sich nach langer Arbeit von ernsten Geschäften losgemacht hat, einer solchen Aussicht geniessen kann. Ich gieng mit warmen Gefühl von dannen, und weil ich eben über den Schlossplatz kam, so erzählte mir mein Lehnlaquai manches artige Anekdötchen davon. Er war vor Zeiten ein Garten, und soll den hiesigen Einwohnern an schönen Sommer-Abenden zum angenehmen Spatziergange gedient haben. Der itzige Fürst ließ Alles niederreissen, und verwandelte diesen schönen Garten in einen Exerzierplatz. Da mußten dann jeden Morgen die Regimenter ihr Geschäft halten, doch bald war auch das vorbei, und der ganze Platz liegt nun öde. Die Freudenmädchen haben am meisten um den Untergang dieses Gartens geweint.
Ich besah noch die Favorit, die Domprobstei, den Hof des Freiherrn von Dalberg und noch verschiedne andre herrschaftliche Gebäude. Die Favorit liegt am südlichen Ende der Stadt. Kurfürst Lothar Franz von Schönborn kaufte sie von einem gewissen Grafen, und machte aus ihr das, was sie wirklich ist; doch der itzige Fürst wird sie auf eine höhere Stufe bringen, da er das aufgehobene Kartäuserkloster niederreissen ließ, und mit dem Schlosse selbst verbinden will. Noch zur Zeit hat dieses Sommerretrait wenig Vorzügliches und Anziehendes. Weder der Garten noch das Gebäude haben meinen Beifall, und ich wurde sehr getäuscht, da ich hier ein irrdisches Eden zu sehen hofte, weil dies das einzige Lustschloß des Fürsten ist, das er in der Nähe hat. Die Aussicht ist noch das schönste. Der unvergeßliche Kaiser Joseph soll sie bei seiner Durchreise für eine der schönsten in Deutschland gehalten haben. Auf mich machte die vom Balkon des Schlosses tiefern Eindruck.
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Die Domprobstei ohnweit der Domkirche ist eins der schönern Gebäude der Stadt. Es hat seine großen und seltnen Vorzüge, aber auch seine vielen Fehler; -- das Dach daran ist verdorben. Mangin hat diesen Pallast unter dem itzigen Domprobst, einem Grafen von der Leyen, erbaut.
Der sogenannte Saukopf, von dem die Mainzer so viel Wesens machen, ist wie alle gothische Gebäude mit zu vielen Zierathen überladen. Man zeigt hier einen lateinischen Brief, den, wie man sagt, ein Präfäkt einer römischen Legion, der Stammvater des Geschlechtes der Dalberge, an einer seiner Kollegen aus Palästina nach Rom geschrieben hat. Es geschieht darin von einem ausserordentlichen Manne Erwähnung, der viele Wunder soll gewirkt haben, und gekreutziget wurde. Man deutet dies auf Christum.
Die übrigen Gebäude des hiesigen Adels verdienen keiner sonderbaren Erwähnung. Die Häuser der Grafen von Ostein, Schönborn und Bassenheim auf dem Thiermarkte, und jenes des Grafen von Elz auf der großen Bleiche sind noch die schönsten darunter.
Um so sehenwürdiger sind die alten und neuen Gotteshäuser, die sich hier dem Auge darbieten. Die Domkirche auf dem Speismarkt ist die bewundernswürdigste darunter. Sie ist ohne Vergleich eine der schönsten im ganzen Deutschland. Ihr vortreflicher Thurm macht auf den Fremden einen ungemein seltsamen Eindruck. Er ist durchaus von Steinen aufgeführt und mag dem Domkapitel eine ansehnliche Summe gekostet haben. Hier möchte ich fragen: warum doch der Mainzer ein so großes Wohlgefallen an kleinen Zierereien findet. Fast an keinem einzigen Gebäude sieht man die edle Simplizität, die man anderswo gewahr wird. Dieser Domthurm giebt uns einen abermaligen Beweis davon. Doch dies wäre so sehr noch nicht zu verargen, wenn er seine Entstehung den vorigen dunkeln Jahrhunderten zu verdanken hätte. Allein derselbe steht noch keine 20 Jahre, und seine Verzierungen wurden wahrscheinlich in den sonderbaren Ideen eines Prachtliebenden entsponnen. Dies macht dem Mainzer um so weniger Ehre, da er doch immer den besten Geschmack vor seinen Nachbarn behaupten will. Baukenner versichern auch, daß sein Gewicht viel zu schwer sey, und das Gewölbe der Kirche mit der Zeit einstürzen könnte. Den Dom selbst wird man ausser dem Dache kaum gewahr. Er ist ringsum mit kleinen Häusern und Krämerbuden umgeben, die diesem schönen Gebäude den größten Theil des Ansehens benehmen. Desto größere Ehrfurcht erregt aber sein Inneres, das freilich ein wenig dunkel ist. Man sieht hier verschiedne Monumente, die man ohne Erhöhung Meisterstücke nennen kann. Das erste, was sich dem lüstern Auge darbietet, ist eines von Melchior, welches dem Domprälaten von Dalberg errichtet wurde. Man wird es gleich bei dem Eingang von der Augustinergasse her gewahr, wo es rechter Hand an der Mauer angebracht ist. Der Prälat liegt auf einem Sarge auf der rechten Seite, in der Hand sein Brevier. Der unten angebrachte Kopf von Alabaster ist vortreflich gearbeitet. Vorher soll er sehr schön gewesen seyn; der Zahn der Zeit und die wenige Sorge dafür mag ihn aber so merklich verdorben haben. -- Nicht minder sehenswürdig ist das Monument eines Grafen von Lamberg im Pfarrchor linker Hand. Der kaiserliche General hebt mit der einen Hand den Deckel des Sarges empor, streckt mit der andern den Kommandostab hervor, und schaut mit seinem gekräuselten Kopfe durch die Oefnung heraus. -- Noch verdienen angemerkt zu werden das Monument des Erzbischofs Albrechts, und ein anderes ohnweit dem Thore, wo man von dem Markte herkömmt, das aber keine Aufschrift hat. Der darauf knieende Ritter in betender Stellung hat mir besonders gefallen. Hier wandert hin, ihr jungen Zöglinge Thaliens, und studieret das altdeutsche Kostume.
Der hiesige Dom besitzt einen ungeheuern Schatz, mit dem man keinen in Deutschland vergleichen kann. Die Dresdner machen vielen Lerm vom grünen Gewölbe, und die Köllner lassen sogar den Magistrat Bürgschaft leisten, wenn sie bei Gelegenheit der Gottestracht ihr Heiligthum vor den Tempel tragen. Aber ich ziehe den hiesigen Schatz immer vor. Hier hat man auch so, wie zu Altmünster, ein Schweistuch vom Heiland, das man sonst auf einer Stange zum obern Gewölbe heraus den tausend Menschen, die sich da versammelten, zu zeigen pflegte. Itzt ist diese Thorheit abgeschaft. Auch mehrere 100 Pfund ungeheure Knochen kannst Du hier sehen, mit denen man den Pöbel unter dem Namen Reliquien äffet.
Ich besuchte auch die Dombibliothek, die seltne und kostbare Werke besitzt. Der Bibliothekär, ein aufgeklärter und unterhaltender Mann, versicherte mich, daß sich die Anzahl der Handschriften auf 6000 belaufe. Ich glaubte Frauenlobs Gedichte hier zu finden, allein ich hatte mich umsonst gefreuet. Seine Werke sind verloren, und man wird schwerlich mehr in Deutschland Ueberbleibsel davon entdecken. Sonst hat diese Bibliothek keine neue Werke aufzuweisen, nicht einmal Hontheims Geschichte findest Du darinnen. Daß sie sehr gut katholisch seyn muß, schloß ich daraus, weil ich im Hintergrunde einige Bücher mit Ketten angeschlossen sah. Dies pflegt sonst nur in Mönchsklöstern zu geschehen, aber in einer aufgeklärten Stadt habe ich es nicht nicht bemerket.
Nach dem Dom verdienen noch 5 andere Kirchen angemerkt zu werden. Die des h. Ignatius ist eine der schönsten darunter. Auch die Jesuiterkirche ist sehenswürdig. (Woher kömmt es doch, daß das Jesuitenvolk immer die schönsten Gotteshäuser hat?) Die Peters- und Augustinerkirche nicht minder. Nur vermißt man an dieser wieder das Einfache. Das Portal und die Altäre sind ganz verdorben. Unter den ältern nehmen sich die Stephanskirche am südwestlichen Theile der Stadt und das Stift zu U. L. Frauen neben dem Dom besonders aus. Ich bestieg mit einem Vikar aus der ersten Kirche den Thurm derselben, der sehr hoch liegt und die Aussicht über ganz Mainz und mehrere benachbarte Oerter verbreitet. Die gothische Bauart der zweiten ist wieder merkwürdig. Auf den metallenen Thoren lies't man ein Diplom, das dem Mainzer Bürger nicht gleichgültig seyn darf. Ich konnte die Schrift nicht kopieren, weil sie zu hoch steht, nur so viel kann man unten lesen:
Willigisus archiepiscopus ex metalli specie valvas effecerat primus.
Zeitungsnachrichten.[]
1806.[]
Frankreich.
Aus Maynz wird untem 6. Sept. gemeldet: "Mit der Anlegung des bey der Anwesenheit des Kaisers beschlossenen Freyhafens wird nun angefangen. Er erstreckt sich bekanntlich von der Rheinbrücke bis unter das ehemahlige Churfürstl. Schloß, welches er noch in sich begreift. Dieses wird zur Aufbewahrung der Güter eingerichtet, die sogenannte Martinsburg aber niedergerissen. Mit der Ausführung des Kays soll unverzüglich angefangen werden. Die ganze Arbeit wird an den Wenigstnehmenden versteigert. Uebrigens erhält Maynz und die umliegende Gegend, durch die manichfaltigen Veränderungen, welche ihr und der Stadt bevorstehen, eine andere Gestalt. Die neuen Casernen, heißt es, sollen auf der hintersten Bleiche angelegt werden, wo sie nur Hütten verbrängen, und die schönen Universitäts-Gebäude und der freundlichste Theil der Stadt bey dem Thiermarkte bleiben dann verschont. Die Ausführung einer hölzernen Pfeilerbrücke über den Rhein ist nun entschieden, und die Beschleunigung der Arbeit aufs dringendste empfohlen; auch sind die nöthigen Summen zu diesem Zwecke angewiesen; die Leitung des Mayns um Cassel beschlossen, und auch die sich auf diesen Gegenstand beziehenden Arbeiten sollen bald angefangen werden. Ueber den durch einen Kanal abgeleiteten Mayn wird eine steinerne Brücke aufgeführt. Der Hinter der sogenannten Bleyaue herabfliessende Rheinarm soll oberhalb der Maynspitze in das verlassene Maynbeet geleitet werden, so daß Cassel mit seinen Festungswerken eine Insel bildet. Alle diese manchfaltigen Arbeiten kosten bedeutende Summen, welche, da sie auf dem Platze verdient und wenigstens größtentheils wieder verzehrt werden, dem Landbaue und der Industrie zu gut kommen.
1808.[]
Politische Notizen. [5] [August.]
Die Festung Maynz und Kastell werden stark befestigt und dieses giebt zu mancherlei Gerüchten Anlaß.
1812.[]
[6] Nach Berichten aus Maynz sind Ingenieure mit dem Plane einer stehenden Brücke über den Rhein bey dieser Stadt nach Paris abgereist. Man glaubt, daß der Bau in diesem Jahre werde unternommen werden.
Quellen.[]
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Carls vaterlaendische Reisen in Briefen an Eduard. Leipzig, bey J. S. Heinsius und Sohn. 1793.
- ↑ Ueber Mainz. In Briefen an Freund R. Auf einer Rheininsel. 1792.
- ↑ Wiener Zeitung. Nro 76. Sonnabend, den 20. September 1806.
- ↑ Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
- ↑ Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 11. Freytag, den 12. Januar 1812.
Literatur.[]
- Ueber Mainz. In Briefen an Freund R. Auf einer Rheininsel. 1792.