Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Biographien.[]

(1797) Europäische Annalen Jahrgang 1797 von D. Ernst Ludwig Posselt.

(1799) Gallerie interessanter Personen. Oder Schilderung des Lebens und Charakters der Thaten und Schicksale berühmter und berüchtigter Menschen der ältern und neuern Zeit. Herausgegeben von Karl August Schiller. Wien im Verlage bei Anton Doll, 1799.

(1816) Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.


Lazarus Nicolas Margareth Carnot.[]

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Carnot.

Lazarus Nicolas Margareth Carnot ist gebohren im Fleken Nolay, im Departement der GoldHügel (Côte d'Or), den 13 Mai 1753; mithin gegenwärtig ohngefähr 44 Jahre alt.

Mann von Geist; Gelehrtes; Kriegs- und StaatsMann; und was mehr, als alles das, ist -- Mann von Charakter. Dis zeigt folgende in leichten Umrissen gezeignete historische Skizze seines Lebens.

Frühe trat er in die militairische Laufbahn, in dem GenieKorps; die ernstern Wissenschaften und die Belliteratur theilten sich in seine Zeit, die leztere gewährte ihm Erholung vom Studium der erstern. Er ist Verfasser mehrerer Versuche im Fache der Mathematik, einer LobSchrift auf den Marschall von Vauban, der die Akademie von Dijon den Preis zuerkannte, und mehrerer Poesien, die im Almanach der Musen abgedrukt sind, und sich durch Grazie, Feinheit und zartes Gefühl auszeichnen. Sein Gedicht in fünf Strophen, unter der Aufschrift: die Söhne der Venus, hat wahre anakreontische Anmuth, und eine Abgeschliffenheit des Styls, die es den glüklichsten Produkten der besten Lyriker gleich stellet. Kaum -- wenn man nicht so zahlreiche Beispiele davon hätte -- sollte man für möglich halten, daß man von den sanften Beschäftigungen einer liebenswürdigen und leichten Poesie plözlich zur Uibernahme einer Hauptrolle in einer so furchtbarwilden Revolution übergeben könne. Der Name Carnot findet sich in den blutigen Registern des alten WohlfahrtsAusschusses. Inzwischen vermied er, zu den Gräueln seiner mordsüchtigen Collegen mitzuwirken, und arbeitete mehr daran, Plane für die Feldzüge zu entwerfen, als Schaffote zu errichten, so daß der unersättliche Mörder Robespierre ihn förmlich einer strafwürdigen Gleichgiltigkeit anklagte, und ihn, in seiner Rede an den NationalConvent, wie einen über die Operationen im Innern unbesorgten Egoisten, und zugleich wie einen ausschliesend mit der militairischen Gewalt umgebenen Ehrgeizigen schilderte; auch berief man ihn selten zum allgemeinen Ausschuß, wo man seine Misbilligung scheute. Je weiter die Usurpatoren auf ihrer Laufbahn voll Mord und Gewaltthätigkeiten voranschritten, desto schwerer ward es für Carnot, seinen Abscheu dagegen zu verhehlen; und noch führt man die kühne Phrase an, die er dem damals allmächtigen Dictator in dem Augenblike entgegenhielt, da dieser vorgeschlagen hatte, "der NationalRache eine schnellere Bewegung zu geben, und Millionenweise Köpfe abzuschlagen" . . . "Du bist" -- sagte Carnot, indem er drohend seinen Blik auf ihn heftete -- "Du bist nicht als ein feiger Tyrann" . . . Nichtdestoweniger war Carnot einer der eifrigsten Anhänger der Revolution: aber obgleich von Grund seines Herzens Republikaner, zeigte er sich mehr wie einmal als einen gemäsigten Revolutionär. Hauptsächlich beschäftigten ihn die KriegsOperationen: er entwarf sie im Kabinet, und trug selbst mit zu ihrem Erfolg bei, durch seine Tapferkeit in den Gefechten: er war mit im Treffen bei Maubeuge, und kommandirte eine von den Colonnen, die mit dem Bajonet den Posten von Wattigny hinwegnahmen. Aber bald darauf, da sein edleres Benehmen den Groll der Räuber gereizt hatte, entfernten sie ihn von allem Einfluß; er muste selbst für sein Leben fürchten: man konnte ihm die Mäsigung nicht verzeihen, die er auf seinen Sendungen zu den Rhein-, den Pyrenäen- und NordArmeen bewiesen hatte; man klagte ihn an, daß er kein ächter BergMann sey. Nach dem 9 Thermidor stellte man gerade die entgegengesezte Anklage wider ihn auf, daß er nemlich die Jacobiner begünstige: und doch hatten, seit seine Erhebung zu einer Stelle unter den Regierern in Frankreich ihn in Stand sezte, seine wahren Gesinnungen zu zeigen, die Terroristen keinen kraftvollern Gegner, als ihn; so oft es darauf ankam, sie niederzuwerfen, führte Er die ersten Streiche. Mehr, wie irgend ein andrer, ward er durch SchmähSchriften angegriffen; aber er sezt ihnen nur kalte Verachtung entgegen. Unermüdbar in Erfüllung seines Berufes, voll tiefer Kenntniß des KriegsWesens, hat er mehr als Einmal die Plane entworfen, deren die Generale der Republik ihre Siege zu danken hatten. Dienstfertig und gefällig gegen alle, die sich ihm nahen. Schon seine Physiognomie spricht Urbanität. Die Freunde der Ordnung machen Kreis um ihn.


Lazarus Nikolaus Carnot.[]

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Lazarus Nikolaus Carnot wurde in dem Marktflecken Nolai in dem Departement de la Cote d' Or am 13. Mai 1753 gebohren. Sein Vater war Advokat des Ortes, hat im Anfange des Jahres 1797 noch gelebt, und ist ein in allem Betrachte würdiger Greis. Seine ganze Familie genießt in diesem Orte eine grosse Hochachtung. Der junge Nikolaus Lazar hatte sich in seiner Jugend mit vielem Eifer auf die Wissenschaften verlegt, am meisten aber auf die Dichtkunst und Mathematik. Diese beiden Wissenschaften trieb er wechselweise so, daß ihn weder die Mathematik zu sehr ermüdete, noch die Dichtkunst im Betrieb nothwendigerer Geschäfte hinderte. Auch der ungebundenen Schreibart widmete er manche schöne Stunden mit dem besten Erfolge, wovon er ein vollwichtiges Zeugniß in der Lobschrift aufstellte, die er auf den Marschall de Vauban verfaßt hatte. Ein fernerer Beweis hievon liegt in dem Preise, den ihm die Akademie zu Dijon zuerkannt hatte.

Seine poetischen Arbeiten finden sich in den französischen Musenalmanachen von den Jahren 1787 und 1792; man bemerket in selben einen feinen Geschmack, einen gebildeten Geist, eine geübte Feder. Er wurde nicht nur allein zum Mitgliede der Akademie zu Dijon, sondern auch zum Mitgliede der Akademie zu Arras angenommen, und zum Korrespondenten des Musäums zu Paris gewählet. Auch seine mathematischen Schriften und Versuche erhielten vieles Lob, und verschaften ihm noch vor der Revoluzion ehrenvolle Aufmunterungen zu ähnlichen Arbeiten, und nach dem Ausbruche derselben, die Aufnahme in das Nazional-Institut. Die Mathematik wurde endlich sein Brodstudium; denn er verlegte sich ganz auf das Geniewesen, und wurde zum Geniekorps angenommen. Was er bei diesem Korps bis in das Jahr 1789 vorgenommen hat, ist zu wenig bekannt. Ich werde mich also nur bei dem Aufhalten, was er während diesem Jahre, und später noch gethan hat.

Er wurde zum Mitgliede der ersten konstituirenden Nazionalversammlung in diesem Jahre 1789 erwählet, war dazumal schon auf der linken Seite des Nazionalsaales, hielt es mit jenen, die ein ganz freies Volk aus den Franzosen machen wollten, und kam daher natürlich in nähere Verbindung mit Robespierre und mit den Jakobinern. Er wurde auch zum Mitglied des den 21. September 1792 zusammengetretenen Nazionalkonventes erwählet, und da in den ersten Sitzungen schon dieser Konvent in zwei Theile getheilt war, deren einer an seiner Spitze Pethion, der andere Robespierre hatte, so schlug sich Carnot zum zweiten. Bei dem Prozesse der Ermordung Ludwigs XVI. stimmte er mit andern für den Tod desselben. Bald darauf wurde er zum Mitgliede des Wohlfahrtsausschusses ernannt, wo er sich aber nicht ganz nach dem Sinnen und dem Willen des blutdürstenden Robespierre betrug. Denn er hatte mehr Menschlichkeit in seinen Gesinnungen als dieser; und daher auch mehr Mäßigung in Verurtheilung derer, die von andern als Feinde der neuen Einrichtungen angegeben wurden. Als einstens Robespierre von Erweiterung des Revoluzionsgerichts redete, faßte ihn Carnot scharf ins Aug, und sagte zu ihm: Geh! du bist nichts als ein feiger Tirann.

Bei aller seiner Mäßigung aber blieb er immer ein eifriger Patriot nach dem Sinne der damals schon herrschenden Partei, das ist: ein eifriger Republikaner. Er wurde vom Konvente als Kommissär zu den Rheinarmeen, an die Pirenäen, und in das Norddepartement geschickt. Ueberall diente er dem Staate, ohne die Bürger zu unterdrücken; er ehrte die Vaterlandsliebe, ohne jene zu zernichten, die sich andere Begriffe von Vaterlandsliebe machten; er stritt für die Freiheit, ohne die Waffen der Tirannen zu Hilfe zu nehmen. Daher fand er fast allzeit, so oft ihm strenge Maßregeln vorgeschrieben wurden, hinlängliche Beweggründe sie zu mildern. Dieses war auch die Ursache, daß Robespierre ihn auf die Liste der Unglücklichen setzte, die er zum Tode befördern wollte: allein dieser Tirann fand früher einen gewaltsamen Tod, als er seinen Vorsatz ausführen konnte. Uebrigens so lang Carnot bei den Armeen war, und selbst die Plane entwarf, wurde der Krieg immer zum Vortheile Frankreichs geführt, sobald er aber die Kriegsheere verließ, wich auch das Kriegsglück von ihnen.

Bei der Veränderung des gesetzgebenden Körpers, und Einführung der Konstituzion von 1795, wurden fünf Direktoren erwählet: Letourneur, Reubell, Reveillere-Lepaux, Barras, und Sieyes. Dieser letzte nahm aber diese erhabene Stelle nicht an, worauf Carnot zum fünften Direktor ernannt wurde. In dieser Eigenschaft zeigte er grosse Anhänglichkeit an die Konstituzion vom Jahre 1795. Zwar hielt er sie nicht für ein Meisterstück, das keiner Vervollkommnung mehr fähig sey, allein er glaubte doch, daß durch sie Ruhe und Glanz in sein zerrüttetes Vaterland wieder zurückkehren werde. Er war es, der dem Polizeiminister den Weg mit eigener Hand vorzeichnete, den man einschlagen müsse, und die Zugänge, die man zu bewachen habe, um in einem Augenblicke zugleich den Terroristen Baboeuf und seine Mitgehilfen sammt den Entwürfen desselben in die Gewalt zu bekommen. Er war es, der später eine andere Beschwörung wider den gesetzgebenden Körper, und das Direktorium sicher zu entdecken wußte. Unterdessen war er doch immer den gewaltsamen Maßregeln einiger seiner Kollegen entgegen; und scheint von jener Partei gewesen zu seyn, die in ihrem Vaterlande Ruhe und Uebereinkunft aufblühen zu sehen wünschte, und keines, weder eines Demokraten, noch Aristokraten, weder eines Anarchisten, noch eines Monarchisten Blut fliessen sehen wollte.

Daher mag es gekommen seyn, daß er von einigen für einen Anarchisten und Terroristen, von andern für einen Royalisten gehalten wurde. Ich habe zwar keine Lust zu untersuchen, in wie weit das eine oder das andere, oder wohl gar ob eines aus beiden wahr seye; jedoch wird es mir hier erlaubt seyn, die Bemerkung zu machen, daß diese Wörter: Royalist, Terrorist, Anarchist selbst in Frankreich noch sehr unbestimmt sind, wie es selbst Männer, die dort schreiben, eingestehen. Vielleicht geht es hier, wie bei allen politischen und gelehrten Zänkereien, wo jede Partei die Gegner mit einem irgend woher entlehnten Namen, den sie für ein Schimpfwort will gehalten haben, ohne daß er es wirklich ist, beleget. Er sey nun, was er wolle, so haben seine Feinde doch so viel bewirket, daß ihm Verdrüßlichkeiten genug gemacht, und sein Sturz beschlossen wurde, wie wir in der Folge sehen werden.

Carnot war während seines Direktoramtes zweimal Präsident des Direktoriums; das erstemal im Jahre 1796, eben da vom Erzherzog Karl der im verflossenen Jahre 1795 festgesetzte Waffenstillstand am Rheine aufgekündigt wurde; nach welcher Aufkündigung er eine hochlautende Proklamazion an die Französischen Soldaten erließ, und sie zu Heldenthaten aufmunterte. Das zweitemal wurde er es am Ende des Mai im Jahre 1797. Denn da hatte, wie schon früher erwähnt wurde, vermöge der Konstitution einer der fünf Direktoren abzutretten, und ein anderer mußte an seine Stelle kommen. Es war bestimmt, daß Loose sollten gezogen werden, um zu entscheiden, welcher abzutreten habe. Die Loosung geschah am 19. Mai. Letourneux war eben damals Präsident, und zog das ausschliessende Loos. An die Stelle des Austretenden wurde der damalige Minister der Republik in der Schweiz, der gelehrte Barthelemy gewählet. Letourneur übergab das Direktorialsiegel dem Carnot, der an seiner Statt am 22. Mai Präsident wurde. Am 6. Junius wurde [[Barthelemy ins Direktorium aufgenommen, und hielt an selbem Tage eine Anrede voll republikanischen Sinnes, die von Carnot im gleichen Geiste erwiedert wurde. Da der angekommene Direktor ebenfalls zur Partei der Gemäßigten gehörte, so hielt er sich stark an Carnot, und daraus entstand eine Spaltung im Direktorium. Die Gemäßigten: Carnot und Barthelemy machten eine Partei aus, die drei übrigen: Reveillere-Lepaux, Barras und Reubell die andere. Von nun an waren diese beiden Parteien einander immer entgegen.

Da eine gleiche Spaltung auch in beiden Räthen herrschte, und zwar so, daß in dem Rathe der Jüngern die gemäßigte Partei die stärkere war, so gab es immerwährende Uneinigkeiten zwischen dem Direktorium und dem gesetzgebenden Körper. Durch den stärkeren Theil des Direktoriums wurde eine grosse Veränderung unter den Ministern vorgenommen: nur zwei von ihnen wurden beibehalten, die übrigen fünf wurden durch andere ersetzt. Carnot und Barthelemy protestirten zwar darüber, aber ihre Protestazionen wurden nicht geachtet. Unterdessen kam der 22. August an; das Präsidium Carnots hatte sein Ende, und anstatt seiner wurde Reveillere-Lepaux Präsident.

Nun fing die Spaltung und Erbitterung zwischen beiden Parteien an stärker zu werden. Das Direktorium, so wie der gesetzgebende Körper, oder vielmehr die Majorität des einen und des andern war auf Sicherheitsmittel zu ihrer Erhaltung bedacht, und am 4. September geschah der wirkliche Bruch. Am 2. nämlich entdeckte die Polizei ein ganzes Magazin von Waffen; das Direktorium bemächtigte sich derselben, ließ alle jene, die davon Wissenschaft hatten, arretiren, und schickte darüber ein besonderes Sendschreiben an den Rath der 500, oder der Jüngern. In der Nacht vom 3. auf den 4. schritten endlich die drei Direktoren, welche die strengere Partei ausmachten, zu entscheidenden Schritten. Es geschahen Allarmschüsse; das Volk blieb ruhig. Die mit den Direktorium im Einverständnisse stehenden Glieder des Rathes der 500 versammelten sich im Odeon, die des Rathes der Alten in der Arzenei-Schule. Die Saalinspektoren, und mehrere Mitglieder sowohl vom Rathe der Jüngern als der Aeltern wurden verhaftet: auch Carnot und Barthelemy sollten arretirt werden; allein ersterer, der das Wetter zeitlich genug bemerkte, hatte sich mit der Flucht noch bei der Nacht gerettet, und letzterer blieb einige Zeit verborgen, wurde aber endlich doch gefunden, und mit den gefangenen Deputirten ausser Land über das Meer nach Cayenne gebracht.

Wo Carnot hingekommen sey, weiß man eigentlich nicht: einige wollen behaupten, er seye ermordet worden; andere dagegen wahrscheinlicher, er seye mit Boissy d'Anglas, Pastoret, Dumolard und einigen anderen Gliedern beider Räthe durch die Schweiz glücklich nach Deutschland gekommen. Weil er auch ein Mitglied des Nazionalinstituts der Wissenschaften war, so befahl das Direktorium ihn aus der Zahl dieser Glieder auszustreichen, und ein anderes an seine Stelle zu wählen. Als neue Direktoren aber traten ein Merlin von Douai, und Francois von Neufchateau.


Von Reisende.[]

F. J. L. Meyer.[]

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[1796]

Carnot's glänzende Verdienste sind durch die französische Kriegsgeschichte der drei letzten Jahre entschieden, und sie werden ihm von keiner Partei streitig gemacht. -- Wenn die Historiographen, welche, wie Polybius in Scipio 's Heere, bei allen republikanischen Armeen dem Befehlshaber mit einem Schlachtenmahler und Planzeichner zur Seite sind, einst ihre gesammelten Beobachtungen, wahr und gerecht, in einer grossen historischen Darstellung dieses merkwürdigsten -- und blutigsten aller Kriege, vereint, der Nachwelt übergeben werden; dann wird der Name Carnot 's, der die Plane der Feldzüge, und besonders des so denkwürdigen Heereszugs vom Jahr 1794 vorzeichnete, einen hohen Rang in dieser Darstellung erhalten. -- Er ward in einem kleinen Dorfe Nolay, im Departement ''Côte d'or'', von unbegüterten Eltern gebohren. Ein eifriges Studium der Mathematik und Ingenieurskunst erhob ihn zu einem ausgezeichneten Ingenieuroffizier.

Carnot ist einer der stärksten Arbeiter im Direktorium, und nur ununterbrochene Thätigkeit ist seine Freude und sein Genuss, dem der Schlaf nur wenig Stunden entzieht. Selbständig führt er allein die Korrespondenz mit den republikanischen Generalen, über die ihnen vorgelegten Plane und deren Ausführung. Mit tiefen Einsichten in alle Theile der Kriegeskunst, verbindet er eine genaue Kenntniss der Länder, und die Vortheile des Lokale, wo die Heere agiren. Aus genauen Berichten, die er sich aus zuverlässigen, den Generalen selbst nicht immer bekannten Quellen, über das Detail der Operazionen der Armeen verschafft, kennt er die Fähigkeit der sich auszeichnenden Soldaten und Offiziere, -- und die Republik dankt diesem durchschauenden Blicke des Kriegsdirektors so viele talentvolle Heerführer, die schnell bis zu diesem Rang hinanrückten, und ihre Namen berühmt machten. -- Carnot war im Direktorium derjenige, welcher sich entschieden gegen die projektirte Ausdehnung der Grenzen Frankreichs bis an den Rhein, erklärte: und er schützte seine Entscheidung, als Ingenieur, auf den Beweis, dass durch diese Grenzerweiterung der Republik, die Defensionslinie um vierzig französische Meilen verlängert werden würde. Damals aber fand er starken Widerspruch im Direktorium, besonders bei Rewbell, welcher aus andern Gründen, jene Bedingung, mit der ihm eignen Beharrlichkeit, gegen diesen starken Gegner behauptete. --

Die immer rege, an dem hervorragenden Verdienste nagende Tadelsucht, welche jeden Flecken eines sonst grossen Mannes mit ihren Falkenblick entdekt, um ihn zu vergrössern, und jenen ganz damit zu verdunkeln, macht es dem Direktor Carnot zum unauslöschlichen Vorwurfe, dass er einst als Konventsdeputirter, Mitglied des von Robespierre gestifteten Wohlfahrtsausschusses war. -- Wer Carnot hierin tadelsfrei finden wollte, müsste der Geschichte jener Zeit Schweigen gebieten, und seinen Namen unter mehreren der von Robespierre ausgesprochnen unzähligen Bluturtheilen, vertilgen, oder ihn einseitig damit entschuldigen können, dass es unmöglich war, die grosse Menge der täglichen Expedizionen dieses allein regierenden Ausschusses, die in einem kurzen Zeitraum unterzeichnet werden mussten, vor der Unterschrift alle durchzulesen; welches denn von Robespierre zum Unterschieben seiner Blutsentenzen benutzt ward. -- Als Mitglied des Ausschusses fand Carnot ein weites Feld für sein Talent, denn er dirigirte auch da das Kriegswesen, (und eben damals war der Feldzug von 1794 sein grosses vorbereitetes Werk), und kommandirte selbst in der wichtigen Schlacht bei Maubeuge die stärkste Kolonne. -- Carnot liess sich nicht, wie so viele, durch Robespierre 's patriotische Heuchlerlarve täuschen, und nie gehörte er zu des Diktators öffentlichen oder geheimen Schmeichlern: im Gegentheil, war er es, der in der Minorität des Ausschusses immer gegen die grausamen Massregeln des Tyrannen stimmte, ihm seinen blutigen Despotismus vorwarf, und ihn einst in der Sitzung des Ausschusses selbst, einen feigen Tyrannen nannte. Der Ausschuss fürchtete seine Mässigung, aber Robespierre schont ihn, weil er im Kriege Carnot's nicht zu ersetzende Talente bedurfte, und es auch nicht wagte, ihn als Mitglied des Ausschusses öffentlich anzugreifen. -- Carnot ist als ein geist- und gefühlvoller Dichter bekannt, und als Privatmann einer der liebenswürdigsten Menschen. Seine blasse, etwas leidende Gestalt und ruhig heitre Miene trägt den Ausdruck einer sanften, frohen und offnen Seele. Seine Freunde rühmen seine Anhänglichkeit und Beständigkeit, seine unermüdliche Dienstfertigkeit und Sorge für seine Freunde, seine Duldsamkeit, selbst der grössten Verschiedenheit von Meinungen und Grundsätzen, und seine häuslichen Tugenden. Carnot liebt die Wissenschaften und Künste, und widmet ihnen seine wenigen Erholungsstunden; im mathematischen Fach ist er Schriftsteller, und mit allgemeiner Zustimmung nahm ihn das Nazional-Institut als einen verdienstvollen Gelehrten, im vorigen Herbste zum Mitgliede auf. Er schätzt und erhebt das Verdienst, und bewirbt sich um die Bekanntschaft ausgezeichneter Gelehrten und Staatsmänner. So suchte er damals den treflichen achtungswürdigen Bourgoing auf, dessen Verdienste als Gelehrter und Staatsmann er längst, aber nicht den Mann persönlich kannte; und damit es nicht das Ansehen von Protekzion haben möchte, liess er ihn durch einen seiner Freunde zu sich zum Essen einladen, und freute sich der Bekanntschaft dieses talentvollen edlen Mannes.

Wer durch diese Thatsachen, welche Carnot's Karakter, auch als Mensch, ehren, jenen Vorwurf ehemaliger Verirrung nicht sehr gemildert findet, -- und der Mann, an der Spitze eines Staates, dessen Hände rein sind, der sein geheimes und öffentliches, in Thathandlungen seiner künftigen Richter in der Geschichte überliefertes Leben, frei vom Vorwurfe fühlt, und der deswegen Carnot jenen frühern Fehltritt nicht verzeihen kann. -- Dieser Einzige und Alleingerechte seines Geschlechts, hebe gegen ihn den ersten Stein.

Andre Tadler legen Carnot militairische Eifersucht, und als eine Folge derselben, Pichegru's Abschied zur Last. Der erstere Vorwurf widerlegt sich selbst durch Carnot's Verfahren bei den Armeen. Dagegen ist es ziemlich erwiesen, dass ein Zwist mit Jourdan, Pichegru's Abdankung befördert hat, der als Mensch und Philosoph den Krieg hasst. Jourdan hat nachher Pichegru's Unwillen gerechtfertigt, wenn man ihm anders die beispiellose Indisziplin, worin er sein sieggewohntes Heer im Innern von Deutschland verwildern liess, allein aufbürden kann. Auch weigerte sich Pichegru über den Rhein zu gehen, gewarnt durch die Geschichte, dass die französischen Armeen, jenseits des Flusses das Grab ihres Ruhm finden würden. -- Überstimmt in seiner Meinung, legte er nun den mit Lorbeern bekränzten Befehlshaberstab nieder, zog sich auf ein kleines Gut zu Arbois, bei Besançon, zurück, baute hier -- ein Cincinnatus -- unter beschränkten Glücksumständen, seinen Acker selbst, und widmete seine Musse den Wissenschaften. Aus dieser Einsamkeit schrieb der philosophische Held an einen seiner Freunde in Paris, bei welche, ich den Brief sah, die einfach grossen Worte: Je suis seul ici, avec mes livres et mes souvenirs q).

q) Hier bin ich allein, mit meinen Büchern und Erinnerungen an die Vergangenheit.

L. N. M. Carnot.[]

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Carnot (L. N. M.), geboren zu Nolay in Burgund den 13ten Mai 1753 aus einer alten Bürgerfamilie. Sein Vater, der wenig vermögend war, practicirte als Advocat. Er ward bei guter Zeit in dem Geniecorps angestellt, erwarb sich dabei ausgebreitete Kenntnisse und stieg unter Begünstigung des Prinzen von Condé. Nachher gab er mathematische Versuche heraus, die seine Aufnahme in mehrere gelehrte Gesellschaften bewirkten. Zu Anfange der Revolution war er Ingenieurhauptmann und schlug sich auf ihre Seite. Als ernannter Deputirter im September 1791 bei der Gesetzgebung widmete er sich den Geschäften, die das Militärwesen betrafen. Er schlug die Verfertigung von 300,000 Piken zur Bewaffnung der Sansculotten vor. Als Mitglied des Convents votirte er Ludwigs Tod, ward darauf im Monat März zur Nordarmee gesandt, wo er auf dem Schlachtfelde den General Gratien absetzte, weil er dem Feinde gewichen war, und sich selbst an die Spitze der Colonnen stellte. Bei seiner Rückkunft in den Convent ward er Mitglied des Wohlfahrtsausschlusses, der unter dem Namen des Convents die Regierung führte. Jetzt nahm Carnots großer Einfluß auf die militärischen Operationen seinen Anfang. Im Besitze aller Plane, welche in den Archiven seit Ludwig XIV. niedergelegt waren, leitete er die Operationen der französischen Armeen. Man kann nicht läugnen, daß die Erinnerungen und Anweisungen, welche er im Namen des Wohlfahrtsausschlusses ertheilte, zu den Siegen der französischen Armeen beigetragen haben. Er ward nach Robespierre's Sturz zum öftern angeklagt, aber immer freigesprochen. Bei der Errichtung des Directorats 1795 ward Carnot alsbald dazu erhoben und erhielt einige Zeit einen ziemlichen Einfluß; er ließ sich aber von Barras das Portefeuille des Kriegsministeriums nehmen, und ward seitdem sein heimlicher Feind. Er bildete sich 1797 in dem Rathe eine Partei gegen die Directoren, deren er sich zum Sturz seines Gegners zu bedienen suchte; sie, die ein anderes Ziel verfolgte, ließ sich nicht täuschen, er aber ward von Lareveillere getäuscht, der, unter Barras Leitung, eine kurze Zeit ihm beigetreten schien, plötzlich sich aber auf die Seite seiner Feinde schlug und ihn in die Proscription vom 18ten Fructidor verwickeln half. Er entging der Deportation durch eine Flucht nach Deutschland, wo er ein Werk über sein Verfahren herausgab. Diese Memoiren wurden in Paris von den Feinden des Directoriums, das damals die Regierung in Händen hatte, mit Begierde gelesen, und es gelang Carnot, durch die Aufdeckung der Schändlichkeiten seiner ehemaligen Collegen, ihren Sturz befördern zu helfen, der den 30. Prair. (18ten Juni 1799) erfolgte. Nach dem 18ten Brumaire wurde Carnot nach Frankreich zurückberufen und zum Musterinspector und zwei Monate darauf, im April 1800, zum Kriegsminister ernannt. Er bekleidete aber diesen Posten nicht lange. Er zog sich in den Schooß seiner Familie zurück und ward den 9ten März 1802 zum Tribunat berufen. Er brachte dieselbe Unbeugsamkeit der Grundsätze, welche ihn zeither ausgezeichnet, auch mit hierher, trat mehrere Mal den Absichten des Gouvernements entgegen, votirte als der Einzige gegen die lebenslängliche Consularwürde, und erhob sich hauptsächlich gegen den Vorschlag der Kaiserwürde. Dennoch blieb er im Tribunat bis zu dessen Aufhebung, empfing, ohne eine Anstellung zu haben, eine Pension als ausgetretener Minister, und gab mehrere gehaltvolle militärische Werke heraus, als ihm im J. 1814 von Napoleon die Vertheidigung Antwerpens übertragen wurde, wo er nach den großen Ereignissen zu Paris, am 19ten April die weiße Fahne aufsteckte. Unter der königliche Regierung blieben ihm zwar seine Titel und Würden, die ihm jährlich 40,000 Francs eintrugen; aber als ehemaliger heftiger Republikaner und als einer von denen, die auf den Tod Ludwigs XVI. gestimmt hatten, konnte ihm die Gunst der Bourbons nicht zu Theil werden. Noch mehr erregte er das Mißfallen des Königs durch sein bekanntes an ihn gerichtetes Memoire, worin er das Betragen der neuen Regierung mit Heftigkeit tadelte, die Schritte der ehemaligen Revolutionairs, und namentlich die Hinrichtung des Königs entschuldigte, und Grundsätze aussprach, die mit dem Systeme des Hofs im schneidendsten Contrast standen, ob sie gleich zum Theil die volle Beherzigung desselben verdient hätten, und auch durch den Erfolg bestätigt worden sind. Die Regierung ließ ihn ihre Unzufriedenheit empfinden, indem sie ihn bei der neuen Organisation der Akademie der Wissenschaften, mit allen Mitgliedern, die an dem Tode des Königs Antheil hatten, von derselben ausschloß. Diese Spannung mit dem Hofe mußte ihm bei dem Wiedererscheinen Napoleons nothwendig zur Empfehlung gereichen. Der Usurpator machte ihm auch, nach seiner Ankunft in Paris das Compliment, er sey der einzige Mann, der ihm immer die Wahrheit gesagt habe, und ernannte ihn, unter Ertheilung der gräflichen Würde, zum Minister des Innern, und zum Pair des Reichs. Diese Auszeichnungen konnten nicht dazu dienen, ihn mit Ludwig XVIII. auszusöhnen, als derselbe nach Napoleons zweiten Sturze, den Thron wieder bestieg. Die königliche Ordonnanz vom 24. Jul. setzte ihn in die Reihe derjenigen Individuen, welche Paris innerhalb 3 Tagen verlassen, und unter policeylicher Aufsicht die Entscheidung ihres Schicksals von den Kammern erwarten sollten, welche Ordonnanz durch den königl. Befehl vom 17. Jan. 1815 verschärft wurde, indem derselbe die Verbannung außer die Gränzen Frankreichs über alle jene Individuen erkannte. Carnot hatte sein Vaterland schon früher verlassen, und war bereits am 15 Jan. mit seiner Familie durch Warschau gereis't um sich nach Petersburg zu begeben.


Die Wetterfahnen Frankreichs.[]

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Carnot (Lazare-Nicolas-Marguerite). Kapitain im Königlichen Geniekorps; Mitglied der Akademie zu Dijon; Ludwigsritter unter Ludwig XVI; Deputirter der Gesetzgebenden National-Versammlung; Deputirter beym Nationalkonvente; Mitglied des Oeffentlichen Heils-Ausschusses, mit dem Kriegswesen beauftragt; Mitglied des Vollziehungs-Direktoriums der Französischen Republik; am 18. Fruktidor zur Deportation verurtheilt; nach dem 18. Brümaire nach Frankreich zurückgekehrt; bald Kriegsminister; Tribun. Nichts. In Frankreichs unglücklicher Krise nähert er sich dem Kaiser, gegen dessen Thronbesteigung er, als Tribun, mit vieler Energie, gesprochen; vertheidigt Antwerpen, und reicht dann der Provisorischen Regierung seine Zustimmung zur Rückkehr der Bourbons ein. (Moniteur vom 16. Apr. 1814)

Durch ein Dekret Monsieurs vom 23. April 1814 erhält der General Carnot, ehemaliger Generalinspekteur des Geniewesens, dieselbe Stelle wieder.

Am 20. März 1815 wird er vom Kaiser zum Grafen und zum Minister des Innern ernannt; am 4 Juny desselben Jahrs zum Pair von Frankreich. Carnot ist Mitglied der Ehrenlegion; er wurde 1795 zum Mitgliede des Instituts gewählt; aber in Folge des 18. Fruktidor, davon ausgeschlossen, und -- durch Napoleon Buonaparte ersetzt. Durch ein Dekret vom 8. Plüviose II. J. trat er wieder in das Institut ein, und wird nun, wie sich beynahe mit Gewissheit voraussehen lässt, durch die Königliche Regierung davon abermals ausgeschlossen werden. *)

.*) Carnot ist als politischer und militärischer Schriftsteller bekannt. Sein Werk über Systeme der Festungs-Vertheidigungen, ist sehr geschätzt. Sein Mémoire adressé au Roi en Juillet 1814, worin er seine zum Todesurtheile über Ludwigs XVI gegebene Stimme vertheidigt, und die Verletzungen der neuen Konstitution durch die Minister rügt, machte in Frankreich und Deutschland grosses Aufsehen; veranlasste zahlreiche, mitunter sehr bittere und pöbelhafte Widerlegungen, und wurde von der Königlichen Partei, als Hauptveranlassung der Revolution, welche Napoleon zurückführte, verschrien. Carnot's Konferenz scheiterte am 20. März 1815, und vergebens hat er in einer neuen Schrift: Exposé de la Conduite politique de M. Lieutenant-Général Carnot, solche zu retten gesucht.
Anm. d. Uebers.


Quellen.[]

  1. Europäische Annalen Jahrgang 1797 von D. Ernst Ludwig Posselt. Tübingen in der J. G. Cottaischen Buchhandlung 1797.
  2. Gallerie interessanter Personen. Oder Schilderung des Lebens und Charakters der Thaten und Schicksale berühmter und berüchtigter Menschen der ältern und neuern Zeit. Herausgegeben von Karl August Schiller. Wien im Verlage bei Anton Doll, 1799.
  3. Fragmente aus Paris im IVten Jahr der französischen Republik von Friedrich Johann Lorenz Meyer Dr. Domherrn in Hamburg Hamburg bei Karl Ernst Bohn 1797.
  4. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  5. Die Wetterfahnen Frankreichs oder unsere Zeitgenossen, wie sie sind. Herausgegeben von einer Wetterfahnen-Gesellschaft. Leipzig, bey Gerhard Fleischer dem Jüngern. 1816.
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