Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Englands Spiel gegen Frankreich während des jetzigen Krieges.[]

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[1808]

Das Jahr 1793 war im ganzen Revolutionskriege für Frankreich das unglücklichste und schien Pitts kolossalische Entwürfe zu rechtfertigen. Der größte Theil Europens lag wider Frankreich im Felde; Oesterreich, Preussen, das Deutsche Reich, Holland, Spanien, Portugal, Neapel, Sardinien, alle hatten sich zum Untergange Frankreichs verschworen, und in London so wie in ganz Europa zweifelte fast niemand mehr an Frankreichs Vernichtung. Die Brittischen Flotten umliefen den Erdball, um auf alles was Französisches Gut war, Zerstörung und Elend zu bringen. Plötzlich erhob sich das Französische Volk in den Tagen der tiefsten Noth mit einer Gewalt und Beharrlichkeit, welche die Welt mit Erstaunen und Entsetzen füllten. In kurzer Zeit war Alles und mehr wieder erobert, als je verloren gegangen. Frankreichs glänzende Siege auf dem festen Lande; die wachsende Uneinigkeit der Koalitionen; die Friedensschlüsse mit Toskana, Preussen, und Spanien, die Eroberung Hollands, belehrten das Brittische Ministerium, die entworfene Eroberung Frankreich, die Zerstückelung und Vernichtung dieses Staats sei nicht so leicht möglich.

Die Brittische Regierung ließ die ersten Pläne fallen und begnügte sich ihre Macht auf dem Meere geltend zu machen, sich auf Kosten Frankreichs in den Kolonien Frankreichs zu vergrößern, und die erste und einzige Seemacht der Welt zu werden. Ihre Alliirten waren nun noch unglücklicher als vorher, und Bonapartes Erscheinung verwandelte die Gestalt des Krieges auf dem festen Lande.

Mit dem Genie, dem Muth und dem Glück eines Cäsar, führte er seine Truppen zu eben so viel Siegen als Schlachten. Er zwang Sardinien, den Pabst und Neapel zum Frieden und endlich selbst Brittaniens mächtigsten Bundesgenossen, den Deutschen Kaiser.

Nur England allein behauptete mit unveränderlichem Glück seine Uebermacht auf allen Meeren, und nachdem es fast alle Französische Kolonien erobert hatte, bemächtigte es sich noch der meisten Holländischen. Wie Frankreich auf dem festen Lande, so wuchs England in beiden Indien an Macht.

Im Anfange des Krieges, im Jahre 1793 war noch Hofnung zur Wiederaufrichtung des Throns der Bourbonen. England leistete dafür am wenigsten, im Gegentheil schien es die allzuzeitige Wiederherstellung der Ordnung in Frankreich zu fürchten. Es wollte von dem Kriege Gewinn ziehen und bemühte sich daher, die Unordnungen im Innern Frankreichs zu erhalten, dafür verschwendete es ungeheure Geldsummen. Oeffentlich wurden die Minister im Parlament angeklagt, daß sie Insurrektionen zu Paris veranstalteten. Sheridan machte im Unterhause die Anzeige, daß man bei London unter dem Schutze des Ministeriums eine Fabrik von falschen Assignaten angelegt habe.

Pitts furchtbarer Plan, durch Unterstützung des Bürgerkriegs in der Vendee, in der Normandie und Bretagne durch Lieferung von Waffen, Munition und Geld des Königthum in Frankreich wieder empor zu kriegen. Eine Brittische Flotte setzte zu Quiberon 7 bis 8000 Chouans Familien ans Land, allein Hoches blutiger Sieg zerstörte diesen furchtbaren Entwurf des Staatsministers.

Demungeachtet behielt das Kabinet von St. James sein großes Ziel vor Augen, nämlich Alleinherrschaft über den Ozean durch den Ruin der Europäischen Seemächte. Es änderte nur die Mittel, nie den Zweck.

Durch die Siege der Französischen Armeen war die erste Koalition vernichtet worden, und nach dem Frieden von Campo Formio stand Großbrittanien allein noch auf dem Kampfplatz gegen Frankreich.

Bonaparte der größte Mann Frankreichs gieng nach Aegypten, um von dort aus den Weg nach Ostindien zu bahnen. Er nahm Maltha, nahm Aegypten, und durch den Verlust des letztern wurde die Türkei Englands Kriegsgenossin. Zu gleicher Zeit wurde auf dem Europäischen Kontinent die Schweiz, Rom und Neapel weggenommen, und bei diesen Vergrößerungen Frankreichs konnten die Mächte nicht gleichgültig bleiben. So sammelte sich also die zweite Koalition gegen Frankreich willig.

Eine Zeitlang hatten die Britten, so lange sie allein gegen Frankreich standen, vor dem Waagestück einer Französischen Landung gezittert, aber jetzt war die Furcht verschwunden, denn sie zahlten an Rußland und Oesterreich Subsidien und überließen den Alliirten die Sorge, Frankreich zu beschäftigen, zu ermüden, zu schwächen.

Alles schien auch einen glücklichen Fortgang zu verkündigen, bis Bonaparte unverhoft wieder aus Aegypten in Paris anlangte. Da verwandelte sich eben so plötzlich alles Glück der Verbündeten in Verderben. Die Schlachten von Marengo und Hohenlinden zerstörten die zweite Koalition, aber Pitt hatte für sein Vaterland doch immer noch den Vortheil gezogen, den Alleinhandel zur See zu haben. Der Norden (Rußland, Schweden, Dänemark) wagte es zwar, dem Englischen Seedespotismus zu widersprechen und durch die Nordische Konvention zu St. Petersburg eine bewaffnete Neutralität herzustellen, aber England ließ mehrere Dänische und Schwedische Inseln wegnehmen, sandte eine Flotte durch den Sund und riß auf solche Art wie bekannt, Dänemark gewaltsam von der Konvention ab.

Paul der Erste von Rußland war gegen England so erbittert, daß er sich mit Frankreich zu vereinigen Anstalt machte, und durch seinen Tod verlor England einen bedeutenden Widersacher.

Alexander sein Nachfolger näherte sich den Zwecken des Brittischen Kabinets, und der junge König von Schweden zeigte sich gleich beim Antritte der Regierung als Freund der Britten und als unversöhnlichen Feind Frankreichs. Diese Umstände waren für England wichtig genug um den Frieden, der bei Amiens 1802 geschlossen worden, wieder aufzuheben, und noch eher alle Artikel dieses Friedensschlusses erfüllt wurden, dahin auch die Räumung Malthas gehörte, fiengen auch schon die Feindseligkeiten von Englischer Seite an.

Das Brittische Kabinet hatte hiezu geheime Ursachen, besonders wünschte es den Tod des Konsuls Bonaparte und eine neue Revolution. Was in dieser Hinsicht für Konspirationen gemacht wurden, ist bekannt. Georges, Pichegrü, und ihre Mitverschworne hatten Anschläge auf das Leben Bonapartes entworfen, die aber scheiterten, und selbst die auf seinen Tod berechnete Höllenmaschine verfehlte ihrer gräßlichen Bestimmung, im Gegentheil beförderten diese Anschläge die Verwandlung der schwankenden republikanischen Regierungsform in eine erbliche Monarchie.

Erst im Jahre 1805 da Pitt das Ruder der Regierung in seine geübte Hand wieder genommen, empfing der Krieg eine ernste Gestalt, es flossen neue Subsidien nach Oesterreich und Rußland und die dritte Koalition kam den 11. März zu Stande, sie wurde aber in eben diesem Jahre auch durch die Schlacht bei Austerlitz wieder zerstört.

Im folgenden Jahre gieng es nicht besser, und die traurige Geschichte für Preussen von der Schlacht bei Jena an, ist noch in zu frischen Andenken, um sie hier zu wiederholen.

So hat also England in einer langen Reihe von Jahren, um seine merkantilische Hoheit zu erweitern, mit grausamer Politick ganz Europa gegen Frankreich ins Feld geschickt, und jedesmal damit geendet, seine Bundesgenossen zu verlassen und zu verlieren. Wie es mit Schweden den letzten übrig gebliebenen Alliirten gehen werde, ist nicht schwer einzusehen, und auch diesen wird gleiches Schicksal wie seinen Vorgängern treffen.


Ueber die Dauer des Kriegs zwischen Frankreich und England.[]

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[1808]

Das Englische Ministerium spricht von einem ewigen Kriege und das ist ein so fürchterliches Wort, das jedem Menschenfreund erschüttert. Nun freilich zweifeln viele an dieser Ewigkeit, aber sie fürchten doch die lange Dauer des Krieges, der ihnen bereits so verderblich geworden ist. Woher diese Furcht komme, ist leicht einzusehen, ob sie aber gegründet? diese wichtige Frage ist wohl der Mühe werth zu untersuchen, und daher auch hier eine deutliche Auseinandersetzung. Die Furcht daß dieser Krieg wenn auch nicht ewig doch von langer Dauer seyn werde, entsteht allein aus der Meinung, daß England noch immer viel zu bedeuten habe, und daß sich solches was Macht und Größe betrift mit Frankreich messen könne. Wahr ist es, England hat ganz Europa durch wiederholte Koalitionen gegen Frankreich in Waffen gebracht, und das alles durch Geld bewirkt, aber das ist kein Beweiß von Größe und Macht, denn das könnte allenfalls jede reiche Korporation, die Kredit genug hätte, ihre Papiere an einem Orte geltend zu machen, um an einem andern baare Summen zahlen zu können.

Doch England hatte nicht allein Papiergeld, sondern der Englische Handel leitete die Silberflotten der Portugiesen und Spanier zu sich, und weil es diese nicht mit Recht erwerben konnte, so raubte sie die Englische Regierung vor Erklärung des Kriegs und im Frieden, genug, es kam viel Geld nach London, aber von dem allen ist gegenwärtig gar nichts mehr vorhanden, und es hiebt nur noch reiche Privatleute, dagegen ist der Staat ohne Geld und besitzt nichts -- als Schulden.

Es ist bekannt, daß alles Geld was aus Portugall und Spanien gezogen worden, wieder aus England durch das unpolitische Verfahren der Minister gegen Frankreich verschwand, und die Kriege die auf dem Kontinente geführt wurden, zogen den vollständigen Verlust der Subsidiensummen nach sich, ohne daß dafür das geringste wäre gewonnen worden.

Man hält England für mächtig, weil es ein Blokirungssystem entwarf, aber auch dieses ist kein Beweis, denn dieses System hat noch keine einzige Flotte abgehalten, wenn es die Französische Regierung für gut fand, sie auslaufen zu lassen. Uebrigens kostete solches unermeßliche Summen, und ist gar nichts dafür gewonnen worden, selbst durch die ausserordentliche Seemacht wurde nichts erzweckt, als den ganzen Handel Englands auf dem großen Kontinent von Europa und der Levante zu vertilgen.

Man sagt: England habe die Oberherrschaft zur See, und ich will dieses zugeben, aber ich frage, ist es durch diese eingebilde|te Oberherrschaft, die in nichts weiter als einer Menge Schiffe besteht, wohl grösser und mächtiger geworden? Das kann wohl niemand behaupten, denn die Erfahrung lehrt das Gegentheil. Großbrittanien hat durch seine Unternehmungen alle seine Schätze verschwendet, es hat seine Nationalschuld ausserordentlich vermehrt und indem es Frankreichs Größe vernichten und seinen Handel zerstören wollte, hat es grade das Gegentheil bewirkt. Das sind Thatsachen, die selbst von keinem Engländer geläugnet werden und es folgt hieraus, daß so wie Frankreich an Macht zugenommen, England die seinige verloren habe.

Alle politische Plane des Englischen Ministeriums sind durch das Genie des Französischen Beherrschers so zerstört worden, daß England gegenwärtig ganz aus Europa verbannt ist. Die Subsidien-Plane brachten seine Gelder aufs feste Land, und in Kontributionen haben sie den Weg nach Paris genommen. Wie bekannt sind viele Englische Gelder ehe sie in die Hände der Englischen Alliirten kamen, schon nach Paris geschickt worden.

So liegt also England im Streite mit dem großen Genie eines Herrschers, der um große Plane auszuführen, die größten Hülfsmittel in seiner Gewalt hat, und England, das seinen Nebenbuhler so wenig an Weisheit als an Macht erreicht, kann unmöglich durch die Oberherrschaft zur See gewinnen, denn es ist dieses ein nichts bedeutender Ausdruck, der nur Verlust nach sich zieht, und wodurch noch nichts gewonnen worden.

Auf diesem Elemente hängt ja alles von Stürmen, von guten oder bösen Winden, von Klippen und Sandbänken ab, und ein Sieg zur See hat nichts von Ländergewinn zur Folge, folglich kann diese Wasser Oberherrschaft mit der Macht zu Lande in gar keinen Vergleich gestellt werden. Nur der Gott der Winde kann auf diesem Elemente die Oberherrschaft ausüben, und der Mensch nur so weit, als er seinen Gegner finden und ihm Schaden zufügen kann.

Daß die Chikanen zur See den Handel schwächen können, das hat seine Richtigkeit, und so hat also England auch wirklich Frankreich Schaden gethan, aber zum Unglück sich selbst mehr als seinen Feinden.

Frankreich und ganz Europa kann Mangel an Kolonialprodukten leiden, aber England leidet weit größern Schaden, indem ihm der Vortheil des Handels entzogen wird, und dann sich auch diese Artikel nicht so unentbehrlich, und der Mangel nicht so groß, daß er nicht aus andern Gegenden der Welt zum Theil wenigstens ersetzt wird, und endlich giebt diese Hemmung der National Industrie einen höhern Schwung, eröfnet neue Verhältnisse mit jenen Staaten, die ehedem England benutzte, und öfnet andern Handelszweigen alle Pforten in Europa und Asien, die den Englischen verschlossen wurden.

Sollte Europa darum unglücklicher werden, weil die Engländer nicht mehr die Waaren herbeiführen, welche das Kontinent selbst liefern kann? Sind die Tücher, Leinewand und Farbenwaaren von Frankreich, Deutschland und allen Staaten des festen Landes etwa nicht hinreichend, das allgemeine Bedürfniß zu befriedigen? Das England viele Millionen von festen Lande bezog, ist leider nur zu gewiß, folglich verliert es auch beim gehemmten Handel das Meiste. Auch in seinen Innern kann Großbrittanien nicht glücklicher seyn, wie es in seiner Beziehung auf das Aeussere ist, denn arbeiten seine Manufakturen fort, so ist es ohne Absatz, liegen sie still, so fällt der Vortheil von selbst weg. Diese Staat, der beinahe lauter Pächter und Kaufleute hat, muß bei seinen verhinderten Handel unendlich leiden, und das ohne Aussicht, daß der Friede den Schaden wieder ersetzen werde. Der Absatz der Waaren wird immer geringer. Frankreich kleidet seine Armeen gegenwärtig mit hellen Farben und nicht mehr im ganzen, Blau. Die Konsumtion des Indigo leidet also dadurch schon eine merkliche Verminderung und eben so geht es mit andern Artickeln.

Je länger diese für England schreckliche Krisis dauert, so geschwinder zehren sich die Handelskapitalien, durch den Zinsen, und Gewinnsverlust auf, und um so mehr wirkt die Verheerung des Kriegs auf ihre Kolonien, auf Ost- und Westindien zurück, denn mit jedem Monate vermindern sich natürlich die Bestellungen in den Kolonien, und mit jedem Augenblicke sinken die Preise ungesuchter Waaren. In Ostindien sind die Aussichten noch trauriger. Die ohnehin armen Manufakturarbeiter, die nie ohne Vorschuß arbeiten konnten, gerathen an den Bettelstab, weil dieselbe Beziehung auf die Baumwollenwaaren Statt finden muß, wie in Beziehung auf Zucker und Kaffee in Westindien.

Unter diesen Umständen ist nicht abzusehen, daß der Krieg von Englischer Seite von langer Dauer seyn könnte, es wäre denn, daß sich den Engländern ein neues ergiebiges Feld zeigte, den Schaden zu ersetzen, den sie bisher durch genommenen Handel in so vielen Ländern Europens, erleiden mußten. Sollte es ihnen gelingen auf irgend ein Reich sich neuen Einfluß zu verschaffen, so haben wir freilich zu befürchten, daß dieser Krieg noch von langer Dauer seyn werde, und sein Ende ist in diesem Fall gar nicht vorauszusehen und noch weniger zu bestimmen.


Quellen.[]

  1. Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
  2. Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
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