Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Nikolas Joseph, Ritter von Azzara.[]

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Azzara, (Nikolas Joseph, Ritter von) spanischer Bothschafter bey dem französischen Gouvernement, gebohren 1731 zu Barbanales in Arragonien. Er zeichnete schon früh einen lebhaften Hang zu den Künsten und Wissenschaften, und dieser Hang verstärkte sich durch seine Verbindung mit dem berühmten Maler Mengs, der in Dienste des Königs von Spanien getreten war. Azzara betrat bey guter Zeit die diplomatische Laufbahn, ward nach Rom unter dem Papste Klemens XIII. als Agent in Angelegenheiten der Kirche bey der Dataria geschickt und zeichnete sich in diesem Posten durch seinen angenehmen Umgang und seine tiefe Geschäftskenntniß sehr vortheilhaft aus; wurde darauf bey der spanischen Gesandtschaft angestellt und behauptete fortwährend einen grossen Einfluß auf die wichtigsten Verhandlungen seines Hofes bey dem päpstlichen Stuhle. 1796 wurde er dem Eroberer Italiens entgegengesandt, seine Gnade zu Gunsten Roms zu erflehen. Bonaparte wußte ihn sogleich zu würdigen und von dieser ersten Zusammenkunft schreibt sich der tiefe Eindruck her, den auf Azzara der Mann machte, der von diesem Zeitpunkte an der stete Gegenstand seiner Bewunderung gewesen ist. Damahls war es auch, als sich eine genaue und innige Verbindung zwischen ihm und Joseph Bonaparte bildete. Azzara urtheilte über seinen Freund, daß sein Scharfblick und schneller Fassungsgeist Frankreich bald in ihm einen der geschicktesten und glücklichsten Staatsmänner geben würde. Kurz darauf ward er in einem diplomatischen Charakter nach Paris geschickt, wo ihn die Annehmlichkeit der Gesellschaft und die Aufnahme, die man ihm schenkte, für den Verlust seiner alten Freunde, einer schönen Bibliothek und einer reichen Gemählde- und antiken-Sammlung entschädigen mußte. Seine Sendung in Frankreich bestand in einem wechselnden Steigen und Fallen seiner Gunst am spanischen Hofe. Er ward zurückberufen, nach Barzellona verwiesen, wieder in dem Charakter eines Bothschafters nach Paris geschickt und von neuem dieses wichtigen Posten beraubt. Seine Gesundheit, die schon sehr gelitten, konnte diese mehrmahligen politischen Stöße nicht ertragen. Sein Plan, nach Italien zu gehen in der Hofnung, daselbst ganz den Wissenschaften und Künsten zu leben, ward vereitelt; eine schwere Krankheit ergriff ihn, er fühlte seine Kräfte schwinden und sagte den Abend vor seinem Tode zu seinem Bruder: "Nur ein Schritt, und mein Uebergang von hier nach dem Jenseits ist geschehen und dies wird jetzt seyn!" Den Tag darauf am 26sten Januar 1804 starb er. Er hinterließ ein ansehnliches Vermögen, nicht an liegenden Gütern, aber an Kapitalien, Meublen, Gemählden, Büsten, geschnittenen Steinen u. s. w. Seine Erben waren eine Schwester und zwey Brüder, deren einer, Felix von Azzara, in Paris 1802 ein sehr gelehrtes Werk über die Thiere in Paraguay herausgab, wo er sich über 20 Jahre aufgehalten hatte. Der Ritter Azzara beschäftigte sich viel mit den Wissenschaften und Künsten und schrieb seine Sprache gefällig und kraftvoll. Man verdankt ihm eine Uebersetzung von Middletons Leben Cicero's und von einigen Bruchstücken des Plinius und Seneka. Der Verlust des Ritter Azzara ward von allen, die ihn gekannt hatten, aufrichtig betrauert, zumahl von dem Minister Portalis, dessen täglicher Umgang er gewesen.


Einige Nachrichten über das Leben des während dieses Monats verstorbnen Ritters Azzara.[]

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Azzara, der seit vielen Jahren, so wohl in Italien als in Spanien, als der große Mäcen der Künste bekannt ist, war als ein gemeiner Edelmann gebohren; er lebte in seiner früheren Jugend am Hofe Ferdinands des VIIten, und zeichnete sich schon damals durch seine Liebe zu den Wissenschaften aus. Die lateinische Sprache war ihm sehr geläufig, und er verstand griechisch genug um die Citaten in dieser Ursprache lesen zu können. Er wurde in einer ziemlich subalternen Qualität nach Rom geschickt, wußte aber bald seine Verrichtungen daselbst zu heben und seine Geschäfte zu vermehren. Die Ernennung zu den geistlichen Stellen, welche der Pabst in Spanien vergibt, werden nämlich durch einen eignen Agenten besorgt, der von den Einkünften derselben eine Provision zieht. Azzara wußte es dahin zu bringen, daß alle Geschäfte dieser Art durch seine Hände giengen, ein Monopol, das ihm jährlich sehr beträchtliche Summen eintrug. Bey Gelegenheit der Aufhebung des JesuiterOrdens leistete er seinem Hofe wichtige Dienste, und wußte zugleich seinen Credit in Rom so sehr zu heben, daß, als er bald darauf einen höhern diplomatischen Charakter erhielt, sein Einfluß, nächst dem seines Freundes, des Cardinals Bernis, der mächtigste in Rom wurde. Von seinem Hofe erhielt er auch schon damals die wichtigsten Gunstbezeugungen für seine Freunde. Er war es, der für Mengs die Erlaubniß erhielt, in Rom zu bleiben, und daselbst das Gehalt des ersten Mahlers des Königs von Spanien zu beziehen, das ihn sonst an Madrid gefesselt hätte.

Er machte von seiner steigenden Gunst den edelsten Gebrauch, veranstaltete fruchtbare Nachsuchungen nach verschütteten Kunstwerke, ließ interessante Werke auf seine Kosten, oder durch seinen Vorschub drucken, schafte sich eine sehr große Bibliothek an, deren freyen Gebrauch er seinen Freunden verstattete, und unterstüzte Gelehrte und Litteratoren. Sein Bibliothekar Arteaga, der vor einigen Jahren (auch in Paris) verstorben ist, war ein ausgezeichneter Schriftsteller. Der berühmte Antiquar Visconti verdankte Azzara seine Aussöhnung mit dem Pabste, als er in den weltlichen Stand übergetreten war. Das Verzeichniß der Gelehrten und Künstler, denen er nützlich war, wäre selbst für eine ausführliche Biographie zu lang. Als sein Freund Mengs starb, erhielt er vom spanischen Hofe Pensionen für alle Kinder dieses berühmten Mahlers, und vertrat an denselben Vaterstelle bis an seinen Tod. Der Pracht-Buchdrucker Bodoni verdankte auch Azzara einen Theil seines Rufs, dieser rieth ihm, nicht vergängliche moderne Werke, sondern hauptsächlich Meisterstücke des Alterthums zu drucken. Zum Vergil schrieb er selbst die Vorrede, die Ausgabe wurde von Visconti besorgt, der einige vortrefliche neue Lesarten einrükte, dem es aber unglücklicher Weise untersagt war, Anmerkungen zu machen, worin er von denselben hätte Rechenschaft geben können. Die Werke Bodonis blieben aber immer incorrekt, weil er ohne Vorlage druckte, so daß die unmittelbar auf die Lettern applizirte Marmorplatte seiner Presse sehr oft dieselben sprengte, wo dann häufig der Setzer falsche Buchstaben einrückte.

Während des französischen Revolutionskriegs rieth Azzara beständig seinem Hofe mit Frankreich in freundschaftlichen Verbindungen zu bleiben, und als der Friede zu Basel geschlossen wurde, schrieb er dem Vermittler desselben, daß dieser Friede unbedeutend wäre, wenn er nicht in einem Allianz-Traktat verwandelt würde.

Auch dem Pabste rieth er, des umgeänderten Frankreichs wachsende Macht zu schonen, er war es, der den ersten Frieden dieses geistlichen Fürsten mit Bonaparte schloß. Nach dem Bruche desselben mußte er sich von Rom entfernen. Er wurde dahin zurückberufen, als Bonapartes neue Siege den Pabst zu neuen Unterhandlungen zwangen, und verließ diese Stadt erst nach dem Einrücken der Franzosen und der Errichtung der römischen Republik, welche seinen diplomatischen Verrichtungen ein Ende machte. Seitdem lebte er anfänglich im obern Italien, und zulezt in Frankreich, wo er die engste Freundschaft mehrerer der interessantesten und der mächtigsten Männer des Staats genoß. Seine Liebe zu den Alterthümern behielt er bis ans Ende bey. Er starb im 81ten Jahre; wenige Tage vor seinem Tode sprach er noch mit Visconti von dem Vorhaben nach Italien zurückzukehren, und in Tivoli neue Nachgrabungen zu veranstalten, oder unterbrochene fortzusetzen. Er schrieb einige spanische Werke, deren Styl sehr vorzüglich seyn soll; seine Uebersetzung des Lebens Cicero's von Middleton ist das beträchtlichste derselben, man findet darin interessante Noten über die Porträte der Zeitgenossen Cicero's, welche nach den besten Denkmählern des Alterthums abgebildet worden sind. Seine italienische Werke, und war er lateinisch schrieb, ließ er von ausgezeichneten Kennern dieser Sprache durchsehen. Seine Meinungen über Gegenstände der Kunst waren oft zu schrof, auch hatte er aus Vorliebe für Mengs und besonders durch eine zu allgemeine Anwendung der Grundsätze dieses großen Mahlers manche Vorurtheile in sich festgesetzt, und was er einmal glaubte, daran hielt er und sprach davon mit der äußersten Freymüthigkeit. Die Geradheit und Festigkeit seines Charakters wird von seinen Freunden aufs wärmste gelobt. Er verschenkte seine Freundschaft nicht leichtsinnig, aber wem er einmal wohl wollte, dem blieb er treu. Seine Feindschaft war eben so unversöhnlich, eine Vereinigung zweyer verwandter Eigenschaften, welche einigermaßen das harte Wort Johnson's I love a good hater *) rechtfertigt.

*) Ich liebe einen guten Hasser.

Der Minister Talleyrand sammelt Nachrichten über die Lebens-Geschichte seines verstorbenen Freundes, um eine vollständige Biographie desselben zu schreiben: sollten darin wichtige Umstände vorkommen, die hier vergessen worden sind, so werden wir dieselben nachliefern.


Von Reisende.[]

F. J. L. Meyer.

[3]

[1801]

Paris.

Einem Briefe meines edlen Freundes Bourgoing Ambassadeur in Stokholm, verdanke ich die nähere Bekanntschaft mit dem spanischen Ambassadeur, dem als Staatsmann, als gelehrter Kunstkenner, als Freund und Beschüzer der Künstler gleich verdienten Ritter Azara. Noch mancher Stral der Erinnerung aus seinem vorigen grösstentheils auf Rom klassischem Boden zugebrachten Leben, leuchtet in der Unterhaltung mit diesem verehrten Greise hervor. Aber das Andenken an die Katastrophe von Rom, hat ihn tief gebeugt, und sein Wunsch unter den Ruinen des Alterthums sein Leben zu beschliessen, ist erkaltet. Mit einer Wehmuth, die zur Theilnahme hinreisst, spricht er, von dem Schiksal seines zweiten Vaterlandes, von den Leiden des unglüklichen Pius, und mehrerer seiner damals geächteten Bekannten und Freunde. Seine redliche und treue Freundschaft für Pius als Mensch, und in seiner bedenklichen Lage als Regent, ward mit Undank und Verfolgung belohnt, und er musste es sehen, dass der schwache Fürst, der seinen Rath verschmähete, und von jeher nur den Eingebungen treuloser und kurzsichtiger Schmeichler folgte, fiel, und von seinen grausamen Feinden bis in den Tod verfolgt ward. *) Er erzählte mir einzelne schrekliche Züge dieser Katastrophe von Rom, und der Reaktionen der verschiedenen Partheien. Viele der besten Kunstschäze fürstlicher Häuser sind geplündert, vertrödelt, verschwunden. Kolonna, eins der ersten dieser Häuser, lebt mit seiner Familie in Armuth, und seine herrliche Gallerie von Gemälden ist zerstreut. Die beiden Borghese, hatten sich durch ihre revolutionaire Politik erhalten; aber der Geist Marcus Antonius, ihres edlen Vaters, ruhete nicht auf ihnen; nie haben sie den Künsten und Künstlern seinen Schuz verliehen, sie nie wie er befördert. Die ihnen angeerbten herrlichen Sammlungen von Kunstwerken waren längst unbenuzte todte Schäze.

*) Die Geschichte dieser Leiden des unglüklichen Pius, so wie die treue Darstellung des Karakters Azara's ist in dem von mit aus dem französischen übersezten, und mit Zusäzen herausgegebnen treflichen Werk: Memoires historiques et philosophiques sur Pie VI et son Pontificat, vollständig erhalten.


Quellen.[]

  1. Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
  2. Französische Miscellen Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1804.
  3. Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs, von F. J. L. Meyer Dr. Domherrn in Hamburg. . . Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1803.
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