Joseph Speckbacher.[]
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Speckbacher (Joseph), geb. am 14ten August 1768 in dem tyrolischen Dörfchen Rinn, zwischen den Städten Innsbruck und Hall, eines der vorzüglichsten Häupter der tyroler Insurrection von 1809. Obschon seine Aeltern nicht unvermöglich waren, brachte er dennoch seine Jugend als Wildschütze zu, weit berühmt durch sein herrliches Auge, seine Stärke und Gewandtheit, wie er dann schon als Knabe einen Raubbären erlegte, und einen gefangenen Lämmergeier mit bloßen Händen fortschleppte. Späterhin bestellte er theils in Ruhe und Frieden sein Gütchen, theils lieferte er Holz zu den Salinen von Hall. Er war seit Jahren einer der Vertrauten des Landwirths Hofer, und nach der schmerzlichen Losreißung Tyrols von Oesterreich einer der Mittelpunkte der mit der bayerschen Regierung Mißvergnügten, und nach dem alten Herrn Verlangenden. Am 12ten April 1809, dem Tage das Ausbruches der Insurrection, überfiel Speckbacher die bayrische Garnison der Stadt Hall, und fing mit den haller Kronenwirthe Joseph Straub die von Innsbruck entkommene bayrische Cavallerie. In den Treffen von 25sten und 29sten Mai, welche die Hauptstadt Innsbruck und ganz Tyrol zum zweiten Male befreiten, that sich Speckbacher besonders hervor. Sein zehnjährige Sohn blieb ihm von Stunde an zur Seite. Nicht geringeren Muth und Reichtum der Erfindung zeigte er bei der Blokade von Kufstein. Als kraft des znaimer Waffenstillstandes, die Oesterreicher Tyrol evacuirten, dieses aber dennoch fortfuhr verzweifelte Gegenwehr zu leisten, war auch Speckbacher unter den Vordersten in den Gefechten vom 4ten, 6ten und 7ten August, und in der Schlacht von Innsbruck am 13ten August, welche den Marschall Herzog von Danzig zwang, gänzlich aus Tyrol hinwegzufliehen. Nach dieser dritten Befreiung verband Speckbacher der tyrolischen Vertheidigung auch das salzburgische Gebirgsland, am 16ten September erfocht er bei Lofer und Luftenstein entscheidende Vortheile, wurde aber am 16ten October bei Melleck geschlagen, sein Sohn gefangen; er selbst entkam nur mit genauer Noth. Die Kundmachung des wiener Friedens in Tyrol ließ das oft getäuschte Volk in vielfältigem Zweifel. Auch Speckbacher ließ sich täuschen, und glaubte an eine Wiedererneuerung des Kriegs. Er flüchtete nun mit unglaublicher Rastlosigkeit von Alpe zu Alpe, verbarg sich geraume Zeit unter Schnee und Eis in einer unbekannten Höhle, sieben Wochen lang war er in seinem eigenen Stalle verscharrt, endlich im Mai 1810 flüchtete er über die Gebirge nach Wien. Hier erhielt er Obristens-Pension, und sollte die für die Tyroler im temeswarer Banat neugestiftete Colonie organisiren. Beim Ausbruche des Krieges von 1813 schlich er sich wiederum nach Tyrol hinein, und obgleich es zu keiner entscheidenden Waffenthat kam, leistete er dennoch vortreffliche Dienste. Nach so vielen Auszeichnungen, Mühseligkeiten und Gefahren verdiente er es allerdings, an dem unvergeßlichen feierlichen Tage der Anführer der bewaffneten Schützenmannschaft zu seyn, an welchem die längstersehnte Wiederkehr unter die alte geliebte Herrschaft von Oesterreich durch die dem Kaiser Franz in Person geleistete Erbhuldigung besiegelt wurde.
Speckbacher, der Tyroler.[]
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Speckbacher, nach Hofer einer der ausgezeichnetsten Helden Tyrols in dem wunderbaren Kampfe für alte Verfassung und für ein geliebtes Fürstenhaus, wurde auch in diesem Jahre zu neuer Thätigkeit berufen, nachdem er bis dahin aus seinem Vaterlande verbannt, bei der Witwe Hofers, welcher der Kaiser ein Bauerngut in Ober-Oesterreich geschenkt hatte, seine Tage in mancherlei Gram zugebracht hatte. Er ist ein schwächlicher, einfacher, durch Wunden und Anstrengungen hektischer 36jähriger Mann; aber sein Körper, ist noch in der Gewalt seines kühnen Geistes. Nach der Aufkündigung des Waffenstillstandes schlich er in sein Vaterland; Zwieback und Käse in der Tasche, saß er auf den beschneiten Alpen, als ob er die Welt beherrsche und das Volk wäre sein. Den 13ten September, Nachmittags 3 Uhr, sollten 1200 Mann österreichische Truppen in Tyrol einrücken, und der Aufstand an verabredeten Punkten ausbrechen. Politische Verhandlungen mit Baiern traten dazwischen, der Anmarsch der Truppen geschah nicht; Speckbacher, der sich selbst auf geheimen Wegen von allem zu unterrichten wußte, zögerte mit den Signalen zum Aufstande von einer Stunde zur andern; die Vorsicht rettete tausend Familien ihr ruhiges Daseyn. Speckbacher kam darauf zu der österreichischen Commission in einer vom gröbsten Flausch gemachten Jägerjacke, ohne Schuhe, den Stutzen auf dem Rücken, einen alten Degen ohne Scheide und Kuppel unterm Arm, der zerlöcherten Hut hinwerfend, mit schwarzen blinzelnden Augen, die Röthe der Hektik auf den Wangen; er war in Verzweiflung; man sagte ihm, daß 1500 Ducaten auf seinen Kopf gesetzt wären. Da schwor er, wenn er früher von den 1500 Ducaten gehört, er sich selbst ausgeliefert hätte, um seinem Weibe einen Nothpfennig zu schaffen. Eine neue Bestimmung ermunterte ihn wieder; er führte die Tyroler Schützen, deren General Fenner in seinen Berichten so vortheilhaft erwähnt; wie viel er dabei gethan, sey der Nachwelt zu wissen vorbehalten; genug, einer der lebendigsten Bewunderer Wellingtons versicherte, daß er nur diesen in seinem Vaterlande höchst verehren, sonst aber fast unbekannten Helden ihm vergleichen möchte in Ausdauer und Klugheit. Viele Aussprüche von ihm werden erzählt. So bat er den österreichischen Commissär um einen Paß, als er heimlich nach Tyrol geschickt wurde. Der Commissär sagte ihm: Narr, was nützt dir ein österreichischer Paß? Speckbacher versetzte kalt: es kann doch kommen, daß mich einer zur Unzeit trifft; während er ihn lies't, schieße ich ihn todt.
Speckbacher in seinem Hauptquartier zu Meleck im Jahr 1809.[]
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Ich hatte mit meinem Freunde Rovaria den Entschluß gefaßt, gerade zu der Zeit, als Lefébre von den Tyrolern zurückgedrängt wurde, und von denselben alle Engpässe gegen S -- besetzt waren, über die Berge den baierischen und tyrolischen Vorposten auszuweichen, und so in unsere Heimath zu kommen, welche dem schrecklichlichsten Greuel der Verwüstung und der gebietrischen Willkühr aufgereitzter Bauern ausgesetzt war. Im Anfange Oktobers, an einem sehr heitern und schönen Morgen traten wir die Reise über den T -- Berg an. Die beträchtliche Anhöhe desselben gewährte herrliche Aussichten in die mit Thälern und Waldungen abwechselnden Flächen, und gegen Süden hin starrten uns die mit Schnee bedeckten Gebirge voll kalten Schauers an. Nachdem wir den höchsten Standpunkt erreicht hatten, pochte und das Herz vor dem tiefen Abgrunde, in welchen wir hinabsteigen mußten, um die über dem öden Thale J -- liegende Bergkette zu ereilen. Ungewiß, in welche Hände wir zuerst gerathen könnten, (denn jede Parthei hätte uns feindlich behandeln müssen, so rein und edel unsre Absicht war, unserer bedrängten Heimath zu Hülfe zu eilen) stiegen wir in die schauerliche Tiefe nieder durch einen dunklen Kiefenwald und waren entschlossen, männlich zu dulden, wie kräftige Gebirgsländer, was uns dort immer begegnen möchte! Der Biedersinn der königl. baierischen Truppen bürgte uns für schonende Behandlung von einer Seite, von der andern hofften wir freundliche Aufnahme, da Sprache und Ton uns theils zu den Ihrigen machten; überdiess durften beide von Musensöhnen die strengste Neutralität erwarten, da uns die Lorbeern wenig lockten, wohl aber die lang entbehrten Besuchte des schönen Alpenlandes, wo wir unsre Kindheit verträumten.
Nachdem wir in einem unter beschattenden Buchen freundlich winkenden Bauernhause Erfrischung zu uns genommen hatten, forschten wir auf eine unbefangene Weise die wackre Wirthin und den Stand der Truppen aus. Kaum konnte sie umhin, uns für Tyroler zu halten, sie maß uns mit scharfen Augen, und, als errieth sie unsre Absicht, uns gegen die Salinenleitungen zuzuwenden, die sich mit der Heeresstrasse nach Tyrol kreutzen, versicherte sie uns, daß an der Wegscheide **) Baiern stünden. Wollten wir diesen Weg nicht einschlagen, so hatten wir die beinahe unübersteigbaren Alpenhöhen vor uns, die ohne Gefahr nicht zu erklimmen waren. Unsere Absicht war, weder auf die eine, noch auf die andere Parthei zu stossen; und nichts im Herzen, als die Heimath, gerade durchzugreifen, und unserm schönen Ziele nachzujagen.
Daß es der Bauer weniger genau nehme, ungeachtet seines stürmischen Geistes, falls wir in seine Gewalt kämen, als das Militär, das oft in ähnlichen Fällen keine Schonung kennen darf, bewog uns, südlich vorzudringen, um doch den sicher gebahnten Weg dem mühsamen Alpensteig vorzuziehen. Also ex hypothesi den Tyrolern entgegen! Jedem beobachtenden Auge entschwunden, zogen wir uns gegen die Wegscheide zu. Kaum hatten wir eine Strecke von 2 Stunden zurücklegt, so erblickten wir in der Ferne aus der Tiefe herauf einen Schwarm bunter Waffengattungen. Wir kamen näher -- und noch hundert Schritte, und wir sahen Tyroler vor uns. Der Anblick hätte uns anfänglich bald aus dem Gleichgewicht gebracht. Doch die bange Erwartung löste sich in Freude auf. Wir sahen, aus ihren bekannten Zügen, aus ihren redlichen, offnen Blicken, gewogene Freunde, denen wir zueilten, und die Bilder der heißersehnten Heimath schwebten in diesem Momente vor uns! Umgeben von der großen Schaar, hörten wir alle Dialekte, welche die Tyroler Zunge spricht, jedem mußten wir Rede stehen, und jeder wollte seine Antwort haben. Der ganze Haufe glich einem Wildschützenkorps. das voll Frohsinn und muntere Laune in die Gebirge zieht. Grüne Hüte, theils mit Federn, theils mit Bändern geschmückt, ein Feuerrohr leicht und ungezwungen über die Schulter hängend, und kurze Jacken, boten keinen unangenehmen Anblick. Mancher schwerfällige Wirth, wohlbeleibt und rothwangigt, wie sie in den nördlichen Tyrol, ehe sie die südlichste Gränze berühren, gestaltet sind, schwankte zu Pferde daher, und seine gebietende Miene gab zu verstehen, daß er ein Kommando führe. -- Auffallender war die Erscheinung einiger Reuter, die, ihrer Uniform und ihrer ganzen Equipirung nach, keinen regulären Kavalleristen nachstanden. Später erklärte sich dieses militärische Phänomen, das gegen die regellose Zusammenstellung des Landsturms so sehr abzustechen schien, und wir fanden, daß sich Vater *) Hofer eine Anzahl berittener Eilboten hielt, welche von Innsbruck aus nach allen Gegenden abgeschickt wurden, wo sich einzelne Insurrektions-Chefs und ihre Korps hingezogen hatten, und die Verhaltungsbefehle erhielten.
- *) Diesen Namen legte sich Hofer bei und wurde mit diesem begrüßt. Der ausschweifende Tyroler ersann in seiner Schwärmerei lauter Extreme.
Zwischen dem Landesvater und seinen Oberkommandanten wechselte eine Art beständiger Kouriere; und zu dieser Bestimmung hatte sie Andr. Hofer mitunter gewählt. Ihre Dienste waren auserlesen. Sie hatten sehr gute Pferde, und das Leichte in der Haltung dieser Kavallerie, welche, wie die geübtesten Ritter dahinflog, ließ auf ausgezeichnete Uebung vermuthen, oder daß sie von einem regulären Kavalleriekorps waren. Die grüne Uniform mit rothen Aufschlägen, Sturmhüte mit rothen Federbüschen, und andere sehr zweckmäßige Bedeckung an Mann und Pferd, alles nach ganz strenger Form, empfahlen die noch übrigens schöne Mannschaft nicht wenig.
Diese landstürmischen Szenen waren uns vorüber gewandelt. Wir zogen guten Muths weiter durch die tiefe Bergschlucht, an welcher links in nordwestlicher Richtung die kunstvoll mit wahrhaft kühnem Geiste über Felsen geleitete Saline rauscht -- ein Meisterstück der königlichen Regierung -- das mit einer römischen Wasserleitung verglichen werden darf. -- Wir harrten mit Sehnsucht dem nächsten wirthbaren Orte entgegen.
Es zog noch mancher Landstürmer bei uns vorbei. Unsere Erscheinung aber erregte nicht den geringsten Verdacht. Mancher, der gegen uns traulich seyn zu dürfen glaubte, äußerte seine Unzufriedenheit über schlechte Verpflegung, und über das Wohlleben der Kommandanten. Dieser früher geschilderte Zug galt einer Requisition in die nächsten Dorfschaften, wo Brod xc. aufzutreiben war. **) Die Klagen dieser Männer mochten nicht ungegründet gewesen seyn. Sie waren meistentheils aus salzburgischen Gebirgsdistrikten z. B. Zitterthal oder Brixenthal. welche der Gewalt nachgeben mußten, und von den empörten Tyrolern, wie von einer glühenden Lava, dahingerissen wurden. Da hieß es in der That: Quis contra torrentem? Der friedliche Gaubewohner Salzburgs fand nirgends Schutz gegen die andringende Herrschaft des aufgereizten Tyrolers, und er griff zur Waffe, ohne im geringsten dazu gestimmt zu seyn. Weigerung nannte der Tyroler Verrath und Abtrünnigkeit vom Kaiser. "Die Hütte in Flammen oder zur Wehr!"
- *) Was Requisitionen betrifft, so waren die Tyroler im Wetteifer mit feindlichen Truppen, sie verfuhren sehr kurz, und ließen im Salzburgischen die Kassen mitführen.
Kaum hatten wir die sogenannten Wegscheide erreicht, so stießen wir auf einen starken Vorposten von Tyrolern gegen St. . . zu. Ich hatte meinem Begleiter einiges zu sagen und ließ lateinische Worte fallen. Die Aufmerksamkeit war gespannt. -- Wir waren schon bei 200 Schritten entfernt, als uns von ungefähr ein Halt nachgerufen wurde. Wir giengen unseres Weges, bis uns endlich zwei bewaffnete Tyroler, athemlos vom Laufen, erreicht hatten. Wir verbaten alle Eskortirung. Sie wichen aber nicht mehr von unserer Seite und begleiteten uns bis zum nächsten Posten. Unsere frohe Laune schien ihnen unbegreiflich -- ja, sie ärgerten sich sogar darüber, denn sie hielten uns in ihrem Wahn für Spione, die keinem erfreulichen Loose entgegen giengen. -- Wir trafen auf dem hohen Ristfeucht **) ein sehr großes Piquet Tyroler. Hier sah es aus wie in einem kleinen Lager, und ich erinnerte mich bei dem bunten Anblicke an Wallensteins Lager -- natürlich insofern Alles nur im verjüngten Maßstabe hier zu sehen war. Bier und Weinfässer standen da, theils geleert, theils noch gefüllt, dort wurde gezecht, hier gespielt und disputirt, dort stand ein Trupp rüstiger Innthaler und diskutirten über Verschanzungen, hier drehte man an einem Knittel ein Stück Braten, dort lagerte sich eine frohe Gruppe schnurbärtiger Männer, und dampften aus ihrer Pfeife, hier trillerte einer auf seiner Maultrommel ein Alpenlied. Alle Zeichnungen fanden sich hier; Lust und wilde Freude, trüber Ernst und stolzer Trotz. Eine baierische Kanone war zur Hälfte gelb und schwarz überstrichen, und präsentirte sich gar sonderbar, indem sie die doppelte Nationalfarbe noch trug.
- ***) Hier schlug ein Haufe Schützen die Franzosen im Jahr 1800, als sie ins Gebirg eindringen wollten.
Ein Hauptmann war auf dieses Piket kommandirt. Er trug einen hellblauen Mantel, führte ein spanisches Rohr, und hatte sich mit einer Art Sarazener umgürtet. Seine Mundart verrieth den Zillerthaler. Es war mit ihm etwas verfänglich zu sprechen, denn der klarste Sinn der Worte wurde von ihm mißverstanden, sobald nicht Kaiser und Tyrol sich im Kontexte schlugen. Man sah deutlich, daß die österreichischen Emissäre sie mit großen Versprechungen und falschen Siegesnachrichten noch im diese Zeit irre führten. Sie erwarteten viel Geld und Hülfstruppen, und glühten von schwärmerischem Eifer für ihre Sache. -- Wir erhielten neue Begleitung. Endlich langten wir im Hauptquartier selbst an. Die Eskorte führte uns über eine Treppe in das Zimmer des Oberkommandanten. Umgeben von seinem Stabe, seinen Adjutanten, Schreibern und einem Feldpriester, wurden wir mit stummen Ernste empfangen. Hier ein einem geräumigen Häuschen, das zu dem neben anstoßenden Hauptgebäude gehörte, das aber der Eigenthümer, ein baierischer Unterthan, räumen mußte, schalteten die Tyroler wie unumschränkte Herren. Links und rechts umschlossen hohe Felsenwände, fürchterliche Bergmassen, über welche sich schäumende Kaskaden stürzten, einen schmalen Raum, der gegen den in der Tiefe liegenden Steinpaß sich plötzlich abflacht. Eine schauerliche Einöde, die nur durch den Ausblick auf die gegenüber aus dämmernder Ferne winkenden, schönen Alpenweiden gemildert wird, mit kaum ersteigbaren, hie und da bewachsenen Anhöhen, veranlaßt den staunenden Wanderer zu ernsten Betrachtungen. Nur der einsame Klang der zerstreut weidenden Heerden, und der Knall einer Peitsche erinnert, daß man in einem benachbarten Thale wandere, durch das die Strasse nach Tyrol und Italien führt, und worauf schon viele tausend Heere seit Jahrhunderten zogen.
Diesen Platz wählte der Tyroler gegen Salzburg *) und Baiern zu, von woher der heftigste Andrang der muthvollen baierischen Armee zu befürchten war. Er trotzte mit seiner festen Lage dem kühnsten Heere, und im Vertrauen auf das Jahr 1800, wo man die französischen Republikaner mit so großem Erfolge zurückwarf, sollte ihn auch dießmal diese natürliche Felsenburg sichern! Allein sie wurden auf den gefahrvollsten Steigen umgangen, und der unternehmende Anführer der Baiern rückten unverhofft von der Tiefe herauf, wo sie ihren einzigen offnen Rettungsweg hatten, und kam ihnen in den Rücken.
- *) Bei Hallein drohten sie gleichfalls herauszubrechen, unter dem Kommando des Kapuziners.
Beim Eintritte fielen verwundernde Blicke auf die ungehofften Wanderer. Ich reichte meinen Paß hin, ein Kollege seine Universitätszeugnisse. Wir mußten mit entblößtem Haupte in ehrerbietiger Stellung dastehn. "Woher seid Ihr -- und wohin wollt Ihr?" Das waren die sparsamen Worte, die uns Speckbacher, der Oberkommandant, vergönnte. Er saß an einem Scheibtische, mit seinen Papieren beschäftigt, denn so eben kam eine Estatfette von Hofer an, (der sich, wie ich durch einen zufälligen Blick auf das Papier bemerkte, als Oberkommandant von Tyrol unterzeichnet hatte.)
Unter dunklen, starken Augenbraunen flammte ein großes, schwarzes Auge. Speckbachers Figur war groß und schlank und in die gewöhnliche Tyrolerschützenuniform gekleidet. Seine Gesichtszüge verriethen einen festen, unerschütterlichen Karakter. Eine gewisse Feierlichkeit goß sich über sein ganzes Wesen, das würdevoller Ernst noch mehr erhob, und ein ungezwungener Anstand, mit Feldherrnansehn gepaart, sprach sich im gediegenen Tyroler aus. Auf seiner Stirne leuchtete sorgsam prüfender, eindringender Verstand, und eine heroische Entschiedenheit, die jeden anzog. Er schien geeignet, muthige Schaaren anzuführen. Wegen unserer Nähe wurden alle Befehle in geheimnißvoller Stille ertheilt; vorzüglich bedeutsam flüsterte der Feldpater dem Oberkommandanten ins Ohr, und ich bemerkte, daß seine Aufmerksamkeit mich angieng, da ich den Wunsch geäussert hatte, noch an diesem Abend meine Verwandten aufzusuchen. Diesem ehrwürdig thuenden Priester huldigte Alles, und er hatte großes Gewicht bei Speckbacher, wie bei den übrigen Kommandanten. Er verfaßte alle Schreiben an Hofer, und war gewissermassen die Seele des Hauptquartiers. Die Messe aber mußte er, vermöge Auftrages, eine halbe Stunde lang lesen. Er verrieth ausserordentliche Gewandtheit und geberdete sich wie der umsichtigste Kanzleidirektor. Nur den Priestern traute man. Zivilbeamte schienen verdächtig. Das heilige Geschäft des Segens machte die erstern zu unentbehrlichen Personen bei Kämpfen. Ich sprach mit dem einen und andern seiner Kommandanten über die damalige Lage der Dinge, und ich staunte über das gesunde Räsonnement, über die bestimmte und richtige Ansicht, die sie hin und wieder von ihrer Zeit hatten. Mancher unserer geübtseynwollenden Zeiträsonneurs hätte vor dem gesunden Urtheile dieser schlichten -- leider verführten! Kraftmänner zurücktreten müssen.
Speckbachers Sohn saß mir gegenüber. Er war Auge und Ohr, wenn von Krieg und andern auf Tyrol beziehenden Gegenständen gesprochen wurde. Er war ungefähr 11 Jahre alt. Verschlossen, wie sein ernster Vater, löste sich seine Zunge lange gegen uns nicht. Selbst im Seminar Hollands *) zeichnete ihn thätige Stille und Nachdenken vor den übrigen Zöglingen aus. Ein militärischer Degen hieng ihm an der Seite, und ein Federbusch zierte seinen Hut. Der Knabe that vornehm und gab den schönsten Reflex seines mit Befehlshabersmacht ausgerüsteten Vaters. Wenn er mit meinem Wandergefährten zuweilen ein Wörtchen sprach, stützte er sich auf seinen Degen und blickte bedeutsam. Speckbachers und seines Sohnes Betten waren mit Rehfellen überfüllt, ein Vorzug, dessen sich nur die Beiden zu erfreuen hatten. Ein Kaufmannsdiener, ein flinker Jüngling, der vortrefflich französisch sprach, war Speckbachers Sekretär. Ein Bursche von 17 Jahren, Student am Gymnasium zu Insbruck, war Profos; ein Dienst, welchen dieser heftige Mensch mit Liebe versah. Sein Augenspiel verrieth gar deutlich, daß ihn eine Lust anwandle, um meine Füße die Fessel zu werfen. Inzwischen ward ein allgemeiner Ritt vom Oberkommandanten veranstaltet. Ein königl. baierischer Major war in die Nähe zu Unterhandlungen gekommen, und Speckbacher brach mit seinem ganzen Adjutantenkorps dahin auf. Eine Straußfeder schwankte auf dem Hute. Ein kostbarer Säbel, mit einem silbernen Griffe, der vergoldet war, zierte des Oberkommandanten Seite, und blitzschnelle flogen sie in nächtlicher Stille zwei Stunden weit, wo sie der Abgeordnete erwartete. Argwöhnisch wegen möglichen Ueberfalls bildeten die Tyroler zu beiden Seiten ein Spalier, in einer bedeutend langen Reihe bis zur Brücke, die der gewählte Platz zur Unterredung war. Man bewirthete uns wie Gefangene, und immer deutlicher ward es mir, daß ich mit andern Verurtheilten zu Hofer nach Insbruck transportirt würde. Lautes Jauchzen verkündete ihre Ankunft. Die Krüge wurden mit Wein gefüllt; die Freude stralte auf ihren Gesichtern, und die Friedensvorschläge hatten sie zu spöttischen Bemerkungen, nicht zum Abzuge, so vernünftig und heilsam er mochte gewesen seyn, bewogen. Wir begehrten zu schlafen. Der galante Profos führte uns in das Wachtzimmer, wo Marodeurs und arretirte Schützen durcheinanderlagen. Hier gewann ich Zeit, meinem künftigen Loose nachzudenken. Meinen Begleiter labte doch mancher Schluck Wein; denn auf ihn, den Pusterthaler, wurde Rücksicht genommen. Ich, der neutrale Gränznachbar, wurde übergangen. Angstvoll durchwachte ich die Nacht, und die Sehnsucht nach der Heimath wurde immer stärker, jemehr ich die Gefahr erwog, die über mir schwebte. Der Morgen brach heran. Rovaria wurde zum Oberlieutenant gestempelt; wir mußten seinen Säbel, der auch zugleich für Diplom und Patent galt, um eine ziemliche Summe lösen. Sein Fürwort gewann nun so viel Vertrauen, daß ich Hoffnung bekam, meine Heimath zu sehen. Mir fehlte der Stempel zum Tyroler, und der salzburgische Alpenländer schien ihnen zweizüngig. Rovaria, mit seiner Charge bekleidet, erhielt den Auftrag, über mich zu wachen, und mich auf seine Verantwortung so lange mit den übrigen Gefangenen zu transportiren, bis er sich überzeugte, daß ich dieser Gegend angehöre. Man reichte ihm ein Glas Wein nach dem andern, drückte ihm wacker die Hände, gab ihm Schreiben an Andr. Hofer und Empfehlungen an Teimer *) mit, und ich wurde als Kriegsgefangener dem Freunde übergeben. Mein erzkatholischer Freund, von Wein gestärkt, bedauerte, daß wir an einem Sonntage nicht einmal ein heiliges Meßopfer in uns hätten, während ich nicht nach himmlischer, sondern nach irdischer Labung seufzte. Nach 4 Stunden traf ich meinen Vater, dem ich zwar nicht wie der verlorene, doch wie der verloren gegebene Sohn, erschien.
- *) Bekanntlich nahm Se. k. Majestät von Baiern den jungen Speckbacher großmüthiger Weise in dieses treffliche Institut auf, wo er, den übrigen Zöglingen gleich, jede Art des Unterrichts genoß.
- *) Teimer, jener bekannte Major bei der Insurrektion. Rovaria fand schlechte Aufnahme bei Hofer, weil er ihm den nahen Stand der Dinge aufdeckte, und von längst geschloßnem Frieden sprach.
- Büssel.