Landsturm.[]
Landwehr, Landsturm. Schon in den fränkischen Capitularien Landweri finden wir ein Masseaufgebot zur Vertheidigung des Reichs, oder einen Landsturm im heutigen Sinne. Wie das neue europäische Heerwesen den Begriff von Volksbewaffnung und Landesvertheidigung aus der Cabinetspolitik allmälig entfernt hatte, so erloschen auch jene vaterländischen, schon unter Heinrich I. im 10ten Jahrhundert gegen die Slaven, Ungarn und Normannen zum Schutze der deutschen Unabhängigkeit getroffenen Einrichtungen. Doch blieb noch im 16ten und 17ten Jahrh. der Landsturm sowohl zur Gebietsvertheidigung und innern Sicherheitspolizei, als zum Kriege jenseit der Gränze durch die Reichssatzungen verpflichtet. Jenen innern Dienst nannte man die gemeine Folge, den auswärtigen hohe Reise. Selbst jeder neu aufgenommene Bürger mußte sich in mehrern deutschen Ländern, wie in Baden, wehrhaft machen, und in den Waffen üben. Aber auch dies hörte nach und nach auf; kaum erhielt sich hier und da eine Spur davon in der sog. Landmiliz, oder in der Heerpflichtigkeit eines zum Felddienst auf den Nothfall bestimmten Volkstheils, die auch außer Deutschland in den meisten europäischen Staaten zur Ergänzung oder Unterstützung des stehenden Heeres vorhanden war. Die französische Revolution stellte zuerst eine der neuern Kriegskunst angemessene Nationalbewaffnung in den Nationalgarden auf. Das Uebergewicht derselben über die bloßen Soldheere, kostbare Kriegsmaschinen ohne Volksgeist, ward nur zu bald sichtbar. Man versuchte zwar im J. 1799, ihnen in Deutschland etwas Aehnliches entgegenzustellen, und bot in einigen Gegenden einen Landsturm auf, an dessen Spitze sich der Staatsminister Albini (s. d. Art.) stellte; allein die Maßregel erhielt keine Allgemeinheit und blieb daher ohne Folgen. Erst nach dem preßburger Frieden fühlte der österreichische Staat die Nothwendigkeit, das Heerwesen auf die Volkskraft, beide aber auf den Volksgeist zu gründen. So ward im J. 1808 in den österreichischen Erbländern eine Landwehr errichtet, die aus 50,000 Mann bestehen und das stehende Heer unterstützen sollte. Jeder Inländer bis zum 45sten Jahre war zum Dienst in derselben verpflichtet. Diesem Beispiel folgten Rußland im J. 1812, Preußen und die übrigen deutschen Staaten im J. 1813. Zugleich ward ein Landsturm, d. h. ein Volksaufgebot in Masse, angeordnet, der erst bei dem Erscheinen des Feindes in dem Lande gebraucht werden sollte. So nützlich und wirksam sich auch in dem Befreiungskriege die Landwehr gezeigt hat, wenn man sie als eine Ergänzung des stehenden Heeres diesem im eintretenden Falle zweckmäßig einverleibt; so wenig Erfolg scheint man sich doch im Ganzen von dem Landsturm in allen solchen Ländern versprechen zu dürfen, deren Bewohner nicht schon vermöge der Localbeschaffenheit und der Lebensart kriegerisch sind. Der deutsche Bundestag ist jetzt beschäftigt, die Nationalbewaffnung auf eine zusammenstimmende Art zu ordnen.
Fund an Gewehren.[]
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Auch dieser wurde während des Waffenstillstandes und den Friedensunterhandlungen den Franzosen zu Theil. Beim Abzuge ließen die Oestreicher diesen Vorrath von Feuergewehren vermauern, und zwar so gut, daß niemand sie gewahr werden konnte, oder auf die Spur als sei hier etwas verborgen geleitet wurde; im Nothfall brauchte man hingegen nur wenig Schläge mit einem Maurerinstrumente zu thun, um wieder in Besitz derselben zu kommen. Vielleicht wollte man den treuen Wienern ein Depot lassen, um bei günstigen Umständen sich zu bewafnen, und dem Feinde mit zu Leibe zu gehen. Der günstigste Augenblick hierzu wäre unstreitig nach der Schlacht bei Aspern und Eßlingen gewesen; allein obgleich die Wiener, wenn sie nur auf die entfernteste Art Kundschaften eingezogen, von der ungünstigen Wendung, welche diese Schlacht für die Franzosen genommen, sehr schnell unterrichtet seyn mußten, so findet sich doch nicht die geringste Anzeige daß sie Miene gemacht, über die Gegner im Rücken herzufallen, obwohl sie es bis zum 25. Mai, wo die Verbindung des in Ebersdorf stehenden Armeecorps mit dem Heere auf der Lobauinsel, was bei Aspern gekämpft, erst wieder hergestellt wurde, blos mit den französischen Truppen auf dem festen Lande zu thun gehabt hätten, die vielleicht nicht höher als 20 - 25000 Mann stark seyn mochten. Da sie also diese einzige Gelegenheit, wo etwa Hoffnung zum Gelingen da gewesen, nicht ergriffen hatten, so zeigte sich in der Folge noch weniger Veranlassung, den vermauerten Schatz zu gebrauchen. Erstlich war er im Allgemeinen für den Landsturm bestimmt, zunächst also doch für die Wiener, welche doch einen sehr ansehnlichen Beitrag zum Landsturme hätten stellen müssen. Auf diesen hatte die Regierung viel Vertrauen gesetzt, nie ist aber eine Erwartung weniger als diese gelungen. Die Oestreicher sind keine Tyroler, kein Mensch springt doch plötzlich in einen ganz fremden Zustand hinüber, und ist darin völlig zu Hause, wenn durchaus keine Vorbereitung vorher gegangen ist. Die Tyroler sind auch keine gebornen Helden, aber von Jugend auf üben sie sich mit der Jagd, und nachdem sie ihre Gemsen aufs Haar treffen gelernt, brauchen sie weiter nichts zu lernen, um einen Vertheidigungskrieg zu führen. Ungeheurer Muth gehört nicht dazu, wenn man sich hinter Felsen postiren, und von da aus den Feind niederschießen kann. Die Oestreicher waren aber keine solchen Schützen, eben so wenig als irgend eine teutsche Völkerschaft. Viele, die man zum Landsturm erkohr, mochten sogar noch nie ein Gewehr abgefeuert haben, solche Leute sollten nun auf einmal sich ins ebne Feld oder höchstens in Waldungen stellen, und mit wohl disciplinirten feindlichen Truppen anbinden, dabei noch überdies das Kanonen- und Kartätschenfeuer aushalten. Das thaten, sagt man, die französischen Landstürmer im Revolutionskriege auch, allein man frage auch, wie's ihnen gieng, ob nicht oft eine einzige teutsche Batterie, gegen die sie hartnäckig anstürmten, tausend von ihnen ins Grab streckte? Hätten die Oestreicher auch dasselbe Interesse gehabt, ihr Land zu vertheidigen, was sie unglücklicher Weise nicht haben konnten, so sind sie bei einem gewissen Pflegma unmöglich zu der Lebhaftigkeit zu bringen, die dem Franzosen schon angeboren ist. Indessen wäre auch dieser nicht so blind ins Feuer gegangen, wenn man ihn nicht vorher durch Wein, und weil man selbst dessen Wirkung noch nicht vollkommen traute, auch durch starken Branntwein halb trunken gemacht hätte. Mir ist nicht bekannt, daß die östreichische Regierung dasselbe Mittel versucht, und nebst den Kanonen und Pulverwagen auch starke Batterien von Wein- und Brantweinfässern hinter der Fronte hätte auffahren lassen. Alles ist gut im Kriege, wenn es nur hilft, gleichviel ob ein feindliches Corps durch besoffene oder durch wahre Helden geschlagen wird.
Wir haben zwar fast in allen teutschen Städten einen alten Gebrauch, der, wie es scheint, wenigstens alle Bürger auf einen Landsturm vorbereiten sollte, ich meyne das jährliche Scheiben- oder Vogelschießen, Ja, wenn damit eine zweckmäßige Uebung in den Waffen, wenigstens einige Wochen hindurch, verbunden wäre! Wo findet man das? Es giebt nicht einmal eine gehörige Uebung im Schießen an vielen Orten. Die drei oder vier Büchsenschüsse, die Jeder an diesem Tage thut, werden Niemanden große Kunstfertigkeit beibringen; auch bemerkt man unter hundert solchen Schützen kaum acht bis zehn, die ihre Sache gewiß sind. Die Regierungen haben vor Alters dabei gute Absichten gehabt, wie aus den Begünstigungen erhellet, die fast überall ein Vogel- oder Scheibenkönig jährlich zu genießen hat; auch sind diese Absichten zu ihren Zeiten wohl so ziemlich erreicht worden, denn selbst im dreißigjährigen Kriege finden sich noch Beweise, daß selbst kleinere Städte durch Hülfe ihrer Bürger sich gegen einen ziemlich starken Feind mit Erfolg vertheidigt haben. Allein jetzt sind die Schützenkompagnien noch das, was sie vor einigen Jahrhunderten waren, und die Kriegskunst hat besonders seit Ludwig XIV. Riesenfortschritte gemacht. Die teutschen Regenten waren gutmüthig genug, den Leuten ihre Privilegien zu lassen, aber auch sorglos, ob damit ein Zweck erreicht würde oder nicht, weil sie auf ihre streng geregelten Heerhaufen ihre ganze Sicherheit bauten, und den Fall nicht für denkbar hielten, wo diese, um die Existenz des Vaterlandes zu retten, noch einen Landsturm zu Hülfe nehmen müßten. So sind diese Waffenübungen der Bürger zu einem bloßen Spielwerk herabgesunken, und haben nur noch für den Menschenfreund einen Werth, der es gern sieht, wenn der arbeitsame Professionist alljährlich ein eignes Volksfest hat, worauf er sich halbe Jahre vorher mit Weib und Kind schon freuet, und das ihm Muth macht, unterdessen die Leiden des Lebens geduldig zu ertragen.
Die Franzosen mögen indeß nicht zu sehr spotten, weil jetzt der Landsturm in den östreichischen Staaten ein so jämmerliches Ansehen gehabt hat. Sie sind die Ersten, die uns hierin das Beispiel gegeben haben; die ersten Nachahmungen gerathen selten, aber wiederholte Versuche gelingen schon besser. Sollte die so alte und so ehrwürdige teutsche Nation, die schon jetzt nicht mehr wie sonst in tausendfältiges Interesse verflochten ist, einst in einen Zustand gebracht werden, wo Verzweiflung und Muth sich die Hände reichen, so könnte der Landsturm eines so zahlreichen Volks unter Leitung guter Köpfe doch dann ein höchst furchtbares Ansehen gewinnen, und wohl selbst mit dem glänzendsten Erfolge gekrönt werden. Dies so im Vorbeigehen.
Das Wiener Flintendepot ist uns darüber ganz aus dem Sinne gekommen. Wie es bei dem Schatze der Bankozettel gieng, so gieng es zuletzt auch hier, es trat ein Judas auf, und verrieth ihr Daseyn den Franzosen. Es waren so viel Gewehre, als hundert Pferde fortbringen konnten; rechne ich nun auf jedes Pferd 7 Centner, so wären das 700 Centner. Wäre jedes Gewehr 15 Pfund schwer gewesen, so könnten es in Allem 5133 Stück seyn, die man erbeutet; waren es aber Gewehre von dem neuen Kaliber, wie man vor zehn Jahren sie machte, so hätte jedes nur 8 Pfund höchstens gewogen, und dann gäbe es die Zahl von 9625 Stück. Der Angeber mag auch bei diesem Schatze ein schönes Anzeigegeld sich erworben haben; patriotische Wiener Damen waren so erbittert gegen ihn, daß sie ihn wünschten, im Oele gesotten zu sehen.
Quellen.[]
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Sammlung von Anekdoten und Charakterzügen auch Relationen von Schlachten und Gefechten aus den merkwürdigen Kriegen in Süd- und Nord-Deutschland in den Jahren 1805 bis 1809. Leipzig, in der Baumgärtnerschen Buchhandlung. 1810.