Cardinal.[]
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Cardinal ist der Nahme, mit welchem heutiges Tages jene geistliche Personen beehret werden, welche die Macht und Gewalt haben, das höchste Kirchenoberhaupt zu wählen -- das Wort selbst aber kömmt von dem lateinischen Worte -- Cardo -- Thürangel -- eigentlich her, womit eine Thür des Hauses mit der Mauer oder mit einem Balken pflegt befestiget zu werden. Vor Zeiten wurden Bischöfe, Priester und Diakonen an die Dienste jener Kirche, worauf sie einmahl geweiht und bestimmet worden sind, so streng angehalten, ja gleichsam wie ein Angel in eine Thür incardinirt, daß sie selbe zu keiner Zeit verlassen durften -- deßwegen wurde ein jeder Bischof, Cardinalbischof von seinem Bisthume, jeder Priester von seinem Bezirke, wohin er gesetzt war, Cardinalpriester, und jeder Diakon von seinem Orte, wo er seinen Dienst zu machen hatte, Cardinaldiakon genannt: aus dieser Ursache haben sich sogar einige Chorherren in Frankreich, und Pfarrherren, weil sie beständig bey ihrer Kirche verbleiben mußten, bis in das eilfte Säculum Cardinalpfarrherren und Cardinalchorherren genannt. Pabst Pius V. hat endlich verordnet, daß sich niemand unterstehen sollte, diesen Ehrennahmen "Cardinal" als pur die Cardinäle der heiligen römischen Kirche zu führen.
Woher nun der dermahligen römischen Kirche Cardinäle und der Unterschied zwischen dem Cardinalbischofe, Cardinalpriester und Cardinaldiakon gekommen, ist aus folgenden zu ersehen. In den ersten christlichen Jahrhunderten haben die Päbste die Stadt Rom in verschiedene Titel, oder Pfarreyen oder Bezirke, welchen die Priester zur Seelsorge, wie die jetzigen waren, und in die Diakonien oder Spitäler, welchen die Diakonen zur Verpflegung der Armen vorstehen mußten, ordentlich eigetheilet; bey einer jeden Diakonie oder Armenhause, deren zuletzt vierzehn wegen den vierzehn Regionen, in welche Rom vertheilt wurde, und eben deßwegen auch diese Diakonen Regionarii benamset worden sind, war eine Kapelle zur Ehre eines Heiligen eingeweihet; daher sagt man noch Cardinalis Diaconus S. Adriani; Cardinaldiakon beym heiligen Adrian.
Weil nun so wohl die Priester an ihre Titel, deren bis auf den Pabst Honorius II. 28 waren, und die Diakonien in ihre Diakonen eingesetzt und gleichsam incardinirt waren, wurden selbe Cardinalpriester und Cardinaldiaconen genannt; von einem Cardinalbischofe wußte man in Rom nichts, weil nur der Pabst allein als ordentlicher Bischof mit seiner Geistlichkeit die Kirche regierte; es wurde auch damahls der Pabst mit Begnemigung des römischen Volkes und mit Beyziehung der nächst entlegenen Bischöfe von diesen römischen Cardinalpriestern und Cardinaldiakonen erwählet: diese Bischöfe waren von Ostia, Veletri, Porto zur heiligen Rufina, Albano, Sabina, und zu Präneste, und mußten besonders an Festtagen dem Pabste beym Altare dienen: sie wurden auch zur päbstlichen Wahl gezogen, und deßwegen Bischöfe der römischen Kirche benamset: ja im eilften Jahrhundert Cardinalbischöfe der lateranischen Kirche betitelt. Diese 7 Cardinalbischöfe also sammt den 28 Cardinaldiakonen machten zuletzt das Cardinalkollegium von 53 Mitgliedern aus; es wurde aber diese Zahl von den Päbsten vermehret und nach Belieben vermehret und nach Belieben vermindert.
Paulus IV. hat endlich zuletzt verordnet, daß nach der Zahl jener siebenzig Aeltesten aus dem Volke, mit welchen Moyses seinen Geist und Regierungsgeschäfte über alle Zünfte getheilet, auch siebenzig Cardinäle seyn sollten, und zugleich deßwegen siebenzig Titel bestimmet; diese siebenzig bestehen noch bis auf den heutigen Tag; nähmlich: Cardinal-Bischöfe, sechs -- nähmlich der Bischof von Ostia, von Porto und der heiligen Rufina, von Sabina, von Frascati -- von Palestrina, und von Albano; fünfzig Cardinalpriester mit ihren fünfzig Titeln: 1 der Cardinalpriester zum heiligen Calixts. 2 von den Ketten des heiligen Petrus. 3 der heiligen Apostel. 3 des heiligen Mathäus in Merulana. 5 des heiligen Sixtus. 6 des heiligen Markus. 7 des heiligen Martinus auf den Bergen. 8 des heiligen Marzellus. 9 des heiligen Klemens. 10 des heiligen Laurentius in Damasus. 11 des heiligen Laurentius in Lucina. 12 der heiligen Marthyrer Johannes und Paulus. 13 der heiligen Nereus und Archilleus. 14 des heiligen Chrysogonus. 15 des heiligen Eusebius. 16 der heiligen Susanna. 17 der heiligen Pudentiana. 18 der heiligen Jungfrau Praxedis. 19 der heiligen Prisca. 20 der heiligen Cäcilia. 21 der heiligen Sabina. 22 der heiligen Anastasia. 23 des heiligen Kreuzes in Jerusalem. 24 des heiligen Stephanus auf dem Berge Cälius. 25 der heiligen vier gekrönten Martyrer. 26 des heiligen Marcellinus, und Petrus. 27 der heiligen Quiriacus, und Julitta. 28 der heiligen Maria von dem Altare Gottes. 29 des heiligen Johannes vor der lateinischen Porte. 30 des heiligen Thomas in der Erscheinung. 31 des heiligen Bartholomäus in der Insel. 32 des heiligen Silvesters auf dem martischen Feld. 33 des heiligen Laurentius im Brod und Perna. 34 des heiligen Cäsarius. 35 der heiligsten Dreyfaltigkeit auf dem Berge Pincius. 36 der heiligen Agnes in Navona. 37 der heiligen Maria auf dem Weg. 38 der heiligen Maria über die Minerva. 39 der heiligen Mariä der Engel. 40 des heiligen Bernardus bey den Bädern. 41 des heiligen Hieronymus der Illyrier. 42 des heiligen Welterlösers bey dem Lorber. 43 der heiligen Maria des Volkes. 44 der heiligen Maria vom Frieden. 45 der heilige Mariä über der Brücke. 46 des heiligen Petrus auf dem goldnen Berge. 47 des heiligen Augustinus. 48 des heiligen Blasius vom Tuch. 49 des heiligen Alexius. 50 des heiligen Onuphrius.
Endlich die Cardinaldiakonen mit ihren Titeln: 1 zur heiligen Maria am Sonntage. 2 der heiligen Maria der Neuen. 3 der heiligen Maria in Cosmedin. 4 der heilige Maria in Portico. 5 der heiligen Maria in Equirio. 6 der heiligen Maria am breiten Weg. 7 der heiligen Engel in der Fischgassen. 8 der heiligen Cosmas und Damianus. 9 der heiligen Vitus, Modestus, und Crescentia. 10 des heiligen Eustachius. 11 des heiligen Georgius beym goldnen Vorhang. 12 des heiligen Adrianus. 13 des heiligen Nikolaus im Kerker. 14 der heiligen Agatha in der Saburra. Erst im zwölften Jahrhunderte unter Pabst Alexander dem dritten haben diese Cardinäle eine solche Vollmacht mit Ausschluß des römischen Volkes und der Geistlichkeit den römischen Pabst allein zu erwählen erhalten, daß derjenige nur als rechtmäßiger Pabst und Oberhaupt der römischen Kirche sollte erkennt und gehalten werden, welcher von zweyen Drittheilen der anwesenden Kardinäle ordentlich hierzu ist erwählet worden: deßwegen ist die Cardinalswürde nach der päbstlichen für die erste und höchste jederzeit gehalten worden.
Die Cardinäle regieren mit dem Pabste die ganze Kirche -- Pabst Urban der Achte ertheilte den Cardinälen den Titel: -- Eminenz -- welchen Titel sich niemand außer den geistlichen Churfürsten und Großmeistern des Maltheserordens unter der Exkommunikation führen darf.
Pabst Innozentius der Vierte erlaubte überdas den Cardinälen rothe Hüte zu tragen zur Erinnerung, daß sie für das Wohl der heiligen römischen Kirche sogar ihr Blut hergeben allzeit bereit seyn sollen.
Bonifazius VIII. hat den Cardinälen eine purpurrothe Kleidung und Paulus II. eine bischöfliche Infel sammt einem rothen Brustmantel nebst einer Kaputz zu tragen, und im Reiten eines weißen Pferdes mit einer Purpurdecke sich zu bedienen erlaubet.
Pabst Gregorius XV. gestattete den Cardinälen aus den geistlichen Ordensständen, gleich den weltgeistlichen Cardinälen nebst ihrer Ordenskleidung den rothen Hut oder Birret zu tragen. Uebrigens bedienen sich jene Cardinäle, welche aus keinem Ordensstande sind, zu einer täglichen Kleidung der rothen Farbe; nur im Advente pflegen selbe sich violett zu kleiden, und am dritten Sonntage des Advents und am vierten in der Fasten haben sie bloß rothe Kleidungen.
Der Pabst allein kann die Cardinalswürde ertheilen; er pflegt auch gemeiniglich jene Männer, welche er zu dieser hohen Würde auserwählet, vor den anwesenden Cardinälen zu benennen. Hierauf wird vom Pabste in einem andern Konsistorium einem neuerwählten Cardinal, wenn er in Rom gegenwärtig ist, das rothe Birret aufgesetzet; einem abwesenden neuerwählten Cardinal aber ein solches Birret zugeschickt, und gemeiniglich von einer fürstlichen oder andern hohen Person hernach im Nahmen des Pabstes aufgesetzt. Von der Zeit, wo ein neuerwählter Cardinal ein solches Birret erhalten, darf er nicht mehr öffentlich erscheinen. Wenn nun ein solch erwählter Cardinal vor dem päbstlichen Consistorium wieder erscheinen muß, schließt selbem der Pabst den Mund unter den gewöhnlichen Ceremonien: der Pabst verrichtet einige Gebether allein, und verbiethet hernach dem neuen Cardinal weder zu reden, noch zu urtheilen, noch zu richten; bis ihm gleichwohl der Mund wieder geöffnet wird. Endlich nach beliebigem Zeitraum pflegt der Pabst in einem Consistorium dem neuen Cardinal den Mund wieder zu öffnen unter folgenden Worten: Wir öffnen dir den Mund zu allen Versammlungen, Consistorien, zur päbstlichen Wahl, zu allem, was den Cardinälen eigen ist und zustehet, und selbe zu verrichten befugt sind: im Nahmen Gottes der Vaters, Sohnes und heiligen Geistes: steckt ihm hierauf einen Sapphierring an die rechte Hand -- vermählet und verbindet ihn dadurch, daß selber ohne des Pabstes ausdrücklichen Verlaub von Rom sich nicht entfernen solle: sondern sogar bey Pestzeiten dem Volke beystehen: deßwegen er auch einen Sapphierring traget, welcher vor der Pest beschütztet: dann wird dem neuen Cardinal vom Pabste der Titel angewiesen unter nachstehenden Worten: Zu Ehren der heiligen Apostel Petrus und Paulus und des heiligen (dessen Kirche dem Cardinal übertragen wird) befehlen wir dir die Kirche sammt der Priesterschaft und dem Volke mit ihren Kapellen in der Form und Weise, wie selbe den Cardinälen ehedem ist anvertraut worden.
Quellen.[]
- ↑ *Lexicon der Römischkatholischen Kirchengebräuche. Verfasset von Franz Grundmayr, Ceremoniarius in der St. Peterspfarrkirche zu München. Neueste Auflage. Augsburg 1807.