Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Von Reisende.[]

Jean-Philippe Graffenauer.

[1807]

Nichts ist jedoch in Würzburg der aufmerksamsten Beachtung werther, als das große Julius-Hospital, das eins der schönsten Häuser dieser Stadt, und zugleich eins der vortrefflichsten Institute dieser Art ist. Seinen Namen verdankt es seinem Stifter, dem Fürst-Bischoff Julius, welcher es 1576 zu erbauen anfing. Der größte Theil desselben brannte im Jahr 1704 ab. Doch die Nachfolger des Stifters, die von denselben Gesinnungen des Wohlwollens gegen die leidende Menschheit geleitet wurden, ließen es wieder aufbauen, und beträchtlich erweitern. Erst 1791 ward unter der Regierung des Fürst-Bischoffs Franz Ludwig die herrliche Façade, die so große Wirkung thut, und die Bewunderung aller Reisenden erregt, vollendet. Das Lokal dieser musterhaften Anstalt ist sechs hundert sechzig Fuß lang, und fünfzig Fuß breit; es hat zwey Stockwerke und eine Reihe Dach-Stuben. Es liegt in einer Straße, die sich durch ihre Länge und Breite auszeichnet, und mit Bäumen, die im kraftvollsten Wachsthum stehen, besetzt ist, unter welchen die Bewohner Würzburgs lustwandeln. Die Lage dieses Hospitals ist glücklich gewählt; da es an einem Ende der Stadt liegt, so ist es der Sonne und dem freyen Durchstrome der Luft zugänglich.

Ueber dem Eingangs-Thor sieht man auf einem steinernen Basrelief Arme, Kranke, Greise und Kinder, um einen Baum gelagert. Rechts unter einem Baldachin ist der Stifter des Hospitals, der Fürst-Bischoff Julius, abgebildet, wie er mit dem Priester, dem Arzte, dem Wundarzte, und andern bey dem Hospitale angestellten Personen spricht, und sie aufzufordern scheint, den Unglücklichen Beystand zu leisten. In einiger Entfernung ist der Baumeister angebracht, der mit dem Finger auf das Gebäude zeigt, das er zu diesem Zweck errichtet hat. Unter diesem Gemälde steht folgende Inschrift mit vergoldeten Lettern:

Für Arme, Kranke, Preßhafte und Alte.


Dieses Hospital bildet ein nicht ganz regelmäßiges Viereck. Es hat ein Hinterhaus, das mit dem Vorderhause parallel läuft, und mit diesem durch Seiten-Flügel verbunden wird, die einen Hof einschließen, auf welchem zwey Springbrunnen befindlich sind. Das Hinter-Gebäude ist mit gewölbten Bogen-Gängen umgeben, unter welchen genesende Kranke der freyen Luft genießen können.

Dieses Hospital ist eigentlich eine mit der Universität verbundene Lehr-Anstalt. Zu ihr gehört ein sehr reichhaltiger botanischer Garten, in welchem die seltensten Gewächse gezogen werden, und mehrere Gebäude, deren eins zum Lokal für den Unterricht in der Botanik und Chemie, und das andere zum anatomischen Theater dient. Unweit des Letztern ist ein Thurm, den man den hydraulischen Thurm nennt, weil hier vermittelst eines Druckwerks und einer Pumpe, die das Wasser zu zwey und dreyßig Fuß hoch hebt, dasselbe in den botanischen Garten nach dem anatomischen Theater, und durch das ganze Hospital geführt wird.

Durch die Sorgfalt des Professors von Siebold, des Vaters, ward das klinische Institut gestiftet, dessen Organisations-Plan 1795 von dem jüngern Siebold bekannt gemacht ward. Im Jahr 1798 gab der Professor Thomann, den seitdem der Tod den Wissenschaften zu früh entriß, den ersten Band der Jahrbücher dieses Instituts heraus, in welchen man die merkwürdigsten hier beobachteten Krankheiten beschrieben findet. Vor einigen Jahren erschien der zweyte Band dieser Annalen in deutscher Sprache. Die in demselben gesammelten Beobachtungen rühren von den Zöglingen dieses Instituts her, welche damals unter Anleitung des Professors Thomann hier die Klinik studirten.

Auch ein Entbindungs-Haus, ein Institut für Geistesschwache und Wahnsinnige, nebst einem andern für epileptische Kranke, werden hier nicht vermißt. Personen, die an ansteckenden und unheilbaren Uebeln, an Krebsschäden und venerischen Krankheiten leiden, werden in dieses Hospital nicht aufgenommen. Die Kranken, welche man hier behandelt, sind Arme beider Geschlechter, Handwerks-Gesellen, männliche und weibliche Dienstboten u. s. w.

Die Kranken-Zimmer sind groß und schön; sie sind dreyzehn Fuß hoch, zwey und vierzig Fuß breit, und drey und dreyßig Fuß lang; sie werden sorgfältig gereinigt, und überhaupt herrscht hier die höchste Nettigkeit und Ordnung. Was man allenfalls an dieser Anstalt tadeln könnte, ist, daß die Kranken-Zimmer fast alle nicht nach der Straße, sondern nach den Höfen zu, und überdieß gegen Mitternacht liegen, so daß die großentheils der wohlthätigen Sonnenwärme entbehren müssen. -- In den mehrsten Kranken-Zimmern stehen auch bis zwölf Betten, gewöhnlich in zwey Reihen, so daß man sie bequem umgehen, und von drey Seiten dazu kommen kann. Es giebt jedoch auch kleinere Zimmer, wo nur ein einziges Bette stehet. Zur Seite jedes Bettes ist ein kleiner Nachttisch angebracht, worauf die Arzeneyen und Nahrungsmittel des Kranken gestellt werden. Ueberdieß ist an der Lagerstätte jedes Kranken ein schwarzes Täfelchen befestigt, auf welchem der Name des Patienten, die Krankheit, an welcher er leidet, und die Verordnung des Arztes zu lesen ist.

Zwischen den Fensterkreuzen ist in jedem Zimmer eine Laterne und über diesen eine blecherne Röhre angebracht, durch welche der Rauch ausgeführt wird. Die Heizung wird im Winter vermittelst gegossener Oefen bewirkt; überall sind Thermometer zur Abmessung des erforderlichen Wärme-Grades vorhanden; auch ab Ventilatoren fehlt es nicht. Die Kommoditäten sind den Zimmern seitwärts in den Vor-Sälen angebracht, welche Ausgänge nach dem Hofe zu haben, um die Reinigung und Ausleerung derselben ohne Störung der Kranken bewirken zu können.

Ich habe das Julius-Hospital, Ihnen mein Herr, etwas umständlich beschrieben. Ich habe aber geglaubt, daß es Sie interessiren würde, mit einem Institut genauer bekannt zu werden, dessen Einrichtung für musterhaft gilt. es ist auch nicht zu leugnen, daß, wenn alle Hospitäler gleich organisirt werden könnten, man höchst wahrscheinlich weit weniger Schlachtopfer des Todes zu betrauern haben würde.

Quellen und Literatur.[]

  • Meine Berufsreise durch Deutschland, Preußen und das Herzogthum Warschau, in den Jahren 1805, 1806, 1807 und 1808. Von J. P. Graffenauer, Doktor der Arzneygelahrtheit, vormaligem Arzte bey der großen französischen Armee, mehrerer gelehrten Gesellschaften Mitgliede. Chemnitz, bey Carl Maucke. 1811.
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