Lausanne.[]
[1]
Lausanne, eine angenehme Stadt auf drei Hügeln, im Canton Watland (Pays de Vaud) in der Schweiz, eine halbe Stunde vom Genfersee, hat seit 1536 ein Gymnasium, welches 1806 zu einem akademischen Institute mit 14 Professoren und einem Rector erhoben ist, und zählt 1300 Häuser und wenigstens über 8000 Einwohner. Die ehemaligen hiesigen Gold- und Silberarbeiter so wie die vielen Buchdruckereien, haben in der letzten Zeit bedeutend abgenommen; auch besitzt die Stadt einigen Handel mit eigenen Weinen. Ihren vorzüglichsten Erwerbzweig haben die Einwohner jedoch von den vielen Fremden, welche wegen der schöne Lage, so wie in der Absicht, sich in der französischen Sprache und im gesellschaftlichen Tone der seinen Welt auszubilden, aus allen Gegenden Europa's nach Lausanne kommen. Sie stand ehemals unter dem Canton Bern, dessen Landvoigt auf dem bischöflichen Schlosse residirte, und über das umliegende Land zu gebieten hatte. Der Bischoff, welcher 1716 zum Reichsfürsten erhoben war, hielt sich, seit die Stadt die reformirte Religion angenommen hatte, nicht mehr zu Lausanne, sondern zu Freyburg auf.
Von Reisende.[]
Friedrich Heinrich von der Hagen.[]
- [1816]
Hinter Payerne geht der Weg durch das schöne sanfte Thal der Broie aufwärts, bis zu der großen Wasserscheide, wo auf der einen Seite die Bäche noch durch den Rhein in die Nordsee, auf der andern aber durch die Rhone ins Mittelmeer fließen. Dieser Weg erinnerte sehr an den bei Neumark, zwischen Nürnberg und Regensburg, wo eine ebenso merkwürdige Wasserscheide zwischen der Nordsee und dem schwarzen Meere war. In Moudon (Deutsch Milden) trafen wir im Gasthofe einige Gouvernanten, welche, wie die Miethsoldaten, zu den Ausfuhrartikeln dieses mit Klugheit und Wohlgezogenheit überflüssig gesegneten Landes gehören: sie wurden nach Leipzig auf die Messe spedirt, waren noch sehr jung, in der That aber selber noch unerzogen. Wenigstens benahmen sie sich so bei dem Mittagessen. Dieses, so mäßig es war, mußten wir doch übermäßig bezahlen: und das ging nun durch die ganze Französische Schweiz crescendo. Dabei hatten wir schon sein Zürich, in Ermangelung der Posten, Lohnfuhren nehmen müssen, die gerade das Dreifache unserer Extrapost kosteten. Der Himmel ward auch wieder trüber, und wir sahen auf dem Wege nach Lausanne die Walliser und Savoyer Schneeberge nur in einzelen Blicken; es ward spät Abend. Der große Genfer See erschien uns zwar mit seinem sichelförmigen Zauberspiegel von der Höhe vor Lausanne, aber ungenügend, und bei Nacht und Regen kamen wir in diesen feinen Ort, aus welchem besonders noch immer Erzieherinnen und Gesellschafterinnen verschrieben werden. Das böse Wetter hinderte mich die Dame Ch., wenn sie ja noch lebte, aufzusuchen.
Es regnete unaufhörlich. Von den Umgebungen der Stadt sahen wir so viel wie gar nichts, und kaum konnten wir in der Stadt den Dom und die Bibliothek daneben besuchen. In der letzten war außer einer schönen Pergamenthandschrift der Bibel mit Malereien aus dem 13 - 14 Jahrhundert, durchaus nichts Erhebliches.
Der Dom ist merkwürdig, da er, 1275 eingeweiht, doch nicht sowohl im ausgebildeten Gothischen Style jener Zeit, aus welcher schon der Straßburger Münster ist, als noch in dem älteren Style, nur mannigfaltiger und weitläuftiger angewendet, als uns bisher noch vorgekommen ist. Es ist aber eine Mischung, und hier auf dem Übergang in Italien, auch ein Übergang beider Bauarten. Im Ganzen herrscht freilich der Spitzbogen vor, und erscheint, zumal von außen, der Bau, mit seinen beiden Thürmen am Westende (von denen nur der eine fertig ist), seinen Strebe-Pfeilern und Bögen und vielen Spitzen, wie ein Gothisches Münster: doch ist alles mehr schwer und glatt, und nur durch mehre kleine Säulenreihen mit Bögen, besonders an der Kuppel und am Chor, verziert. Etwas Ausgezeichnetes ist mitten über dem langen Kreuze die fast mit dem Thurme gleiche Hohe und inwendig ganz hohle und lichte Kuppel, anfangs viereckig, mit vier Eckthürmchen, dann vieleckig mit langer Spitze aufsteigend: ganz dem Thurme ähnlich. Die beiden Seitenarme des Kreuzes sind mit dem Mittelschiffe gleich hoch, die Seitenschiffe niedriger. Die Thüre an der Südseite ist sehr reich, mit schlanken Pfeilern, dazwischen arabeskenartige Träger fehlender Bildsäulen: ganz in der eigentlich Gothischen Art und sichtbar ein neuerer Anbau. Dagegen sind innerhalb noch überall die älteren Säulen mit Fuß und Knauf, einzeln neben und übereinander gestellt, noch nicht zum Gothischen Säulenpfeiler verwachsen. Solche verbundene Säulen tragen das Mittelschiff, und sind in ihrer Zusammenstellung mannigfaltig, nur die sich gegenüber stehenden Paare gleich: kurze dicke Säulen tragen meist das Gewölbe der Seitenschiffe, längere dazwischen steigen bis zum Gewölbe des Mittelschiffs hinauf. An den hohen innern Wand des letzten laufen zwei kleine Bogengänge mit Säulchen umher; ebenso in den hohen Seitenarmen und in der Kuppel, welche ein Kreuzgewölbe schließt. Der Boden des abgesonderten Chors ist höher, als die übrige Kirche, und ihn tragen einzelne sehr dicke Säulen. Fast alle Säulen der Kirche haben denselben einfachen Knauf, mit glatten gekrümmten Blättern, der wol aus dem Korinthischen entartet ist: und ungeachtet der Menge dieser Säulen und Säulchen, Gallerien und Bogenstellungen, hat doch das Ganze etwas Einförmiges, Armes. In dem niedrigen Umgange des Chors, zu welchem Stufen hinabführen, stehen viele meist neuere Grabmäler berühmter und vornehmer Leute, sogar eines Pabstes (Felix 4.), mehrer alten Bischöfe der jetzo reformirten Kirche, und einiger fürstlichen Personen, die hier ein besseres Vaterland suchten. Ich hielt mich nicht dabei auf; lieber betrachtete ich den schön in Holz geschnitzten, wohl mit der Kirche gleich alten Chorstuhl: er zeigte an dem einen Ende den sauren Apfelbiß, und an dem andern den heidnischen Weisen Aristoteles, wie er sich von der Geliebten des großen Alexander, in Hoffnung ihrer Gunst, wohlgesattelt und gezäumet, auf allen Vieren spazieren reiten läßt: die schon zu Regensburg begegnete Fabel.
Auf dem sonst so schönen Spaziergange vor der Stadt am See war dießmal von diesem und den Bergen fast gar nichts zu sehen, und ich mußte mich mit der Erinnerung der früheren heiteren Ansichten von hier und dem kleinen Hafen Ouchy dicht am See, begnügen.
Höchst mißvergnügt über schlecht Wetter und unerhörte Prellerei, fuhren wir weiter, schon am nächsten Tage, auf Vevay, am See hin, auf welchem hie und da heitere Blicke waren, bei der Kaskade von St. Saphorin vorüber. Hier waren wir nun auf dem Schauplatze von Rousseaus Heloise, aber er kam uns eben gar nicht romanhaft vor, obgleich immer noch besser, als der Roman selber. Die Nacht in Vevay strömte der Regen unaufhörlich; und abermals tüchtig geschnellt rollten wir am See hin, an Clarens, und dem alten Schlosse Chillon vorbei, welches mit dem nah an den See tretenden Berge einen Engpaß beherrscht. Es ward etwas heiterer.
Quellen.[]
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Briefe in die Heimat aus Deutschland, der Schweiz und Italien von D. Friedrich Heinrich von der Hagen, ordentl. Prof. an der Universität zu Breslau. Breslau. 1818. Verlag von Josef Max und Komp.