Coblenz.[]
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Coblenz, ehemals die Residenzstadt des Churfürsten von Trier, im jetzigen preußischen Großherzogthum Niederrhein, am Einfluß der Mosel in den Rhein, in einer reizenden Gegend gelegen. Ueber die Mosel führt eine steinerne, über den Rhein aber eine fliegende Brücke. Unter den Gebäuden sind merkwürdig der ehemalige erzbischöfliche Palast, mehrere schöne Kirchen und aufgehobene Klöster, das ehemalige Jesuitencollegium nebst dem Gymnasium, das deutsche Haus, das Waisenhaus und das Rathhaus. Zu Lätare und in der Mitte des August werden Messen gehalten, deren jede 14 Tage dauert. Die Bevölkerung ist gesunken und betrug im J. 1799 mit Einschluß von Nauendorf und Moselweis, die man als Vorstädte betrachtet, 10,000 Seelen. Vormals war Coblenz befestigt und 1688 wurde es von den Franzosen vergeblich belagert. In den letzten Zeiten hat es ungemein gelitten. Die umliegenden Lustschlösser sind von den Franzosen zerstört, das Residenzschloß des Churfürsten aber in eine Caserne und Lazareth verwandelt worden. Der Handel lag danieder. Coblenz war, so lange er zu Frankreich gehörte, die Hauptstadt des Departements des Rheins und der Mosel, der Sitz der Regierungsgewalten und des commandirenden Generals der 26sten Militärdivision.
Festung.[]
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Koblenz (Confluentia) von den Römern gegründet, am L. U. des Reins und auf beiden Seiten der Mosel-Md., ist in Verbindung mit der gegenüberliegenden Vestung Ehrenbreitstein eine Vestung vom ersten Range. Die Stadt selbst ist nur von den einfachen alten wiederhergestellten Bevestigungen umgeben. Aber auf beiden Seiten des Reins und der Mosel sind neue Werke angelegt, von denen die Stadt eingeschlossen und beherrscht wird. Aus den Trümmern der ehemaligen Vestung Ehrenbreitstein, welche durch ihre Stärke berühmt war, und von den Franzosen 1799 gesprengt wurde, heben sich neue Werke empor. Verschwunden ist die letzte Spur der ehemaligen hohen Thürme und Häuser, und vester, als jemals, ist Ehrenbreitstein geworden. In gleicher Höhe mit ihr, auf der andern Seite von Thal-Ehrenbreitstein, liegt der sogenannte Bohnacker, auf welchem die Franzosen von der letzten Belagerung eine Batterie angelegt hatten. Auch dieser Berg ist jetzt bevestigt, und so die einzige Seite, von welcher Ehrenbreitstein beschossen werden konnte, gegen jeden Angriff gesichert. -- Auf der L. Seite des Reins am R. U. der Mosel ist die Karthause bevestigt, und dieses sehr veste Werk heißt jetzt der Hunnenkopf, weil da sich einst die Hunnen lagerten. Am L. U. der Mosel auf dem Petersberge ist ebenfalls ein vestes Werk mit mehreren Außenwerken. So liegt Koblenz jetzt zwischen vier sehr starken Werken, welche diesen Platz zu einer der ersten Vestungen Deutschlands machen. -- Fabriken, Handel. 1050 H. 11'000 E.
Von Reisende.[]
Ernst Moritz Arndt.
- Koblenz und seine Gegenden.
Sie ist unstreitig eine der ältesten Städte Teutschlands, und schon Ammian Marcellin redet von einem Kastell bei Confluentes. So nannte man nemlich die Gegend, wo die Mosel und der Rhein zusammenfließen, und davon bekam die Stadt in dem Munde der teutschen Sprache den Namen Koblenz. Dem ungeachtet sieht sie jetzt nur noch an Einer Seite, nemlich an der Mosel hin, antik aus, und sie war auf dem Wege, sich immer mehr zu verjüngen, wenn ihr diese blutige und umkehrende Zeit nicht so in die Queere gelaufen wäre. Was aus manchen dieser rheinischen Städte werden muß, wann sie vielleicht aufhören, Residenzen besondrer Fürsten zu seyn, das kann ihnen jeder leicht vorhersagen. Ich will nun so in und um die Stadt umherspazieren, und erzählen, was mir gefallen und merkwürdig geschienen hat. Zur Vorrede will ich aber doch sogleich sagen, daß ich in diesem Koblenz am liebsten wohnen mögte von allen rheinischen Städten, die ich bisher gesehen habe. Sie hat eine der reitzendsten und lustigsten Lagen von der Welt, und wir wollen sehen, wie der Koblenzer und der Fremde seine freien Stunden benutzen kann, um der ländlichen Natur in ihrer ganzen Fülle und Lieblichkeit zu genießen.
Nordöstlich hat die Stadt den Rhein und die Mosel. Der erste zeigt ihr gegenüber die schönsten Weinberge und Dörfer, und das Felsennest Ehrenbreitstein mit seinem anmuthig bebauten Thale, wohin man auf der wandelnden Schiffbrücke leichte Promenaden machen kann. Wie gern hätte ich oben auf diesem ewigen Felsen gestanden, aber das ist einem Fremdling jetzt nicht vergönnt; Glück genug, wenn man nur überall ans andre Ufer hinüber darf. Dieses Ufer mit dem herrlichen Strom könnte allein einer Stadt schon den Namen der Schönen verdienen, wenn man die Lust und das Gewimmel der Rheinfahrt noch dazu nimmt. So konnte ich bei meiner Ueberfahrt nur von unter zu den natürlichen und künstlichen Mauern dieser unüberwindlichen Festung hinaufsehen. Die Häuser am Fuß des Berges längs dem Strom nennt man nur das Thal, oder das Thal von Ehrenbreitstein; über diesem hübschen Thale liegt auch die alte Residenz der Churfürsten von Trier nebst seinem Umhang, aber alles das sehr verödet; weil es seit der Regierung des jetzigen Fürsten nicht mehr bewohnt worden ist. Sanft und mild ist die kleine Landschaft hinter dem Thal, oder vielmehr der in die Berge einlaufende Sack des Thals mit Bäumen, Reben, und einem Sauerbrunnen, dessen Wasser man nebst Selterser in Koblenz unter den Wein gießt. Ach! es kann einen doch jammern, daß diese schönen Ufer von einander gerissen werden sollen! Jetzt ist dieses Thal ein Sitz des tiefsten Friedens, da keine Kugeln mehr herumfliegen. Man proviantirt die Festung von Zeit zu Zeit und behauptet, erst vor einigen Monaten sei von der Landschaft für 6 Monate Proviant zusammen und hinein gebracht; es sei aber vielleicht nicht für 14 Tage da, so fleißig gehe der Handel hinter wieder hinaus. Will man diese Ueberfahrt nicht machen, so wandert man sogleich aus der Stadt den Rhein entlang, hat drüben immer die lustigsten Dörfer und Weinberge, und diesseits Gärten, Felder und Obstbäume; bald kömmt man an die niedliche Rheininsel, den Oberwörth, ein Gegenstück zum Niederwörth am andern Ende der Stadt. Diese liebliche Insel hat Büsche und Wiesen und Felder, und ihr sonst prächtiges Nonnenkloster liegt in seinen Trümmern traurig da. So geht man fort, bis das Ufer sich eng einschließt, und schont einen kleinen Schweiß nicht, den Berg zu ersteigen, von dem sich die schöne Welt in einer weiten Aussicht über die große Gegend, die alten Thurmzacken am Strom, über die Stadt und die beiden Ströme elysisch aufthut. Ich habe auf seinem grünen Rasen zweimal recht angenehme Stunden verträumt. Man lasse nun die der Stadt nähere Karthause noch unberührt, und gehe so südwestlich eine gute halbe Meile von der Stadt auf ihm fort, bis man an die Mosel gelangt, die zuerst südwestlich von der Stadt fließt, und dann auf einmal eine südliche Wendung nimmt, und in dieser Schlingung durch hohe Berge am jenseitigen Ufer die anmuthigsten Weinberge, nette Dörfer und Waldufer, und in der Ferne den Hundsrück zeigt, von dem die hieher auslaufenden hohen Bergufer noch Fortsetzungen sind; denn man nennt das Gebirge einige Male hinter Koblenz südlich schon den Hundsrück. Von diesem Berge geht man nun in den Westen hinein, an den schönen Ufern der Mosel fort, und wendet sich alsdann nördlich mit ihr der Stadt zu, bis man auf ihre Brücke kömmt, wo man so gern Stillstand macht, um die Vermählung der Ströme und Ehrenbreitstein mit seinem schönen Ufer aus einem andern Standpunkte zu sehen. Dann geht man jenseits hinüber, und kann am Rhein herum eine halbe Stunde bis Kesselheim einen entzückenden Spaziergang haben. Der Fremde geht auch nach gerade von der Brücke hinauf einige hundert Schritt zur Anhöhe, um das Blockhaus und die Batterien zu sehen, aus welchen man sich mit Ehrenbreitstein zu sehen, aus welchen man sich mit Ehrenbreitstein kanonirt hat, ehe es durch Hunger fiel. Eine Merkwürdigkeit hier sind noch die Gräber zweier französischer Generale, die zugleich edle Menschen waren. In den Verschanzungen selbst liegt Hoche, einer der schönsten und edelsten Menschen, welche sein blutiges Jahrzehend auszeichnen. Er hat statt eines Monuments bloß eine hölzerne Skizze von dem zu hoffenden steinernen Monument. Es dient einstweilen der Wache zur Decke. Einige Soldaten lagen auf seinem Hügel, worüber dieser hölzerne Schuppen geschlagen ist, und welcher keinen Grashalm hat, und schnarchten; ein recht soldatisches Lager und die gebührende Gesellschaft des Tapfern, dessen Asche hier liegt. Außerhalb den Verschanzungen nördlich, einige hundert Schritte im freien Felde, steht das steinerne Denkmal des General Marceau. Ein niedriges hölzernes Staket läuft rund herum, um es zu sichern; aber Menschen und Thiere hatten schon ihren Schmutz hinein gemacht, weil die Thüre ausgerissen da lag. Es ist eine Pyramide aus röthlichem Granit, drei Mannslängen hoch, und ich will die Worte der vier Seiten hersetzen, weil die Begebenheit so neu ist. Gleich am Eingange an der Westseite lieset man: . . . .
Am westlichen Eingange sieht man durch das Gitter der Thüre des Monuments eine schöne schwarze Urne, mit einem Lorbeerkranz umwunden. Sie enthält die Asche seines Körpers, und eine Inschrift, die in Kürze mehr sagt, als der vorige lange Schwall von Worten: Hic cineres, ubique nomen. Dieser Thüre gegenüber östlich ist ebenfalls eine Nische und eine Oeffnung mit einem Gitter in Stein, worin Tropäen und Waffen mit seinem Generalshut aufgethürmt sind.
Mit ernsten Gedanken, nicht bloß über diese Todten, wanderte ich so feldein, und war, ehe ich es selbst merkte, in der breiten Pappelallee, welche zu dem churfürstlichen Lustschlosse Schönbornslust führt. Auch hier war mir's als seien Todten da begraben, so still und melancholisch war alles rings umher. Dieses Schloß, von einem Churfürsten aus dem Hause Schönborn erbaut, hat schon nicht die glückliche Lage, und es scheint, als habe man in diesem Paradiese, wie einst der stolze Ludwig zu seinem Versailles, die schlechteste Gegend ausgesucht. Es liegt nemlich auf einer kahlen Ebene, die kaum gutes Korn trägt und sehr sandig ist. Nun alles halb zerstört und ausgeleert und unbewohnt, schickte es mich eben so wehmüthig nach dem nahen Koblenz zurück, als ich die Gräber der Todten verließ, wo vielleicht noch andre Todten, von Ehrenbreitsteins Kugeln getroffen, liegen.
Der nächste und beste Spazierort der Koblenzer war sonst die Karthause, die eine Achtelmeile von ihren Thoren liegt, auf der halben Höhe des Berges, über welchem ich nach der Mosel vom Rheinufer aufstieg. Sie war wegen ihrer Nähe, wegen der reitzenden Aussicht über das Thal, die Stadt und die beiden Ströme, sonst eine der Lieblingszuflüchte der Koblenzer, und sie ließen sich Milch, Bier und Wein, hier auf der grünen Terrasse gelagert, wohl schmecken. Jetzt ist sie fast ganz zerstört, und ihre Vögel sind in ein anderes Nest in der Stadt eingezogen, woraus sie vielleicht auch bald gejagt werden. Ich glaubte anfangs, sie sei von den Kanonen Ehrenbreitsteins vielleicht so schlimm mitgenommen, aber man erzählte mir, die Franzosen, als sie hier ihr Lager hatten, haben sie bloß aus Muthwillen so gemißhandelt. Die Kirche ist allenthalben im Gewölbe und den Wänden aufgerissen, die Zellen zertrümmert, welche durch mehr als Eine Oeffnung Tageslicht geben; die andern Gemächer durchaus so abgebrochen, zerschlagen und verwüstet, daß dem Kolonus kaum einige Löcher für sein bischen Korn und Gartengewächs übrig bleiben. So schnell ist ein schönes Gebäude verdorben, das vom Anfange dieses Jahrhunderts zählte, und woran der Zahn der Zeit fünf Jahrhunderte hätte nagen können, eh'er es so weit gebracht hätte. An einer Wand las ich die erklärenden Worte mit Rothstein geschrieben: Telle est la guerre de l'egalité, de devaster les palais et respecter les chaumieres. Gilbert Capitaine. Wenn das erste Gleichmachungssystem schon den Unwillen des Rechtschaffnen erregt, so mögte man es als einen Irthum noch verzeihlich finden, wenn man das zweite nur gehalten hätte; aber man gehe rund bei den Leuten unter dem Strohdache, und frage sie: was werden sie zur Antwort geben? Indessen auch so noch hat dieser jetzt öde platz unbeschreibliche Schönheiten, und ich habe einige Abende aus seinem Weinberge und aus den verbrannten und mit Heu und Pferdedung gefüllten Nischen, den ehemaligen Sitzen der Heiligen, die sinkende Sonne hier erwartet. Man hat das ganze schöne Thal, das an diesem Berge und dem Ufer des Rheins nach Süden läuft, unter sich, sieht den Oberwörth mit seinem eben so zerstörten Kloster in den Fluthen des Rheins antworten, sieht jenseits die herrliche Berg- und Thalgegend mit alten Schlössern und Thurmspitzen, das gewaltige Ehrenbreitstein, die Stadt, die von dieser Seite so freundlich und romantisch da liegt; alles dieses, von dem milden Lichte des Abends und von dem thauenden Schleier der nahenden Nacht umwölkt; und man vergiebt mir, wenn ich bei diesem Anblick der Noth des schönen Landes vergaß, und wünsche hier in einem zerbröckelten Theil des Klosters meine stille Wohnung aufschlagen zu dürfen. Noch jetzt, da ich dieses im äußersten Germanien zum zweitenmal schreibe, wird die heiße Sehnsucht wieder wach nach Koblenz, und es ist mir, als läge ich sehnend und selig im Fenster meines Stübchens zu den Drei Schweitzern über dem rauschenden Strom, worin die Sterne leuchten, und das hohe Ehrenbreitstein jenseits seine Schatten wirft, und furchtsam in der Nacht einzelne Ruder am Ufer hinplätschern.
Die Stadt liegt von Westen nach Osten längs der Mosel hin bis zum Rhein, und hat zu dieser Länge ungefähr die halbe Breite vom Norden nach Süden. Offenbar war diese Moselseite der erste und älteste Theil der Stadt und für diese Ehre hat sie den Vorzug, jetzt der schwärzeste, dunkelste und verlassenste zu seyn, worin sich viele Gärten eingefunden haben, und man selten Menschen wandelnd trifft, es sei denn in der Moselbrückenstraße und um das Rathhaus. Die Gebäude sind größtentheils altfränkisch und häßlich, eben so das Rathhaus oder jetzige Gemeindehaus mit seinem Platze, die Straßen eng und so schlimm und spitzsteinig, daß sie in Jahrhunderten nicht gepflastert scheinen. Eben das alte Ansehen ist in den Klöstern und Kirchen dieser Gegend. So ist auch die äußere westliche Landseite eng, trübe, abgeschnitten und menschenleer. Dort ist der ganze äußere Ring an der Mauer mit kleinen Tagelöhnerhütten besetzt, und eine Schnur von Wein- und Obstgärten folgen einander. Aus diesem Theil der Stadt geht die alte steinerne Moselbrücke, welche das jenseitige Land mit ihr verbindet. Man sagt, es soll jenseit vormals noch ein zweites kleineres Koblenz, gleichsam eine Vorstadt von Koblenz, gelegen haben, jetzt ist keine Spur mehr davon. Die Brücke ist so hoch, daß kleine Schiffe, wie sie auf der Mosel fahren, mit ihren Masten darunter hinlaufen können, mit vierzehn Bögen, beinahe 500 Schritt lang. Sie dient gegen die Abendzeit häufig zur Promenade, welche durch die Aussicht auf die beiden Flüsse und ihr brausendes Zusammenströmen recht munter ist. Nur die östliche Seite und die Rheinseite der Stadt kann man eigentlich das schöne Koblenz nennen, und da ist die Stadt recht hübsch, die Häuser meistens dreistockig und aus Stein gebaut, und, wenn nicht alle pallastartig doch nett und freundlich, und die Menschen selbst hier nicht der Ausschuß des Glücks. In diesem Theile liegen auch die Palläste einiger Großen des Landes, z. B. die der Grafen von Elz, von Bassenheim, von Leyen, von Metternich und andre, welche jetzt aber größtentheils leer stehen. Doch ist es schade, daß hier keine grade und fortlaufende Gassen sind, die einzige vom Rheinthore ausgenommen, die nachher mit einigen Krümmungen unter verschiedenen Namen durch die ganze Stadt bis zur Moselbrücke läuft. Hier sind auch ein Paar ganz hübsche, wenn gleich nicht große Plätze, der Plan, meistens in der Mitte der Stadt, und näher dem Rhein, und der südlichen Außenseite der Paradeplatz, ein feines Viereck, rund umher mit einer Lindenallee, mit Billards, Kaffe- und Schenkhäusern, Galanteriebuden und andern hübschen Gebäuden. Dieser Platz ist die Tages- und vorzüglich die Abendpromenade der jungen, schönen und galanten Koblenzer Welt, und er verdient diese Ehre in mehr als Einer Rücksicht. An ihn stößt eine Reihe neuer Gebäude mit schönen Straßen, welche man die Klemensstadt nennt, und die erst in den letzten 30 Jahren dieses ablaufenden Jahrhunderts unter dem jetzigen sächsischen Fürsten Klemens Wenzeslaus entstanden sind. Man geht durch diese eleganten und netten Wohnungen gleich ins schöne Freie südlich hinaus, wo kein Thor, keine Schildwache die Ein- und Ausgehenden belästigt. Hier findet man links den neuen churfürstlichen Pallast, und rechts in der Entfernung von etwa 300 Schritt den Gasthof zum Trierischen Hof, das Ball- und Schauspielhaus, und andre feine Gebäude, dem Herrenhause symmetrisch gegenüber gebaut. Alles dieses ist Anlage, oder doch Beförderung des jetzigen Fürsten, dem die alte Felsenwohnung unter Ehrenbreitstein nicht gefiel, und der sich hier ein lustiges Haus im Freien dicht am Rhein baute. Doch hat der Pallast, so schön ihn die Koblenzer auch finden, immer etwas Schwerfälliges, und das schönste dieser neuen Gebäude ist das Schauspielhaus. Unweit dem Pallast an der Stadt am Rhein liegt noch der stattliche Dikasterialbau, der aber nur durch seine Masse wirkt. Alles dieses Frische und schöne hat in den letzten drei, vier Jahren unendlich gelitten. Die Residenz und ihre anstoßenden Gebäude und Ställe geben nur das Bild der Zerstörung. Sie dient jetzt zum Hospital für die Truppen, und die andern für die Reiterei. Im Innern herrscht ganz der Schmutz, der dem gemeinen Franzosen eigen ist, noch mehr dem Kranken und Lazarethartigen. Von der alten Zier ist auch keine Spur mehr übrig. Schon trieft der Schmutz an den schönen Wanden und Kolonnaden nieder, und eine Menge Fenster sind mit Brettern zugenagelt. Prächtig herrscht der stattliche Bau auf den Rhein, von welchem er etwa 20 Schritte entfernt liegt, und an der andern Seite baut man der freien ländlichen Luft und seiner Nähe zu Ehren, selbst in diesen trübseligen Zeiten, immer noch neue Häuser. Zwischen diesen schönen Gebäuden legte der prachtliebende Churfürst eine schöne Promenade an, die weiter nach Süden mit Lindenalleen, Baumgruppen und Hecken ausläuft, und mit ihrem ewig grünenden Rasen so nahe am Strom und am schönsten Theile der Stadt viel Reitzendes hat. Doch auch von ihren Bäumen sind viele verdorben, und weniges Gestripp und Stumpen verrathen die alten Büsche und Hecken, welche die Zeit, nicht mit Theresischem Pratergeist, zerstört hat. Von hier breitet sich das liebliche Thal, längs lustige Steige und unter dem Karthauseberge aus, in welches lustige Steige und Wege nach allen Seiten führen. Dieses Thal ist in mancher Hinsicht ächt hesperisch, nur daß das Grün lebendiger, die Bäume frischer, der Strom kraftvoller ist. Nah der Stadt sind Gärten und Gartenfrüchte zum Vergnügen und Nutzen. Selbst die alten Wallgräben und die zerbröckelten Festungswerke an der westlichen Stadt sind durch den Fleiß der Menschen in Gärten und Kornland verwandelt. Man sieht die trefflichsten und reichsten Obstbäume, Pfirsiche, Aprikosen, und andre Südfrüchte in größter Fülle, und einen unsäglichen Reichthum von Küchengewächs, und selbst die Felder, mit Bäumen und Baumreihen durchpflanzt, geben nur das Bild eines einzigen Gartens. Man sieht alle Arten Getraides, Weitzen, Gerste, Hafer, Erbsen, Spelt; nebst Klee- und Kartoffelfeldern; und Nuß- und Aepfelbäume hängen ihre reichbeladene Kronen zur Erde. Aber das Schönste, was diesen Gärten und Feldern auch nie fehlt, sind die reitzenden Weiber und Mädchen der Stadt, die in mancherlei Arbeit und Freude sich hier den Tag über zeigen.
Koblenz ist mit ihrer Nachbarin Bonn ganz in gleicher Lage. Sie hat keinen Handel, obgleich sie ungemein vortheilhaft dazu liegt, und eben so wenig Industrie. Man lebte hier von dem schönen Lande und von den zufälligen Vortheilen der beiden Ströme, am meisten aber von der Nahrung, die der Hof und mehrere Reiche und Große des Landes, die dem Hofe folgten, durch alle Adern der Stadt trieben. So wuchs die Stadt an Wohlstand und Kultur, und bekam noch einige Jahre von ihrem Wittwenstande einen neuen und schimmernden Zufluß durch die Menge der Emigranten, die unter der Anführung der Brüder des Königs von Frankreich, bei ihrem Oheim, dem Churfürsten, Schutz suchten. Aber dies diente nur, sie vollends zu verwöhnen, machte einige reich, verdarb viel für ihr Leben, und ließ sie nachher ihren öden Zustand desto bitterer fühlen. Man giebt der Stadt mit einer runden Zahl etwas über 1050 Häuser, und rechnet ihre Einwohner, das Thal und die Festung drüben mitgerechnet, an 12000, jetzt aber sind sie durch den Abzug des Hofes und den Druck der neuesten Jahre wenigstens um ein Drittheil verringert, und en großer Theil der Häuser steht leer, worin sonst das lebendigste und lustigste Leben war. Ich werde von den Ursachen noch etwas mehr sagen, wenn ich erst ein Wort über die Menschen werde verloren haben. Schon in Bonn fällt es einem wunderbar auf, wenn man ein Paar gesunden Augen hat, daß man es nicht mehr mit den gestalt- und seelenlosen Köllnern zu thun hat, und hier ist der Unterschied noch sichtbarer. Wie sollte auch der milde und zugleich frische Himmel, die freundliche und segenreiche Erde, die Korn, Obst, Wein, Mineralwasser und alles Schöne und Gute reichlich erzeugen, wie sollten diese, deren Kraft rings umher wie ein geistiger Becher aufsprudelt und schäumt, nicht auch schöne Menschen machen? Es entgeht keinem, daß dieser anrheinische ein starker, behender und wohlgebauter Menschenschlag ist. Die Leiber sind nervigt und gewandt, die Füße nicht zu groß, die Schenkel gezeichnet, und nicht holländisch und flamländisch in einander fließend, Schultern und Brust breit und gewölbt, und bei dem allen ein Gesicht, das oft schön, meistens kräftig und ausdrucksvoll ist. Aufgefallen ist es mir, daß man hier mehr Blondlinge und ächte Flachsköpfe findet, als in irgend einer andern Provinz Teutschlands, es sei denn in den untern Harzbergen. Sind die Männer so, wie sollten die Weiber nicht wohlgebildet, ja wie sollten viele selbst nicht Schönheiten seyn? Man gehe nur des Morgens um 9 und 10 Uhr auf den Kräuter- und Obstmarkt und die umliegenden verkehrvollen Straßen nicht weit vom Plan, und betrachte die Bäuerinnen, wie die Städterinnen des schönen Mosel- und Rheinlandes; man betrachte die Alten, die mit ihrer Waare feil sitzen, oder die Hausfrauen und Jungfrauen und Mägdlein, die kaufen, oder schauen und geschaut werden wollen, und man bewundert den Menschenbau dieses glücklichen Landes nicht weniger, als die Vortrefflichkeit der Früchte, die in Körben und Netzen zur Schau liegen. Ich muß es bekennen, daß ich die wenige Tage meines Hierseyns diesen langsamen und gedrängten Morgenspaziergang immer mit Vergnügen gemacht habe. Selbst unter denen, die das Alter schon gegelbt und berunzelt hat, sucht man umsonst die dicken, schmierigen und unverschämten Biertonnen der Pariser Hallen, oder die reinlicheren der Niederlande; und die holde Jugend, welche Lieblichkeit, Geschmeidigkeit und Zartheit hat sie! Das mittlere Alter, wie zeigt es noch immer freundlich und gefallend die Spuren gebleichter Reitze! Ein schöner Wuchs, ein feiner Fuß, ein hoch gewölbter Busen, so wie ein seltener Reichthum des Haarwuchses, sind hier so in der Regel, daß man die Ausnahmen zählen muß. Sie haben ein sehr schönes Blut und eine schneeweiße Haut, einen fein geschnittenen Mund, und blaue Augen, große blaue, ächt germanische Augen, o wie begegnen sie einem oft mit Entzücken! Aber wenn mich die Anmuth und Schönheit des Geschlechts so begeistert hat, so muß ich leider bekennen, daß ich doch lieber vor 25 Jahren ihre Mütter mögte gesehen haben. Man weiß es, und die Klage ist von einem Ende des Vaterlandes zum andern geschallt, wie der ausgewanderte französische Hof wie eine Pest auf die Sitten fiel, wohin er sich nur wandte. Er brachte auch im Unglück alle Verdorbenheit und allen Uebermuth mit, die vorher sein eignes armes Land geplagt hatten. Hier war lange sein Hauptsammelplatz, und es ist den müßigen und damals noch reichen und glänzenden Taugenichtsen nur zu gut gelungen, tiefe Spuren ihres Verderbens zurückzulassen. Was sie angefangen haben, das setzen die jetzigen republikanischen Franzosen fort, und manche junge Teutsche treten gelehrig in ihre Fußstapfen. So schütteln denn die rechtlichen Männer den Kopf, und die Redlichen trauren. man hat mir besondre und ganz unteutsche Dinge erzählt, von hispanischen und italiänischen Instrumenten, die hier die Zeit eingeführt haben soll; ich kann es nicht glauben. Zur Beglaubigung indessen des Vorhergesagten gehe man nur des Abends um 9 und 10 Uhr durch die Gassen und auf dem Plan, dem Paradeplatz und der Promenade spazieren. Da fällt mir das Wort eines Franzosen von Kölln wieder ein, der Koblenz hoch zu rühmen meinte, wenn er es das kleine Paris nannte. Es ist da beinahe parisisch, und, mit Wehmuth sage ich es, selbst Kinder von 13, 14 Jahren, die noch lange in der Knopfe bleiben sollten, streifen in lüsternen Gruppen umher, oder stehen einladend vor den Thüren aus, und unter dem Schatten der Bäume in und vor der Stadt liebt man vollends recht adamisch und demokratisch; denn Adam war sicher noch Demokrat, ehe er Kinder hatte. Was kann der Franzose nicht thun, wenn er einmal die Weibsen für sich gewonnen hat? Ich will ein Schurke seyn, sind mir auf den Promenaden -- ich rede nicht bloß von den abendlichen -- viele Blicke begegnet, die vor meinem Auge gesunken wären, so scheinen die schönen Augen alles durchbohren zu wollen, und wehe dem Weibe, vor dessem Auge der Mann erröthen muß! Selten mag er größerer Geist und größeres Herz seyn; gewöhnlich ist es noch alles verachtende Frechheit.
Quellen.[]
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Lehrbuch der Militär-Geographie von Europa, eine Grundlage bei dem Unterricht in deutschen Kriegsschulen, von A. G. Hahnzog, Divisionsprediger und Lehrer an der Kriegsschule in Magdeburg. Magdeburg, bei Ferdinand Rubach 1820.
- ↑ Ernst Moritz Arndts Reisen durch einen Theil Teutschlands, Ungarns, Italiens und Frankreichs in den Jahren 1798 und 1799. Zweyte verbesserte und vermehrte Auflage. Leipzig, 1804. Bei Heinrich Gräff.
Literatur.[]
- Topographische Geschichte der Stadt Coblenz von ihrem Entstehung bis zum Schlusse des 18ten Jahrhunderts. Von Wilhelm Arnold Günther. Coblenz, 1813. Gedruckt und verlegt bei Pauli und Comp.