Lazzaroni.[]
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Lazzaroni. Zu Neapel allein findet sich bisher die merkwürdige Menschenclasse, die unter dem Namen der Lazzaroni bekannt ist. Man rechnet die Zahl dieser Menschen unter der alten Regierung auf etwa 40000 Individuen, sämmtlich ohne Stand, ohne Beschäftigung, ohne Haus und Heimath, und ohne bestimmten Unterhalt, von denen der größte Theil das ganze Jahr hindurch, in äußerster Dürftigkeit, Tag und Nacht sein Leben auf der Straße und den öffentlichen Plätzen der Stadt zubrachte. Die große Fruchtbarkeit des Landes, die den Unterhalt eines Menschen so sehr erleichtert, die außerordentliche Mäßigkeit seiner Bewohner, das heiße Clima und der daher entstehende Hang zur Trägheit haben dieser sonderbaren Menschenclasse ihre Entstehung gegeben, die allerdings in einer gewissen Verbindung unter einander stand, und dennoch, was gewiß äußerst auffallend erscheinen muß, der Ruhe und Sicherheit der Stadt keineswegs gefährlich wurde. In ihrer Lebensart sind die Lazzaroni äußerst mäßig, so wie im höchsten Grade genügsam in ihrem Anzuge; das Clima macht das Bedürfniß nach Nahrung und Bekleidung weniger fühlbar und läßt es leichter befriedigen; nur die höchste Noth vermag die Lazzaroni zur Arbeit zu treiben. Das Wenige, was ihnen zu ihrem Unterhalte unentbehrlich ist, finden sie leicht auf mannichfaltige Art, als Boten, Träger und Taglöhner. Allein nichts konnte sie ehmals bewegen, durch angestrengte Arbeit mehr zu verdienen, als ihre genügsame Lebensart erforderte. Dabei waren sie zugleich, trotz ihre großen Anzahl, die sie so leicht zur Insolenz hätte verleiten können, höchst gutmüthig und friedfertig und ertrugen geduldig Beleidigungen und Neckereien des übrigen Pöbels, was freilich auch wohl das einzige Mittel war, damit der Staat überhaupt die Existenz einer solchen Corporation dulden konnte. Allein zu Neapel fand sich von jeher dieser Menschenclasse; dort allein findet sich Alles, was eine solche Lebensart überhaupt möglich macht, daher entfernte sich auch nie ein Lazzaroni ohne die höchste Noth aus dieser Stadt. Erst in den letztern Zeiten hat auch bei diesen Naturmenschen eine Art von Luxus einzureißen angefangen und auch bei ihnen ist Geschmack für Eigenthum und größeres Wohlleben entstanden. Nach neuern Berichten fangen sie an, sich allmählig an fleißigeres Arbeiten zu gewöhnen, um einen festen Wohnort zu erhalten und sich an Sonn- und Festtagen in seidenen und sammetnen Feierkleidern zeigen zu können. Auch hat in den neuesten Zeiten die französische Polizei, welche Neapel erhalten, nicht wenig zur Verminderung dieser Menschenclasse beigetragen.
Zeitungsnachrichten.[]
1793.[]
Wien, vom 20. Hornung. [2]
Nachrichten aus Neapel melden folgenden Vorfall: der dortige französische Gesandte Herr von Makau hatte zwar den vornehmsten Adel daselbst zu einem Ball eingeladen; allein sehr wenige haben für gut befunden, demselben beyzuwohnen. Dagegen erschienen 15. von den sogenannten Lazaroli, welche sich diese Ergözlichkeit zu Nuzen machen wollten: Hr. von Makau sagte ihnen zwar, daß der Ball nicht für sie veranstaltet wäre: die ungebetenen Gäste aber gaben ihm zur Antwort: Er müßte auf diese Art einen schlechten Begrif von der Gleichheit haben. Sie tanzten daher ohne vielen Wortwechsel, sie assen, tranken nach Genüge, und als sie fertig waren, hielten sie es auch der Freyheit und Gleichheit gemäß, alles vorhandene Porzellain-Geschirr in tausend Stücke zusammen zu schlagen. Noch nicht genug; am frühen Morgen beym Weggehen erlaubten sich die lustigen Ballgäste die Freude, den republikanischen Aushängschild an dem Hause des Hrn. von Makau, mit Koth zu besudeln; welche Ehre sie auch dem Waapen des dortigen französischen Konseils erwiesen. Ueber diese Beleidigung aufgebracht, forderte Hr. von Makau Genugthuung, die ihm auch der Neapolitanische Hof zusicherte, sobald er die Namen der Thäter anzeigen werde.