Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Advertisement

Der spanische Insurgent, General Porlier.[]

[1]
Ferdinand VII., König von Spanien, scheint den Zeitgeist nicht genugsam berechnet zu haben, als er den Thron wieder in Besitz nahm, welchen, um das französische Joch abzuschütteln, die spanische Nation mit Vernichtung des größten Theils ihrer Jugend, mit Vernichtung ihres Reichthums, mit Vernichtung des Anspruchs aus Selbstständigkeit, ihm wieder anbot, ihm, der in dem sechsjährigen spanischen Kriege nicht einen einzigen Schuß der spanischen Patrioten gegen die französische Usurpation gehört hatte! -- Man hätte erwarten sollen, daß Ferdinand VII. bei dieser Kraftanstrengung der Nation wenigstens doch aus dem geringsten Gefühl, dem der Dankbarkeit, Alles gethan haben würde, das herrliche spanische Volk, welches schon einmal der gebildeten Welt Gesetze vorschrieb, für die Opfer, so es gebracht hatte, zu entschädigen, und daß er in dem Geiste der Reife, welche durch eine schnelle Gähre bewirkt war, fortgeschritten sein würde. Er gehörte aber auch zu den Bourbons, welche den Zeitgeist und dessen Umschwung nicht zu berechnen vermögen, und zur Belohnung, wieder durch das Volk auf den Thron geführt zu sein, brachte er den Druck des alten Adels, der seit Jahrhunderten nichts vergessen und nichts zugelernt hatte, den Jesuitismus, die Unverschämtheit einer stupiden Geistlichkeit, und das furchtbare Gericht der Inquisition, als Zeichen seiner Gnade wieder mit. Daß der edle Spanier, dem die Befreiungsjahre eine ganz andere Ansicht gegeben haben, so etwas für die Dauer nicht ertragen wird, das scheint, wenn man die Geschichte des Menschengeschlechts nur etwas kennt, außer allem Zweifel zu sein, und daß König Ferdinand seinen Mißgriff einsieht, aber wiederum in ein anderes Extrem fällt, davon ist sein neuerliches, viel zu herrisches Verfahren bei der Absetzung der ersten Staatswürden der Belag. Die Geistlichkeit hat bereits wieder zu festen Fuß gefaßt, und das Volk zu sehr seine angebornen Rechte kennen gelernt, als daß aus diesem Widerstreit widerstrebender Gewalten nicht bald ein böser Stoff sich entzünden sollte.

General Porlier ist der Vorläufer davon gewesen, und ohngefähr so, wie der Kräuselwind dem Gewitter vorausgeht, wie Katte, Schill und Oels die Vorläufer der Befreiung des nördlichen Deutschlandes von einem unwürdigen Joch waren, -- eben so ist Porlier zu betrachten, wenn sonst die Geschichte der Vergangenheit ein prophetisches Auge für die Zukunft hat.

Dom Juan Diez Porlier ist selbst ein geborner Spanier; seine Familie stammt indeß von den canarischen Inseln. Er ist ein Neffe des spanischen Minister Porlier, Marquis von Baxamar. Er hatte unter König Carl IV. bereits einen militärischen Grad, wenn er auch erst in dieser letzten Zeit das 34ste Jahr noch nicht erreicht hatte. Als die ersten Unruhen in Spanien ausbrachen, und die spanische Regentenfamilie nach Bayonne gelockt war, um von dem Kaiser Frankreichs in eine unwürdige Gefangenschaft gebracht zu werden, war Porlier einer der ersten Vertheidiger der Sache des Vaterlandes. Er fand die spanische Nation in deren ersten Repräsentanten schwer beleidigt, und war ein eifriger Anhänger der Insurrection.

Schon in der Schlacht von Trafalgar diente er als Seecadett, und in dem spanischen Befreiungskriege gewann er sich zuerst dadurch einen Namen, daß er mit 30 Deserteurs von Cuesta's Armee ein französisches Piquet von 50 Mann, welches in der Gegend von Placencia vortheilhaft gestellt war, angriff, zum Theil niedermachte und zum Theil gefangen nahm. Die Gefangnen übersandte er der Junta von Asturien, welche ihn darauf zum Obrist ernannte. Späterhin war er während des ganzen spanischen Krieges an der Spitze einer Guerilla, mit welcher er verschiedne kühne Unternehmungen, und unter andern einmal einen meisterhaften Rückzug von St. Ander ausführte. Zuletzt war er in diesem Befreiungskriege Marchal de Camp.

An den Schlachten bei Salamanka und bei Vittoria hatte er besonders thätigen Antheil durch seine Verstecke genommen, und namentlich hielt der Marquis de la Romana, der für die spanische Sache viel zu früh starb, sehr viel auf den Mann mit dem feurigen, kühnen Geist.

Als Ferdinand VII. den spanischen Thron wieder bestieg, verhallte der Jubel der Nation sehr bald, da er durch Despotenstrenge die Würde sich zu erringen suchte, welche er nur seinem Namen, nicht seiner persönlichen Anstrengung zu verdanken hatte, und Porlier, ein feuriger Kopf, war einer von denen, die laut erklärten, daß das Blut der Spanier umsonst geflossen sei. Eine verdächtige Correspondenz, die er zu Gunsten einiger, aus Spanien flüchtig gewordenen Cortes führte, und worin er etwas zu freimüthig über die Regierung geurtheilt hatte, war die unmittelbare Veranlassung, daß er verhaftet wurde, und er gehörte zu denen 400 edlen Spaniern, welche lange Zeit im Gefängniß schmachteten, bis endlich Ferdinand den Einflüsterungen der jesuitischen Partei, welche in die Zügel der Regierung griff, nicht mehr so sehr sein Ohr hinneigte.

Als Parteigänger in dem letzten spanischen Befreiungskriege ist er unter dem Namen Marquesito bekannt, und nach spanischer Sitte und Grandezza führte er von seiner Gemahlin den Namen: Marquis von Mataroso.

Gefängniß ist für den Spanier nicht dazu geeignet, ihn mit der Regierung auszusöhnen; sie erwartet Demuth von dem Bestraften, und einen Erbitterten hat sie sich erzogen. So auch Porlier. Er kochte Rache; und der zürnende Geist, der über einem großen Theil der Spanier brütet, glaubte an ihm einen Mann zu finden, der eine öffentliche Ursach habe, mit der Regierung zu brechen, und an welchen sodann die allgemeine Unzufriedenheit laut sich anhängen könne. Man verrechnete sich nicht, und Porlier stand bald an der Spitze einer geheimen Werbung, die sich, wie man erwartete, bald durch ganz Spanien verbreiten, und mit der Vernichtung der geistlichen Despotie sammt dem, was darauf folgt, enden sollte.

Auf den Zweck, welchen er förderte, und dessen Maschiene er war, weiset seine Proclamation von Corruna den 19ten September 1815 an die Junta von Sevilla hin, worin er sagt: "daß die verlassene und traurige Lage der Nation ihn bewogen habe, den Befehl über die Armee und das Königreich von Gallizien ad interim zu übernehmen, um dazu beizutragen, daß das Volk seine zu Kadix sanctionirte Konstitution, und mit ihr die Freiheit wieder erlange, welche die Grundlage des gemeinen Wohls ausmache, daß er aber dabei seinem König und Herrn, Ferdinand VII. die beständige Treue bewahren wolle." Am Schluß dieser Proclamation empfiehlt er der Junta, das Volk durch öffentliche Anschläge von seinem Unternehmen zu benachrichtigen, und es zu belehren, daß seine Operationen durch Gerechtigkeit und Mäßigung geleitet würden, und nur allein dessen Befreiung von der schmähligen Sclaverei bezweckten.

Er war nach seiner Entlassung aus dem Gefängniß bei einem seiner Freunde, und hatte einen allgemeinen Aufstand bereits vorbereitet, als ein Officier ihm die Nachricht brachte, daß, wenn nicht sogleich die Insurrection sich entwickele, das ganze Beginnen morgen zu spät kommen werde. -- nun ordnete Porlier sogleich die Sachen, und eilte dann nach Corunna, dessen er sich bemächtigte.

Vor Tagesanbruch nämlich hatte sich der von ihm abgeschickte Kapitain Peon mit dreißig Mann den General-Kapitain, und andere Personen, denen nicht zu trauen war, verhaftet. Hiernach glaubte Porlier Corunna sein nennen zu können, organisirte schnell eine Junta, und an der Spitze von 800 Insurgenten befahl er den Truppen von Ferrol und San Yago zu ihm zu stoßen. Die Truppen von San Yago zögerten, und er marschierte dorthin.

Da die Lust der Soldaten, an der Empörung Theil zu nehmen, nur dadurch niedergeschlagen werden mochte, wenn ihnen der rückständige Sold ausgezahlt werde, so überreichten die Klöster der Nachbarschaft, namentlich das Kloster San Martin, dem kommandirenden, königlichen General Avalaz sogleich die baare Summe von 20,000 Piaster, und theilten außerdem Lebensmittel aller Art aus. Die Soldaten, hiernach zufrieden gestellt, rückten nun unter dem Befehl von Avalaz gegen Porlier an, und dieser mußte sich auf Corunna zurückziehn, um Verstärkung zu erwarten.

Seine Soldaten zögerten nunmehr, und das ganze Unternehmen war gescheitert, da die Mehrheit wohl Lust, aber kein Vertraun zu einem Wagstück hatte, welches nach dessen ersten Erscheinungen keinen guten Erfolg versprach.

Niemand war jetzt geschäftiger als die Mönche, und sie erreichten durch Mühe, Verheißungen aller Art und durch Geld ihren Zweck. Porlier wurde am Abend überfallen, verhaftet, und den Königlichen ausgeliefert. Zwei Sergeanten hatten sich seiner Bemächtigt, und mit verhaltenem Grimm ergab er sich.

Vielleicht wäre nicht so eifrig gegen ihn verfahren, wenn nicht die Geistlichkeit von Corunna] und der umliegenden Gegend einen Preis von 10,000 Piaster auf seine Festnehmung gesetzt gehabt hätte. Er saß gerade bei dem Abendessen, als man ihn überfiel, und er wurde also nicht, wie mehrere öffentliche Blätter sagen, im Schlaf gefesselt. Er wehrte sich, so gut er konnte, mußte aber der Uebermacht weichen. Der, unter ihm befehligende General Romaina und dessen Adjudant entkamen nach England, dem steten Zufluchtsort der Empörer, am Bord des Packetbootes Speedy.

Sogleich wurde er vor ein Kriegsgericht gestellt, und sein Prozeß war schnell beendet. Er sollte in Corunna, wo er das Beispiel des Verraths gegeben hatte, aufgeknüpft werden. Wenn auch gegen die Strafe eines Hochverräthers nichts zu sagen ist, so dürften doch wohl gegen die Art der Strafe Erinnerungen zu machen sein.

Als er seines Schicksals gewiß war, verordnete er in seinem Testament: daß sein Körper in einen verschlossenen Sarg gelegt, und der Schüssel dazu, nebst einem Taschentuch, worin er seine letzten Thränen geweint, seiner Gemahlin übergeben werden solle, und daß er an seiner Begräbnißstelle, wenn es angehe, folgende Einschrift zu haben wünsche:

„Hier ruhet die Asche von Dom Juan Diez Porlier, General der spanischen Armeen, glücklich in seinen Unternehmungen gegen die Feind dieses Landes, aber das Opfer bürgerlichen Zwiespalts! Fühlende Seelen! Ehret die Asche eines Unglücklichen!"

An seine Gattin, die einzige Tochter der Marquise von Matarosa, welche dem jungen, feurigen Mann aus Neigung ihre Hand gab, wider den Willen der Mutter, die auf Pergamente hielt, schrieb er noch am 3ten October 1815 folgenden Brief:

Geliebtes Weib!

"Der Allmächtige, welcher über die Menschen nach seinem Willen verfügt, hat beschlossen, mich zu sich zu berufen, und mir im ewigen Leben die Ruhe und Freude zu geben, die ich in dieser Welt nicht genossen habe. -- Wir alle sich dieser Naturordnung unterworden; es wäre deshalb vergebens, sich dem Schmerz zu überlassen, wenn die Stunde naht. -- Dieserhalb bitte ich Dich, diesen letzten Schlag des uns überwollenden Schicksals mit der Ruhe und Standhaftigkeit zu ertragen, die ich fühle, indem ich dieses schreibe. Betrübe Dich nicht über die Todesart, welche über mich verhängt worden, indem sie nur den Gottlosen Schande bringen kann, während sie dem Guten zur Ehre und Ruhm gereicht. -- Ich wiederhole es Dir, daß, wenn ich irgend Trost mit mir in das Reich der Wahrheit nehmen soll, Du mir in diesem Augenblick, so wie Du es immer gewesen, folgsam und getröstet sein, und Dich in den Willen Gottes schicken wirst, welches das erste aller göttlichen Gebote ist. Im Weiteren wirst Du meinen letzten Willen erhalten, den Du, so viel es möglich ist, auszuführen suchen wirst. Der Pater Sanchez, ein Mönch unsers Patrons St. Augustin, der Dir dieses überbringt, wird Dir mündlich noch andere Dinge mittheilen, die ich ihm in der letzten Beichte anvertraut habe. Ich empfehle Dir nochmals die Folgsamkeit für meine Wünsche, widrigenfalls, außer dem Nachtheil für Deine Sicherheit, das Wohl Deiner Seele gefährdet werden würde. Lebe wohl xc.

Jenes Vermächtniß der Beerdigung und dieser Brief beweisen es deutlich, daß Porlier nicht als Abentheurer, sondern in einem edlen Beruf zu handeln glaubte, und ist es zu beklagen, daß ein so kräftiges Gemüth nicht einen bessern Gegenstand fand, sich zu entwickeln, so wie wir denn auch aus den Andeutungen des Briefes die Ueberzeugung nehmen müssen, daß die Sache, für welche er sich opferte, mit ihm noch nicht abgestorben ist.

Mit derselben Ruhe, welche aus diesem Briefe hervorgeht, ließ er sich zum Richtplatz führen; am 6ten October wurde in Corunna das Urtheil an ihm vollzogen, und eine gleiche Strafe wurde über die, mit ihm gefangenen, Officiere verhängt.

Den Spaniern wird Porlier als ein Märtyrer erscheinen, und mag auch die Regierung allerdings eine große Strenge für nothwendig gefunden haben, so dürfte doch vielleicht die Art der Bestrafung nicht Ruhe, sondern Erbitterung erzeugen, und Ferdinands Betragen gegen sein Volk wird noch zu mehreren Scenen bei dem stolzen Spanier, dessen Kräfte einmal geweckt sind, Anlaß geben.

Nach öffentlichen Nachrichten haben die verbündeten Mächte dem König Ferdinand eine Note zukommen lasse, worin sie ihm geradezu ihre Mißbilligung über sein Betragen gegen das edle Volk der Spanier zu erkennen geben, indem dieses Betragen allen gekrönten Häuptern anstößig, und dazu geeignet sei, die Souveraine mit ihren Völkern in Uneinigkeit zu bringen, und da es ganz dem jetzigen, hellern Zustande der Dinge widerspreche. Schlüßlich wird ihm darin sein Undank gegen die spanischen Patrioten, denen ganz Europa so viel zu verdanken habe, zu Gemüthe geführt.

Kann man wohl edler, wahrhaft fürstlicher handeln? Wellington, den Werth und die Kraft der Spanier wohl kennend, dürfte vielleicht die nächste Veranlassung zu dieser herrlichen Note gegeben haben. Was hat aber König Ferdinand darauf erwiedert? -- Wir lesen davon die Antwort dahin: "daß Er, durch die Gnade Gottes souveräner Herr von Spanien, handeln könne, wie es ihm beliebe, ohne irgend einem, außer Gott und seinem Beichtvater, darüber Rechenschaft schuldig zu sein, und daß niemand das Recht habe, in seine Angelegenheiten sich zu mischen."

Hätte er den Thron Philipp II. unmittelbar nach diesem Normal-Despoten in einem finstern Jahrhundert bestiegen, so könnte er vielleicht diese Grandezza durchführen mögen; so aber wollen wir, um der Ruhe der Völker willen, es nicht wünschen, daß Er in einem erleuchteten Jahrhundert, als Herrscher über ein Volk, welches ihn fallen sah, und durch herrlich Kraft ihn wieder auf die Burg seiner Väter führte, die Strafe des Undankes erfahre, und zu spät nach fremder Hülfe sich umsehe!


Quellen.[]

  1. Leuchtkugeln. Ein Journal in zwanglosen Heften. Quedlinburg, 1815 in Commission bei Gottfried Basse.
Advertisement