Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Kirchenstaat.[]

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Kirchenstaat hat seine erste und ursprüngliche Begründung in der Schenkung, welche 754 der König der Franken, Pipin, Stephan II., dem Bischoff von Rom, mit den Besitzungen machte, welche früherhin die Longobarden dem Exarchate entrissen hatten, und gegen welche Stephan II. den König Pipin zu Hülfe gerufen hatte. Carl der Große erneuerte 774 die Schenkung und erhielt dafür zur Dankbarkeit 800 von Leo III. die römische Kaiserwürde. Die consequente Politik der Päpste erzog sich, durch Begünstigung der Normänner in Unteritalien, in diesen kräftige Vertheidiger ihres Stuhls, welchem darauf die Normänner den Lehnseid leisteten. Die künstliche Begründung des Papstthums gedieh 1075 unter Gregor VII. zur höchsten Vollendung. Die Kreuzzüge, welche 1096 begannen, förderten die Absichten des römischen Stuhls im Anfange mehr als im Fortgange. Die mathildische Erbschaft vergrößerte die Macht der Päpste und sie behielten sie, so oft auch von den Deutschen der Versuch gemacht wurde, sie ihnen zu entreißen. Der päpstliche Stuhl befreite sich von seinen gefährlichen Nachbarn aus dem Hohenstaufischen Stamme in der normännischen Herrschaft dadurch, daß er 1265 das Haus Anjou auf den Thron derselben rief. Die ungezähmte Herrschsucht der Päpste, verbunden mit ihrem regellosen Wandel, erregten am Ende die Unzufriedenheit und innern Kämpfe der Römer, gegen den päpstlichen Stuhl, und die Päpste selbst sahen sich genöthigt, von 1360 bis 1378 ihre Residenz nach Avignon zu verlegen, welches Clemens VI. 1348 von Johanne, Königin von Neapel und Gräfin von Provence gekauft hatte. Da nun auch die unter dem Einfluße des französischen Königs stehenden Päpste selten oder nie die Zustimmung der Römer und Deutschen erhielten; so entstand daraus die Wahl mehrerer Gegenpäpste, in deren Kämpfen mit einander weder der Kirche, noch des Staats allgemeines Beste gefördert wurde. Die Rückkehr der Päpste nach Rom war, obgleich die deutschen Kirchenversammlungen oft eine nachdrückliche Sprache führten, der Vergrößerung der päpstlichen Besitzungen nicht anders als sehr vortheilhaft. Julius II. brachte 1513 den Staat von Bologna und 1532 von Ancona an sich. Die Venetianer mußten Ravenna abtreten; Ferrara wurde 1598 der modenesischen Erbschaft entrissen und Urbino von seinem letzten Herzoge Franz Maria, aus dem Hause Navarra, dem päpstlichen Stuhle vermacht. Jetzt zum höchsten Gipfel der weltlichen und geistlichen Macht erhoben, verloren die Päpste von 1517 an durch den schnellen und großen Fortgang der Reformation einen großen Theil ihres zeitigen und geistlichen Einflußes. Sixtus V. weise Oekonomie gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts steuerte dem Uebel; aber die Verschwendung und der Nepotismus der folgenden Päpste offenbarten wiederum zu verderbliche Uebel. Clemens XIV. (Ganganelli) sah sich genöthigt, 1773 den Jesuiterorden aufzuheben. In den neuern Zeiten gab Neapel 1788 seine alten Verbindlichkeiten gegen den päpstlichen Stuhl auf, und selbst die Reise Pius VI. konnte 1782 die großen Veränderungen nicht aufhalten, welche Joseph II. in den geistlichen Angelegenheiten unternahm. Durch das Waffenglück der Franzosen in Italien gezwungen, sah sich der Papst im Frieden von Tolentino am 13. Febr. 1797 gezwungen, Avignon an Frankreich, und Romagna, Bologna, Ferrara an die cisalpinische Republik abzutreten. Ein Aufstand in Rom gegen die Franzosen am 28. Dec. 1797 veranlaßte am 10. Febr. 1798 die Einnahme Roms und die Erklärung des Kirchenstaats zur römischen Republik, und Pius VI. ward nach Frankreich abgeführt, wo er am 9. Aug. 1799 zu Valence starb. Die Siege der Russen und Oesterreicher in Italien begünstigten die neue Papstwahl Pius VII. (Chiaramonti) am 14. März 1800, welcher alsdann unter dem Schutze der österreichischen Waffen von Rom wiederum Besitz nahm. Durch des Concordat, welches er am 15. Jul. 1801 mit dem ersten Consul der französischen Republik, Bonaparte, abschloß, ging dem päpstlichen Stuhl abermals ein großer Theil seiner noch übrigen weltlichen Macht verloren. Aber 1808 erfolgte an den heiligen Vater neue Zumuthungen und Foderungen. (S. d. A. Pius VII.) Der Papst weigerte sich. Da rückte 1808 den 2. Febr. ein französisches Corps von 8000 Mann in Rom ein; und da auch jetzt noch der Papst widerstrebte, wurde ihm am 3. April erklärt, daß Frankreich mit dem Papste im Kriege sey, und die Provinzen Ancona, Urbino, Macerata und Camerino wurden dem Königreiche Italien einverleibt; dem Papste blieb fast nur das Gebiet von Rom. Ein Decret vom 17. Mai 1809 vernichtete endlich den Kirchenstaat ganz. Die noch übrigen Besitzungen des Papstes wurden zu Frankreich geschlagen und dem Papste, dessen geistl. Hoheit fest dauern sollte, 2 Mill. Franken jährlich angewiesen. Der Papst wurde nach Frankreich abgeführt, und daselbst in Gefangenschaft gehalten, bis ihm die Ereigniße des Jahres 1814 erlaubten, wieder nach Rom zurück zu kehren, und von seinen Staaten Besitz zu nehmen. Der Kirchenstaat (Stato della Chiesa) wurde vor der französischen Revolution in folgende zwölf Provinzen eingetheilt: das Gebiet von Bologna, das Herzogthum Ferrara, Romagna, das Herzogthum Urbino, Ancona, Spoleto, Perugino, Orvieto, das Herzogthum Castro, das Patrimonium Petri, Sabina und Campagna di Roma. Nach dem neuen Organisationsplane von 1816 besteht nun der Kirchenstaat (ausser den Districten von Rom, Tivoli und Subiaco), in 17 Delegationen. Folgendes sind ihre Namen und Bevölkerung: Frosinone 159,769 E. Rieti 65,734 E. Viterbo 144,488. Civita Vecchia 19,266 E. Perugia 181,542 E. Spoleto 102,053 E. Camerino 31,136 E. Macerata 197,313 E. Fermo 77,089 E. Ascali 69,058 E. Ancona 147,355 E. Urbino und Pesaro 198,145 E. Forli 150,933 E. Ravenna 123,767 E Bologna 280,701 E. Ferrara 170,727 E. Benevento 20,184 E. Hierzu die Districte von Rom, Tivoli und Subiaco mit 245,459 E. macht eine Totalbevölkerung von 2,354,719 Seelen. Die Delegationen sind von 3 verschiedenen Classen; fünf Urbino und Pesaro, Ravenna, Forli, Bologna und Ferrara von der ersten; sieben Frosinone, Viterbo, Perugia, Spoleto, Macerata, Fermo und Ancona von der zweyten; und fünf Rieti, Civita Vecchia, Camerino, Ascali und Benevento von der dritten Classe. Wenn zur Regierung einer von den Delegationen erster Classe ein Cardinal bestimmt wird, führt sie den Namen Legation, und der Cardinal genießt den Titel und die Ehren eines Legaten, mit allen den besondern Vorrechten, welche ihm durch besondere Breyen verliehen werden. Jede Delegation ist in Gubernien ersten und zweiten Ranges eingetheilt. Der Kirchenstaat begreift eine Fläche von 800 geogr. Q. M. und liegt mitten in Italien, zwischen dem Lombardisch-Venetianischen Königreiche, dem Königreiche Neapel, und dem toscanischen und adriatischen Meere. Nur die Delegation Benevento ist davon abgesondert und ganz vom Neapolitanischen Gebiete umfangen. Die Appeninen ziehen sich mitten durch das Land; die merkwürdigsten Flüsse sind der Tiber und der Po. Man berechnete die Einkünfte des Papstes vor der franz. Revolution auf 10 Mill. Gulden, welche Summe aber um viel vermindert worden ist, da nicht nur die meisten auswärtigen Quellen versiegt sind, sondern auch die langen Kriege, Occupationen und politischen Umkehrungen den Kirchenstaat auf einen sehr tiefen Grad von Verarmung und Hülflosigkeit herabgebracht haben. Das Uebel mußte hier um so verderblicher eingreifen, da durch die schlechte Staatsverwaltung und die Trägheit der Einwohner zuvor schon aller Wohlstand vernichtet war. Zwar hat die neue päpstliche Regierung mehrere zweckmäßige Anstalten getroffen, um die vorher äusserst vernachlässigte Polizei zu verbessern, und die Gewerbsthätigkeit zu beleben, und in diesem Sinne selbst mehrere von den Franzosen gemachten gute Anordnungen erhalten und bestätigt; aber das Verderbniß ist zu groß und zu allgemein, als daß ein schneller Erfolg von diesen löblichen Bemühungen erwartet dürfte. Die Producte des Landes sind: alle Arten von Getraide, feines Obst, Pomeranzen, Citronen, Feigen, Datteln xc., viel Oel, gute Weine und Maulbeerbäume zur Cultur der Seide. Die Berge enthalten reiche, nicht hinlänglich benutzte Waldungen, auch schönen Marmor; Spuren von Metallen finden sich an mehrern Stellen, aber den eigentlichen Bergbau kennt man daselbst nicht. Die Cultur des Rindviehes und der Schaafe wird ziemlich sorgfältig betrieben. Der Ackerbau ist vernachläßigt; die Manufacturen sind von keinem Belange. -- Avignon, mit Venaissin (s. d. A. Avignon), dieser alte Besitz der römischen Kathedrale, ist durch den Pariser Frieden von 1814 für immer Frankreich zuerkannt worden.


Ueber die innere Verwaltung des Kirchenstaates.[]

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In politischer Hinsicht befindet sich der Kirchenstaat eben nicht in der glücklichsten Lage; er ist seiner wesentlichen Verfassung nach bekanntlich ein Wahlstaat, und dieser Umstand allein ist schon an und für seine politische Oekonomie nicht sehr günstig. Ein allgemein anerkanntes Gebrechen der Wahlstaaten besteht darinn, daß sie in der Hauptsache stets bey ihren veralteten, auch unvortheilhaften Einrichtungen bleiben, nicht mit dem Geiste der Zeiten fortrücken, und mit den politischen Verbesserungen der Erbstaaten nicht gleichen Schritt halten. Den Kirchenstaat trifft dieses um so mehr, da zu seinem Oberhaupte gewöhnlich schon ein Mann von hohem Alter gewählt wird, der folglich, wie jeder abgelebte Mann, weder viel Zeit, noch Lust mehr haben kann, viele oder tief eingreifende Neuerungen in seinem Lande vorzunehmen, meistens auch durch alt hergebrachte Gewohnheit nicht einmal befugt wäre, dieses zu thun.

Zwar ist das Gebieth des Kirchenstaats, wie es in den neuern Zeiten war, von ansehnlichem Umfange: es enthält 800 geographische Quadratmeilen, hat viel fruchtbares und vortreffliches Land, auch große Bequemlichkeit zum Handel, indem es sowohl am adriatischen, als am mittelländischen Meere mit guten Häfen versehen ist. Allein, das Land ist ziemlich nachlässig angebaut, auch gar nicht verhältnißmäßig bevölkert, denn seine ganze Population betrug nach einer unter dem Kardinal Valenti vorgenommenen Zählung nur, 1,100,000 Menschen.

Die jährlichen Einkünfte aus den Abgaben der Unterthanen, aus der Verpachtung der Grundstücke der apostolischen Kammer, aus den Taxen auf Fleisch und Getreide, aus dem Ertrag einer Lotterie, und aus den Mauthgeldern auf fremde Waaren, betrugen ungefähr dritthalb Millionen römischer Scudi.

Nebst diesen gewöhnlichen Einkünften weltlicher Souveräne hatte der Papst, als geistliches Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche auch noch andere beträchtliche Einkünfte, welche ehemals seinen Territorialertrag um Vieles überstiegen, in den neueren Zeiten aber durch mancherley Reformen und Einschränkungen in Kirchensachen, welche die katholischen Fürsten vorgenommen haben, um ein Ansehnliches sind vermindert worden. Diese Einkünfte sind der Ertrag der Datarie und der römischen Kanzeley; sie bestehen in den Annaten der Consistorialpfründen, in den Gebühren für die Pallia und Confirmationen der Erzbischöfe und Bischöfe, für Dispensationen, Canonisirungen, Promotionen der Cardinäle, aus Subsidien der Geistlichen und ähnlichen Quellen, und sollen im Jahre 1788 noch zwey Millionen 435000 römischen Scudi betragen haben; daß also die sämmtlichen jährlichen Einkünfte des päpstlichen Stuhls ungefähr fünf Millionen Scudi ausmachen.

Die oberste Finanzstelle des Kirchenstaats ist die apostolische Kammer. Sey es, daß die Mitglieder dieser Stelle nicht genugsam Erfahrung oder Treue für ihr Amt besaßen, oder daß die häufigen Regierungsveränderungen des Kirchenstaats einen nachtheiligen Einfluß auf die Verwaltung der Finanzen haben; genug, die apostolische Kammer oder der Staat hat eine beträchtliche Schuldenlast. Der Anfang dieser Staatsschulden fällt schon in das Papstthum Sixtus V., und seitdem haben sich dieselben immer vermehrt. Im Jahre 1741 betrugen sie bereits 56 Millionen Scudi. Im Jahre 1766 entwarf Pius VI., damals noch Prälat Braschi und Schatzmeister der apostolischen Kammer, selbst eine Bilanz des Staatsvermögens, und die Schulden betrugen 61 Millionen Scudi. Im Jahre 1789 waren sie bis auf 87 Millionen angewachsen, und die Zinsen davon nahmen ungefähr die Hälfte des ganzen jährlichen Einkommens weg.

Industrie und Handel waren im Kirchenstaat keineswegs in dem blühenden Zustande, worinn sie nach der natürlichen Fruchtbarkeit des Landes hätten seyn können. Aus den am adriatischen Meere gelegenen Provinzen wurde etwas Wein, Oel, und bey reichen Erndten auch etwas Getreide ausgeführt, nebst diesen noch rohe Wolle und Seide, welche dann verarbeitet wieder eingeführt, und theuer bezahlt werden mußte. Aus Frankreich allein betrug die Einfuhr an Zucker, Kaffee und Seidenzeugen jährlich gegen zwey Millionen Livres.

Papst Pius VI., welcher selbst Schatzmeister der apostolischen Kammer gewesen war, mußte nothwendiger Weise den übeln Zustand der Finanzen besser als irgend Jemand kennen; so bald er seine Regierung angetreten hatte, suchte er auch denselben zu verbessern; er setzte eine eigene Congregation von sieben Cardinälen ein, welche sich über diesen Gegenstand berathen, und ihm Vorschläge thun sollten. Noch als Schatzmeister hatte er Clemens XIV. dahin vermocht, einige Baumwollenzeugfabriken zu errichten; als Papst unterstützte er die schon bestehenden Leinwand- Hut- und Seidenfabriken, brachte die Ledergärbereyen mehr in Aufnahme, und legte Fabriken von feinen Tüchern an, deren Produkte in kurzem so gut als die besten französischen und englischen Tücher, aber etwas theurer waren.

Alle diese Bestrebungen konnten jedoch im Ganzen keine merkliche Verbesserung hervorbringen, als endlich unglücklicher Weise die grausame französische Revolution entstand; durch diese verlor der päpstliche Stuhl gleich Anfangs alle seine geistliche Einkünfte aus der Grafschaft Avignon, alle seine geistlichen Einkünfte aus ganz Frankreich: dann auch aus den Niederlanden, aus Savoyen und einem Theile von Deutschland; nachher größten Theils auch aus dem Genuesischen, aus der Lombardie und dem Modenesischen, späterhin gar drey seiner Legationen. Von nun an war einstweilen in der Staatsverwaltung nichts weiter zu verbessern.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Geschichte Papst Pius des Sechsten, seligen Gedächtniß. Nach dem Wiener Original. Augsburg, bey Johann Georg Bullmann, Buchhändler in der Fuggerey Nro. 45. 1800.

Literatur.[]

  • Darstellung der weltlichen Regierung des Kirchenstaats, aus den neuesten und sichersten Nachrichten. Nach dem Englischen. Leipzig, in der Weygandschen Buchhandlung. 1790.
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