Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Angelike Franziske Roland.[]

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Seitdem nach dem Sturze des größten Ungeheuers, welches Frankreich hervorgebracht hat, Robespierrens, die Presse mehr Freiheit erhielt, erschienen auch mehrere Schriften von Personen, die seinem Mordbeile entgangen waren, und bald nach seinem Tode wieder in Freiheit gesetzt wurden. Unter diesen zeichnen sich die Erzählungen eines Verhafteten aus dem Gefängnisse der Conciergerie vor allen andern durch ihren Reichthum an merkwürdigen Charakterzeichnungen und rührenden Anekdoten von verhaftet gewesenen Männern, Frauen, Jünglingen und Mädchen aus. In dieser Erzählung befindet sich denn auch eine interessante Schilderung der Gemahlinn des unglücklichen Ministers Roland, die ich hier mittheilen und damit die in Dümouriers Memoiren befindliche Zeichnung zusammenstellen will. In den erwähnten Erzählungen eines Verhafteten heißt es:

Angelike Franziske Roland kam in der Conciergerie an, und da sie wohl wußte, was für ein Schicksal ihrer warte, so war sie dennoch nicht im mindesten erschüttert. Ohne jung zu seyn, war sie voller Annehmlichkeit; sie war groß und schön gewachsen: ihre Gesichtsbildung war sehr geistreich; aber ihre Unglücksfälle und eine lange Verhaftung hatten einige Spuren von Melancholie in ihrem Gesicht gelassen, welche ihre natürliche Lebhaftigkeit mässigten. Sie hatte die Seele einer Republikanerinn in einem Körper, der den Stempel der Grazie und einer Art Hofbildung trug. In ihren großen schwarzen Augen voll Ausdruck und Sanftmuth malte sich etwas mehr, als gewöhnlich in den Augen eines Weibes. Sie sprach öfters am Gitter mit dem Muthe eines großen Mannes; dann standen wir alle aufmerksam um sie her, bewunderten sie und staunten sie an. Ihre Unterhaltung war ernst ohne kalt zu seyn: sie sprach nie von den kurz vorher hingerichteten Konventsgliedern, (den Girondisten) als mit Ehrfurcht, aber ohne weibisches Mitleid; sie warf ihnen sogar vor, daß sie nicht kräftige Maasregeln genug ergriffen hätten; am gewöhnlichsten nannte sie sie ihre Freunde. Am häufigsten ließ sie (den gewesenen Minister und gleichfalls verhafteten) Claviere, der sich nachher selbst erstach, zu sich rufen, um sich mit ihm zu unterhalten. Zuweilen sah man auch ihr Geschlecht die Oberhand behalten, und sie beim Andenken ihres Gatten und ihrer Tochter weinen. Diese Mischung von natürlicher Weichheit und Seelenstärke machten sie noch interessanter. Die Frauensperson, welche sie bediente, sagte mir einst, daß sie in unsrer Gegenwart alle ihre Kräfte zusammen nehme, in ihrer Kammer aber oft drei Stunden lang, aufs Fenster gelehnt, weine. Als sie zum Verhöre ging, sahen wir sie mit ihrer gewöhnlichen Festigkeit vorübergehn; sie kam wieder mit nassen Augen: man hatte sie so hart behandelt, und ihr Fragen vorgelegt, die ihre Ehre beleidigten, daß sie bei ihrem Unwillen selbst sich der Thränen nicht enthalten konnte. Am Tage ihrer Verurtheilung hatte sie sich weiß und mit Sorgfalt angekleidet; ihre langen schwarzen Haare hingen zerstreut bis auf den Gürtel; die hätte das grausamste Herz erweichen müssen; nur jene Ungeheuer nicht. Sie kam zurück und ging mit einer Freude ähnlichen Schnelligkeit durch das Vorgemach, indem sie durch ein Zeichen zu verstehn gab, daß sie zum Tode verurtheilt sey. Ein Mann, den dasselbe Schicksal erwartete, war ihr beigestellt; aber er hatte nicht denselben Muth. Sie wußte ihm aber denselben mit einer so sanften und ungezwungenen Fröhlichkeit einzuflößen, daß sie einigemal seinen Mund zum Lächeln brachte. Auf dem Richtplatze neigte sie sich gegen die Bildsäule der Freiheit mit Aussprechung dieser merkwürdigen Worte: O Freiheit, wie viel Verbrechen begeht man in deinem Namen!"

Dümourier entwirft folgende Schilderung von diesem merkwürdigen Frauenzimmer, die das Gepräge der Wahrheit zu führen scheint.

Es ist eine Frau zwischen 30 und 40 Jahren (39 Jahr) noch sehr jugendlich; von einer äusserst interessanten Bildung, und immer zierlich gekleidet; sie spricht gut, hascht aber vielleicht zu sehr nach Witz; sie ist eine tugendhafte Kokette, und hatte sich zu einer Korphäe einer Gesellschaft von Metaphysickern, Gelehrten, Konventsgliedern und Ministern aufgeworfen, die ihr alle Tage aufwarteten, um ihre Befehle zu vernehmen, die sich aber vorzüglich des Freitags bei ihr versammelten. Bei diesen Freitagsdiners wurde die Politik der ganzen Woche ausgekramt, und der Plan auf die ganze zukünftige Woche entworfen. Keine von den Frauen der andern Minister, wurde zu diesen politischen Mysterien zugelassen. Bei allen ihrem großen Verstande war Madame Roland unbesonnen und hochmüthig; sie sah es gern, daß man wußte, sie beherrschte ihren Mann, und dadurch hat sie ihm mehr geschadet, als sie ihm je durch ihren guten Rath nützen konnte. Sie hatte ihrem Mann zu Gehülfen in seinen Ministerialarbeiten, den Pache und Lanthenas zugestellt. Der erstere wußte sich so sehr in Rolands Vertrauen einzuschmeicheln, daß er ihn zum Kriegsminister machte; kaum war aber Pache sein Kollege geworden, so schlug er sich auf die Seite der Jakobiner, und verfolgte und stürzte den Roland. Viele Frauenzimmer haben auf der Revolutionsbühne Rollen gespielt, allein keine auf eine so decente und edle Art wie Madame Roland, die Madame Necker ausgenommen, welche allein mit ihr verglichen werden kann, die aber wegen ihres Alters und ihrer Erfahrung ihrem Manne weit nützlicher, wenn gleich minder reizend in ihrem Aeusserlichen war. Alle die übrigen von Mamsell la Brousse, der Prophetinn des Karthäusers Don Gerle an, bis zu den Damen Stael, Condorcet, Pastoret, Coigny, Theroigne, u. s. w. haben die gemeine Rolle von Intrigantinnen, wie Hofschranzinnen, oder von Tollhäuslerinnen, wie die Poissarden, gespielt u. s. w.

-- So weit Dümourier.

Angelike Roland regierte also gewissermaßen Frankreich, im Namen ihres Mannes, und der Brissotiner, deren Haupttriebfeder sie war. Der Fall dieser Parthei zog auch den ihrigen nach sich. Man behauptet, sie habe öfters zu Brissot gesagt: wenn Sie Robespierren nicht über die Seite schaffen, so wird er sie noch umbringen, aber ihre Warnung ward nicht geachtet. Anfangs wurde sie vom Revolutions-Tribunal losgesprochen, allein da das nicht in den Kram ihres Widersachers, des Robespierre, taugte, so führte man sie, trotz der Freisprechung, vom Tribunal ins Gefängniß nach St. Pelagie, und das zweite mal war die Jury des Tribunals gehorsamer, und verurtheilte sie zum Tode. Als man ihr das Todesurtheil vorlas, antwortete sie ihren Richtern bloß durch einen tiefen Knicks. Sie verrieth überhaupt in allen Verhören, und in ihrer lezten Todesstunde auf dem Blutgerüste am 5ten December 1793 die seltenste Standhaftigkeit und Gegenwart des Geistes.


M. J. Philippine Roland.[]

[2]
Roland (M. J. Philippine) Gemahlinn des Vorhergehenden, geboren zu Paris 1754, Tochter eines in seiner Kunst ausgezeichneten Kupferstechers, der aber durch Verschwendung sein Vermöge zu Grunde gerichtet hatte. Im Schooße der schönen Künste erzogen, von Büchern, Gemählden und Musik umgeben, ward sie Gelehrte, Tonkünstlerinn und Gemähldekennerinn. Die Lebhaftigkeit ihrer Phantasie und ihr leidenschaftliches Gemüth gaben ihrem Charakter und ihren Ideen einen Anstrich von Sonderbarkeiten und brachten sie zu einer Art von Philosophie, die sie gleichsam für die Vergnügungen und Genüße entschädigte, welche ihr ihre Geburt und ihre Vermögensumstände versagten. Wäre sie von der Geburt höher gestellt gewesen und in eine glänzendere Laufbahn eingeführt worden, so hätte sie sich wahrscheinlich mit dem Namen einer liebenswürdigen Frau begnügt; allein aus Verdruß über den beschränkten Wirkungskreis, den ihr das Schicksal angewiesen hatte, machte sie eine Philosophinn und einen schönen Geist aus sich. 1780 widmete ihr Roland, damaliger Manufakturinspector, bezaubert von ihrem Geiste, seine Briefe über Italien und bot ihr seine Hand an. Sie nahm sie an und folgte ihrem Gemahl nach Amiens, wo sie sich mit der Botanik beschäftigte und die Pflanzen der Picardie in eine Sammlung brachte. Nach einer Reise in England ließ sie sich 1784 in Villefranche nieder und widmete sich der Landwirthschaft. 1787 besuchte sie die Schweiz. Diese Reise und die in England erweckten in ihr den Hang zur Politik; sie zergliederte den Geist dieser beyden Regierungsformen und ward leidenschaftlich für die Grundsätze der Freyheit eingenommen, auf welche sich jene gründeten. Als Roland Manufakturinspector in Lyon geworden war, wurde er an die Konstituirende Versammlung gesandt, um wegen einer nothwendigen Unterstützung zur Tilgung der Schulden dieser Stadt nachzusuchen. Madame Roland ließ sich nunmehr mit ihrem Gemahl in der Hauptstadt nieder und machte sich ein Vergnügen daraus, die Oberhäupter der Volksparthey und die vornehmsten Deputirten der Gironde bey sich zu sehen. Brissot, Barbaroux, Louvet, Clavière, Vergniaud wurden in ihre Gesellschaft aufgenommen; sie wurde die Seele ihrer Berathschlagungen, und die geheime Macht, welche Frankreich beherrschte. Als Roland ins Ministerium trat, schrieb man ihr den größten Theil seiner Arbeiten zu, und als ihn der Konvent bat, seine Stelle nicht zu verlassen, schrie Danton: "Wenn man den Herrn zu Beybehaltung seiner Stelle einladet, muß man dasselbe auch bey seiner Frau Gemahlinn thun. Ich erkenne alle guten Eigenschaften des Ministers; aber wir haben Männer nöthig, die selbst, und nicht bloß durch ihre Weiber, sehen." Und in der That, wenn man sich auf ihre eigenen Memoiren über ihr Leben beziehen will, so hatte sie den größten Antheil an allen Arbeiten ihres Mannes, und den 7. Dezember 1792 erschien sie vor den Schranken des National-Konvents, um Aufklärungen über eine Denunziation zu geben, und sprach mit solcher Würde und Leichtigkeit, daß sie die Ehre der Sitzung erhielt. Ein zweytesmal erschien sie im Augenblick, wo gegen ihren Gemahl dekritirt wurde, konnte sich aber kein Gehör verschaffen, und sah sich herauf selbst in die Abtey eingesetzt. Sie schrieb an die Versammlung, und an den Minister des Innern; ihre Section verlangte ebenfalls ihre Freylassung; aber alle diese Schritte waren fruchtlos, sie wurde vor das Revolutions-Gericht geführt und den 8. November 1793 als Verschwörerinn gegen die Einheit und Untheilbarkeit der Republik zum Tode verurtheilt. Als sie starb, kündigte sie an, daß ihr Mann sie nicht überleben, und bey der Nachricht von ihrem Tode sich selbst umbringen würde; und sie hatte sich nicht betrogen. Die Unbescholtenheit ihrer Sitten und ihre häuslichen Tugenden waren geeignet, sie glücklich zu machen; sie opferte aber ihr Glück der Vergrösserung ihres Ruhms auf.


Der fünfte December 1793.[]

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Angelika Franziska Roland wird hingerichtet.

In der schrecklichen französischen Revolutionsperiode unter dem Tyrannen Robespierre wurde kein Alter, kein Stand, kein Geschlecht verschont. Keine Würde, kein Tugend schützte vor der bluttriefenden Guillotine, und es schien, daß kein Tag ohne Opfer derselben vergehen könne. Ein solches Opfer wurde auch die Frau, deren Andenken wir heute, an ihrem Todestage, feyern. Ihr Vater war ein nicht sehr bemittelter Kupferstecher zu Paris, der nebst der Mutter die Tochter sehr sorgfältig erzog, die von Jugend auf eine grosse Lernbegierde äusserte. Philosophie und Geschichte waren ihre Lieblingsstudien, das Klosterleben ihr höchster Wunsch. Im Jahr 1775 machte sie Bekanntschaft mit Roland de la Platiere, fünf Jahre später wurde sie seine Frau.

Beym Anfang der Revolution wurde Roland zum Mitglied der ersten Municipalität in Lyon, dann zum Deputirten der Stadt bey der konstituirenden Versammlung, und endlich zum Minister gewählt; aber er mußte bald, von der Kabale gedrückt, seine Stelle niederlegen. Nicht genug, er ward von der Bergparthey verdammt, und in dem Augenblick, als seine edelmüthige Gattin einen kühnen, wiewohl fruchtlosen Schritt beym Konvent für ihn wagte, entfloh er, irrte geächtet in Bretagne umher, und endete sein Leben durch einen Pistolenschuß. Seinen Leichnam fand man unweit von einer Landstrasse. Die Gattin Rolands wurde unter dem Vorwand, sie habe dem Minister in seinem Amt und in seinen nachfolgenden Maasregeln beygestanden, ins Gefängniß geworfen, und von jetzt an sah sie sich für eine Geweihte des Todes an. Was aus Roland geworden sey, wußte sie nicht; sein Schicksal und das ihrer Tochter war das einzige, was ihr Kummer machte. An die letztere schrieb sie: "Erinnere dich deiner Mutter! das ist alles was ich dir Gutes sagen kann. Du hast mich in dem Bestreben, meine Pflichten zu erfüllen, glücklich gesehen; es giebt keine andere Art, es zu seyn. Ein strenges arbeitsames Leben ist das sicherste Verwahrungsmittel gegen alle Gefahren" u. s. w.

Nur die Tugend dieser Frau war in den Augen ihrer Feinde ihr Verbrechen, sonst konnte man ihr keins beweisen. Daher erschien sie aber auch vor ihren Richtern mit einer solchen Seelenruhe, als ob ihr gar nichts geschehn könnte, und starb auf dem Blutgerüste mit einer solchen Fassung, als wär es, so zu sterben, ihr einziger Wunsch gewesen.

Lavater, dessen Bekanntschaft sie einst in Zürich gemacht hatte, war ihr Freund und Korrespondent bis zu ihrem Tode. Plutarch und Rousseau waren ihre Lieblingsschriftsteller.


Zeitungsnachrichten.[]

1793.[]

Paris, vom 28. Brachmonat. [4]

Madame Rolland, die bisher in der Abtey gefangene Gattin des vormahligen Ministers, wurde kürzlich von dem Tribunal, vor welchem ihr Prozeß geführt wurde, losgesprochen. Aber kaum war sie in ihre Wohnung zurückgekehrt, so wurde sie zufolg eines Befehls von eben diesem Tribunal nach St. Pelagie gebracht. Die Anzahl aller gegegenwärtig im Departement von Paris in Verhaft befindlichen Personen belauft sich nach einem der Commüne von den Administratoren des Polizey-Departements zugestellten Verzeichniß auf 1347.

Paris, vom 11. Wintermonat. [5]

Hinrichtungen mehrerer Personen, welche zufolg des vom Revolutions-Tribunal über sie gesprochen Todes-Urtheils seit wenigen Tagen vollzogen worden, sind beynahe abermahls das wichtigste, was unter diesem Artikul dem Publikum mitgetheilt werden kan. Es sind nemlich von 7. bis 10. dieses Monats abermahls 9. Personen durch die Guillotine vom Leben zum Tod gebracht worden; Unter andern auch Madam Roland, die Frau von dem ehmaligen Minister der innern Angelegenheiten, ihres Alters 39. Jahr, als beschuldigte Urheberin und Theilnehmerin an einer Verschwörung gegen die Einheit und Untheilbarkeit der Republick, und gegen die Freyheit und Sicherheit des französischen Volcks; sodann Jean-Sylvain Bailly, vormahliger erster Maire von Paris nach der Revolution, als beschuldigter Urheber oder Theilnehmer von der Ausführung eines unter Ludwig Capet, seiner Gemahlin und andern Personen gemachten Complots, welches zur Absicht hatte, die innere Ruhe des Staats zu stören, und durch Bewafnung der Bürger gegen einander einen bürgerlichen Krieg zu erregen.

Quellen.[]

  1. Historische Gemälde, in Erzählungen merkwürdiger Begebenheiten aus dem Leben berühmter und berüchtigter Menschen. Herausgegeben von einer Gesellschaft von Freunden der Geschichte. Riga, 1795. Bei Johann Friedrich Hartknoch.
  2. Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
  3. Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
  4. Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 6. Heumonat, 1793. Num. 54.
  5. Post- und Ordinari Schaffhauser Mittwochs-Zeitung. Vom 20. Wintermonat, 1793. Num. 93.
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