Ludwigsburg.[]
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Ludwigsburg, zweyte Residenz und dritte Hauptstadt im Herzogthum Würtemberg.
In ältern Zeiten stund daselbst ein kleines Jagdhaus. Dieses ließ Herzog Eberhard Ludwig, 1706 in ein Lust- und Jagdschloß verwandeln und nach seinem Namen nennen. Im J. 1715 entschloß er sich, dieses Gebäude zu einem Residenzschloß zu machen und eine Stadt dabey zu erbauen. Man suchte in die neue Stadt, durch Privilegien und 30 jährige Befreyung von Abgaben, Einwohner herbey zu ziehen. Die Städte und Aemter des Herzogthums mußten in der Stadt Ludwigsburg Häuser bauen, welche der Herzog seinen Räthen und Hofleute schenkte. Im J. 1727 wurde endlich der Hof, nebst allen Landescollegien, dahin versezt, und die Lage des prächtigen Schlosses, des Opernhauses, Gartens und der regelmäßigen Stadt ist wirklich schön. Allein nach dem Tode des Herzogs änderten sich die Umstände, und Ludwigsburg, das keine Residenz mehr ist, hat nun nur noch 6,278 Einwohner, da sie zur Zeit ihrer Blüthe 11,000 hatte. Inzwischen ist es der Sitz einer Superintendentur, eines wohlthätigen Instituts zur Erziehung armer Kinder, mit welchem das Zuchthaus und mit diesem eine große Tuchmanufaktur verbunden ist. Die Stadt hat auch eine Porcellan- Tabak- Wachstuch- Uhr- Barchent- Gold und Silberdrathfabriken, und schöne Promenaden.
Von Reisende.[]
Jean-Philippe Graffenauer.
- [1807]
Stuttgard.
Nachdem ich Ihnen, mein Herr, Stuttgard, wo der König im Winter residirt, beschrieben habe, will ich Ihnen noch etwas über Ludwigsburg und Mon Repos, wo er sich den Sommer hindurch aufhält, sagen.
Zu Anfange des vorigen Jahrhunderts sah man an der Stelle, wo jetzt Ludwigsburg steht, nur zwey Pachterhöfe. Der Herzog Ludwig Eberhard ließ hier ein Jagdhaus bauen und nannte es Ludwigsburg. Nach und nach wurden hier mehrere Gebäude aufgeführt und im Jahre 1728 von einem italienischen Baumister Frisoni das Schloß erbauet, welches einen großen Hof einschließt und vier an den Seiten gelegene Pavillons hat. Auch eine Kapelle ward hier erbaut. Die Favorite, ein Lustschloß Ludwigsburg gegenüber belegen, vermehrte bald darauf die Anzahl der hier schnell empor steigenden Gebäude. Der Herzog Carl ließ das Ludwigsburger Schloß sehr erweitern, so daß es jetzt vier Höfe einschließt. Nun vergrößerte sich allmählich die Zahl der hier in der Nähe des Schlosses erbauten Häuser; es entstanden Straßen, freye Plätze, Spatziergänge, und endlich bildete sich aus dem Allen eine niedliche wohlgebaute Stadt, die ohngefähr sechs Tausend Einwohner zählt.
Im Innern des Ludwigsburger Schlosses herrscht eine große Pracht. Die Gallerie der Familien-Gemälde ist sehr sehenswerth. Man findet hier alle Wirtembergische Regenten vom Ursprunge dieses Hauses bis jetzt nach der Natur gemalt, und in ihrem eigentlichen Costüm. Der Thron-Saal ist sehr reich verziert, die Kapelle, in welcher der Gottesdienst gehalten wird, hat am Plafond vortreffliche Gemälde.
Die schönen Gärten, welche das Ludwigsburger Schloß umgeben, ziehen vorzüglich die Aufmerksamkeit des Fremden auf sich. Diese Gärten sind sehr groß, und im besten Geschmack angelegt. Der König hat einen Kalkstein-Bruch, der hinten an seinen Garten stößt, sehr vortheilhaft benutzt. Er hat dort einen runden Thurm mit Schieß-Scharten in dem Geschmacke der befestigten Burgen der alten Ritter-Zeit erbauen lassen. Dieser Thurm wird zu Ehren des ersten Grafen von Wirtemberg der Emich's-Thurm genannt. Man steigt in das Innere desselben durch ein tiefes Gewölbe, welches im Innern des Kalk-Felsen durchgehauen ist. Man wird auffallend überrascht, wenn man auf dem Boden dieses Gewölbes den Grafen Emich, vom Kopf bis auf die Füße bewaffnet, mit einem Mönche, seinem Kaplan, vor einem kleinen Tische sitzen sieht. Beide scheinen in einem sehr ernsthaften Gespräche begriffen zu seyn. Auf dem Tische steht ein Wein-Krug und einige Trink-Becher. Die Gesichter beider Figuren sind aus Wachs sehr täuschend geformt. Hinter den länglichten Oeffnungen des Thurms, welche das Licht herein fallen lassen, sind Aeols-Harfen angebracht, welche fortwährend traurige, aber harmonische Töne hören lassen, und zu dem Total-Eindruck dieser Anlage viel beytragen. Diese Aeols-Harfen bestehen aus Tannen-Bretern, über welche Darm-Saiten gezogen sind, die der Hauch der Luft in Bewegung setzt. Von der Höhe des Thurms genießt man einer eben so weiten als schönen Aussicht. So oft der König in Ludwigsburg ist, wird auf der Thurm-Spitze eine große Fahne ausgesteckt, die bey der Abreise des Monarchen wieder abgenommen wird. Im Erdgeschoß des Thurms ist ein kleiner Saal, mit Trophäen und antikem Waffen-Geräth geschmückt. Hier pflegen die Fremden ihre Namen in ein dazu bestimmtes Buch zu schreiben.
Man findet im Ludwigsburger-Garten noch mehrere Merkwürdigkeiten. Z. B. künstlichen Ruinen eines römischen Säulen-Ganges, viele einzelne Pavillons, ein großes Bassin, einen mit Heu beladenen Wagen, in dessen Innern man ein meublirtes Zimmer antrifft, eine Fasanerie sieht man mehrere merkwürdige Thiere: unter andern einen Wolf, einen Bären, einen Damm-Hirsch, einen Dromedar, viele Affen, ein Stachel-Schwein, eine Otter, einen Fuchs, einen Adler, einen Uhu, u. s. f. Am merkwürdigsten aber sind unter einigen aufbewahrten Thieren, einige Känguruhs, die aus Neu-Holland kommen. Sie gehören zu der Klasse der Beutel-Thiere. Sie haben sehr kleine und kurze Vorder- und sehr lange Hinter-Füße. Daher scheint es, wenn sie springen, als ob sie flögen. Ihr Schwanz ist sehr dick. Sie können ihm nach Belieben Steifigkeit geben, und sich alsdann seiner als Ruhesitz bedienen, die Weibchen haben am Vorderleibe eine Tasche, oder einen Beutel, worin sie ihre Jungen verbergen. Die Königin von Wirtemberg hat der Kaiserin Josephine mehrere dieser seltsamen Thiere geschenkt.
Man kann den Park von Ludwigsburg nicht verlassen, ohne das treffliche Grabmahl gesehen und bewundert zu haben, welches der König seinem vertrautesten Freunde und ersten Minister, dem Grafen von Zeppelin, errichtet hat. Dieses Mausoleum stellt einen antiken runden und gewölbten Tempel vor, dessen Inneres mit großen polirten Blechplatten geziert ist, die auf das Kunstreichste mit einem sehr schönen Stein verbunden ist, den die Mineralogen Anhydrit nennen. Es ist einer Art Gyps, von einer sehr schönen himmelblauen, mit Dunkelblau nuancirten Krystallisation, welcher wie Marmor aussieht. Er wird in den Salz-Gruben zu Stulz am Neckar gefunden *).
- *) Dieser Stein ist durch die Länge der Zeit, und die Einwirkung der atmosphärischen Luft morsch und bröcklicht geworden, so daß man im Jahre 1808 diese Wand-Bekleidung hat abreißen müssen. Wahrscheinlich wird sie nun durch Marmorplatten ersetzt werden.
Ueber dem Eingange in den Tempel lieset man nachstehende Inschrift:
- Dem vorangegangenen Freunde.
- Und weiterhin:
- Die der Tod getrennt, vereinigt das Grab.
In der Mitte des Tempels, ruhet auf einem Fußgestell von polirtem Granit ein Sarkophag von schwarzem Marmor, auf dessen Vorder-Seite man eine Figur von weißem kararischen Marmor erblickt, welche eine weibliche Gestalt nachbildet, die weinend sich auf einen Sarg stützt. Gerade dem Eingange gegenüber ist das Bildniß des Grafen in erhabener Arbeit in der Mauer angebracht, und sein einbalsamirter Leichnam ruhet in einem unter diesem Tempel befindlichen Gewölbe.
Die Stadt Ludwigsburg ist gut gebaut: die Straßen sind breit und durchschneiden sich regelmäßig: die Häuser sind hübsch, aber niedrig. Im Jahr 1757 ward hier eine Porcellan-Manufaktur angelegt, welche noch jetzt bestehtet, aber sehr mittelmäßige Arbeit liefert. Der vor dem Schlosse befindliche Platz gewährt einen sehr angenehmen Spatziergang. Das Schloß Mon Repos ist ein sehr angenehmer Aufenthalt, schade nur, daß es so sehr in der Tiefe liegt, und mit Wasser, das keinen Abfluß hat, umgeben ist, so daß man von dem hiesigen Aufenthalt früh oder spät nachtheilige Folgen für die Gesundheit des Königs fürchtet. Dieses Schloß ist nur ungefähr eine Viertelmeile von Ludwigsburg entfernt, wohin eine schöne Allee führt. Es ist ein angenehmer Sommer-Aufenthalt, dessen Name mit großer vergoldeter Schrift über dem Haupt-Thor angebracht ist. Die Zimmer sind mit kostbaren Gemälden, Tapeten, Kron-Leuchtern, und anderm prachtvollen Geräthe geschmückt. Rechts liegt ein von Thouret erbauter Pavillon, der sich durch einen einfachern Styl und durch eine Umgebung von Statuen auszeichnet.
Ohnweit Mon Repos ist eine Melkerey oder Meierey, wo Schweizer-Kühe gehalten werden. Die Lieblings-Kuh des Königs ist sehenswerth; sie ist weiß mit schwarzen Flecken, und ihre Füße sind so regelmäßig in zwey Hälften von beiden Farben getheilt, daß es aussieht, als ob sie Stiefeln trüge. -- In dieser Meierey wird viel Käse verfertigt. -- Die gothische Kirche, die auf einem Felsen mitten in einem See nahe bey Mon Repos liegt, bietet einen sehr schönen, angenehmen und malerischen Prospekt dar. Wenn man von Mon Repos nach Stuttgard zurückkehrt, sieht man rechts die Festung Hohen-Asperg. Sie ist weniger durch ihre Befestigung, als durch ihre Lage auf der Spitze eines isolirten Berges merkwürdig, der mitten in einer weiten Ebene liegt. Im sechszehnten und siebenzehnten Jahrhundert fiel sie mehrmals in die Hände der Feinde; jetzt dient sie zum Staats-Gefängnisse. Der berühmte Dichter Schubart ward hier eingekerkert, und brachte drey hundert sieben und siebenzig Tage in einem furchtbaren unterirdischen Gewölbe zu. Noch jetzt liest man an der Mauer seines Kerkers die von seiner Hand eingegrabenen Worte: Ach schon hundert vier und zwanzig Tage hier! und weiter unten: Ach wieder noch funfzig! Hernach ward sein Schicksal gemildert: er brachte zwar noch einige Jahre auf der Festung zu, konnte jedoch im Innern derselben frey umher gehen, und wohnte bey dem Kommandanten. Am Fuße des Berges liegt der Flecken Hohen-Asperg mit der Kirche des Kirchspiels, die 1450 erbaut wurde.
Zeitungsnachrichten.[]
- [1812]
Ludwigsburg, den 1sten Juny. [3]
Heute haben Se. Königl. Majestät über die Garderegimenter zu Pferde und zu Fuß, so wie über die dazu gehörige Artillerie, Specialrevue abgehalten.
Quellen.[]
- ↑ Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1806.
- ↑ Meine Berufsreise durch Deutschland, Preußen und das Herzogthum Warschau, in den Jahren 1805, 1806, 1807 und 1808. Von J. P. Graffenauer, Doktor der Arzneygelahrtheit, vormaligem Arzte bey der großen französischen Armee, mehrerer gelehrten Gesellschaften Mitgliede. Chemnitz, bey Carl Maucke. 1811.
- ↑ Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 142. Donnerstag, den 13. Juny 1812.