Erstes Kaiserreich.[]
Die Kriegsgerichte in Frankreich. [1]
Durch Napoleons Genie wiedergebohren, und zu einer beyspiellosen Stuffe der macht erhoben, verdankt Frankreich letzteres dem Uebergewicht der Waffen, welches dasselbe durch seinen Kayserlichen Beherrscher, durch den Helden des Jahrhunderts erlangt hat. Welch eine Reihe großer, durch ausgezeichnete Thaten verewigter Feldherren wurden unter seiner Leitung und durch jenen kriegerischen Geist gebildet, wovon seiner Heere beseelt waren! Um diesen Geist zu erhalten, war es um so nothwendiger, da weise Strenge zu gebrauchen, wo einzelne Individu dieses schönen Ganzen diejenigen Pflichten sträflicherweise aus den Augen setzten, welche die Ehre und das Interesse des Vaterlandes ihnen verschrieb. Diesem Grundsatze gemäß ordnete Napoleon strenge Untersuchung gegen diejenigen seiner Generale an, welche die ihnen anvertrauten Posten nicht mit dem Muth vertheidigten, welchen die Ehre ihnen gebot, und womit er durch sein eigenes Beyspiel seiner Armee so glänzend vorangeht.
Solcher Kriegsgerichte sind seit kurzer Zeit mehrere auf Befehl des Kaysers gehalten worden.
- Das erste wurde wegen der See-Affaire auf der Rheede von Basques am 11ten April des vorigen Jahres über folgende Schiff-Capitains niedergesetzt: Nicolas Clement de la Ronciere, Befehlshaber des Linienschiffes le Tonnerre, Jean Baptiste Lafon, von dem Linienschiffe Calcutta, Guillaume Marcelin Proteau von der Fregatte Indienne und Charles Nicolas Lacaille vom Tourville. Das Kriegsgericht sprach Nicolas Clement de la Ronciere frey von dem Verluste des Schiffes le Tonnerre am 22sten April. Jean Baptiste Lafon wurde für schuldig befunden, feigerweise sein Schiff Calcutta am 12ten April verlassen zu haben. Dem zufolge wurde er, nach dem peinlichen Codex, zum Tode verurtheilt, welches Urtheil am 9ten September auf dem Admiralschiffe l'Ocean an ihm vollzogen worden. Proteau wurde, weil er zu früh die Indienne in Brand gesetzt, mit dreymonathlichem Arrest belegt, und Charles Nicolas Lacaille, der augenblicklich sein Schiff le Tourville verlassen hatte, zu zweyjähriger Gefängnißhaft. Ueberdem sind die Angeklagten, Proteau, Lafon und Lacaille zu den Proceßkosten verurtheilt.
- Zur Untersuchung wegen der Uebergabe von Martinique an die Engländer durch den General-Capitain, Admiral Villaret Joyeuse bestand das Conseil aus dem Marschall, Grafen Serrurier, als Präsidenten, aus dem Grafen Dejean, Minister der Kriegsadministration, aus dem Senateur, Grafen von Espinasse und dem Staatsrath, Grafen Gassendi. Nach dem Berichte dieses Conseils befanden sich am 11ten Januar 1809, 2400 Mann Linientruppen auf Martinique, außer 400 Matrosen; hierzu kamen noch am 2ten Februar 305 Mann von der Fregatte Amphitrite, so daß mit den 4 Bataillons Nationalgarden sich dort das ganze Corps auf 5500 Mann belief. In der Colonie waren 191 brauchbare Artilleriestücke, ferner 5000 Flinten mit Bajonnets, anderthalb Millionen Infanterie-Patronen , u. s. w. Man erwartete seit November 1808 einen Angriff, da die Engländer zu Barbadoes viele Zurüstungen machten. Am 30sten Januar 1809 erschien die Englische Escadre, und landete bey Robert 5000, und bey Marin 3000 Mann. Der übrige Theil der Escadre gieng nach Case Navire. Nach jedem der beyden Landungs-Punkte schickte der General-Capitain 2 Bataillons-Nationalgarden ohne Linientruppen, da doch die Nationalgarde unter die Linientruppen hätte vertheilt werden sollen. Zwey Tage darauf giengen die Nationalgarden schon auseinander. Nirgends waren Feldstücke postirt, um den Rückzug zu decken. Der Unter-Directeur der Artillerie Sancé vernichtete beim Rückzug, nur einen Theil der Munition, wiewohl er 5 Tage dazu Zeit gehabt hatte. Mehrere Posten und Forts wurden entweder zu frühzeitig verlassen, oder schlecht vertheidigt. Seit dem 19ten ließen die Engländer 7 Batterien spielen. Und da man besorgte, daß durch dies Engl. Bombardement des Pulvermagazin mit 300000 Pfund Pulver in die Luft fliegen, und viele Soldaten, deren schon 900 geblieben waren, noch tödten möchte, so capitulirte der General-Capitain. Man übergab das Fort Desaix, da die Fortificationen noch nicht beschädigt waren.
- Auf diesen Bericht des Untersuchungs-Conseils vom 29sten November ward von dem Kayser folgendes rescribirt:
- "Ist an den Marine-Minister zu senden, um die Gesetze des Reichs gegen die Angeklagten in Ausführung bringen zu lassen.
- Im Pallast der Thuillerien, den 6ten Dec. 1809.
- (Unterz.) Napoleon."
- Das dritte Kriegsgericht wurde zur Untersuchung über die Ursache der Uebergabe von Vließingen niedergesetzt. Das Conseil, bestehend aus dem Grafen Rampon, Grafen von Abbeville, Viceadmiral Thevenard, Grafen Songis und Besson, hat folgendes Gutachten übergeben: Der Divisions-General Monnat hat vor dem 18ten März 1807 ausführliche Instructionen über die Vertheidigung der Stadt Vließingen, so wie auch der Insel Walcheren erhalten. Der Kriegsminister hat ihm am 22sten April 1809 geschrieben, man rüste in England eine beträchtliche Expedition aus, daher die gehörigen Maaßregeln zu ergreifen wären, um Walcheren sicher zu stellen. General Monnet antwortete, daß er auf jedem Fall vorbereitet sey. Am 30sten July des vorigen Jahrs landete der Feind um 5 Uhr Abends zwischen dem Fort Haak und dem Polder mit ungefähr 18000 Mann, und erschien am 2ten August vor Vließingen. Der General hatte vom Kayser die Instruction erhalten, im äußersten Fall lieber die Deiche zu durchstechen als sich zu ergeben. Dieses geschah nur an der Seite von Rammekens, und wurde eine Zeitlang wieder unterbrochen. Zur Zeit als die Engländer vor Vließingen erschienen, bestand die Besatzung dieser Vestung aus 4481 Mann und 17 Pferden, wovon 3853 Mann und 17 Pferde gegenwärtig waren. Vom 1sten bis zum 6ten August warfen die Generals Rampon, Chamberlhac und Rousseau 3143 Mann Verstärkung in Vließingen, so daß jetzt die ganze Macht 6996 Mann und 17 Pferde betrug. Nach einem Berichte des Generals Monnet an den Kriegsminister, datirt von Lichfield in England, von 18ten October, hatte er nur 1965 Mann an Todten, Verwundeten und Gefangenen verlohren. Vließingen war auf 90 Tage für 4000 Mann und 100 Pferde verproviantirt. Am 13ten 14ten und 15ten August hielt die Stadt ein Bombardement von 36 Stunden aus, wodurch aber kein beträchtlicher Schaden gestiftet, oder Bresche geschossen wurde. Vließingen ward übergeben, ohne daß der Feind den Uebergang über die Festungs-Gräben ausgeführt, oder Sturm unternommen hatte; selbst die Außenwerke waren noch nicht von den Engländern genommen. In der Nacht vom 15ten Aug. wurde zur größten Unzufriedenheit der Truppen die Capitulation unterzeichnet. Noch fallt dem General zur Last, daß er große Summen, die er durch eine Taxe auf die Exportation des Genevers legte, sich unrechtmäßigerweise zueignete. Das Conseil erklärte daher: daß General Monnet schuldig, und daß sein Betragen der Feigheit oder der Verrätherey zuzuschreiben sey. Das Conseil erklärte überdies, daß dieser General Erpressungen verübt habe, indem er zu seinem Vortheil von 1803 bis 6 eine Abgabe von 10 Holl. Stübern auf jedes ausgeführte halbe Anker Genever erheben ließ. Geschehen zu Paris am 25sten November 1809.
- Der Kayser bestätigte dieses durch folgendes Rescript:
- "Verwiesen an unsern Kriegsminister, um die Gesetze des Reichs gegen die Angeklagten in Ausführung zu bringen."
- Im Pallast der Thuillerien, den 6ten Dec. 1809.
- (Unterz.) Napoleon.
- Eine ähnliche Untersuchung hat die Uebergabe von Cayenne oder Guyana an die Brasilianischen und Englischen Truppen durch den Commandanten en Chef Victor Hugues veranlaßt, dem zur Last gelegt wurde, daß er sich einer kleinen feindlichen Macht, ohne Leistung eines gehörigen Widerstandes, ergeben habe, blos um seine eigenen Besitzungen in der Colonie zu sichern. Die Portugiesisch-Brasilianische Landmacht bestand aus 800 Mann, welche nebst 150 Mann Engländern am 7ten Dec. 1808 bey Cayenne debarquirten. Zeugen aus jener Gegend wurden abgehört, die aussagten, daß alle Vorsichtsmaaßregeln verabsäumt worden, um dem drohenden Angriff vorzubeugen. Als der Feind gelandet war, habe der Gouverneur sich mit dem größten Theil seiner besten Truppen in die Stadt Cayenne, ohne einen Schuß gethan zu haben, zurückgezogen. Das zur Untersuchung dieser Beschuldigungen niedergesetzte Conseil that aber den Ausspruch, daß keine hinreichende Gründe zu diesen Beschuldigungen vorhanden wären, daß aber Victor Hugues sich große Reichthümer zusammengehäuft, die er nach der Aussage vieler Creolen hebe retten wollen, weshalb Victor Hugues einem Tribunal zu übergeben sey. Dieses Resultat übergaben die Mitglieder des Conseils, nemlich der Graf Cessac, der General Graf Hulin und der Viceadmiral Graf Rosilly dem Kaiser, welcher hierauf unterm 20sten Dec. des v. J. befahl, die Gesetze des Reichs auf diesen Fall anzuwenden.
- Endlich erwähnen wir noch des aus den Senatoren, Grafen Fleurieu und Bougainville und den Contreadmirals Thevenard und Roßily gegen den Contreadmiral Dumanoir, Commandanten der Avantgarde der Französischen Flotte in der Schlacht von Trafalgar am 21sten October 1805, bestehenden Untersuchungsraths, welcher durch ein Schreiben von Schönbrunn vom 7ten Sept. 1809 veranlaßt und vom Seeminister unterm 13ten Sept. zusammenberufen ward. Das Urtheil dieses Conseils fiel dahin aus: "daß der Contreadmiral Dumanoir den Signalen gemäß manövrirt, so wie den Anforderungen von Ehre und Pflicht Genüge geleistet; daß er alles gethan, was der Wind und die Umstände ihm erlaubt, um dem Admiral zu Hülfe zu kommen; daß er ferner so nahe als möglich alle Schiffe, die ihm bis ins Centrum begegnet, bekämpft und endlich, daß er persönlich das Gefecht nicht verlassen, als bis ihn die Havereyen aller Art, die sein Schiff erlitten, worin ihn der Zustand seiner Masten versetzt, dazu gezwungen hätten." Dieser Bericht wurde vom Kaiser dem Seeminister zur Ausführung der Gesetze des Reichs zugesandt.
- Bekanntlich wurde derselbe Admiral am 4ten Nov. 1805 auf seinem Wege nach der Insel Rhé mit den 4 Linienschiffen Formidable, Scipion, Montblanc und Duguay Trouin nach einem scharfen Gefechte von dem Englischen Admiral Strachan in der Gegend des Caps Ortegal genommen. Die Untersuchungs-Commission legt dem Admiral in einem Bericht an den Kaiser vom 29sten Dec. Unentschlossenheit in seinen Manövres zur Last, läßt aber den übrigen Offiziers so wie der Mannschaft Gerechtigkeit wiederfahren. Das Resultat der gegenwärtigen Berichts war unterm 3ten Jan. gleichfalls von Sr. Majestät an den Seeminister zur Ausführung der Gesetze des Reichs gesandt worden.
Dies war das 5te Kriegsgericht, welches Napoleon für nöthig fand, über Anführer bei seiner Land- und Seemacht im vorigen Jahre halten zu lassen.
Quellen.[]
- ↑ *Politisches Journal nebst Anzeige von gelehrten und andern Sachen. Herausgegeben von einer Gesellschaft von Gelehrten. Hamburg in der Hoffmannschen Buchhandlung. Jahrgang 1810.