Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Lombardisch-Venetianisches Königreich.[]


Lombardisch-Venetianisches Königreich.[1] Die glücklichen militärischen Ereignisse von 1813 und 1814 und die darauf gefolgten Staatsverträge haben Oesterreich in den Besitz des gesammten ehemaligen venetianischen Gebietes in Italien, der Herzogthümer Mailand und Mantua, der Landschaft Veltlin und der Grafschaften Cleven und Bormio gesetzt. Diese Ländermasse, welche östlich an das adriatische Meer und Illyrien, nördlich an Tyrol und Helvetien, westlich an die sardinischen Staaten, und südlich an Parma, Modena und das päpstliche Gebiet gränzt, wurde durch das Patent vom 7. April 1815 zu einem Königreiche, unter den Namen des "Lombardisch-Venetianischen Königreichs" erhoben, und in das Wappen und die Titulatur des Kaisers aufgenommen. Die uralte eiserne Krone ist die Krone dieses Reichs geblieben; auch der Orden derselben wurde beibehalten, und in die österreichischen Hausorden aufgenommen. Ein Vicekönig repräsentirt den Regenten. Großwürdenträger sind ein Obersthofmeister, der Erzbischof von Mailand und der Patriarch von Venedig als Kronkapallane, ein Oberkammerherr, ein Oberst-Stallmeister und ein Oberseneschall. Das Königreich ist in zwei Gouvernementsterritorien, welche durch den Fluß Mincio getrennt werden, getheilt. Das Gebiet am rechten Ufer dieses Flusses führt den Namen mailändisches, das am linken Ufer den Namen venetianisches Gouvernement. Jedes Gouvernement ist in Provinzen, die Provinzen in Districte und die Districte in Gemeinden eingetheilt. Die administrative Geschäftsleitung in den Gouvernementsgebieten ist von einem Gouverneur und einem Gubernialcollegium abhängig, welches seinen Sitz in Mailand und beziehungsweise in Venedig hat. Die administrative Geschäftsführung in den Provinzen führen königliche Delegationen, in den Districten aber, in Abhängigkeit von den Delegationen, die Cancelliere del Censo. Den landesfürstlichen Verwaltungscollegien sind permanente Collegien aus Mitgliedern der verschiedenen Klassen der Nation an die Seite gesetzt. Nach der Constitutionsurkunde vom 24. Apr. 1815 ist die Verfassung des Reichs in beschränktem Sinne repräsentativ. Jedes Gouvernements-Gebiet hat eine Congregatione centrale, wovon jede Provinz eine Congregatione provinciale. Die Centralcongregationen bestehen aus adelichen und nicht adelichen Güterbesitzern, und aus den Repräsentanten der Städte, welche von dem Könige aus den Individuen gewählt werden, die die dazu bevollmächtigten Corporationen vorschlagen. Die Dauer der Amtsverrichtung der Mitglieder ist 6 Jahre, nach deren Verfluß die wieder wählbar sind. Die Centralcongregationen beschäftigen sich mit Vertheilung und Einregistrirung der vom Könige ausgeschriebenen außerordentlichen Steuern, mit der Bestimmung des Steueranschlags der Districte, mit Untersuchung der Gemeindeausgaben und Lasten, mit Vertheilung der Militärleistungen, mit der Oberaufsicht auf die nicht unmittelbar vom Staat verwalteten Brücken, Dämme und Straßen, so wie auf die Wohlthätigkeitsanstalten und die Verwaltung ihrer Einkünfte; auch ist ihnen erlaubt, dem Könige die Wünsche, Bedürfnisse und Bitten der Nation vorzutragen, so wie der König sich vorbehält, sie um Rath zu fragen, wenn es ihm gut dünkt. Provizialcongregationen finden sich in dem Hauptort einer jeden Provinz. Sie haben dieselben Geschäftsgegenstände mit den Centralcongregationen, in Beziehung auf ihre Provinz, zu behandeln, erstatten an die letztern ihre Berichte, und erhalten von ihnen Befehle. Da, nach diesen Bestimmungen, die Repräsentanten des lombardisch-venetianischen Volkes keine Stimme in Ansehung der Gesetzgebung, keine Befugniß zur Steuerbewilligung, und in Betracht der öffentlichen Angelegenheiten ein bloßes Petitionsrecht haben, so ist ihre Macht sehr beschränkt.

Das Königreich nährt auf 830 8/16 Q. Meilen 4,065,000 Einwohner, und hat 6,691,415 österreichische Joch (zu 1600 Q. Klafter) landwirthschaftlich benützten Boden. Das Land ist, mit Ausnahme der an Helvetien, Tyrol und Illyrien gränzenden Gegenden, größten Theils eben, und ausnehmend fruchtbar, doch findet sich da und dort viel sumpfigtes Erdreich. Der Po, der Tessino, die Adda, der Mincio, die Etsch, die Brenta, die Piave, der Tagliamento und mehrere Canäle durchströmen dasselbe, und erleichtern den Verkehr. Die wichtigsten Seen sind der Lago Maggiore, der Garder-, Luganer- und Comersee. Das Clima ist meistens gesund; doch gilt dies nicht von den sumpfigten Gegenden, und von denen, wo der Bau des Reißes stark betrieben wird. Dieser letztere ist das wichtigste Product der Landwirthschaft, und macht einen sehr einträglichen Ausfuhrartikel. Auch Waizen und Mais gerathen im Ueberflusse; dasselbe gilt von Korn, Gerste und Hülsenfrüchten, doch werden diese weniger gebaut. Ueberdieß liefert das Pflanzenreich Flachs, Hanf, verschiedene Arten von Arzneykräutern, Gartenfrüchte, besonders Artischoken, Melonen, Obst, Mandeln, Feigen, Safran, ferner sehr viel Oel, Rosinen, und einen reichen Vorrath von Wein und Seide. Auch die Waldungen sind von großer Wichtigkeit; doch fehlt es in vielen Gegenden an Holz. Da der Wiesenbau ziemlich vernachlässigt wird, indem man alles urbare Feld zum Getraidebau benützt, so ist die Zucht des Hornviehs, der Schafe und Schweine noch sehr unvollkommen. In besserm Stande befindet sich, besonders in der Lombardey, die Zucht der Pferde und Maulthiere. Die Bienenzucht gewährt viel Gewinn an Wachs und Honig. An Federvieh ist kein Mangel, wohl aber an Wildpret. Die Flüsse, Seen und das Meer enthalten eine Menge der vortrefflichsten Fische. Das Mineralreich liefert Eisen, Kupfer, Silber, Gold, Alaun, Vitriol, Arsenik, Quecksilber, Mastix, Porcellainthon, Marmor, Alabaster, Kristalle, Jaspis, Granaten, Topase, Schleif- und Mühlsteine, Kalk und Salz.

Die wichtigsten Producte des Kunstfleißes sind: Gold-, Silber-, Messing- und Kupferwaaren, Spiegel, Glas, Weinstein, Bleiweis, Käse, Lack, Stahl, Wachskerzen, Seife, Papier, Tapeten, Teppich, Tabacksdosen, Spitzen, Leinwand, Seidenzeuge, Tücher und Leder. Der Handel ist, trotz des Verfalls in neuern Zeiten, von großer, jetzt wieder rasch auflebender Wichtigkeit. Die meisten aufgezählten Landes- und Industrieproducte sind Ausfuhrartikel, die die Einfuhr bei weitem übersteigen. Die Einkünfte des Königreichs betragen wenigstens 20 Millionen Wiener Gulden.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
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