Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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ELO Leiden

Leyden.[]

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Leyden, eine große, volkreiche, schöne, und nach Amsterdam die größte Stadt in Süd-Holland, am alten Rheine, der aber nur wie ein Graben aussieht, hatte in 10,9000 Häusern ehemals nahe an 48,000 Einwohner (nach andern gar 109,000), die aber im J. 1796 auf 30,955 heruntergesunken waren. Die dortige Universität, welche 1575 gestiftet wurde, zeichnet sich durch den berühmten botanischen Garten, das anatomische Theater, das astronomische Observatorium und durch die kostbare Bibliothek mit ihren seltenen Manuscripten aus. Am 6. Nov. 1815 wurde sie aufs Neue eingeweiht, bei welcher Gelegenheit ihr auch der König das reiche, ehemalige Erbstatthalterische, nun wieder aus Paris zurückgekommene Naturalienkabinet zum Geschenk machte. Ausser mehreren vorzüglichen öffentlichen Gebäuden bemerken wir nur die vortrefflichen Gärten mit ihren Gewächsen. Die Stadt selbst war die vierte im Range derjenigen Städte, welche Deputirte zur Versammlung der Provinz Holland schickten. In der Nähe wird die beste holländische Butter, auch sehr viel Käse verfertigt. Einen beträchtlichen Nahrungszweig machten ehemals auch die vielen hiesigen Buchdruckereien aus. Johann Bockolt, der Schneider, der sich 1534, als das Haupt der Wiedertäufer, zum Könige von Münster aufwarf, ist hier geboren worden. Im J. 1574 starben, während der spanischen Belagerung, an Hunger und Pest über 6000 Menschen; eine Belohnung für diese muthig überstandenen Drangsale war die Universität. Leyden ist der Hauptplatz für die Wollenfabriken, und den daraus folgenden inländischen Wollhandel, welchem die geräumigen Straßen (unter welchen die breite Gasse eine der schönsten Straßen in Europa ist) und die vielen breiten Canäle zu großer Bequemlichkeit dienen. Doch sind von den ehemals daselbst vorhandenen 100 Tuchfabriken nur noch 20 im Gange, und in der letzten Zeit haben auch diese so sehr abgenommen, daß man, statt 25,000, jetzt jährlich nur noch 2000 Stück Tuch verfertigt. Die Stadt hatte am 12. Febr. 1807 das große Unglück, daß ein mit 40,000 Pfund Pulver beladenes Schiff, welches in der Stadt lag, in die Luft flog, durch dessen Explosion, welche man 6½ Meilen weit hörte, die zu beiden Seiten des Canals stehende Häuser zusammenstürzten, und eine sehr große Menge Menschen ihr Leben verloren. Der schaden ward auf anderthalb Millionen Gulden geschätzt.


ELO Leiden


Von Reisende.[]

Ralph Fell.[]

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[1800]

Leiden ist in Hinsicht der Grösse die zweite Stadt in den vereinigten Provinzen und steht in Ansehung des Umfangs und der Pracht seiner Gebäude, des Nutzens seiner öffentlichen Anstalten und der guten Sitten der Einwohner keiner andern nach. Es liegt auf dem alten Bette des Rheins, dessen verminderte Gewässer einen unbedeutenden Kanal gleiches Namens anfüllen; in einer sehr geringen Entfernung von der Stadt aber, wo sich dieser Kanal mit grössern Strömen vereinigt, verschwindet der klassische Name.

Die Häuser in Leiden sind nach althöllandischem Geschmack mit hervorragenden Giebeln gebaut. In einer Stadt, wo alles holländisch ist, verschaffen sie dem Auge einen gefälligern Anblick als plumpe Nachahmungen griechischer oder italienischer Architektur. Ein holländisches im alten Styl gebautes Haus ist gewöhnlich sechs Stockwerke hoch, von denen die drei ersten von gleicher Breite aber ungleicher Höhe sind; beim dritten Stock fängt das Dach an und geht bis zur Spitze des Gebäudes, die Zimmer in diesem Theile des Hauses müssen daher immer kleiner werden, je mehr sie sich dem Gipfel nähern. Die Vorderseite der obern Zimmer ragt so weit aus dem Dache hervor, dass dieses, wenn man es nicht im Profil betrachtet, völlig davon bedeckt wird, und die Aussenseite jeder Stube vermindert sich immer mehr, bis endlich die oberste Etage nur zwei Drittheile von der untersten enthält. An der Öffnung der obersten Stube, die mit einer hölzernen Thüre verschlossen wird, ist fast immer ein kleiner Krahn befestigt, um Holz oder Torf damit herauszuwinden und an diese Krahne sind gewöhnlich groteske Köpfe geschnitzt. Die Fensterläden und Thüren sind an den meisten Häusern grün, die Backsteine aber da, wo ein Vorsprung oder verschiedenerlei Mauerwerk angebracht ist, oft weiss und schwarz angestrichen.

Die Hauptstrassen in Leiden sind breit, lang und gut gepflastert. Da sie in der Mitte etwas erhöht sind, so kann das Wasser darin nicht lange stehen bleiben und eine gleich strenge Reinlichkeit wie in andern Gegenden Holland's herrscht auch hier. Die Strasse, in der das Rathhaus steht, wird von den Einwohnern dieser Stadt für eine der schönsten in Europa gehalten. Sie erstreckt sich, jedoch mit einer unmerklichen Krümmung, von einem Ende der Stadt zum andern und ist gegen zwei englische Meilen lang. Alle Häuser derselben sind zierlich und nett, und ausser dem prachtvollen Rathhause erblickt man hier noch das schöne weitläuftige Hospital und andre öffentliche Gebäude.

In den Sälen des Rathhauses werden einige vortreffliche Gemälde aufbewahrt, welche die Aufmerksamkeit der Reisenden verdienen. Das vorzüglichste darunter -- ein sehr altes von Lucas van Leiden auf Holz gemaltes Kunstwerk -- stellt das jüngste Gericht vor. Es ist in drei Abtheilungen getheilt, die vermittelst einiger Gelenke zusammen gelegt werden können; hierdurch wird das Gemälde gegen die schädlichen Eindrücke der Luft gesichert. Der Kontrast zwischen den Engeln und Teufeln, die Freude der Seeligen und die Verzweiflung der Verdammten ist mit grosser Geschicklichkeit dargestellt. Aber das Gemälde, auf welches man hier von dem Führer besonders aufmerksam gemacht wird, enthält eine in den Annalen dieser Stadt sehr interessante Geschichte; es stellt nämlich die Hungersnoth der Leidenschen Einwohner vor, wie sie, nachdem ihre Tapferkeit und Ausdauer die Spanier genöthigt hatte, die Belagerung dieser Stadt aufzuheben, heisshungrig nach den Nahrungsmitteln griffen, die ihre Landsleute ihnen brachten.

Zum Andenken an diese Belagerung wird noch jetzt von den Leidner Bürgern jährlich ein Freudenfest, und alle sieben Jahre ein Jubiläum gefeiert. Zur Dankbarkeit wegen der hierbei bewiesenen Tapferkeit und Gedult stifteten die Generalstaaten die nachher so berühmt gewordene hiesige Universität.

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Die Universität Leiden, die älteste und berühmteste in den vereinigten Provinzen, wurde in dem darauf folgenden Jahre von den Generalstaaten und dem Prinzen von Oranien gestiftet, um die Bürger wegen ihrer bewiesenen beispiellosen Tapferkeit und Ausdauer zu belohnen *). Diese Akademie hat das Glück gehabt, unter ihren Lehrern und Schülern einige der berühmtesten Gelehrten und Ärzte in Europa zu zählen. In ihrer frühesten Periode trieben der jüngere Scaliger, Heinsius und Salmasius das Studium der alten Sprachen mit dem glücklichsten Erfolge, und nachher füllte Boerhaave Leiden mit Studenten der Medizin aus allen Theilen von Europa an. Es wäre zu mühsam, aller berühmten Schüler und Ärzte zu erwähnen, die diese Universität hervorgebracht hat; aber es giebt vielleicht keine Wissenschaft, in der sich die hiesigen Professoren nicht ausgezeichnet, und keinen Zweig der schönen Literatur, worin sie nicht berühmt geworden sind.

*) Es wurde den Bürgern frei gestellt, zwischen der Befreiung von allen Abgaben und der Errichtung einer Universität zu wählen, und -- sie wählten das letztere.

Die jetzigen Lehrer sind Männer von anerkannten Talenten und Verdienst. Die Unterrichtsanstalten haben aber bei dem die Republik betroffenen allgemeinen Unglück gelitten, und die Anzahl der Studierenden, besonders der Ausländer, hat sich sehr vermindert. Kaum hundert und funfzig Studenten waren in der akademischen Matrikel verzeichnet, und wie viele darunter aus einer unlöblichen Absicht sich hier hatten einschreiben lassen, ist schwer zu bestimmen. Seit der Gründung von Freiheit und Gleichheit in den vereinigten Staaten muss jeder zur Militz Wahlfähige in dem Korps des Distrikts, zu dem er gehört, würkliche Kriegsdienste verrichten, statt dass vor der Revoluzion, wer jemand an seine Stelle liefern konnte, von persönlichem Dienste frei war. Die Studierenden auf der Universitäten sind von diesem gefährlichen und unangenehmen Dienste ausgenommen; daher lassen sich viele in die akademische Liste einschreiben, um nur dieses Privilegium zu geniessen. Diese Klasse von Studierenden ist, wie ich vermuthe, zahlreicher als die Klassen derer, die nach dem Zwecke dieses Instituts sich hier aufhalten.


Von Reisende.

Dr. Johann Friedrich Droysen.[]

[3]

[1801]

Antwerpen, den 6ten July 1801.

Wir verließen den 26sten Juny Haarlem, und gingen mit der Trekschuyte nach Leyden, das zwey Meilen davon entfernt liegt. Unser Weg führte uns anfangs durch einen Theil der Dünen, die uns immer rechts begleiteten, und mit ihren mannigfachen Anpflanzungen Abwechselung genug darbothen; bald wird die Gegend fruchtbarer, bedeutendere Holzpflanzungen wechselten mit schönen Wiesen ab, es traten Gärten hervor und die Gegend nahm wieder ihren alten Charakter an; -- so lieblich abwechselnd, aber doch im Ganzen sich ziemlich gleich. Wir kamen nach etwa drey Stunden in Leyden an.

Es war viel Leben und Weben auf den Gassen, die Ursache davon, die über die hier liegende Garnison gehaltene Musterung und deren Uebung auf einer vor dem Thor gelegenen Wiese. -- Das Militär war wohlgekleidet, die meisten Leute jung, und ihre Bewegungen ziemlich genau und gleichförmig; die zuschauende Menge war groß und ein lebhaftes, buntes Gewimmel der Menge.

Leyden hat durch seine schönen geräumigen Straßen, gute Häuser und sein vortreffliches Pflaster ein schönes, freundliches Ansehen, ja die breite Straße wird von Einigen, für eine der schönsten in Europa gehalten. Die Stadt hat schon weniger Canäle, als die vorher besuchten, aber noch immer genug, um mit den übrigen in Communication zu stehen.

Die Gebäude der Akademie, die den Ruf der größten und vorzüglichsten in Holland genießt, und 1575 von Wilhelm dem Ersten zum Lohn für die tapfere Vertheidigung der Bürger der Stadt gestiftet ward, sind zum Theil schon alt, zum Theil wieder ausgebessert. In denselben fand ich eine Bibliothek, die auf 40,000 gedruckte Werke angegeben ward, der aber die neuern Sachen fehlten; sie ist sehr übel aufgestellt, indem in dem kleinen Raume die Bücher in doppelten Reihen so gestellt sind, daß einige nicht leicht das Tageslicht erblicken können; ferner ein vortreffliches physikalisches Cabinett, welches der Prof. van der Eyk *) unter seiner Aufsicht hat. Außer einigen alten Instrumenten von Gravesand, einer Luftpumpe von Mousschenbroek mit der Jahrszahl 1675, fand ich eine Luftpumpe von Cuthberson, eine Elektrisir-Maschine mit zwey Scheiben von 18 Zoll im Durchmesser, eine Dampfmaschine von Pauw, chemischen und physikalischen Apparat, wie man ihn in Vorlesungen gebraucht, gut erhalten und neben dem Auditorio aufgestellt.

*) Von ihm hat man Institutiones physicae, in vsum auditorum digestae 1800, worin er zuerst die Chemie mit in die Physik aufgenommen hat.

Der botanische Garten, unter Aufsicht des berühmten Prof. Brugmans, der auf einer Reise nach Deutschland begriffen war, wird von dem Hortulanus Meerburgh **) besorgt, zeichnete sich vortheilhaft aus.

**) Bekannt durch seine Abbildung der selteneren Pflanzen und Gewächse dieses Gartens, so wie durch seinen Fleiß, mit dem er nach und nach ein eigenes artiges Naturaliencabinett angelegt hat.

Ein Naturaliencabinett, das noch bey weiten nicht vollständig seyn kann, da es erst seit kurzen angelegt ist, enthält einzelne sehr schöne Stücke.

Die Antiken-Sammlung, neben dem Treibhause im botanischen Garten, ist ein Geschenk eines Papenbroek und von sehr geringer Bedeutung.

Seit 1787 ist ein Clinicum mit einem Lazarethe verbunden angelegt worden.

Die auf dem akademischen Gebäude befindliche Sternwarte konnte ich in Abwesenheit des Prof. Calkoen *) nicht sehen, sie soll aber wegen ihres Alters und Mangels an Instrumenten nicht besonders brauchbar seyn.

*) Von ihm haben wir eine Uebersetzung des Lehrbuches der Mathematik von Veith, 1800. in Holländischer Sprache, und eine 1797 geschriebene Disseratation de horologiis veterum sciothericis, die bekannt zu werden verdient. Die Sternkunde erwartet von ihm ihre thätigere Bearbeitung in Holland.

Ich suchte den Pedell auf, um mich führen zu lassen, und fand in ihm den Besitzer einer der ersten Gasthöfe. Es war in diesen Tagen gerade eine Promotion ohne Kappe, d. h. ohne bedeutende Feyerlichkeiten, dahingegen die mit Kappe, alle den Klingklang und Späße der alten Zeiten haben. Man kann hier ohne alle Schwierigkeiten promoviren, und darf seine Disputation wenn man will, nicht ein Mahl öffentlich, sondern nur vor den versammelten Professoren vertheidigen. Ehemahls hatten die Leydner Doctoren mit denen in Paris promovirten, in Frankreich gleiche Rechte.

Die Zahl der Studirenden soll sich an 300 belaufen. Die Lehrer, deren Nahmen ich Ihnen gern mittheilen wollte, wenn ich ein gedrucktes Verzeichniß der Vorlesungen hätte erhalten können, kündigen ihre Collegia, die sie Lateinisch lesen, nur schriftlich an. Sie mußten sich ehemahls sämmtlich zur Dortrechtschen Synode bekennen, und genießen ein Gehalt von 1000 bis 2000 Fl. jährlich. –

Ich kann Ihnen keine nähere und genauere Auskunft über die Leydner Akademie geben, als diese wenigen, von Akademikern eingezogenen Nachrichten enthalten, da es mir an Gelegenheit zu ausgedehnteren Bekanntschaften fehlte, auch jetzt gerade Ferien eingetreten waren, und also die meisten Lehrer verreiset, oder vertrekt waren.

HGA Den Haag

Wir verließen den 27sten Leyden und kamen nach einer Fahrt von drey Stunden im Haag an, wo wir hart am Eingange der Stadt in den sieben Thürmern Roms unser Quartier nahmen, weil die Träger mit ihren unglaublich impertinenten Forderungen für den Transport unserer Sachen, uns abhielten von ihnen geprellt zu werden. –


Von Reisende.

Caspar Heinrich Freiherr von Sierstorpff.[]

[4]

[1803]

Nachdem ich die Tage in Haag vergnügt, und den letzten noch auf einem nahen Landhause sehr angenehm zugebracht hatte, fuhr ich Abends nach Leyden, wo ich um 10 Uhr ankam, und wovon mir den andern Tag die breite, und mit einigen sehr schönen Häusern bebauete Preisstrasse, worin ich logirte, von dieser für die ältere Gelehrsamkeit berühmte Universitätsstadt eine grosse Idee gab, wo es aber übrigens ganz so aussieht, als mit der dortigen Gelehrsamkeit selbst, von der man seit langen Jahren fast gar nichts mehr gehört hat, und wo die Universität ungefähr noch aus ein Paar hundert Studenten besteht, worunter die meisten Theologen sind. Denn alles, was man am äusserlichen der Stadt sieht, scheint ältere Anlage aus ehemals glücklichern Zeiten zu seyn, wie zum Beyspiel die vielen Canäle, die vielen massiven Brücken und mehr dergleichen Werke. Der hier nur noch den Namen des Rheins führende kleine Strang desselben schleicht sich in verschiedenen Canälen durch die Stadt, vereinigt sich wieder unterhalb derselben, und verliert sich endlich in dem sogenannten Leidener Meer, wo die oben bemerkten Ruinen der ehemaligen Römischen Festung unter Wasser liegen. Diese ganze Gegend liegt tief, und ist daher mit vielen Canälen und Gräben durhschnitten. Um die Stadt führt ein schöner, mit hohen Bäumen bestandener, und sehr sauber gehaltener Spaziergang. Die Festungswerke sind sehr flach, und möchten, wenn eine hier leicht zu bewirkende Ueberschwemmung nicht zu Hülfe käme, wohl schwerlich nur jetzt so viele Tage vertheidigt werden können, als einst die Spanier Monate lang davor lagen. Der Handel ist hier nicht sehr beträchtlich, desto beträchtlicher aber sind die Tuchfabriken und ähnliche Webereien. Erstere lieferen zwar nicht die feinste, aber dauerhafte gute Waare. Ich habe ein Paar solche Fabriken gesehen, worin ich aber nichts Besonderes und von andern Verschiedenes gefunden habe. Man klagte darin über den jetzigen hohen Wollpreis, und den in den bisherigen unruhigen Zeiten gelittenen Schaden.

Mitten in der Stadt liegt auf einer kleinen Erhöhung ein runder Thurm, der ganz das Ansehen von einem sehr alten Werke hat. Ich getraue mir nicht zu bestimmen, wozu er eigentlich errichtet seyn mag; in späteren Zeiten ist er oben mit Schiessscharten versehen worden, und jetzt ist darin ein kleiner Garten angelegt, der mit dem übrigen der sogenannten Burg an einen Gastwirth vermiethet ist, der dies berühmte Alterthum jedem für 10 Stüber sehen lässt.

Da mir die Gemälde auf dem Rathhause sehr gerühmt wurden, so suchte ich sie zu sehen, fand aber darunter nichts besonderes, als ein grosses letztes Gericht von Lucas von Leiden, das für die damalige Zeit viel schätzbares hat. Der hiesige berühmte botanische Garten ist in einem kläglichen Zustande; und wenn man kurz vorher den vortrefflichen Pflanzengarten in Paris gesehen hat; so erregen die verkrüppelten und zum Theil bemoosten Gewächse hier wahres Mitleiden. Das Holländische Klima ist für die Pflanzen aus den wärmeren Gegenden viel zu feucht und kalt, und überdem ist der Garten noch mit zu viel hohen Bäumen und Hecken bepflanzt. Der Professor der Botanik mag auch wohl bey seinen Pflanzen sich besser auf die Staubfäden, als auf die Wartung derselben verstehen; von neueren Pflanzen sah ich hier gar keine.

ELO Leiden

In einem Saale am botanischen Garten wird eine Sammlung altrömischer Inschriften, Sarcophagen und meistens verwitterter und zerstossener Büsten, auch einiger Gothischen Alterthümer gezeigt, die nach einer dankvollen Inschrift von einem gewissen Papenbrokius dahin geschenkt sind. Einem solchen barbarischen Namen neben Römischen Alterthümern zu finden, schien mir das auffallendste zu seyn. Denn obgleich man diese Sammlung über hundert tausend Gulden schätzt, so ist sie wahrlich nichts mehr, als was man von solchen Dingen zu Rom in den Vorrathshäusern der Steinschneider und Altkrämer zusammen gehäuft finden kann. Eins der sehenswürdigsten Dinge soll die Schneidekammer seyn; so heisst hier zu Lande der Anatomiesaal; aber ich hatte eben nicht Lust die darin befindlichen schönen Dinge zu sehen, weil der Aufseher versicherte, dass man schon seit acht Tagen denselben Cadaver darin verarbeitete. Die Bibliothek war aber geschlossen, sonst hätte ich doch gern alle jene Folianten in der Reihe stehen gesehen, deren Existenz wir den vielen ehemaligen grossen Männer dieser Universität zu verdanken haben; und die jetzt, da man es in der eleganten Lesewelt kaum wagen möchte, ihre barbarischen Namen in us zu nennen, nur als die grosse Vorrathskammer anzusehen sind, in der sich die jetzt lebenden Bücherfabrikannten Raths erholen, wenn sie etwa ein gutes altes Gerichte, um es den jetzigen Modelesern geschmackhafter zu machen, mit neuer schalen Brühe wieder aufwärmen, oder sonst ein mageres Stück Arbeit gelehrt ausspicken wollen. Da die bekannten Kirchenmaler Steenwick, Peter Neefs, und mehre, einigemal das Innere der hiesigen, in ihrer Art schönen alten Peterskirche gemalt haben, und des darin dem grossen Boerhave gesetzten Monuments wegen sah ich diese Kirche. Letzteres besteht nur aus einem sehr einfachen Fussgesimse von schwarzem und einer darauf stehenden Urne aus weissem Marmor; und so kleinlich und kärglich das ganze aussieht, so ist doch die Inschrift zu lapidarisch schön, als dass ich sie nicht hierher setzen sollte; auf jenem steht: Salutifero Boerhavii genio sacrum; und um die Urne: sigillum veri simplex. In unsern Gegenden würde man es bey so Wenigem wohl nicht gelassen, und eine ganz andere Portion von Lobeserhebungen darauf gemalt haben! -- Auch in dieser Kirche, worin mehre bekannte Gelehrte begraben liegen, hat man die Wappen etwas bekratzt, aber blos der Alliirten wegen, und mit aller Schonung.

Im Ganzen hat die grosse Stadt Leyden etwas trauriges; und ich eilte deswegen um einen Tag früher fort, als ich mit vorgenommen hatte, fuhr Abends 6 Uhr ab, und kam 10 Uhr in Harlem an.


Ruines d'une partie du Rapenbourg à Leyde, a la suite de l'explosion du bateau à poudre au 12 Jan 1807.

Vermischte Nachrichten.[]

[1807]

[5]

Harlem, vom 17. Jan.

Das Unglück welches die Stadt Leiden am 12ten dieses durch den Aufflug eines mit Pulver beladenen Schiffs betroffen hat, ist ohne Beyspiel und über alle Beschreibung. Die Erschütterung war so stark, daß alle Häuser in der Nachbarschaft plötzlich einstürzten. In der ganzen übrigen Stadt sind die Dächer, Fenster, Thüren und selbst manche innere Mauern sehr beschädigt. Das akademische Gebäude, das Stadthaus und die Peterskirche haben dabey sehr gelitten. Von dem Stadthause ist ein Theil des Vordergebäudes eingestürzt. Da der Ort des Aufflugs gerade im Mittelpunkte des schönsten Theils der Stadt war, so ist der Verlust aller Art um so empfindlicher, und besonders der Verlust der Menschen unersetzlich. Viele durch Kenntnisse und ihren Stand ausgezeichnete und schätzbare Personen haben das Leben dabey verloren.

Alle Straßen zu Leiden sind mit Trümmern und Glas bedeckt. Außer der Peterskirche sind auch die Pancraz und lutherische Kirche sehr beschädigt. An verschiedenen Orten brach Feuer aus, jedoch nicht heftig, weil es bloß durch das Feuer entstand, das in den eingestürzten Häusern eben gebrannt hatte.

Die Peterskirche muß niedergerissen werden, um Unglück zu verhüten. Leichen werden zu Leiden noch täglich ausgegraben.

In der schule der Wittwe Schneither zu Leiden waren 50 Kinder und 3 Lehrer. Der Schulsaal stürzte ein, jedoch nicht völlig. Einer der Knaben kroch aus dem Fenster, dann über eine Hecke, und es gelang ihm darauf die große Thüre des Saals zu öffnen, so daß die meisten Kinder auf zwey gerettet wurden. Zwey der Lehrer verloren jedoch das Leben.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Fell's Reise durch die Batavische Republik Aus dem Englischen übersetzt, und mit Anmerkungen begleitet von D. Karl Murhard. Leipzig, bei C. H. Reclam. 1805.
  3. Dr. Johann Friedrich Droysen's Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801. Göttingen bey Heinrich Dieterich. 1802.
  4. Bemerkungen auf einer Reise durch die Niederlande nach Paris im eilften Jahre der grossen Republik. 1804.
  5. Der Bote aus Thüringen. Schnepfenthal, Im Verlage der Buchhandlung der Erziehungsanstalt. 1807.
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