Militair, (Hannöverisches.)[]
Der historische Berichtiger hat wol der Sache ein bischen zu viel gethan, wenn er das Hannöverische Militair als in jeder Hinsicht so völlig desorganisirt und decomponirt darstellt, daß es schlechterdings für seinen Zweck nicht weiter brauchbar gewesen, als [[der französische Einbruch]] sich ereignete. Man muß billig unterscheiden zwischen der fehlerhaften Militairverfassung (welcher es zuzuschreiben war, daß die Regimenter sich so incomplet, und die Erfordernisse ihrer Mobilisirung sich gar nicht vorfinden) und dem Geiste und der Thätigkeit des wirklich vorhandenen Militair's. Jene Verfassung begehre ich nicht zu vertheidigen; denn aus den Folgen sind ihre großen Mängel nur zu offenbar worden. (s. Ausmarsch; Landes-Defension.) Aber, das vorhandene Corps konnte man wol nicht desorganisirt nennen. Die Gemeinen waren diensttüchtig und dienstwillig; die Officiere, im Ganzen, und wenn man diejenigen, besonders junge Adliche ausnimmt, welche bloß auf dem Connexionswege in ihre Stellen hineingeschlüpft waren, ebenfalls. Und ich getraue mir wol zu behaupten, daß man, mit 1000 Mann dieser Hannoveraner, so wie sie waren, gewiß eben so viel ausrichten konnte, als mit 1000 Mann Preußen oder Oesterreichern. Ein Insubordinationsgeist war so wenig unter ihnen wahrzunehmen, daß sie vielmehr wahre Hudeleyen mancher ihrer jugendlichen Officiere, die nichts als -- Hudeleyen waren, mit größerer Resignation ertrugen, als vielleicht anderwärts geschehen seyn würde. Es ist ja auch begreiflich, daß ein Militair, welches ganz aus Landeskindern bestehet, seinen Subordinationssinn so leicht verliert, -- weit über die Linie heraus denselben festhält, wo ein Haufen auswärtiger Söldlinge solchen schon gänzlich verleugnet haben würde. Wenn, bey dem Soldatenstande, Strenge und Zwang de essentia sind, wie ich nicht leugnen will; so kann man doch gewiß bey Landeskindern mit ungleich wenider Strenge Zucht und Ordnung erhalten, als bey bloßen Söldlingen, bey denen die mächtigen Motive, welche bey jenen aus ihren Familien-Verbindungen und aus dem Glück, welches sie im Schooße der Ihrigen im Lande dereinst zu genießen gedenken, entspringen, nicht eintreten. Ich glaube also auch, daß, bey einem solchen Militair, unter solchen Umständen, dem allgewaltigen -- Prügel wohl ein Bischen von dem freyen Spielraume entzogen werden könne, welcher zu so vielen unverantwortlichen Mißbräuchen einladet. Ich habe einen Officier im P*** gekannt, der, so wie mancher sich durch Holzhacken vor Tische Appetit macht, seinen Appetit, Tag für Tag, durch Prügeln der Soldaten zu schärfen wußte, und sich dessen öffentlich rühmte! Und ich kenne mehrere -- besonders junge -- hiesige Officiere, die, bey leerem Kopf und nervichtem Arm, gewiß gern mit dem Prügel sich eine ähnliche Art soldatischen Zeitvertreibs gemacht hätten. Eine willkührliche Behandlung wirkt stets Haß und innern Widerspenstigkeitssinn; nur das Bewußtseyn des Soldaten, daß die Strenge, unter welcher er stehet, von dem Recht geleitet werde, nicht das Gesetz im Prügel, sondern dieser in dem Gesetze stecke, wird ihm nicht nur [[Disziplinierung|Disciplin], sondern, was viel mehr sagen will, den Geist der Disciplin geben können; und nur dieser Geist, so wie er Liebe zum Dienst erzeugt, kann mit wahrer Ergebenheit zu den Chefs bestehen; so wie alles auf jenem Geiste und dieser Ergebenheit beruhet, wenn der Soldat, von den Fesseln der Garnison entledigt, ins Feld -- vor den Feind geführt werden soll. Der große Friedrich selbst sagte: "An dem Tage einer Schlacht will ich tausendmal lieber von meinen Soldaten geliebet, als gefürchtet seyn;" und ich glaube, er hatte hierin sehr recht!
Sie sehen also, daß ich hierin nicht ganz der Meinung des historischen Berichtigers bin, der, in der Wärme, womit er schrieb, in dem Prügel das einzig practische Prinzip des Soldatismus erblickte. Er war, wie man siehet, aufgebracht über den Aufstand einiger Regimenter, und vielleicht hatte diese Stimmung starken Einfluß auf seine Aeußerungen. Aber, er selbst hatte ja eine so schöne, stufenweise, bis zum endlichen Ausbruche durchgeführte, psychologische Entwickelung der Aufstandsursachen dargelegt, daß, (wenn man besonders noch hinzunimmt, was eine seiner, durch die Behauptung mehrerer braven Officiere unterstützten Noten, mit möglichster Schonung andeutet) ein solcher Aufstand durchaus nichts gegen den Geist des Militairs und noch weniger für den Prügel, sondern nur so viel beweiset, daß auch Soldaten, durch einen sonderbaren Zusammenstoß von mächtig auf sie wirkenden Ursachen, irregeführt -- so irregeführt werden können, daß es ihnen höhere Pflicht scheint, nicht zu gehorchen. Davon bin ich überzeugt, daß, unter solchen Umständen, es nicht nur nichts geholfen, sondern sogar den Ausbruch des Uebels noch viel allgemeiner gemacht haben würde, wenn auch das absoluteste Prügelsystem bey dem Hannöverschen Militair bisher herrschend gewesen wäre.
Quellen.[]
- ↑ Hannover wie es war, ist, und werden wird; eine Gallerie der bey Gelegenheit der Besitznahme desselben durch die Franzosen merkwürdig gewordener Personen und Sachen, in alphabitscher Ordnung; aus den Briefen des D. B***** an seinen Freund B*** in London. (Mit vier in extenso vorgedruckten Briefen.) 1804.