Liegnitz.[]
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Liegnitz, am Zusammenfluß des Kazbachs und des Schwarzwassers. Sie hat Mauern, 4 Thore, und schöne Alleen um die Stadt, ist aber nicht befestigt. Man bemerkt hier das Schloß, das ansehnliche Rathhaus, die vereinigten Königlichen und Stadtschulen, die zwey lutherischen Pfarrkirchen, das prächtige dem aufgehobenen Jesuiterorden zugehörige Collegium, und die übrigen katholischen Kirchen und Klöster. Unter denselben hat die Collegiatkirche zu St. Johann vormals den Evangelischen gehört, und bey ihr ist die kostbare Begräbnißkapelle der alten Fürsten von Liegnitz und Brieg. Die umliegende Gegend ist sehr fruchtbar; vorzüglich wird vieles Gemüse gezogen und weit verführt. Unter den hiesigen Fabriken zeichnet sich die Zizmanufaktur aus. Kaiser Joseph I stiftete 1708 hier eine Ritterakademie für adeliche Schlesische Landeskinder, katholischer und protestantischer Religion, welche 1774 sehr verbesserte Einrichtungen erhalten, und gegenwärtig 5 Professoren, ausser den Exercitienmeistern, hat. Die evangel. Stadtschule hat 6 Classen. Die Zahl der Einwohner, mit Inbegriff der Vorstädte, und ohne Besatzung, belief sich im J. 1796 auf 6,048.
Den 15. August 1760 schlug der König von Preussen zwischen hier und Parchwitz die Oesterreicher unter dem General Laudon.
Zeitgeschichte der Stadt.[]
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1789 den 14. Juli wurden auf der Abendseite der Stadt die Vestungswerke dem Stadtdirektor Schnieber veräußert, welcher bis an die Schloßwiesen daraus einen anmuthigen Garten schuf.
1794 den 25. Febr. früh 5 Uhr zerknickte ein Sturmwind die Stange auf dem Thurme der Exjesuitenkirche St. Johannes, und warf dieselbe nebst Knopf und Wetterhahn hinunter. Kein Mensch wurde beschädigt.
1801 erkaufte der Koffetier Wolf den vorerwähnten Garten des Stadtdirektor Schnieber, legte darin ein Gesellschaftshaus und einen Tanzsaal an, zu Ehren des am 9. Febr. d. J. geschloßnen Friedens, Lüneville genannt.
1804 den 14. Juni that die Ueberschwemmung der Katzbach in den Vorstädten sehr großen Schaden.
1805 wurde auf Königl. Verordnung die St. Johanneskirche zur katholischen Pfarrkirche eingerichtet. Auch nahm man im September vom Thurme beim Schlosse den Knopf ab, und besserte denselben aus. (S. d. J. 1663.)
1810 wieß der König, bei Errichtung der neuen Landesregierungen einer derselben Liegnitz zum Aufenthalt an; das Offizianten-Personal begann seine Geschäfte am 1. Mai 1811. Ein gleiches geschah mit dem Oberlandesgericht, welcher der König
1813 von Glogau nach dieser Stadt verlegte, weil nach gemachter Erfahrung 1806 sowohl die Kammer als das Oberamt zum größten Schaden des Landes dort in feindlichen Händen sich befand. Die Glogauer seufzten freilich, aber den Liegnitzern war dieser Nahrungszuwachs willkommen. Indessen mußte die gute Bürgerschaft kurz darauf mit mehrern ihrer Schwestern das Schicksal theilen, welches Napoleons Völker, (hoffentlich das letztemal) über Niederschlesien verhängten.
Am 9. Mai verkündigte ein versprengter oder entlaufner Preußischer Gardekosak, daß die Preußen bei Lützen gänzlich geschlagen wären. Die Bürger, entrüstet über diesen unberufnen Störer ihrer Hoffnung, und schon Tages vorher eines bessern belehrt, verhehlten ihren Ingrimm nicht, und dieser äußerte sich noch weit lebhafter, als
Den 10. Mai der Professor Henry aus Jena mit Preußischer Bedeckung durchgeführt wurde. Er, des Spionirens verdächtig, konnte blos durch das Militair und den Burgermeister Podorf vor den Mißhandlungen des Pöbels sicher gestellt werden.
Den 12. Mai trafen mehrere Wagen von verwundeter Preußen und Russen ein, die alle mögliche Pflege erhielten.
Den 17. Mai marschirte mit klingendem Spiel und in der frohesten Stimmung die Jauersche Landwehr ein, und
den 24. Mai wurde die des Liegnitzer Kreises in der Oberkirche feierlichst eingesegnet. Mit Schrecken vernahm man an diesem Tage den Rückzug der Verbündeten nach der Bauzner Schlacht, und bereits
Den 25. Mai erfolgten starke Durchmärsche aller Gattungen von Truppen nebst ihrem Heergeräthe. Der König nahm ebenfalls seinen Weg durch die Stadt nach Breslau.
Den 26. Mai steckten eines Magazins wegen die Kosaken das Fickertsche Vorwerk in Brand; Feuerlärm, und dumpfer Kanonendonner von Hainau her mehrte die Angst der Einwohner, die aber Abends durch die frohe Nachricht des bei obiger Stadt erfochtenen Sieges, wieder etwas sich beruhigt fühlten.
Den 27. Mai Mittags zogen die anwesenden Preußen durch das Breslauer Thor ab, worauf eine ängstliche Stille entstand, und so lange dauerte bis Abends 6 Uhr der erste französische Husar vor die Hauptwache sprengte, dem bald mehr gemischte Reuterei folgte. Gensd'armen suchten die Ordnung zu erhalten, und eiligst gingen Schaaren von Fußvolk des Neyschen Korps durch die Stadt; die Garden folgten, an ihrer Spitze Napoleon. Dieser sprach in der Nähe des Röhrkastens die Abgeordneten der Stadt, ritt dann durch die Frauengaße nach dem Markte und stieg im Mäntlerschen Hause ab. Unbeschreiblich war das Gewühl auf den Straßen wo die gelagerten Truppen Lebensmittel forderten. Sie drängten sich in die Häuser, vorzüglich in den Rathskeller, es entstand allgemeine Verwirrung von Mißhandlungen begleitet. Die wohlhabendsten Einwohner nebst den Behörden hatten sich entfernt, und so fiel alles Ungemach des Einquartierungswesens dem Mittelstande zur Last.
Den 28. Mai änderte sich die Scene; die Gardisten, welche gestern blos um Lebensmittel sich beworben hatten, fingen an zu verwüsten, machten die Stuben zu Pferdeställen und betrugen sich auf das gröbste. Der Kaiser ritt Nachmittags (andre sagen Vormittags) kundschaften, und kein Lebehoch aus der Einwohner Munde schallte ihm nach.
Den 29. Mai Vormittags 8 Uhr mußte die Garde sich unter Gewehr stellen und sehnsuchtsvoll erharrte man ihren Abzug. Allein der Weiser fehlte noch (S. Jauer,) und sie setzte sich erst Nachmittags in Bewegung nach Breslau zu. An diesem Tage verlohren der Kellerpächter Hammer und Weinhändler Harnwolf den gesammten Weinvorrath und mehr werthvolle Sachen durch Plünderung. So unruhig ging es fort, so ununterbrochen durchzogen französische, und Truppen des Rheinbunds bis zum 4. Juni die Stadt, und letztere bewiesen durch ihre Raubsucht und Grobheit, in wessen Schule sie gebildet worden. Besonders bezeugten ihren Vandalensinn die vorstädtischen Häuser, deren wenige Thüren und Fenster behielten.
Den 5. Juni gegen Abend rückte Napoleon nebst jenen furchtbaren Garden wieder in die Stadt, und diese wiederholten ihr voriges Betragen.
Den 6. Juni wirthschafteten die pohlnischen Garde-Lanziers in der Jesuiter-Apotheke abscheulich, und raubten oder zerschlugen was ihnen in die Hände fiel. Unterdessen gingen fortwährend andre Reuterabtheilungen durch und um die Stadt nach Hainau; bis endlich Abends 7 Uhr auch Napoleon mit dem Ueberrest denselben Weg einschlug. Nun betrachteten die Liegnitzer mit Schaudern den Gräuel feindlicher Verwüstung. Alle Gärten waren zu Tennen getreten, die Felder eben so und die Saaten unreif abgemäht, die Häuser größtentheils ausgeräumt und abgedeckt.
Den 9. Juni kam Marschall Ney, und nun wurde zwar die Ordnung wieder hergestellt, aber desto mehr und oft überspannte Forderungen gemacht, deren Befriedigung Niemand leisten konnte.
Den 21. Juni belästigte man die Stadt mit dem Lazarethwesen, weil die Ruhr unter den kleinen, matten und halbverhungerten französischen Soldaten eingerissen war, und dergestalt um sich griff, daß bis zum 12. Juli das ehemalige Jungfernkloster, die Niederkirche sammt den Pfarrhäusern, endlich auch das Regierungsgebäude von Kranken vollgepfropft lagen, und täglich 20 - 30 dieser Elenden starben. Die Kosten mußte die Stadt tragen, welche außer Ney noch ein Heer von Offizieren zu bewirthen hatte, (der Marschall empfing wöchentlich 1050 Rtl. Tafelgeld) und zu einer Steuer von 15,000 Rtl. verdammt wurde. Hierzu kam noch die harte Behandlung der Bürger, deren keiner etwas politisches äußern, oder ohne Paß sich außerhalb der Vorstädte verfügen durfte. Zeitungen waren gänzlich verboten.
Am 24. Juli fiel es den Franzosen ein, die Stadt wieder in Vertheidigungsstand zu setzen. Auf dem Schloßberge und vor dem Breslauer Thore wurden die Bäume gefället, der Schmidtsche und Seifertsche Garten zerstört. Vor dem Hainauer Thore mußten zusammengetriebne Bauern eine Schanze aufwerfen; und die Verpallisadirung der Zugänge kostete die schönsten Forstbäume. Manches vorstädtische Haus wurde niedergerissen. Weil jene Bevestigungsarbeit vorzüglich die Spanier traf, so entliefen
Den 1. August Nachts 25 Mann und führten 18 Pferde mit weg. Ney ließ ihre Wirthe verhaften, doch der Amtsrath Materne bewirkte deren Loslassung schon nach drei Tagen.
Den 10. August feierte die Besatzung auf Kosten der Stadt den Geburtstag ihres Kaisers, mit Gottesdienst in der St. Johanneskirche, einer gebotnen Erleuchtung und einen Feuerwerk, welches auf dem Neuländel 2 Häuser in Brand steckte.
Den 12. August machten die Franzosen Anstalt zum Abzuge, schickten die Kranken nach Sachsen und hinderten alle Gemeinschaft mit der Umgegend jenseits der Katzbach.
Den 13. August entwich der General Jomini, und begab sich zu den Russen; worauf Ney sogleich alle Schanzarbeiten einzustellen befahl, denn dieser Jomini hatte alle Pläne mitgenommen und so das Vorhaben des Feindes verrathen.
Den 15. August sprengten Preuß. Uhlanen über die Weißkretschambrücke, verwundeten etliche Mann Wache im Ortschen Hause, verlohren aber einen Lieutenant, Namens Albrecht, welcher in Jauer an seiner Schußwunde starb. Nun verstärkte Ney die Besatzung, und ließ auf Jeden Feuern, der nach 10 Uhr Abends sein Haus verließ; er selbst nahm
Den 16. August wo die Franzosen unaufhörlich aus und einzogen, sein Hauptquartier in Panthenau.
Den 17. August durfte kein Soldat mehr im Quartier bleiben. Man ließ aber auch keinen Menschen aus der Stadt, sogar die Leichen durften nicht beerdigt werden.
Den 18. August mit Tagesanbruch zogen die Franzosen davon, zündeten aber vorher die Pallisaden an, welche jedoch etliche Einwohner mit Hülfe zurückgebliebner Spanier löschten. Letztere halfen auch den Kosaken die Weißkretschambrücke wieder herstellen, und wurden von denselben brüderlich umarmt. Jetzt kamen russische Truppen vom Sackenschen Korps, gingen zum Goldberger Thore hinaus und kaum 1 Stunde später krachten vor dem Hainauer Thore die Kanonen.
Den 19. August so wie den 20. d. M. blieb es ruhig, außer daß verwundete Russen und Spanische Ueberläufer sich einfanden.
Den 21. August rückte Landwehr-Infanterie ein, auch langten mehrere Wagen voll Verwundeter an, die man auf das beste verpflegte.
Den 23. August veranlaßte Blüchers vorsichtiger Rückzug der Stadt einen neuen Besuch der Franzosen, sie betrugen sich aber minder unbillig, als die Einwohner befürchtet hatten, und entfernten sich bereits Tages darauf wo alles ruhig blieb.
Den 25. August brachten die Kosaken 50 gefangene Franzosen, die Bürger versorgten jene wie diese mit Speise, allein noch war ihre Mahlzeit nicht beendigt, als sie eiligst aufsaßen, die Gefangenen laufen ließen und davon eilten. Sie hatten Franzosen gewittert, und diese, 1000 Mann stark, trafen auch wirklich Nachmittags ein, verhielten sich aber gut. Von der Schlacht an der Katzbach (den 26. d. M.) vernahmen die Liegnitzer keinen Schuß, auch den Feinden blieb deren Ausgang unbekannt; sie sprachen wohlgemuth von ihrem bevorstehenden Zuge nach Breslau, ließen die Brücken gegen Jauer hin herstellen u. s. w. als zu ihrem Schrecken
Den 27. August Nachmittags 2 Uhr französische Panzerreuter sie aus dem Traume weckten und diesen schon die Kosaken auf den Fersen folgten. Unbeschreiblicher Wirrwarr entstand. Funfzig Kosaken jagten mit gräßlichen Hurrah zum Breslauer Thore herein. Die Französische Wache daselbst flüchtete auf den Ring und die Panzerreuter machten sich früher davon als das Fußvolk durchs Hainauer Thor. Nur ein Kosak büßte das Leben ein. So war denn auch Liegnitz für immer der Franzosen los. Allein unvergeßlich wird den Einwohnern die Aufführung dieser Wüthriche bleiben. Außer den oben schon erwähnten Geld- und Naturalien-Lieferungen, mußte die Stadt 2700 Scheffel Getreide, der Kaufmann Feyr für 7000 Rtl. Wein, und der Tuchhändler Rüffer 10,000 Ellen Tuch geben. Der Kellerwirth Hammer schätzte seinen Wein- und Bierverlust ganz mäßig zu 5000 Rtl.
Von Reisende.[]
Christian Weiss.
- [1794]
Liegnitz, am 25. Juni.
Ich freue mich, vor meiner Abreise noch einige Zeit für mich zu gewinnen, und wende sie sogleich dazu an, Dir zu erzählen, was ich während meines kurzen Aufenthalts an diesem Orte habe sehen oder erfahren können.
Liegnitz ist eine artige, grossentheils gut gebaute Stadt von ungefähr 700 Häusern und 6200 Einwohnern. Ihre Strassen sind reinlich und hell, das Pflaster ist mittelmässig, und die zum Theil weitläufigen aber ganz dorfähnlichen Vorstädte abgerechnet giebt sie Leipzig, der innern eigentlichen Stadt, an Umfange wenig nach. Vorzügliche Gebäude habe ich nicht bemerkt; das Rathhaus ist gross, aber nicht regelmässig; die Kirchen sind veraltert und überladen; der schönste Platz könnte der sein, wo die weiland den Jesuiten gehörigen Gebäude, des Grafen Anhalts Haus und die Ritterakademie stehen, aber leider ist dieser nahe an der Stadtmauer, und daher tod und wenig bewohnt.
Rings um die Stadt geht ein angenehmer, meist schattiger Spatziergang bald unter Kastanien- und Lindenalleen, bald zwischen Lust- und Küchengärten, welche in den seit dem siebenjährigen Kriege geebneten und an Kräuter und Gärtner verkauften Wällen und Gräben angelegt worden sind. Tritt man zu den Vorstädten auf irgend einer Seite hinaus, so erblickt man die fruchtbarsten Felder und Kräutereien in der weiten Ebene, und die Menge der Küchengewächse, welche man hier zieht, ist die Veranlassung geworden, Liegnitz bisweilen Klein-Leipzig zu nennen. -- Vor dem Glogauer Thor liegt das alte Schloss, welches noch mit einem Graben umgeben, aber nur von einem königlichen Pachter bewohnt ist; ehedem war es so fest, dass es die Tatarn im Jahr 1241 vergeblich belagerten. Der eine Thurm desselben heisst der Hedwigsthurm, weil Hedwig, die Gemahlin Heinrichs mit dem Barte, Herzog zu Liegnitz und Brieg, ihn erbaut, und zur Zeit jener berüchtigten Tatarschlacht bewohnt haben soll; allein er ist über 150 Jahre jünger. Jene Heilige ist übrigens in der hiesigen Gegend sehr berühmt, und man verdankt ihrem Gebete noch manche Vortheile. Auf dem nahen Hedwigsvorwerk steht ihr Bett, und die aus seinen Spänen geschnittenen Zahnstocher gelten als ein untrügliches Mittel gegen das Zahnweh.
Eine der ersten Bekanntschaften, welche ich in Liegnitz machte, war in dem Hause des verdienstvollen Herrn Professor Werdermann, welcher als Lehrer der Philosophie bei der Ritterakademie angestellt ist. Ich habe dieses Institut unter seiner Anleitung gesehen, und versichre Dir dass es die eleganteste und standesmässigste Erziehungsanstalt ist, die ich kenne. Sie wurde zu Anfange dieses Jahrhunderts vom Kaiser Joseph I. gestiftet, nachdem die Fürsten von Liegnitz mit dem jungen Prinzen Georg Wilhelm schon im Jahre 1675 ausgestorben waren, und zugleich mit verschiedenen ansehnlichen Gütern beschenkt, welche diese zuvor besessen hatten. Ihrer ersten Einrichtung nach war sie eine ganz eigentliche Universität für Edelleute, hatte zwei juristische Professoren u. s. w., nachher aber änderte man diess dahin ab, dass es eine galante Schule blieb, wo auf die äussere Bildung viel Zeit und Geld gewandt, der Unterricht aber -- und bisweilen wohl auch der Unterrichtende -- mehr als Nebensache behandelt wird.
Die gesetzte Zahl der Akademisten ist vierzehn; Pensionairs können, soviel als sich melden, aufgenommen werden, doch müssen die durchgängig Edelleute sein. Ihre Anzahl belief sich vor einigen Jahren beinahe auf funfzig, jetzt aber ist sie kaum halb so stark; sie wohnen grösstentheils in dem grossen, wirklich fürstlichen Gebäude, in hohen schönen Zimmern, einzeln oder zwei und drei bei einander. Zum Unterrichte in den neuern Sprachen, der Literatur und Geschichte, dem Lateinischen, der Physik, Mathematik, Philosophie und -- so viel nöthig ist, Theologie werden fünf Lehrer besoldet, aber der Stunden sind sehr wenig. Die neuern Sprachen allein werden in den Nachmittagsstunden gelehrt, alles übrige ist in die Vormittag vertheilt, und doch fängt der Unterricht täglich mit zweistündigem Reiten an, wozu der König eine in der That prächtige Reitbahn und zwanzig Pferde in einem fürstlichen Stalle unterhält. Ausserdem wird das Tanzen, Fechten und Zeichnen gelehrt, und bei so vielen schönen Künsten ist es wohl kaum zu bewundern, dass zum Beispiel dem Unterrichte in der Philosophie wöchentlich nur drei Stunden geblieben sind. --
Bei der Aufnahme in die Akademie soll jeder wenigstens dreizehn Jahre alt sein; aber viele sind nur zwölf Jahre alt. Sie leben unter der Aufsicht eines Inspectors, jetzt Herrn Storchs, welcher gewöhnlich bald von hier weiter befördert wird, und eigentlich unverheirathet sein soll, damit er sich nicht zu sehr fixiren, und zum Aufseher über die Zöglinge zu alt werden möge; allein von der letzten Regel pflegt man ihn jetzt gemeiniglich zu dispensiren. Für die öffentlichen Stunden sind zwei schöne Hörsäle bestimmt; in dem Speisesaale, zu welchem das Essen aus der Küche zwischen den Mauern heraufgewunden wird, hängen die Portraits der meisten Akademisten, welche man sonst mit grosser Sorgfalt sammelte, ein Eifer, der jetzt sehr erkaltet ist. Den ganzen wissenschaftlichen Cursus kann jeder Akademist innerhalb zwei und einem halben Jahre zweimal beendigen, viele aber bleiben sechs bis acht Jahre auf der Anstalt, und gehen dann, gewöhnlich mit dreifachen Kenntnissen bereichert -- selten auf die Universität, aber dann doch mit juristischer Vorbereitung; ein grösserer Theil begiebt sich zum Militair, und eben so viele gehen auf ihre Güter, heirathen und privatisiren.
Nahe bei der Akademie steht das schöne, durchaus in einem edeln Stile erbaute Jesuiterkloster, welches aber jetzt nur von dem Superior, einem Prediger und einem Aufwärter bewohnt wird. Man sieht es ihm, sowie allen Klöstern der Jesuiten, leicht an, dass es nach einem grossen, weitaussehenden Plane aufgeführt wurde, welchen man vor der Hand absichtlich unvollendet liess, um ihn vielleicht späterhin bei vermehrten Einkünften vollends auszuführen. Da sich die vormaligen Inhaber des Gebäudes ganz aus Liegnitz entfernt haben, so ist auch im Kloster nichts mehr zu sehen, und ich ging nur noch in die daran stossende, ebenfalls ganz leer stehende Kirche. Denke Dir ein erhabenes, völlig regelmässiges Gebäude, eine hohe, majestätisch gewölbte Decke, kein Pfeiler, der dem Auge in den Weg tritt, und zeigt, dass eine Stütze nöthig war: -- und nun diess alles seines Schmuckes beraubt, an den leeren Wänden die Spuren der Altäre, auf dem Boden zerbrochene Stühle und einiges Geräthe, in der Decke einen Riss, der in der Mauer, wo einst der Hochaltar stand, herabläuft und baldigen Einsturz droht, die Fenster zerbrochen, und nur den Tod eines herabfallendes Glases oder Kalkstücks, oder eines Vogels der die öden Mauern durchschwirrt -- es ist nicht der ehrwürdige Anblick grauer Ruinen, welche das Alter heiligt und die nahe Natur erheitert: es ist eine Leere getäuschter Erwartung, ein Ahnen vernichteter Grösse, eine Welt nach der Sündfluth.
In einer kleinen Kapelle an der Seite der Kirche ist die Gruft der alten Herzoge vom Piastischen Stamme, und es that mit wohl, meine verworrenen Gedanken an Tod und Untergang auf das friedliche Grab dieser Männer der Vorzeit zu heften. Siebzehn Fürsten ruhen unter der Kapelle in einer Gruft beisammen, und oben stehen die Särge der drei letzten Glieder dieses Hauses, des Herzogs Christian, seiner Gemahlin Ludemilla, und ihres Sohnes Georg Wilhelm, welcher schon im vierzehnten Jahre fähig war zu regieren, aber zu bald am Gifte der Blattern starb. Die alabasternen, vortrefflich gearbeiteten Statuen dieser drei stehen über den Särgen auf Pfeilern, und lächeln mild auf den herab, der in den stillen Zirkel ihrer Asche tritt. Man kann von den Särgen der Mutter und des Sohns die Deckel abheben, und die einbalsamirten Körper in der Nähe betrachten. Beide haben sich sehr gut gehalten, und auf der Ludemilla Gesicht finden sich sogar nach mehr als 130 Jahren noch Spuren der Aehnlichkeit mit ihrem alabasternen Bildniss. Ich drückte der Todten die harte Hand, und blickte gerührt auf ihr lächelndes Bild, und auf die einfache, schöne Inschrift am Eingange der Gruft:
PIISQUE. MANIBUS.
DOMUS. PIASTEAE. SACRUM.
QUAE. A. A. CHR. DCCLXXV.
CUM. PIASTO. COEPIT.
ETC. ETC.Dem Kloster gegenüber steht das Seminarium der Jesuiten, ebenfalls ein vortreffliches Gebäude, aber jetzt ganz leer und unbenutzt.
In literarischer Hinsicht weiss ich Dir wenig als vorzüglich zu nennen. Die seit einige Zeit vereinigte königliche und Stadtschule habe ich nicht selbst besucht, und kann Dir daher nur aus dem Munde Andrer wiederholen, dass sie sich bisher eben nicht ausgezeichnet habe. Bibliotheken von einigem Belange sind in Liegnitz auch nicht zu suchen. Selbst die genannte Schule hat bisher noch gar keinen Büchervorrath gehabt, sondern wird ihn erst durch das Vermächtniss des Herrn Wolf, eines hier privatisirenden Gelehrten, bekommen, der auch bereits den Grund dazu aus eignen Mitteln durch ein ansehnlich Geschenk an Büchern gelegt hat. Ueberhaupt ist dieser Mann für die Geschichte und die Alterthümer Schlesiens sehr merkwürdig. Er widmet den grössten Theil seiner Musse dem Aufsuchen und Zusammenstellen aller über jene beiden Gegenstände erschienenen Schriften, und es lässt sich von ihm manches wichtige Product über die Eigenheiten und die Geschichte dieses Landes erwarten; der Besitz seiner Bibliothek wird für die Schule ein beträchtlicher Gewinn sein. Ich verdanke seiner Gefälligkeit manche lehrreiche Unterhaltung, und verschiedene interessante Nachrichten von mehreren Theilen des Landes.
Auf meinen Spatziergängen um Liegnitz besuchte ich unter andern auch den Bildhauer Dietrich in der einen Vorstadt, dessen Arbeiten in der ganzen Gegend bekannt sind. Er ist fast der einzige von einiger Bedeutung im Fürstenthume, und wird daher sehr gesucht; indessen hätte ich doch seiner Kunst mehr Stärke, und seinem Geschmacke mehr Fruchtbarkeit und Gewandtheit gewünscht. -- Ein andrer Künstler in seiner Art ist der Tischler Schmidt, welcher seit einigen Jahren in der Stadt eine Niederlage von schönen Meublen aller Art errichtet hat. Er besitzt Kunst und Genie, lernte von den besten Meistern, und arbeitet dauerhaft und zu billigen Preisen.
Was die Oerter zum Vergnügen für die Einwohner der Stadt betrifft, so sind ihrer wenig und von keiner Bedeutung. Der Garten des Franciscanerklosters ist der beste, die übrigen öffentlichen Gärten kommen gar nicht in Betracht. Ueberhaupt aber hat sich ihre Anzahl sehr vermindert, seitdem man nicht blos die Wälle und Gräben, sondern auch einen Theil der nächsten Lustgärten in Krautländer umgeschaffen hat. Der angenehmste Spatziergang, den ich noch spät am gestrigen schönen Abend in der Gesellschaft des Herrn Werdermann und seiner Familie machte, war der sogenannte Doctorgang, ein schattiger, natürlicher Weg ohne Staub, zwischen Gesträuchen, Gärten und Aeckern. Nahe daran stösst der Breslauer, und an diesen wieder der Glogauer Haag, zwei grosse Wiesen an der Katzbach, frei und schön, aber ohne Schatten. Auf jenem wird das sehr beliebte jährliche Mannschiessen gehalten, dieser aber dient zum Viehmarkte.
Quellen.[]
- ↑ Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1806.
- ↑ Zeitgeschichte der Städte Schlesiens mit Abbildungen herausgegeben von D. Christ. Friedrich Emanuel Fischer und Carl Friedrich Stuckart. Schweidnitz bei Carl Friedrich Stuckart. 1819.
- ↑ Wanderungen in Sachsen Schlesien Glatz und Böhmen von M. Christian Weiss. Leipzig in der Sommerschen Buchhandlung 1796.