Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Libau.[]

[1]
Libau, kleine Russische Handelsstadt und seichter Hafen an der Ostsee, in Curland. Sie hat meistens hölzerne Häuser, eine ansehnliche lutherische Stadtkirche, eine katholische Kirche, eine gute Schule, und wohlhabende Einwohner. Der Handel dieser Stadt ist von Bedeutung. Im J. 1794 liefen hier 278 Schiffe ein, und 283 giengen ab. Man hoft ihn durch die Vertiefung des Hafens noch beträchtlicher zu machen.


Zeitungsnachrichten.[]

1808.[]

Russland [2]

Die Petersburger Zeitung vom 26. May (7. Jun.) enthält folgenden Artikel: Das Russische Korps von 900 Mann, welches unter dem Admiral Budisco die Insel Gothland besetzt, und dieselbe wieder geräumt hatte, ist bereits in Libau zurückgekommen. Auf den Vorschlag des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des Handels, Grafen Nik. Romanzow, ist bey dem hiesigen Werft eine Schiffsbauschule für 20 Eleven aus dem Kaufmannsstande errichtet, und von Sr. kaiserl. Majestät Allerhöchst genehmigt, und die Summen zur Unterhaltung derselben bewilliget worden. Sechs derselben werden gänzlich auf Kosten der Regierung unterhalten und unterrichtet, die übrigen können für den äusserst mässigen jährlichen Beytrag von 100 Rubeln den Unterricht benutzen.


1812.[]

[3]
London, den 18ten July.

Briefe von Anholt melden, daß die Annäherung der Franzosen den größten Allarm zu Libau verbreitet hatte, und daß die Kaufleute sich sehr thätig beschäftigten, ihre Magazine nach Pernau bey Riga zu transportiren. Die erste Konvoy ist zu Kronstadt angekommen; man kündigt auch die zu Kronstadt erfolgte Ankunft mehrerer Schiffe der zweyten Konvoy an.

[4]
Die Berliner Zeitung giebt folgendes Schreiben aus Libau vom 23sten Juli.

Am 20sten Jul. marschirte die russische Besatzung unserer Stadt und des hiesigen Hafens in aller Frühe und so eilfertig ab, daß sie aus Mangel an Bespannung drey Stück Geschütz in der Hafenschanze zurückließ. Von den im Hafen liegenden Schiffen suchte alles was segelfertig werden konnte, in See zu gehen. Nachmittags um 3 Uhr erschienen auch schon preußischen Truppen, die man Tags zuvor noch 14 Meilen weit entfernt geglaubt hatte, vor den Thoren, und nahmen sogleich von der Stadt und von dem Hafen Besitz. Es waren zwey Bataillons Füsiliere mit 2 Kanonen und eine Escadron Dragoner, unter den Befehlen des Majors von Reuß. Dieser ließ gleich beym Einmarsche die noch im Hafen zurückgebliebenen Kauffahrer mit Wache besetzen; es waren deren sieben, nämlich 2 russische, 3 schwedische und 2 englische. Die auf denselben befindlichen Kanonen wurden ans Land gebracht und in der Hasenschanze aufgepflanzt. Am folgenden Morgen erschienen 3 russische Kriegsschiffe, 2 Fregatten und eine Cutterbrigg ungefähr eine Viertelmeile weit vor dem Hafen, und ließen denselben durch ein mit etwa 20 Mann besetztes Boot recognosciren. Der preußische Commandant in der Hafenschanze ließ die Besatzung derselben sich gleich niederlegen und, sobald das Boot bis auf Schußweite herangekommen war, Feuer auf dasselbe geben. Der im Boote befindliche Offizier und 5 Mann wurden dadurch getödtet und mehrere verwundet, worauf das Fahrzeug schnell nach den Schiffen zurückkehrte und letztere bald aus dem Gesichte verschwanden. man konnte sich diese schleunige Entfernung nicht anders als dadurch erklären, daß sie sich zu einem Angriffe für allzuschwach hielten und mit verstärkter Macht zurückkommen würden, und diese Vermuthung war allerdings gegründet, denn indem ich dieses zur Post gebe, sieht man die drey russischen Kriegsschiffe, in Begleitung zweyer englischen, wiederum angesegelt kommen und wir haben also wahrscheinlich ein Bombardement zu befürchten.

[5]
London, den 24sten July.

Wir wissen, daß sich Admiral Saumarez mit seiner Flotte auf der Höhe von Libau befand, als diese Stadt den Alliirten in die Hände fiel. Er rettete Einiges von den Magazinen, die sich daselbst befanden; allein er konnte das Einrücken des Feindes in diesen Platz nicht verwehren, der seiner Lage wegen der russischen Armee zum Entrepot dienen konnte.

[6]
Libau, den 13ten December.

Am heutigen Tage hat sich uns ein Schauspiel dargestellt, das als Beweis der reinsten Anhänglichkeit an die geheiligte Person unsers allverehrten Monarchen öffentlich bekannt zu werden verdient.

Beym Einmarsch der Feinde in Libau nämlich hatte ein anwesender Zollbeamte das, in das Zoll-Seccionsstube aufgestellte, Gemälde unsers Alexanders in aller Stille ab und zu sich genommen, um das Anschauen dieses Gemäldes den unreinen, giftigen Blicken des Feindes zu entziehen.

Heute nun, da jeder treue Unterthan wieder laut bekennen darf, daß er ein Glied der großen russischen Nation sey, versammelten sich die hier anwesenden Zollofficianten, der Lootsenkommandeur, zusammt den Lootsen und die hier befindlichen Matrosen, jeder mit einer Flagge geziert, beym Tamoschnahause, um das Bild des geliebten Monarchen wieder im Sessionszimmer aufzustellen. Unter Vortretung der Stadtmusici begab sich das ganze genannte Personal in das Haus der Beamten, wo das Heiligthum aufbewahrt worden war; -- zwey Officianten empfingen nun das Gemälde, um es unter Anführung eines Oberofficianten dahin zu bringen, wo es ursprünglich hingehörte, und so begann der feyerliche Zug. Diesen Officianten, welche die Stadtmusici vorgingen, folgten nun die Lootsen und Matrosen mit ihren Flaggen und eine sehr große Menge der hiesigen Stadteinwohner. Still und feyerlich ging der ganze Zug bis zum Tamoschnahause; Freude glänzte in den Augen eines Jeden! -- Als der Zug in dem Zoll-Sessionszimmer angelangt und das Bild des allgeliebtesten Monarchen seinen Platz wieder eingenommen hatte, stimmte die ganze Versammlung mit hoher Inbrunst das bekannte Volkslied: "Heil, Alexander, Heil!", nach der bekannte Melodie: God save the King, unter musikalischer Begleitung an, und nach Beendigung derselben hatte das Gefühl der Freude auf Alle so mächtig gewirkt, daß man sich, ohne Ansehn der Person, ohne Berücksichtigung von Stand und Rang, um den Hals fiel, und sich laut Glück wünschte, wieder dem allmächtigen russischen Reiche anzugehören. Ein oft wiederholtes Hurrah! auf das Wohl Alexanders, des hohen Kaiserlichen Hauses und der siegreichen russischen Truppen, sprach die Gefühle des Einzelnen, so wie die Stimmung des Ganzen aus.

Es versteht sich übrigens von selbst, daß diese Korrespondenznachricht nur jeden ächten Patrioten interessiren kann.

[7]
Libau, den 14ten December.

Wenn je lauter Jubel die wonnetrunkenen Herzen der sämmtlichen Libauschen ebräischen Gemeinde verrieth, so war dies unstreitig den 12ten dieses, am Geburtsfeste unseres angebeteten Monarchen. Nachdem der russische-kaiserliche Adler, unter der Begleitung schöntönender Musik, von Jossel Abraham Levy in ihre prächtig erleuchtete Synagoge, woselbst sich die ganze ebräische Gemeinde befand, gebracht wurde, wurden mehrere der hohen Feyer des Tages anpassende Psalmen abgesungen, und inbrünstige Gebete für das Wohl unseres allgeliebten Landesherrn, des ganzen hohen Kaiserlichen Hauses und aller erlauchten Großen des Staats gehalten. Hierauf wurde der Adler unter dem allgemeinen Zuruf: "Hoch lebe unser vielgeliebter Alexander!" am Altare angebracht. Nach geendigtem Gottesdienst wurde ein sehr reichliches Almosen aus der Armenkasse unter die Armen vertheilt. Des Abends wurde ein zahlreicher und glänzender Ball veranstaltet, der bis 4 Uhr des Morgens mit der innigsten Herzenfreude gefeyert wurde. Jedes Auge strahlte von Dank und Freude, und heiße Wünsche für das Wohl unseres vielgeliebten Monarchen überströmten die Herzen Aller.

[8]
Libau, den 23sten December.

Auch die ebräische Gemeinde hiesiger Stadt feyerte heute das allgemeine Siegesfest Rußlands. Nachdem die Synagoge erleuchtet war, und der Kantor einige Psalmen abgesungen hatte, hielt der Kandidat, Herr Moritz Loquier, eine kräftige, geistvolle und zu dieser Festlichkeit passende Kanzelrede, wozu der Text aus dem 73sten Kapitel der Psalmen entlehnt wurde. Aller Herzen wurden dadurch zur innigsten Rührung und zur herzlichsten Theilnahme an den Siegen der tapfern russischen Truppen bewegt. Nach beendigter Rede sang der Kantor abermals einige Psalme ab, die von gedachtem Herrn Kandidaten zu diesem Behufe bestimmt worden.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1806.
  2. Wiener-Zeitung. Nro. 53. Sonnabend, den 2. July 1808.
  3. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 189. Mittewoch, den 7/19. August 1812.
  4. Leipziger Zeitung Nr. 154. Sonnabends den 8. August 1812.
  5. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 191. Freytag, den 9/21. August 1812.
  6. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 305. Freytag, den 20. December 1812.
  7. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 308. Dienstag, den 24. December 1812.
  8. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 313. Montag, den 30. December 1812.
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