Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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August Delesalle.[]

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Während des französischen Feldzuges in Ägypten wurde ein 25 Mann starkes Detaschement des dritten Dragonerregiments, das zur Cavalleriedivision des Generals Mürat (jetzigen Königs von Neapel) gehörte, zwischen Jaffa und Saint Jean d'Acre zum recognosciren beordert. Die Unterlieutenants Terrand und Delesalle befanden sich an dessen Spitze. Sie waren schon weiter als anderthalb Stunden über ihre Vorposten vorgerückt, als sie eine Colonne Araber, ungefähr 200 Mann stark, gewahr wurden, sie griffen also ihre Avantgarde von 50 Mann mit Heftigkeit an, und durchbrachen ihre ersten Reihen. Nun zogen sich die Übrigen auf ihren Haupttrupp zurück, der bey dem ersten Schusse vorgerückt war. Die Franzosen waren zu sehr beschäftiget, um an einen Rückzug zu denken, und entschlossen sich, die Spitze der feindlichen Colonne von der Seite anzugreifen. Als der Anführer der Araber ihre Bewegungen bemerkte, dehnte er sich rechts und links aus, und schloß sie, indem er feuern ließ, ein. Die französischen Dragoner stürzten sich in die Araber, und vertheidigten sich tapfer. Delesalle durch einen Lanzenstich am rechten Arme verwundet, schlug sich heftig mit vier Arabern herum, er erhielt noch zwey Wunden, eine in der Seite, die andere im Halse, und hatte dabey noch die Qual, mehrere Köpfe seiner unglücklichen Gefährten auf Piken tragen zu sehen. Dieses Schauspiel machte ihn wüthend, er sammelte wieder Muth und Kräfte, aber noch ein Lanzenstoß in die rechte Seite hob ihn aus dem Sattel, er fiel vom Pferde, und den Arabern auf Gnade oder Ungnade in die Hände. Sie warfen sich auch sogleich auf ihn, und beraubten ihn seiner Kleider, bis auf das Hemd und die Beinkleider; einer von ihnen machte auch Anstalt, ihm die Ohren abzuschneiden, um desto sicherer seine Ohrringe zu erhaschen. Glücklicher Weise gab der Ohrring seiner Heftigkeit nach, riß aus, und so kam der Geängstete mit der Furcht davon. Ob er gleich ohne Waffen war, und sich halb nackend in seinem Blute badete, so wollten sie ihm doch noch einen Lanzenstoß in den Leib geben, er wandte ihn aber mit der rechten Hand, die dabey durchbohrt wurde, ab. Nun hieben sie vor seinen Augen fünfzehn Franzosen, worunter auch sein Freund Terrand sich befand, in Stücke, hielten ihm ihre blutigen Köpfe vor, und ließen sie ihn küssen. Die übrigen Dragoner, alle gefährlich verwundet, entkamen glücklich. Da mehrere Araber zu verschiedenen Mahlen ihm das Messer an die Gurgel setzten, so glaubte er, daß auch ihn noch das Schicksal seiner braven Freunde treffen würde, allein er ward andern Qualen aufbehalten, er sollte in langen Zügen den Becher des Schreckens leeren. Vielleicht hatten auch der Muth und die Standhaftigkeit, womit er sich vertheidigte, ihnen Achtung eingeflößt, denn an einigen wiederhohlten Zeichen war deutlich zu bemerken, daß es sie freute, einen Feind gefunden zu haben, würdig sie zu bekämpfen, und daß sie ihn für einen Mann hielten, dessen Besitz ihnen von großer Wichtigkeit seyn könnte. Als das Blutbad geendigt, und die Beute vertheilt war, brachen sie auf, und zwangen ihn, ungeachtet des Zustandes, worin er sich befand, ihnen zu Fuß zu folgen. Doch der Blutverlust, den er erlitt, verursachte ihm bald eine Ohnmacht. Da sie aus Besorgniß, einige feindliche Detaschements gegen sie anrücken zu sehen, ihren Marsch beschleunigten, so ließen sie ihn das Pferd eines ermordeten Dragoners besteigen, und so ritt er hinter der Colonne neben den erbeuteten Pferden, welche sie an der Hand führten. Nach einigen Schritten entfloh er aber; sie wurden es gewahr, und lenkten ihre viel schnelleren Pferde zu seiner Verfolgung, hohlten ihn auch bald ein, und führten ihn, zu sehr mit ihrem Siege beschäftiget, ohne weitere Beunruhigung zurück.

Auf ihrem Marsche kamen sie durch mehrere Dörfer, aber allenthalben wurden die Einwohner bey seinem Anblicke wüthend, gingen auf ihn los, und stießen ein wildes Geschrey aus. Die ihm am nächsten waren, spieen ihm ins Gesicht, versetzten ihm heftige Stösse, und warfen ihn mit Steinen; die Weiber, ihre Kinder an der Brust, thaten es den Männern noch zuvor, denn sie strebten nach dem Vorzuge, ihn zuerst anzuspeyen.

Als sie in die Gebirge gekommen waren, theilte der Anführer seine Macht in Detaschements von 80, 60, 50 und 30 Mann, 5 Araber wurden ausersehen, den Gefangenen zu bewachen, und man setzte sich wieder in Bewegung. In einer Tiefe wurde Halt gemacht, der Haufe stellte sich um Delesalle herum, der Anführer ließ ihn das Haupt zu mehreren Mahlen verneigen, zog seinen Säbel, und schwenkte ihn auf eine für den Kranken wenig beruhigende Art, indem er die Worte: "Jaffa! Jaffa! Marasthe!" mit dem tiefsten Unwillen aussprach. Delesalle wähnte, daß er ohne Zweifel von der Stadt Jaffa sprechen wollte, welche die Franzosen eroberte, und deren Einwohner das Schicksal einer mit Sturm eingenommenen Stadt erfahren hatten. Auch war dieser Ort nur sechs Stunden von ihnen, und das Andenken an die Behandlung der Araber konnte sie wenig zu seinem Vortheile stimmen; indessen geschah doch nichts weiter.

Es ward 9 Uhr Abends. Seine Wunden waren nicht verbunden, er fühlte ein heftiges Fieber, und hatte noch keine Nahrung zu sich genommen; es war entsetzlich kalt, und seine Wächter waren wenig besorgt, seine Qualen zu lindern. Um 11 Uhr entfernten sich vier von ihnen, um Holz zu hauen, der fünfte blieb bey dem Gefangenen; sie kamen bald wieder zurück, machten Feuer an, und rauchten sehr ruhig ihre Pfeife. Diesen Augenblick hielt Delesalle für günstig, eine zweyte Flucht zu wagen, er raffte daher die weinigen Kräfte zusammen, die ihm übrig waren, erhob sich, schlich in der Stille davon, und drang quer ins Gebirge ein, wo er ihre Nachstellungen wenig zu fürchten hatte, da die Wege ungebahnt, mithin äußerst beschwerlich, und für Pferde schon gar nicht gangbar waren. Erst in einiger Entfernung hob er den Kopf in die Höhe, und wurde einen seiner Wächter gewahr, er bog sich daher in das dornigte Gesträuch nieder, und nach einer Stunde setzte er, stets ohne Strümpfe und Schuhe, Beinkleider und Hemd in Stücken, den Leib durch das Gebüsch zerrissen, an Felsenspitzen zersetzt, ungeachtet seiner blutenden Wunden den Weg fort, kletterte die steilsten Felsen hinan, und schleppte sich auf den Händen, Ellenbogen und Knieen fort, wie ein furchtsames, von dem Jäger verwundetes Reh. In diesem kläglichen Zustande legte er mehr als 6 Stunden zurück, kam bey mehr als dreyßig naplusischen Nachtwachen vorbey, und richtete seinen Weg immer dahin, wo er glaubte, daß das Armeecorps des Generals Kleber seyn könnte, unter dessen Befehl eine Division der Cavallerie stand, die vom General Mürat commandirt wurde, und wovon das dritte Regiment Dragoner einen Theil ausmachte. Nach einem äußerst mühseligen Marsche fiel er aber, von Beschwerden erschöpft, zu Boden. -- Er glaubte sich schon am Ziele seiner Leiden, allein die ersten Strahlen des Tags verscheuchten mit der Finsterniß der Nacht auch seine Hoffnung, denn er befand sich zwischen zwey feindlichen Dörfern, und weiter als eine Stunde von dem französischen Lager entfernt, das er so eben erkennen konnte. Doch er war ganz erschöpft, kraftlos, ja nicht einmahl mehr im Stande, seine Ideen zu sammeln; länger als eine halbe Stunde blieb er in diesem Zustande der Erstarrung. Als er wieder zu sich selbst kam, und sein Herz neu belebt fühlte, band er die Lumpen seines Hemdes um den Lein, und war bereits auf dem Bauche weiter als tausend Schritte fortgekrochen, als er von drey bewaffneten Türken bemerkt wurde. Sie näherten sich ihm, halfen ihm auf, und führten ihn in das nächste Dorf, wo sie ihn ihrem Anführer, Joseph Joücrosse, der 300 Reiter commandirte, vorstellten.

Von Seiten seiner Soldaten sowohl, als der Einwohner erfuhr er dieselbe Behandlung, die ihm in Gesellschaft seiner ersten Begleiter wiederfahren war. Man warf ihn in ein enges Gefängniß, und erst nach einem 37stündigen Elende erhielt er einige Erquickung. Ein Romaner, der ihn in dem Hofe des türkischen Herrführers mit den Zähnen einige Grashalmen abreissen und zermalmen sah, wurde von Mitleiden gerührt, und brachte ihm Reis in Öhl nebst ein wenig Wasser.

Gegen das Ende des Tages riß man ihn aus seinem Gefängnisse, und schleppte ihn in das Zimmer des Conseils, wo er Joseph Joücrosse, von 200 Mann und den Vormehmsten des Landes umgeben, fand. Dieser ließ ihn durch seinen Dollmetscher in italienischer Sprache fragen: ob er ein Muselmann werden wollte; er antwortete, daß er durch einen Eid gefesselt, seinem Lande seinen Glauben schuldig sey, mithin nicht zum Verräther an demselben werden könnte, daß man zwar über sein Leben gebiethen könnte, ja daß er es selbst für eine Wohlthat ansehen würde, von einer so beschwerlichen Last befreyt zu werden, daß er aber, wenn man ihn den französischen Vorposten auslieferte, 100 Piaster für seine Auslösung geben wollte. Dieser Vorschlag machte den türkischen Herrführer unwillig, und er ließ ihn wieder in sein Gefängniß zurückführen.

Vom Fieber gefoltert, hingestreckt auf die feuchte Erde, blieb er bis Mitternacht, wo man ihn heraushohlte, um zum zweyten Mahle vor Joseph Joücrosse zu erscheinen. Dieser befahl ihm nun, sein Gebeth an Mohamed zu richten; jener schlug es aber ab; man wollte ihn hierauf durch die drohendsten Zeichen dahin bringen, den großen Propheten anzurufen, allein er trotzte allen Drohungen. Man brachte ihn nun aus dem Zimmer, er fand außerhalb drey Naplusier zu Pferde, die ihm die Hände auf den Rücken banden, die Handgelenke und Daumen heftig zusammenschraubten, und ihn so vor sich hergehen ließen.

Hier war er nun mitten in der Nacht gefesselt, wie ein Verbrecher, von unbeschreiblichen Schmerzen gepeinigt, allein mit drey Naplusiern, deren wilden Charakter er bereits kannte, und von denen er nichts zu erwarten konnte, als daß sie ihn entweder unter Wegs bey Seite schaffen, oder zur Hinrichtung führen würden. Kaum hatte er einige Schritte gethan, so verließen ihn seine Kräfte, und er fiel ohne Besinnung zu Boden, einer von ihnen setzte ihn hinter sich aufs Pferd. Nachdem es eine Stunde so fortgegangen war, stürzte das Pferd mit ihnen so, daß sie Mühe hatten, sich wieder unter demselben hervorzuhelfen, und es in die Höhe zu richten. Als sie in einem schlechten Dorfe angekommen waren, sperrte man ihn mit einigen Mohren, deren Betragen in ihm die Sehnsucht nach seinen ersten Henkern erweckte, in eine Hütte. Vergebens suchte er sie, indem er ihnen seine Wunden zeigte, zum Mitleid zu bewegen, nicht konnte aber ihre Wuth mindern.

Sobald der Tag anbrach, hohlten ihn seine drey Türken ab. Sie marschirten den ganzen Tag, wo sie mehr als 4000 naplusischen Araber begegneten, von denen er die gröbsten Beschimpfungen erdulden mußte. Endlich kamen sie in einen kleinen Flecken, vier Stunden von Saint Jean d'Acre, an.

Sobald ihn die Einwohner erblickten, stürzten sie haufenweise unter großem Freudengeschrey hinter ihm her. Man brachte ihn in ein bequemes Haus, wo er weiter keine Mißhandlungen erfuhr, als daß man ihm an Händen und Füssen Fesseln anlegte.

Den folgenden Morgen reiseten sie nach Jean d'Acre ab. Als sie am Ufer des Meeres waren, ließ man ihn vom Pferde steigen; er benutzte diese Freyheit, um seine Wunden zu waschen. Sie kamen gerade in dem Augenblicke vor den Thoren der Stadt an, als (Dgezzar) Passa, aus Furcht vor einem Angriffe von Seiten der Franzosen, den Einwohnern befohlen hatte, den Ort zu verlassen, indem er nur 4000 Albaneser bey sich behalten wollte, mit denen er zu siegen, oder sich unter den Trümmern vergraben zu lassen Willens war.

Bey seiner Annäherung stürzte eine Menge Volks auf ihn los, die ihn mit Stockschlägen und Lanzenstössen empfingen und seine Araber vermochten kaum, ihn vor dem wüthenden Pöbel zu schützen; mit Mühe gelang es ihnen, die Thore von Saint Jean d'Acre zu erreichen. Er wurde dem Dgezzar Passe vorgestellt. Niedergedrückt sowohl von den heftigsten Schmerzen seiner Wunden, als auch von den Beschwerlichkeiten der Reise und den Mißhandlungen, die er erfahren hatte, erschien er im kläglichsten Zustande von der Welt vor dem Würger, aber dieser Wütherich zeigte nicht die geringste Spur von Mitleid an seinem häßlichen Gesicht.

Durch einen französischen Dollmetscher wurde nun Delesalle befohlen, Bericht abzustatten: wie er in Gefangenschaft gerathen. Er glaubte vorzüglich den Umstand verschweigen zu müssen, daß er seinen ersten Überwindern entwischt sey; allein es zeigte sich bald, daß der Passa von allen seinen Begebenheiten unterrichtet sey.

Nach dieser Unterredung ließ er ihn in einen elenden, ungesunden Kerker führen, wo man ihm auch wieder Fesseln an Hände und Füße legte; doch genoß er hier das Glück, daß man ihm einen Wundarzt zuschickte, der seine Wunden verband.

Indessen langte der Comodore Sidney Smith durch ein eben so glückliches, als unvorhergesehenes Ereigniß, im Pallast des Passa an, der ihm sagte, daß er einen französischen Sclaven in seiner Gewalt habe. Der Ritter Smith verlangte ihn zu sehen, man führte ihn nackend und mit Ketten beladen vor ihn. Delesalle's Zustand rührte ihn, er versicherte ihn mit Wärme, alle Mittel, die in seiner Macht stünden, anzuwenden, ihn auf der Sclaverey zu befreyen; er sprach selbst mit dem Passe, und schlug ihm, da es möglich sey, daß der französische Obergeneral türkische Kriegsgefangene habe, seine Auswechslung vor; aber dieser schreckliche Mensch ließ dem Comodore durch seinen Dollmetscher antworten: daß, wenn der französische Befehlshaber türkische Kriegsgefangene hätte, er ihnen könnte die Köpfe abschlagen lassen, er seiner Seits würde mit den Franzosen ein Gleiches thun.

Man führte ihn hierauf in das Gefängniß zu zwölf Gefährten seines Elendes zurück. Er erstaunte bey dem Anblicke ihres bejammernswürdigen Zustandes, der dem seinen gleich kam. Sie versicherten ihn, daß sie seit sieben Monathen in diesem Kerker morderten, und daß sie Christen wären. Sie benetzten ihn mit Thränen, zerrissen die beste Stücke ihrer fast vermoderten Kleider, um ihn damit zu bedecken. Sie vereinigten ihre Seufzer und Hoffnungen mit den seinigen. Welche Wonne gewährte unserem Unglücklichen dieses wohlthätige Mitleid! Wie rührend war die Sorgfalt dieser ehrwürdigen Martyrer! Er hat sie nie wieder gesehen. Sie wurden alle bey dem ersten Kanonenschusse der Franzosen auf den Mauern von Saint Jean d'Acre ohne Erbarmen erwürgt

Tags darauf schickte der Comodore Sidney um 9 Uhr Abends seinen Secretär, John Keith, mit einem Briefe an den Passa. Er bath ihn darin, den Gefangenen unter Bedeckung zu ihm an Bord zu führen. Dgezzar ließ dem Ritter antworten daß, weil er einen so großen Werth auf seine Befreyung setzte, er in zwey Stunden am Bord des Tiegers ausgeliefert werden sollte.

Der Passa hielt Wort. Um 11 Uhr öffneten sich die Thüren des Gefängnisses. Delesalle sah beym Scheine einer Lampe den Obersten der Albaner eintreten, 15 Bewaffnete folgten ihm, in Begleitung des Dollmetschers des Passa. Er glaubte, daß seine letzte Stunde geschlagen habe. "Herr Officier," sagte der Dollmetscher, Sie sind frey. "Ich kenne," antwortete Delesalle kalt, "die Freiheit, die ich von einem so grausamen Manne, dem ihr dient, zu erwarten habe. Ich folge euch zur Hinrichtung; dieser grausame Spott fehlte noch zu meinem Unglück!" Die Wache stellte sich nun in zwey Reihen, und Delesalle verließ nun diesen schrecklichen Ort, in welchem er doch Freunde zurückließ. Er glaubte dem Tode entgegen zu gehen. Man führte ihn zu englischen Consul, und nahm ihm seine Fesseln ab, es wurden ihm auch Kleider gereicht, um ihn den Augen der auf den Straßen aufgestellten Schildwachen zu entziehen. Der Consul, welcher ihn begleitete, lieferte ihn an Bord des Tiegers. Jetzt schöpfte er, nach so vielen Drangsalen, das erste Mahl wieder freyen Athem. Es war Mitternacht. Welcher plötzliche Wechsel von Unglück und Glück! Die englischen Officiere von jedem Grade kamen zu ihm, und beeiferten sich, ihm alle mögliche Arten von Ehrenbezeigungen zu erweisen. Man gab ihm anständige Kleider; der Ritter kam selbst, und wünschte ihm Glück, in einem so gefährlichen Augenblicke entkommen zu seyn, denn, fügte er hinzu, die französische Armee ist so eben unter den Mauern der Stadt angekommen, und bey dem ersten Schusse würde Ihr Kopf durch das Schwert gefallen seyn. Delesalle suchte seine Dankbarkeit auf das lebhafteste auszudrücken, Sidney empfing diese Beweise mit der größten Bescheidenheit, und versicherte, daß er sich glücklich schätzte, einem Officier nützlich gewesen zu seyn.

Bald darauf schickte der Ritter Sidney Smith den Secretär John Keith an den französischen Feldherrn als Parlementär ab. Delesalle ergriff diese Gelegenheit, dem Bürger Beon, Brigadechef des dritten Regiments Dragoner, Nachricht von sich zu geben; er fügte die treue Erzählung seiner Begebenheiten hinzu, mit der Bitte, den General zu ersuchen, wegen seiner Auswechslung zu unterhandeln. Bey der Rückkehr des Parlementärs erfuhr er, daß man ihn für todt gehalten, und seine Pferde und Effecten verkauft hätte. Zwey Tage kreuzten sie an den Küsten von Tripolis, kamen zurück, und warfen vor Saint Jean d'Acre Anker.

Der Bürger Allemand, Lieutenant bey der Garde zu Pferd, kam als Parlementär an Bord des Tiegers, von diesem erfuhr er, daß Dgezzar Passa, sobald er die Ankunft der Franzosen unter den Mauern der Stadt erfahren, alle darin befindlichen Christen habe stranguliren lassen, und daß der Consul dasselbe Schicksal gehabt habe, daß ihre in Säcke gesteckte, und ins Meer geworfene Körper ans Ufer getrieben, und von der französischen Armee erkannt worden wären. Der Bürger Allemand stellte ihm einen Brief von Capitän Cortu zu, in welchem derselbe ihm im Nahmen aller seiner Cameraden alle etwa nöthige Hülfe anboth; er gab daher dem Allemand eine Antwort an seine biedern Gefährten, mit einem Verzeichnisse dessen, was ihm nützlich seyn konnte. Der Comodore Sidney wollte aber den Vorschlägen der Übereinkunft, welche Allemand von Seiten der Franzosen überbracht hatte, kein Gehör geben.

Der Ritter ließ jetzt durch einen Franzosen, den Seelieutenant Hedoux, ein russisches Schiff miethen, um die Officiere und Seeleute, die er am Bord seiner Flotte hatte, auf ihr Gegebenes Ehrenwort, nicht gegen Se. brittische Majestät die Waffen zu führen, ans feste Land zu bringen. Er machte Delesalle zu Gunsten eine Ausnahme, und gab ihm, als einem türkischen Gefangenen einen Passeport.

Tags darauf gingen sie unter Segel nach Frankreich. Sie hatten einen englischen Officier am Bord, um ihre Marquebriefe in den Häfen der verbundenen Mächte vorzuzeigen, damit sie Hülfe und Schutz erhielten.

An dem Tage, an welchem sie die Anker lichteten, erfuhren sie, daß die französische Armee schon sechs Mahl versucht hätte, Saint Jean d'Acre mit Sturm zu erobern, und eben so viel Mahl zurückgeschlagen sey; sie hörten von beyden Theilen eine unausgesetzte Kanonade.

Ihr Fahrzeug legte bey der Insel Rhodus an; sie fanden daselbst mehrere Franzosen, welche die Türken in der Schlacht bey Abukir gefangen gemacht hatten, und auf die abscheulichste Art behandelten.

Als sie das Gewässer der Insel Rhodus verließen, segelten sie in den Archipelagus, wo widrige Winde sie 9 Tage aufhielten. Dann steuerten sie nach dem mittelländischen Meere, wo sie sieben Stunden von einem fürchterlichen Sturm herumgeschleudert wurden. Das Schiff wurde allenthalben leck. In dieser gemeinschaftlichen Noth wurde die ganze Mannschaft von einem und demselben Geiste belebt, die Hoffnung der Erhaltung brachte aller Herzen einander näher, derselbe Muth begeisterte Alle. Alle vereinigten ihre Anstrengungen, berathschlagten weißlich über die Manövres, und führten sie mit Geschicklichkeit aus. Der Lieutenant des Schiffes, Hedoux, bewies allenthalben so viel Thätigkeit und Kaltblütigkeit, daß es ihm gelang, dem Sturme zu trotzen; er legte sich. Sie setzten nun ihre Reise fort, und legten bey Syrakus an, wo sie sich drey Tage aufhielten, um sich mit Wasser und Lebensmitteln zu versorgen. Sie erfuhren dort, daß die Sicilianer die Passagiere zweyer vor Alexandrien kommenden Schiffe zu Argustum, vier Meilen von Syrakus ermordet hätten. Ihre Anzahl belief sich auf 300, worunter 200 Franzosen waren, die an Blindheit litten; unter diesen befand sich der Oberkriegscommissär Sussy. Endlich warfen sie nach 24 Tagen vor Messina Anker, von da gelangten sie auf die Rhede vor Toulon, und nachdem die Quarantaine beendigt war, schiffte sich Delesalle aus, um zu seiner Ergänzungs-Eskadron zu Marseille zu stossen.


Quellen.[]

  1. Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst. 1813.
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