Chatillon sur Seine.[]
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Chatillon sur Seine, eine Stadt mit 37,000 Einwohnern, in Burgund, im Departement der Cote d'Or. Sie wird von der Seine in zwei Theile getheilt, davon der eine Bourg und der andere Chaumont heißt, und ist in unsere Tagen durch den Congreß merkwürdig geworden, der im Anfang des Jahres 1814 daselbst statt gehabt hat. Es traten von Seiten der Verbündeten der Graf Stadion, der Graf Razumowsky, der Lord Castlereagh und der Baron Humboldt, von Seiten Napoleons aber der Herzog von Vicenza zusammen, um den großen Kampf auf dem Wege der Güte zu schlichten. Die Unterhandlungen wurden am 4ten Febr. eröffnet. Die französische Regierung gab die friedfertige Stimmung zu erkennen. Aber da anzunehmen stand, daß sie dadurch nur von ihren Völkern die neuen Anstrengungen, die sie forderte, zu rechtfertigen, und Zeit zur Entwicklung ihrer Kräfte zu gewinnen suchte, ließen sich die Verbündeten nicht hindern, die Operationen auch während der Unterhandlungen fortzusetzen. Ihre Armeen drangen unaufhaltsam gegen Paris vor. Um so dringender forderte der französische Bevollmächtigte den Stillstand der Waffen; die Minister der vereinten Monarchen lehnten diesen Vorschlag ab, erboten sich aber zur Unterzeichnung der Friedenspräliminarien, die für Frankreich alle Vortheile eines Waffenstillstandes hatte, ohne für die Alliirten dessen Nachtheile mit sich zu führen. Napoleon befand sich in diesen Augenblicke auf dem entscheidenden Punkte seines Schicksals. Noch hieng es von ihm ab, Krone und Reich zu retten, so bald er sich gefallen ließ, sich auf die Gränzen zu beschränken, welche das System des Gleichgewichts und die Sicherheit von Europa forderte. Als aber in der zweiten Hälfte des Monats die militärische Erfolge einen für ihn günstigeren Charakter anzunehmen begannen, wurden seine Hoffnungen wieder kühner. Der Herzog von Vicenza blieb ohne Instruction und die Verhandlungen stockten. Man entschloß sich deshalb zu einem entscheidenden Schritte, und übergab ihm den vollständigen Entwurf eines Präliminartractats, dessen Grundlagen denen gemäß waren, die die französische Regierung selbst in den Augenblicken der Gefahr angeboten hatte. Es vergiengen wieder 14 Tage ohne Antwort. Man setzte einen peremtorischen Termin fest. Endlich am 15. März kam der Herzog mit einem Gegenentwurfe zum Vorschein, dessen Innhalt die Gesinnungen Napoleons nur allzudeutlich verrieth. Das Königreich Italien samt Venedig sollte dem Vicekönig, die Linien des Rheins, so wie die Niederlande Frankreich verbleiben. Holland möge wieder selbstständig werden; aber Nymwegen und ein Theil der Waal sollte an Frankreich fallen. Es sollten Entschädigungen ausgemittelt werden für die Brüder des Kaisers, für den jungen Louis Napoleon wegen des Großherzogthums Berg, und sogar auch für die Vicekönig, wegen seiner Anwartschaft auf Frankfurt. -- Diese Vorschläge empfingen die Minister der verbündeten Mächte mit Verachtung, die sie verdienten. Der Congreß lößte sich augenblicklich auf. Zwanzig Tage später unterzeichnete Napoleon die Acte seiner Thronentsagung.
Der Kongreß von Chatillon.[]
- Vom General Sarrazin *).
Die Politik hielt gleichen Schritt mit dem Kriege, und in beider Hinsicht bieten die Jahrbücher unserer Geschichte in keinem Zeitpunkte so sonderbare Ereignisse dar, als diejenigen, welche während der ersten Monate des Jahres 1814 Statt fanden. Drei Mal ward Europa vom Glücke der Willkür Frankreichs Preis gegeben; drei Mal vereitelte das unerbittliche Geschick die weisesten Berechnungen unsers Heerführers, dessen Geschicklichkeit Alles, selbst die Launen des Zufalls, seinem Willen unterzurordnen, die Welt bisher in Erstaunen setzte. Aber hatte er in der Person dessen, der auf dem Kongresse zu Chatillon gewissermaßen über das Schicksal seiner Krone enischeiden sollte, eine zweckmäßige Wahl getroffen? Der Krieger, hätte er auch das Genie eines Conde', oder die Erfahrung eines Türenne, kann nicht die nöthige Eigenschaften besitzen, um mit Erfolg eine Negociation zu betreiben. Gewohnt, durch Feuerschlünde zu siegen, gleich Alexander dem Großen, der den Gordischen Knoten mit dem Schwerte durchhieb, fehlt ihm die Geduld, den Charakter seiner Gegner genau zu erforschen, die Gewandtheit, seine eigenen Absichten nicht durchschauen zu lassen, und die Politik, dem Scheine nach demjenigen Beifall zu geben, was er im Innern seines Herzens mißbilligt. Diese für Jeden, der die mühevolle Laufbahn der Diplomatik betritt, so unentbehrlichen Fertigkeiten sind mit der militärischen Freimüthigkeit unvereinbar. Die Lage Frankreichs im J. 1814 erinnert und an die Verlegenheit, in welcher sich Ludwig XIV. am Ende des J. 1709 befand. Er machte das Ehrgefühl der Nation rege, und die Energie der Franzosen rächte den dem Throne widerfahrnen stolzen Hohn der Alliirten. Damals hatten die Völker noch nicht den Grad des Verderbnisses erreicht, welches in unsern Tagen an die Stelle der Tugenden unserer Vorfahren getreten ist. Man halte mich nicht für einen Aristarchen der gegenwärtigen Zeit; ich urtheile nur nach authentischen Thatsachen. Zwar weiß ich wohl, daß Friedenstraktate weiter nichts sind, als ein Waffenstillstand; allein wenn man sich sonst zur Unterhandlung derselben vereinigte, so meinte man es wenigstens aufrichtig mit dem Hauptzwecke, und stritt nur über die Bedingungen. Ich gebe zu, daß man diesen Traktaten oft Klauseln einschaltete, welche deren Verletzung herbeiführen mußten, sobald die benachtheiligte Macht einen Bruch ihrem Interesse vortheilhaft erachtete. Ganz anders war es beim Kongreß zu Chatillon. Hier vereinigte man sich, um Frankreichs zu spotten, und schloß sogar einen Allianztraktat, welcher die Bande der Koalition auf 20 Jahre noch enger knüpfte, als zuvor.
Am 22. Decbr. 1813 versammelte Lord Castlereagh, der die Politik der Koalisirten leitete, alle auswärtigen Minister in seinem Hotel zu London, um über die Vorschläge des Kabinets der Tuilerien zu berathschlagen, und es ward einstimmig festgesetzt, "daß man keinen Frieden mit dem Kaiser Napoleon schließen wolle." Es war damals der Wille des Prinzen Regenten, eine Proklamation an die Franzosen zu erlassen, um ihnen bekannt zu machen, daß sie nur dann Frieden mit Europa erlangen könnten, wenn sie sich der Familie der Bourbons unterwürfen. Dieß war auch Lord Castlereagh's Meinung. Dem Vernehmen nach widersetzte sich demselben der General Pozzo di Borgo, außerordentlicher Gesandter des Kaisers von Rußland, aufs stärkste, mit der Aeußerung: "der Kaiser Napoleon hat die Armee, die Käufer der Nationalgüter und fast alle Staatsbeamte auf seiner Seite: eine Erklärung zu Gunsten der Bourbons würde nur dazu dienen, diesen Kern der Französischen Nation zu erbittern; sind wir erst im Besitz von Paris, welches stets der Maßstab der öffentlichen Meinung in Frankreich war, so werden wir bloß in Verlegenheit seyn, den Eifer der Franzosen, allen unsern Wünschen zuvorzukommen, zu mäßigen." Dieser Rath fand Beifall. Der, welcher ihn gab, kannte Paris und Frankreich. Er war einst Deputirter in der gesetzgebenden Nationalversammlung gewesen, und stimmte im J. 1792 für die Kriegserklärung gegen das Deutsche Reich. Nach Beendigung der Sitzung kehrte er nach Corsika zurück, verließ diese Insel mit den Engländern, als sie dieselbe räumten, und trat hierauf als kaiserlicher Rath in Russische Dienste. Herr Pozzo di Borgo vereinigt mit einem angenehmen Aeußern viel Feinheit und Weltton.
Lord Castlereagh ist 45 Jahre als; er besitzt noch mehr Verschlagenheit, als Herr Pozzo di Borgo, und hat von Pitt zwar nicht das Finanz-Genie dieses Ministers, wohl aber dessen Haß gegen Frankreich geerbt. Den meisten Ruhm hat er sich in England durch Bewirkung der Parlamentsvereinigung dieses Reichs mit Irland erworben: auch betrachtet ihn seine Landsleute, die Irländer, als den Urheber ihrer Unterjochung. Seit diesem für sie so verhängnißvollen Zeitpunkte hat er es nicht gewagt, sein Vaterland wieder zu besuchen, wo, wie man versichert, eine Gesellschaft sich durch den fürchterlichsten Eid verbunden hat, die Schmach, welche er Irland angethan hat, durch sein Blut zu rächen. Entschlossen, Pitt's System zu befolgen, übernahm er mit Freuden das Geschäft, Frankreich Gesetze vorzuschreiben. Er reiste am 27. Decbr. mit einem zahlreichen Gefolge von London ab, und kam durch Amsterdam, wo er gleich einem Könige gefeiert ward, so daß er erst am 4. Febr. zu Chatillon eintraf, wo sich der Herzog von Vicenza, der Graf Stadion, der Graf Rasumowsky und der Baron v. Humboldt bereits eingefunden hatten. Ein Abgesandte der vereinigten Staaten von Amerika hätte nicht mehr Zeit gebraucht, von Washington hierher zu kommen. Was konnte man von einer solchen Gleichgültigkeit hoffen, indem man einen schon im November 1813 mit der Bedingung der Rheingrenze zu Frankfurt vorgeschlagenen Kongreß im Februar 1814 an den Ufern der Seine eröffnete? Der Kaiser Alexander hatte noch nicht vergessen, daß der Sieg von Friedland am 14. Juni erfochten, und schon am nächst folgenden 7. Juli der Friede von Tilsit unterzeichnet war.
Die drei Minister von Oesterreich, Rußland und Preußen waren als Männer bekannt, welche ihren Monarchen in den wichtigen Verhandlungen, womit sie beauftragt gewesen waren, die ausgezeichnetsten Dienste geleistet hatten. Hätte auch der Herzog von Vicenza sie an Talenten und Erfahrungen übertroffen, so war doch der Kampf eines Mannes gegen vier zu ungleich. Man hätte den Herzog zum Chef einer Gesandtschaft ernennen, ihm drei andere anerkannt geschickte Diplomatiker, und unter ihnen den Baron von Saint-Aignan, zuordnen sollen: immer würde die Gegenwart des letztern ein sehr bitterer Tadel der wandelbaren Politik der Alliirten gewesen seyn. Der Herzog v. Vicenza, Sohn des Marquis von Caulaincourt, ist ungefähr 42 Jahre alt. Die Natur hat ihm ein sehr schönes Aeußere und viel Sinn für den Krieg gegeben. Sein Vater, Marechal-de-Camp unter der Alt-Französischen Regierung, ließ ihm eine seiner Geburt und dem Kriegsstande, welchem er ihn widmete, angemessene Erziehung geben. Herr von Caulaincourt ward, nachdem er mit Auszeichnung in den untern Graden gedient hatte, im J. 1799 Oberstlieutenant und Adjutant des Generals der Kavallerie, d'Harville. Napoleon ernannte ihn in der Folge zu seinem Großstallmeister, und sandte ihn als Ambassadeur an den Hof von St. Petersburg. Hier fand er einige Hindernisse in dem Mangel jener glücklichen Biegsamkeit, welche leichte Widerwärtigkeiten geduldig erträgt, um einen vollständigen Sieg davon zu tragen. Diese einem Diplomatiker unentbehrliche Eigenschaft, welche bei einem Krieger ein Hauptfehler seyn würde, erwirbt man nicht durch Studium, sondern sie ist ein angebornes, durch Erfahrung vervollkommnetes Talent. Ohne den Besitz desselben Diplomatiker seyn zu wollen, ist eben so lächerlich, als sich ohne musikalisches Gehör der Tonkunst zu widmen.
Dasjenige, was ich hier vom Herzoge von Vicenza gesagt habe, mag zum Beweise dienen, wie vorsichtig die Souverains in der Wahl ihrer Geschäftsführer seyn müssen, um einem jeden die für ihn geeignete Stelle anzuweisen. Wäre Herr von Caulaincourt von alten, erfahrnen Diplomatikern umgeben gewesen, so würde er zwar seinen Geschäften um deswillen keine bessere Wendung gegeben , aber wenigstens früher wahrgenommen haben, daß man unserer spottete. Die Alliirten trugen kein Bedenken, unserem Unterhändler als Ultimatum den Zustand Frankreichs vom J. 1792, und die Besetzung von sechs festen Plätzen durch die Truppen der Koalition als Garantie der Festhaltung der Traktats von Seiten Frankreichs als Ultimatum vorzuschlagen. Lord Castlereagh wußte, als er diesen Antrag veranlaßte, im voraus, daß er nicht angenommen werden würde; und wäre es geschehen, so hatte man die Absicht, nach der Besitznahme von Straßburg, Metz, Valenciennes, Lille, Perpignan und Bayonne Schwierigkeiten über die Bedingungen des Traktats zu erregen, und die Feindseligkeiten zu erneuern, um die Wiederherstellung der Bourbons zu bewirken. Man behauptet, und es ist sehr glaublich, daß der Kaiser von Oesterreich unter jenen Bedingungen den Frieden unterzeichnet haben würde; allein der Hofkriegsrath würde bald irgend einen Vorwand gefunden haben, die Absichten des Kabinets von St. James zu unterstützen. Den Rechtfertigungsgrund eines solchen Verfahrens würde der Drang der Umstände, und jenes den Mächtigen zur Befriedigung ihrer Habsucht und Rache so vortheilhafte Gesetz: Salus populi suprema lex, hergeliehen haben.
Da Chatillon von Troyes, wo das Hauptquartier der Alliirten war, nicht fern ist, so veranlaßte dieß, daß vier andre Englische Minister, die Lords Cathcart, Aberdeen, Burghersh und der General Stewart, auf dem Kongreß erschienen. Wie hätte der Herzog von Vicenza einem solchen Angriff widerstehen können? Bekanntlich führte Lord Cathcart früher den Oberbefehl bei der Expedition, welche den Dänen mitten im Frieden ihre Flotte wegnahm. Auch war er es, welcher die Verweigerung des vom Könige von Sachsen am 19. Oktober verlangten Waffenstillstandes, und die Verletzung der Kapitulation von Dresden und Danzig veranlaßte. Er war daher sehr geneigt, den Lord Castlereagh in seinen geheimen Projekten zur Erniedrigung Frankreichs zu unterstützen. Von den drei andern Ambassadeurs ist es genug, zu sagen, daß sie durch Lord Castlereagh ernannt waren, und sein ganzes Vertrauen besaßen. Sein Bruder, der General Stewart, war als Minister beim König von Preußen, und Lord Burgersh beim Kaiser von Oesterreich als Gesandter accreditirt. Lord Aberdeen war beauftragt, als Brittischer Kommissär dem Hauptquartier der Alliirten zu folgen; letzterer ist ein junger Schottischer Edelmann von Kenntnissen, aber von vielem Nationalphlegma. Um die diplomatische Schwadron des Lord Castlereagh zu Chatillon vollzählig zu machen, fehlte nur noch der Marquis Wellesley, der Besieger Tippo-Saib's, und der Bruder Lord Wellington's. Dann hätte ich dem damaligen Gerüchte Glauben beigemessen, daß die Alliirten bis zur Auslieferung der sechs Festungen die Besetzung von Paris verlangt hätten. Man würde dann nichts unterlassen haben, aus der Hauptstadt Frankreichs ein zweites Seringapatnam zu machen, wenn nicht etwa der Kaiser Alexander sich den von unsern ewigen Nebenbuhlern ergriffenen Maßregeln widersetzt hätte. Man kann sich überzeugt halten, daß dieser Haß der Engländer keineswegs bloß gegen die Anhänger der revolutionären Regierung, sondern gegen Alles, was Französisch ist, gerichtet ist. Lord Nelson schrieb am 9. Novbr. 1799 an den Herzog von Clarence: "Verderben allen Franzosen! Ich verabscheue sie alle, Royalisten und Republikaner." Lord Nelson ist für die Engländer, was Mahomet für die Muselmänner war.
Die Alliirten hatten den 10. März zur Antwort Napoleon's auf den vorgeschlagenen Friedensplan festgesetzt. Dieser schien darüber entrüstet, daß die Alliirten wieder Treue und Glauben die durch ihre Mittheilungen vom 9. Novbr., und durch ihre Proklamation vom 1. Decbr. bestimmten Grundlagen so ungescheut verletzten. In seiner Antwort ermächtigte er den Herzog von Vicenza, den Frieden zu unterzeichnen, wenn Frankreich die Rheingrenze und die Freiheit der Meere, und die Prinzen seiner Familie Entschädigungen erhielten, -- beinahe die nämlichen Bedingungen, wie beim Frieden von Amiens. Auf den Fall der Verweigerung sollte der Herzog erklären, daß er Befehl habe, den Kongreß zu verlassen und sich ins Hauptquartier Napoleon's zu begeben. Dieß war es eben, was Lord Castlereagh eifrigst wünschte. Getreu seinem Plane, sich niemals durchschauen zu lassen, schien er sehr bekümmert über die zu großen Forderungen Frankreichs. Als man ihm sagte, man verlange nur das, was die Alliirten zugesagt hätten, gestand er, man habe sich zu weit eingelassen, und ohne die Einwilligung aller Alliirten nichts bewilligen können. Er äußerte sein Bedauern, daß die Französische Lebhaftigkeit zu weit getrieben werde, und die Erfüllung des sehnlichen Wunsches der Alliirten, der Welt den Frieden zu geben, nicht gestatte.
Der schlaue Minister hatte seit dem 1. März den Friedenstraktat in seinem Portefeuille, -- jenen von ihm selbst entworfenen Frieden, welchen er Frankreich und Europa aufdringen wollte, um die Seeherrschaft und das Monopol Großbritanniens zu befestigen. Während man dem Herzog von Vicenza prachtvolle Mahlzeiten gab, und vermöge der Geschicklichkeit der Französischen Köche noch besser von ihm wieder bewirthet wurde, unterzeichnete man ohne Vorwissen unsers Ambassadeurs einen Off- und Defensiv-Traktat, durch welchen Oesterreich, Rußland Preußen und England sich ihre Staaten garantirten, und sich zu dem Ende anheischig machten, im Fall des Angriffs jede 150,000 Mann, in Allem 600,000 Mann dem gemeinschaftlichen Feinde entgegenzusetzen. Falls England sein Kontingent nicht stellen würde, sollten es ein Aequivalent desselben in Gelde bezahlen; es machte sich äußerdem während der Dauer der Kriegsoperationen zur Bezahlung einer jährlichen, unter die drei übrigen Mächte gleich zu vertheilenden Summe von 5 Millionen Pf. St. anheischig. 40 Millionen Franken jährlicher Hülfsgelder waren ein Gegenstand, welchen Regierungen, die, wie Preußen und Oesterreich, durch die letzten Kriege verarmt waren, nicht ausschlagen konnten. Auch der Kaiser von Rußland verschmähte dieß Anerbieten nicht, obwohl seine Finanzen im bessern Zustande waren, als die der andern Mächte.
Es ist klar, daß der Kongreß nur eine Lockspeise gewesen war, obgleich die Unterhändler keine Gelegenheit vorbeigehen ließen, sich mit Komplimenten zu überhäufen, welche nichts kosten, und oft einen großen Einfluß auf diplomatische Geschäfte haben. Die Mitglieder des Kongresses trennten sich den 18. März. Die Alliirten hatten aus einem höhern Tone gesprochen, als sie die schöne Vertheidigung des Generals Blücher in der Stellung von Laon erfuhren. Man sagte sogar, daß, wenn Napoleon, anstatt nach der Schlacht von Craonne der Armee von Schlesien zu folgen, gegen Soissons manövrirt hätte, um diesen Platz wieder einzunehmen, und sodann in einer Centralstellung beide Armeen zugleich im Zaum zu halten, die Alliirten alsdann vielleicht auf die Besetzung der sechs Festungen Verzicht geleistet, und den Frieden mit Bewilligung des Umfanges von Frankreich im Januar 1792 unterzeichnet haben würden. Das oben Gesagte und die officiellen Erklärungen der Englischen Minister machen es unnöthig, das Lächerliche dieser Behauptung näher darzuthun. Die Entthronung Napoleon's, die Wiederherstellung der Bourbons waren zu London am 22. Decbr. vor der Abreise des Lords Castlereagh schlüssig und unwiderruflich festgesetzt, und durch den Traktat vom 1. März aufs feierlichste bestätigt.
Wozu denn -- wird man sagen -- alle diese Konferenzen der Friedensbevollmächtigten und die Proklamation der Souverains, worin das lauteste Verlangen nach Frieden ausgedückt ist, -- wozu jenes wiederholte Andringen des Kaisers Franz, welcher fortwährend seinem Schwiegersohne anlag, die Wünsche der Koalition zu erfüllen? Alles dieses ist nur politisches Ceremoniel, um den vorgesetzten Zweck um so besser zu erreichen. Hätten die Alliirten aufrichtig den Frieden gewollt; hätte der Kaiser Franz seinen Bundesgenossen gesagt: "Schließt auf den am 9. Novbr. durch den Baron v. Saint-Aignan vorgeschlagenen Grundlagen Frieden mit Frankreich, oder ich ergreife die Gegenpartei, und fechte für das Interesse meines Schwiegersohnes und meiner Tochter;" hätte -- sage ich -- der Kaiser von Oesterreich eine so energische Sprache geführt, so wäre der Frieden vor Ende Decembers 1813 zu Mannheim unterzeichnet worden. Es ist daher die Mitwirkung des Kaisers Franz zu den Planen der Alliirten als die erste Ursache der Staatsveränderung Frankreichs zu betrachten.
Erklärung der Verbündeten Mächten bei Auflösung der Friedensunterhandlungen zu Chatillon.[]
Die Alliirten Mächte sind es sich selbst, ihren Völkern und Frankreich schuldig, in dem Augenblick der Aufhebung der Konferenzen zu Chatillon die Gründe, welche sie zur Anknüpfung einer Unterhandlung mit der Französischen Regierung vermocht haben, so wie die Ursachen des Bruchs dieser Unterhandlungen öffentlich darzulegen. Kriegsbegebenheiten, zu denen die Geschichte kaum in andern Zeitaltern ein Gegenstück wird auffinden können, stürzten im letztverflossenen October das ungeheure Gebäude um, welches man das Französische Reich nannte; ein politisches Gebäude, das sich auf die Trümmer vormals unabhängiger und glücklicher Staaten gründete, das sich durch Provinzen, die man alten Monarchen entriß, vergrößert und auf Kosten des Bluts, des Vermögens und des Lebensglücks einer ganzen Generation befestiget hatte. Durch den Sieg an den Rhein geführt, glaubten die verbündeten Souverains neuerdings die Principien, welche die Grundlage ihres Bündnisses ausmachen, ihre Wünsche und ihre Entschließungen Europa anzeigen zu müssen. Entfernt von allen ehrgeizigen und eroberungssüchtigen Planen, einzig von dem Wunsche belebt, das Europäische Staatsgebäude nach einem gerechten, für jede Macht verhältnißmäßigen Maaßstabe wieder aufgeführt zu sehen, entschlossen, nicht eher die Waffen niederzulegen, als bis sie das edle Ziel ihrer Bemühungen erreicht hätten, machten sie die Unwandelbarkeit ihrer Absichten durch eine öffentliche Akte bekannt, und trugen auch kein Bedenken, sich gegen die feindliche Regierung, in einem, ihrer unveränderten Entschließung gemäßen Sinne zu erklären. Die Französische Regierung benutzte die freimüthige Erklärung der Verbündeten Höfe, um eine friedfertige Stimmung an den Tag zu legen. Ohne Zweifel war sie gezwungen, den Schein davon anzunehmen, um in den Augen ihrer Völker die neuen Anstrengungen die sie von ihnen forderte, zu rechtfertigen. Inzwischen bewiesen alle Umstände den Alliirten Kabinetten, daß der wahre Zweck der Französischen Regierung kein anderer sei, als eine scheinbare Unterhandlung zu benutzen, um die Meinung des Publikums für sich zu gewinnen, und daß Europas Friede noch weit entfernt von ihren innern Gedanken liege. Die Mächte durchblickten diese geheime Absicht, und entschlossen sich, diesen so lebhaft ersehnten Frieden auf Frankreichs eigenem Boden zu erobern; zahlreiche Heere gingen über den Rhein. Kaum hatten sie die äußersten Grenzen uberschritten, als der Französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten an den Vorposten erschien. Von nun an hatten alle Schritte der Französischen Regierung keinen andern Zweck, als die öffentliche Meinung zu täuschen, die Augen des Französischen Volks über ihre wahren Absichten zu verblenden, und wo möglich das Gehäßige der von einem Invasionskriege unzertrennlichen Leiden, auf die Verbündeten zu wälzen. Der Gang der Begebenheiten hatte um diese Zeit den großen Höfen das Gefühl der ganzen Kraft des Europäischen Bundes gegeben. Die Grundsätze, die in den Rathsversammlungen der Alliirten Souverains, gleich seit ihrer ersten Vereinigung für das gemeine Beste, den Vorsitz führten, hatten ihre ganze Entwickelung erhalten. Nichts hinderte sie mehr, die zur Wiederherstellung des geselligen Baues nöthigen Bedingungen auszusprechen. Diese Bedingungen durften nach so vielen Siegen, welche in der Lage war, Compensationen für Frankreich in die Wageschale des Friedens zu legen, England, konnte einzeln die Opfer angeben, die es dem allgemeinen Frieden zu bringen bereit war. Auch konnten die verbündeten Souverains hoffen, die Erfahrungen der Vergangenheit würden ihren Einfluß auf einen Eroberer geäußert haben, der den Vorwürfen einer großen Nation ausgesetzt, und zum erstenmal in seiner Hauptstadt Zeuge ihrer Leiden war. Diese Erfahrung konnte das Gefühl in ihm erweckt haben, daß die Aufrechthaltung der Throne wesentlich mit der Mäßigung und Gerechtigkeit verknüpft ist. Inzwischen wurde von Seiten der Verbündeten Souverains, in der Ueberzeugung, daß der zu machende Versuch den Gang der Kriegsoperationen nicht stören dürfe, beschlossen, daß diese Operationen während der Unterhandlung fortgehen sollte. Die Geschichte der Vergangenheit und traurige Erinnerungen hatten ihnen die Nothwendigkeit dieser Maßregel bewiesen. Ihre Bevollmächtigten trafen zu Chatillon mit den Bevollmächtigten der Französischen Regierung zusammen. Bald darauf rückten die siegreichen Armeen bis in die nähe der Hauptstadt vor. Der Hauptgedanke der Französische Regierung war in dem Augenblick, die Hauptstadt vor einer feindlichen Besitznahme zu retten. Der Französische Bevollmächtigte erhielt Befehl, einen Waffenstillstand vorzuschlagen, dessen Grundlagen denjenigen gleich wären, welche die Alliirten Höfe selbst zur Wiederherstellung des allgemeinen Friedens für nöthig hielten. Er bot die unverzügliche Uebergabe der Festungen in den Ländern, welche Frankreich abtreten würde, an; jedoch alles unter der Bedingung einer Unterbrechung der Militairoperationen. Die verbündeten Höfe, durch eine zwanzigjährige Erfahrung überzeugt, daß bei Unterhandlungen mit dem Französischen Kabinet, der Schein sorgfältig von der wahren Absicht getrennt werden müsse, lehnten diesen Waffenstillstandsvorschlag ab; erboten sich aber auf der Stelle, die Friedenspräliminarien zu unterzeichnen. Diese Unterzeichnung hatte für Frankreich alle Vortheile eines Waffenstillstandes, ohne für die Alliirten dessen Nachtheile mit sich zu führen. Unterdessen hatten einige partielle Glücksfälle die ersten Schritte einer Armee bezeichnet, die unter den Mauern von Paris aus der Blüthe der gegenwärtigen Generation, der letzten Hoffnung des Französischen Volkes, und aus den Ueberresten einer Million tapferer Krieger gebildet ward, die auf den Schlachtfeldern gestorben, oder auf den Landstraßen von Lissabon bis Moskau liegen geblieben, und für Zwecke, de Frankreich nichts angingen, aufgeopfert worden waren. Sogleich änderten die Konferenzen zu Chatillon ihren Charakter; der Französische Bevollmächtigte blieb ohne Instruktion und war außer Stand, auf die Vorschläge der Alliirten Höfe zu antworten. Nun erschienen die Ansichten der Französischen Regierung den Höfen ganz klar; sie entschlossen sich also zu einem entscheidenden Schritte, dem einzigen, der ihrer, ihrer Macht und der Rechtlichkeit ihrer Absichten würdig war. Sie trugen ihren Bevollmächtigten auf, einen Entwurf zu einem Präliminair-Traktate zu übergeben, der alle von ihnen zur Herstellung des politischen Gleichgewichtes nöthig erachteten Grundlagen enthielte, so wie sie wenige Tage zuvor, von der Französischen Regierung selbst in einem Augenblicke angeboten worden waren, wo dieselbe ihre Existenz vermuthlich für gefährdet ansah. In diesem Projekte waren die Grundsätze der Wiederaufbauung des europäischen Staatsgebäudes aufgestellt. Frankreich wieder in die Grenzen zurückgetreten, welche Jahrhunderte von Ruhm und Wohlstand unter der Herrschaft der Könige, ihm gesichert hatten, sollte mit Europa die Wohlthaten der Freiheit, der Nationalunabhängigkeit und des Friedens theilen; es hing nur von seiner Regierung ab, durch ein einziges Wort den Leiden der Nation ein Ziel zu setzen, ihm neben dem Frieden, seine Kolonien, seinen Handel, und die frei Uebung seines Gewerbfleißes wieder zu geben. Verlangte es noch mehr? Die Mächte hatten sich erboten auf freundschaftliche Art seine Wünsche wegen Besitzgegenstände wechselseitiger Konvenienz, welche außer Frankreichs grenzen vor dem Revolutionskriege lagen, in Betracht zu ziehen. 14 Tage vergingen ohne Antwort von Seiten der Französischen Regierung, die Bevollmächtigten der Alliirten drangen auf einen peremtorischen Termin zur Annahme oder Verweigerung der Friedensbedingungen. Man ließ den Französischen Bevollmächtigten freie Macht ein Gegenprojekt zu übergeben, in so fern nur dieses Gegenprojekt im wesentlichen Sinne den von den Alliirten Höfen vorgeschlagenen Bedingungen entspräche. Der 10te März wurde durch gemeinschaftliche Uebereinkunft dazu bestimmt. Diese Frist lief ab, ohne daß der Französische Gesandte etwas anders vorlegte, als Papiere, die statt zum Zweck zu führen, nur fruchtlose Unterhandlungen verlängert haben würde. Auf Begehren des Französischen Bevollmächtigten wurde eine neue Frist von wenigen Tagen bewilliget. Am 15ten März endlich übergab dieser Bevollmächtige ein Gegenprojekt, welches nicht mehr zweifeln ließ, daß das Unglück Frankreichs noch keine Sinnesänderung bei seiner Regierung erzeugt hatte. Dieselbe wich von den Vorschlägen, die sie selbst gemacht hatte, ab, und verlangte in diesem neuen Entwurf, daß dem Französischen Geiste fremdartige Völker, Völker die Jahrhunderte von Herrschaft nicht mit der Französischen Nation verschmelzen konnten, fortdauernd zu derselben gehören sollten. Frankreich forderte einen mit der Herstellung eines politischen Gleichgewichts unverträglichen, und alle Verhältnisse mit den übrigen großen Europäischen Staaten überschreitenden Länderbesitz. Es wollte die Offensivpunkte und Positionen behalten, mittelst welcher seine Regierung zum Unglücke Europas und Frankreichs in den letzten Jahren den Umsturz so manches Thrones und so manche Erschütterung bewirkt hatte. Glieder der in Frankreich regierenden Familien, sollten wieder auf fremden Thronen herrschen. Die Französische Regierung endlich, die seit so vielen Jahren, nicht weniger durch Anfachung der Zwietracht als durch Waffengewalt zu herrschen gesucht hat, wollte fortdauernd über die innern Verhältnisse und das Schicksal der Mächte Europas gebieten. Die Alliirten Höfe würden durch Fortsetzung der Unterhandlungen unter solchen Umständen gegen alles, was sie sich selbst schuldig sind, gefehlt haben; sie würden von diesem Augenblick an, dem rühmlichen Zwecke, den sie vor Augen haben, entsagt haben; ihre Anstrengungen würden nur noch gegen ihre eigene Völker gerichtet gewesen sein; durch Unterzeichnung eines Vertrages auf die Grundlage des Französischen Gegenentwurfs würden sie ihre Waffen in die Hände des gemeinschaftlichen Feindes niedergelegt, sie würden die Erwartung ihrer Völker und das Vertrauen ihrer Alliirten getäuscht haben. In einem für das Wohl der Welt so entscheidenden Augenblicke erneuern die Verbündeten Souveraine die feierliche Verpflichtung, nicht eher die Waffen niederzulegen, als bis sie den Zweck ihres Bündnisses erreicht haben. Frankreich hat sich selbst die Uebel zuzuschreiben, die es duldet. Der Frieden allein kann die Wunden heilen, welche ihm das in der Weltgeschichte beispiellose Streben seiner Regierung nach Weltherrschaft geschlagen hat. Es ist endlich Zeit, daß die Fürsten ohne fremden Einfluß über das Wohl ihrer Völker wachen können, das die Nationen ihre gegenseitige Unabhängigkeit achten, daß die gesellschaftlichen Einrichtungen gegen tägliche Revolutionen gesichert, daß das Eigenthum heilig und der Handel frei sei. Ganz Europa hat nur einen Wunsch, und dieser ist der Ausdruck des höchsten Bedürfnisses aller Völker. Alle sind für die Behauptung Einer und der nehmlichen Sache vereinigt; diese Sache wird über das einzige Hinderniß, das sie noch zu besiegen hat, triumphiren.
Zeitungsnachrichten.[]
Oesterreichischer Beobachter. Freitag, den 11. Februar 1814 [4]
Nachrichten aus Langres vom 1. Februar zufolge, werden am 3. d. M. zu Chatillon sur Seine die Präliminar-Conferenzen über die Herstellung des allgemeinen Friedens eröffnet werden. Von Seiten Österreichs erscheint bei denselben der Staats- und Conferenz-Minister, Graf v. Stadion; von Seiten Russisches Kaiserreich|Rußlands]] der wirkliche geheime Rath und ehemalige Botschafter am k. k. Hofe, Graf v. Rasoumovsky; von Seiten Englands die Botschafter an dem keiserl. österreichischen und dem kaiserlich-russischen Hofe, Lords Aberdeen und Cathcart, und der Gesandte am kön. preußischen Hofe, Chevalier Charles Stewart; von Seiten Preußens der Staats-Minister und Gesandte am kaiserl. österreichischen Hofe, Freiherr v. Humbold; von Seiten Frankreichs der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herzog v. Vicenza.
Der konigl. großbrittannische Staats-Secretär der auswärtigen Geschäfte, Lord Castlereagh, begibt sich ebenfalls nach Chatillon.
Die kriegerischen Operationen werden während dieser Verhandlungen ungestört fortgesetzt werden.
Quellen.[]
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Minerva Ein Journal historischen und politischen Inhalts. Für das Jahr 1816. Leipzig in der Expedition der Minerva.
- ↑ Der Krieg in Deutschland und Frankreich in den Jahren 1813 und 1814. Von Carl v. Plotho. Berlin, bei Carl Friedrich Amelang 1817.
- ↑ Oesterreichischer Beobachter. Nro. 42. Freitag, den 11. Februar 1814.