Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Ueber die Geistlichkeit in Spanien.[]

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[1808]

Der Argus liefert einige Bemerkungen über das Ansehen der Geistlichkeit in Spanien, die besonders bei der Aufmerksamkeit, welche jetzt auf dieses Reich gerichtet, nicht ohne Interesse sind, und diese Darstellung ist um so mehr bemerkungswerth, da sie mit den neuesten Beschreibungen über Spanien sehr genau übereinstimmen. Sie lautet wörtlich so:

Von jeher hat die Geistlichkeit in Spanien in sehr großen Ansehen gestanden. Die Ehrfurcht, welche der Spanier gegen einen Geistlichen hegt, übersteigt beinahe allen Glauben, er betrachtet ihn nicht als einen Menschen, sondern als einen Stellvertreter der Gottheit und als dessen Vertrauten. Was aus dem Munde eines Geistlichen kommt, das hält er durchaus für wahr und gegründet. Mag der Lebenswandel desselben beschaffen sein wie er will, er verehrt ihn dennoch als einen Gesalbten des Herrn.

Der Einfluß, welchen die Geistlichkeit auf das Volk hat, ist daher ausserordentlich groß. Sie kann alles aus diesem machen; der Spanier übt die größten Verbrechen aus, sobald sie ihm ein Geistlicher befiehlt. Er zieht in den Kampf, er scheut sich nicht vor dem Meuchelmorde, er übertrifft sich selbst an Heldenthaten, sobald ihm der Geistliche etwas auferlegt. Niemand darf daher in Spanien übel von diesem Stande sprechen; wagt er dies, so ist sein Leben auf dem Spiel. Einen Geistlichen sieht der Spanier als ein heiliges unverletzliches Wesen an. Man weiß Beispiele, daß sich hie und da ein Geistlicher hat Verbrechen zu Schulden kommen lassen und niemand hat es gewagt, ihn vor Gericht zu ziehen.

Da die Geistlichkeit in Spanien in so großer Verehrung steht, so ist sie auch sehr reich und zahlreich. Die Menge der Stifter und Klöster ist ausserordentlich groß, und ob sie schon in neuern Zeiten etwas vermindert worden ist, so sind doch die vorhandenen Klöster noch sehr zahlreich. Bei der Zählung im Jahre 1787 belief sich die Anzahl der Pfarrer und Vikarien auf 22460 und iene der übrigen Weltgeistlichen beläuft sich auf beinahe 100000 Personen. Sowohl die Welt als die Ordensgeistlichen haben sehr viele Besitzungen und sind nebst den Grossen beinahe die einzigen Grundeigenthümer in Spanien.

Der Spanier ist bei seiner glühenden Einbildungskraft um so mehr für den religiösen Glauben eingenommen, welcher das Werkzeug der Geistlichkeit ist, iemehr die Religion in bloße Ceremonien gesetzt wird. Er glaubt alle seine Pflichten erfüllt zu haben, wenn er sein Kreuz macht, seinen Rosenkranz betet, Messe hört und Messe lesen läßt, wenn er Geld hat. Er giebt fleißig Almosen, arbeitet nicht an Sonn- und Festtagen, beichtet oft seine Sünden und glaubt auf diese Art alles gethan zu haben, was einen ächten Christen geziemt.

So weit der Argus, und ist diese Beschreibung richtig, so dürfte auch nicht schwer einzusehen sein, daß grade des großen Ansehens wegen, in welchen die Spanischen Geistlichkeit steht, die gegenwärtige Insurrektion, an deren Spitze sich Pfaffen befinden, auch um so gefährlicher ist. --


Spaniens Geistlichkeit und Adel.[]

[2]

[1808]

Alles was Spanien betrift, interessirt gegenwärtig, und daher einige Bemerkungen über Geistlichkeit und Adel, aus den besten und sichersten Quellen geschöpft.

Es ist schon einmal in diesen Blättern erwähnt worden, daß in keinem Staate der Welt die Geistlichkeit so zahlreich, und an Ansehen und Güter so mächtig ist, als in Spanien. So ist es auch, weil man ihre Zahl an 150000 Personen rechnet, worunter in 2122 Mönchklöster 70000 Mönche und in 1130 Nonnenklöster 36000 Nonnen leben. Die Zahl der Layenbrüder, Novizen und Seminaristen wird an die 150000 angegeben. Die hohe Geistlichkeit besteht aus 8 Erzbischöffen und 20 Bischöffen. Ihre Einkünfte berechnet man auf 5 Millionen Dukaten, darunter der von Toledo allein 300000 Dukaten Revenüen hat. Die Inquisition, die im Jahre 1477 zur Ausrottung aller Ketzerei errichtet wurde, ist jetzt weniger schrecklich als sie sonst war. Das letzte große Auto da Fe wurde 1763 zu Cerena gehalten, wo man einige Ketzer öffentlich verbrannte. Zu Sevilla wurde noch im Jahre 1780 eine alte Frau als Hexe öffentlich verbrannt, und 1784 zu Madrid ein Verkäufer von Liebestränken durch die Inquisition ausgestäubt. Die vornehmsten Herzöge machen sich eine Ehre daraus, zu den Häschern der Inquisition zu gehören. Das Haupt-Tribunal hat seinen Sitz zu Madrid. An seiner Spitze steht der Gross-Inquisitor. Unter ihm stehen 17 Inquisitions-Gerichte, deren Urtheile erst vom Haupt-Tribunale bestätigt werden müssen. Man rechnet die Zahl der ordentlichen Beamten der Inquisition auf 2700, und die der Alguasils und Spione auf einige Tausend. Die Kirchen in Spanien haben größtentheils wenig Licht. Kirchenstühle findet man nicht in ihnen, denn das Sitzen ist verboten. Die Frauenzimmer knieen auf Strohmatten, oder setzen sich mit untergeschlagenen Füssen auf die Erde; die Männer knieen auf ihren Mänteln. Während den Fasten werden Predigten auf den Ecken der Straßen gehalten. Die öffentlichen Geißelungen, die sonst sehr Mode waren, hat König Karl III. verboten.

Der Adel in Spanien ist nicht minder zahlreich, denn im Jahre 1787 zählte man 480589 Adliche. Er wird in den hohen Adel, oder den Granden von Spanien, und den niedern eingetheilt. Die Granden haben das Recht, in Gegenwart des Königs den Huth aufzusetzen. Der Ritter-Orden sind sieben. Der von Alcantora hat 33 Kommenthurien und 80000 Dukaten Einkünfte. Der van Calatrava 34 Kommenthurien und 120000 Dukaten Revenüen, und der von St. Jago 270000 Dukaten Einkünfte. Es erklärt sich hieraus, warum die Spanische Geistlichkeit so sehr der neuen Ordnung der Dinge sich entgegensetzt.


Die Geistlichkeit.[]

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Die spanische Geistlichkeit hat durch die letzten Ereignisse einen Karakter entwickelt, den man ihr im Allgemeinen zwar längst zugetraut, der aber dennoch durch die Heftigkeit der Explosion, welche er bewirkte, die Welt in Erstaunen gesetzt hat.

Das feste Zusammenhalten dieses Standes, die verzweiflungsvollen Mittel, welche er ergriffen, seine feine Verstellungskunst, und das tiefe Geheimniß, in das er alle seine Vorbereitungen zu hüllen verstand, haben die Nation an den Rand des Verderbens geführt. Wie war diese mächtige Wirkung auf das ganze Volk möglich? Haben viele gefragt. -- Durch die große Religiosität desselben, beantwortete man die Frage gewöhnlich.

Ich glaube aber, daß die Spanier in diesem Punkte nichts vor mehreren andern Nationen voraus haben, und das blos dem gesellschaftlichen Verhältniß der Geistlichkeit zu dem Volke, und der Organisation derselben überhaupt diese überraschenden Wirkungen zuzuschreiben sind. In keinem andern Lande von Europa hat sich die Geistlichkeit und besonders der Mönchsstand so sehr in die engsten Familienverhältnisse eingedrungen, wie in Spanien. Wie er das erreicht hat, vermöchte ich wirklich nicht ganz befriedigend zu erklären; indeß hat er mir doch geschienen, als ob diese Klasse sich auch nirgends in allen ihren Beschäftigungen und selbst Vergnügungen so sehr mit der ganzen Nation in gleichem Schritte gehalten habe, wie in diesem Lande. Dadurch erhielt die spanische Geistlichkeit ihre völlige Nationalität; da sie in anderen Staaten sich mehr an den römischen Universalgeist anschloß, und sich dadurch natürlich von denen, unter welchen sie wohnte, entfernen mußte.

So sonderbar es scheinen mag, so ist doch wahr, daß der spanische Klerus bei all' seiner Rechtgläubigkeit jederzeit unabhängiger von der römischen Hierarchie geblieben ist, als der Klerus anderer katholischen Staaten. Dieses war ihm blos durch treues und festes Zusammenhalten, und hauptsächlich durch die Einigkeit der verschiedenen Mönchsorden untereinander möglich. Wie aber diese Erscheinung zu erklären ist, das dürfte wohl ein Räthsel bleiben, wenn man es sich nicht durch die Inquisition befriedigend gelößt fände.

Das Übergewicht, welches der Dominikanerorden durch dieses Institut über die andern Mönchsorden erhielt, war in allen Staaten der Hauptgrund seiner Zerstörung gewesen. In Spanien wohl aber geschah dieses darum nicht, weil die Dominikaner schon vor der Errichtung der Inquisition durch Besitzungen und Anzahl der mächtigste Orden gewesen war, und durch sie natürlich nur immer mächtiger geworden sind. In neuern Zeiten, da die Inquisition sich mit dem veränderten Zeitgeist auf allgemeine polizeiliche Zwecke hinneigte, mußte sich ihr Einfluß noch mehr vermehren, und tiefer eingreifen, als in frühern Zeiten, da sie gewissermaßen eine Opposition gegen die Regierung gebildet hatte.

In dieser leztern Richtung, welche der Geist der Inquisition genommen, liegt zugleich die Erklärung der Mittel, welche die Geistlichkeit zur Empörung des Volks angewendet hat, und an deren Geheimniß die neue Regierung lange eines der mächtigsten Hindernisse ihrer Befestigung finden mußte. Ihre Diener hatten von langen Zeiten her die Verpflichtung und die Übung, der Generalinquisition in Madrid über die Stimmung des Volks Auskunft zu verschaffen. Wer die Gelegenheit hat, diese genau und an ihren Quellen selbst kennen zu lernen, dem ist es auch nicht schwer, auf sie zu wirken, und sie nach Gefallen zu leiten; besonders wenn dieses Geschäft zugleich in den Händen eines Standes ist, der gar kein Geheimniß daraus zu machen braucht, daß es seine Bestimmung seye, über die Gewissen und Gedanken des Volks zu wachen, und die nach den, von ihm selbst vorgeschriebenen, Gesetzen zu lenken.


Quellen.[]

  1. Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
  2. Neues Politisches Journal oder: Der Kriegsbote. Hamburg, Büreau für Litteratur, 1808.
  3. Spanien. Nach eigener Ansicht im Jahr 1808 und nach unbekannten Quellen bis auf die neueste Zeit von P. J. Rehfues, Bibliothekar des Kron-Prinzen von Würtemberg Frankfurt am Main, bei Varrentrapp und Sohn 1813.
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