Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Ein nothwendiges Erforderniß für eine Seemacht sind die Kriegshäfen. Diese müssen viel vollkommner seyn, als die für die Kauffahrt dienenden. Für die kleinern Kriegsschiffe der Vorzeit war jeder Hafen groß genug. Aber die Kriegsschiffe unserer Zeit bedürfen einer Tiefe der Häfen, welche die Natur in solchen Gewässern nur wenig giebt, worin keine Fluth und Ebbe wechselt. Aber auch an denen Meeren, wo dieses ist, sind nur wenige Häfen auch bey der Ebbe tief genug, daß ein großes Kriegsschiff, selbst wenn es entladen ist, noch vom Wasser getragen würde, ohne auf den Grund zu sinken, und sich auf die Seite zu legen, welches so schwere Schiffe durchaus nicht ertragen können. Es müssen also in den meisten Häfen am Ozean denselben großen Bassins, d. i. tief genug ausgegrabene und mit einer so angebrachten Schleuse versehene Plätze angefügt werden, daß das mit der Fluth hineingebrachte Schiff in hinlänglichem Wasser gehalten werde, wenn von dem Bassin das Wasser sich mir der Ebbe verläuft. Diese Bassins anzulegen und auszuführen ist ein nicht leichtes Geschäft der Wasserbaukunst.

Ein anderes Mittel, Häfen eine größere, als die natürliche Tiefe zu geben und zu erhalten, ist, daß man ein inländisches, oder auch mit der Fluth eingeströmtes Gewässer während der Ebbezeit durch Stauschleusen aufhält, und bey der tiefsten Ebbe in einer Masse durch den Hafen durchschießen läßt, da es dann denselben bis zu einer Tiefe reinigt, an welcher nicht gar große Schiffe genug haben, größere aber mit der Fluth hereingeholt, und in die Bassins gelegt werden können. Je höher die Fluth in einem Hafen steigt, desto leichter gelingt es mit solchen Anlagen. Desto leichter lassen sich auch Schiffsdocken dort machen, d. i. kleinere Bassins, in welchen man auf umgekehrte Art verfährt, die Schiffe mit hohem Wasser eintreten, dann aber letzteres mit der Ebbe verlaufen läßt, die Oeffnung mit einer gegen die Fluth gekehrten Schleuse verschließt, die Thüren derselben durch alle Mittel dichtet, und das nun auf dem trockenen Boden der Docke gelagerte Schiff reparirt, oder auch wohl ein neues im Trockenen ausbaut. Wo der Wechsel von Fluth und Ebbe nicht diesen Vortheil giebt, und man doch eine Dock haben will, ist die Anlage zwar in der Hauptsache der Beschreibung gleich. Dann aber muß mit dem Schiff eingetretene Wasser ausgepumpt, und, wenn es hernach wieder durchsickert, das Pumpen oft wiederholt werden. Die Engländer nennen die Bassins nasse Docken (wet docks), und die eigentlichen Docken trockene (dry docks). Durch solche Dokken beider Art hat Leverpool sich den vollkommensten Hafen in Europa, wiewohl keinen Kriegshafen, allein durch Kunst verschafft. In der Ostsee ist an solche künstliche Häfen nicht zu denken. Dännemark ist durch das Meer bey Kopenhagen, und Schweden bey Karlskrona so begünstigt, daß beide daran wahre Kriegshäfen haben. Dännemark würde auch Kiel und Flensburg als solche benutzen können, wenn es mehrerer Kriegshäfen bedürfte. Rußland hat sich an Kronstadt, welchem Hafen aber die stark abströmende Newa zu Hülfe kömmt, einen gutentheils künstlichen Hafen verschafft. Einen andern hat ihm die Natur an Reval gegeben. Längs den Küsten der Preußischen Staaten ist die Natur zu sehr zuwieder, und Preußen wird daher sich nie zum Range einer eigentlichen Seemacht erheben können.

Jedem Kriegshafen ist eine Rhede, d. i. eine Seefläche vor dem Hafen, sehr nothwendig, auf welcher die in dem Hafen beynahe oder ganz segelfertig gemachten Schiffe hervorgebracht, und in eine vorläufige Ordnung gestellt werden können. Diese Seefläche muß gegen die Stürme durch etwas Land, und gegen feindliche Angriffe, wenns möglich ist, durch Festungswerke gedeckt seyn. Frankreich wollte sich, da es keine Kriegshäfen am Kanal hat, nur eine solche Rhede im Meere vor Cherbourg verschaffen, aber der erste Versuch dazu ist ihm mißlungen, und vielleicht unrecht angefangen worden.

* S. Büsch's Uebersicht der gesammten Wasserbaues, 3 Buch, 2 Kapitel, durch welches man sich mit dem Wigtigsten von der Arbeit der Kunst an Kriegs- und Kauffartheihäfen an Meeren und an Flüssen bekannt machen kann.


Quellen und Literatur.[]

  • Anton Friedrich Büschings Vorbereitung zur Europäischen Länder und Staatenkunde nebst einer statistischen Uebersicht des jetzigen Europa. Sechste, nach des Verfassers Tode völlig umgearbeitete Auflage, Herausgegeben von G. P. H. Norrmann. Hamburg bey Carl Ernst Bohn, 1802.
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