Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Freiherr von Thielmann.[]


Thielmann (Freiherr von),[1] geboren 176 ., jetziger königlich preußischer Generallieutenant und Militärgouverneur der zwischen der Weser und dem Rhein belegenen königlich preußischen westphälischen Provinzen, stammt aus einer angesehenen bürgerlichen, im königlich sächsischen Staatsdienste ausgezeichneten Familie.

Nachdem er die ungemein glänzenden Eigenschaften seines Geistes durch eine reichhaltige, wissenschaftlichen Bildung erhöht hatte, folgte er noch im Jünglingsalter seiner unwiderstehlichen Neigung zum Militärstande. Bei Errichtung des königlich sächsischen Husarenregiments, einer Truppe, die sich von Anfang an durch ihren militärischen Geist und durch die ausgezeichnete Bildung ihres Offiziercorps hervorthat, erhielt er eine Lieutenantsstelle, und der damals eben ausgebrochene erste französische Revolutionskrieg gab ihm die erwünschte Gelegenheit, Talent und Beruf in der erwähnten Laufbahn zu bewähren. In allen Affairen, an denen sein Regiment Antheil nahm, ward er mit Belobung genannt, und seine Geistesgegenwart und Unerschrockenheit als Muster aufgestellt. Ein baldiges Avancement zum Rittmeister, und die Decoration des königlich sächsischen Heinrichsordens waren der Lohn dieser Anstrengungen.

Nach hergestelltem Frieden kehrte das Regiment in seine Garnisonen im thüringischen Kreise zurück. Derselbe Eifer und Enthusiasmus, der den General Thielmann auf dem Felde der Ehre charakterisirte, wurde nunmehr auf die Wissenschaften gewendet. Die Nähe von Weimar und Jena, der damals hoch aufgeregte Geist der philosophischen Forschung, der Umgang mit ausgezeichneten Regimentscameraden (unter denen wir nur des berühmten Geschichtsschreibers des Kaisers Friedrich, des Generallieutenant von Funk gedenken), ferner die Freundschaft Hardenbergs-Novalis, und des unvergeßlichen Oberhofpredigers F. V. Reinhard, welche gemeinschaftlich mit ihm an der Hand dreier liebenswürdigen Töchter des charpentierschen Hauses zu Freiberg ihr häusliches Lebensglück begründen wollten, endlich die nähere Verbindung mit dem körnerschen Hause, die sich in Dresden vereinigten, - alle diese Umstände gaben dem rastlosen Geiste die glücklichste Nahrung.

Der Feldzug von 1806 rief ihn zu den Waffen zurück; das Unglück bei Jena, die unfreiwillige Unthätigkeit des sächsischen Auxiliarcorps, eine unerwartete Audienz beim Kaiser Napoleon zu Merseburg, und die dem sächsischen Hofe aufgedrungene Wendung seiner Politik bewirkten, was eine fühere Reise nach Paris nicht vermocht hatte. Sie öffneten ihm die Augen über die Lage von Deutschland, über den Charakter der leitenden Personen, über den Werth jenes militärischen System, dem auch er bis dahin von ganzen Herzen angehangen hatte. Weder geblendet, noch geschreckt durch die französischen Waffen, aber gedemüthigt durch die erwiesene Ohnmacht der Deutschen, ließ ihm der Drang des Augenblicks und die Pflicht des Dienstes zwar keine Wahl, aber der Gedanke der Rettung Deutschlands, und der Wunsch, die Schule des Feindes dereinst zu seiner Niederlage benutzen zu können, hat ihn in den folgenden Jahren niemals verlassen. Wer möchte ihm verdenken, daß er unter der Hoffnungslosigkeit der Jahre 1806 bis 1812 sich die Möglichkeit einer solchen Niederlage nicht anders als seine deutsche Zeitgenossen einzubilden wußte, nämlich als das dereinstige Werk eines außerordentlichen Heerführers, eines Antinapoleon; und daß er, seines tüchtigen Herzens und seines vaterländischen Willens gewiß, sich für einen Divisionär desselben berufen hielt. Augenzeugen können bestätigen, daß er schon 1807 dahin, aber auch nichts höherem strebte; und die ihn näher kennen, wissen, daß er sich diesen Wunsch niemals eingestanden hat, ohne ein begleitendes Gebet, daß es ihm nur unbeschadet der Dienstpflicht gegen seinen angebeteten Herrn gelingen möge.

Die Treue gegen seinen Herrn zu bethätigen, gaben die Jahre 1806, 1807, 1809 und 1812 die glänzendsten Gelegenheiten; durch rühmlichen Antheil an der Belagerung von Danzig und an der Schlacht von Friedland stieg er zum Rang eines Obersten und Adjutanten des Königs. Wie er dem Könige 1809 als nunmehriger Generalmajor mit einer ermüdeten und hülfsbedürftigen Truppe von 2000 Mann, und weniger Cavallerie und Artillerie gegen vierfache Uebermacht, und was mehr sagen will, gegen die Uebermacht seines eigenen deutschen Gefühls, sein Land behauptet und seine Hauptstadt befreit, wird auch in den deutschen Jahrbüchern jenes unvergeßlichen Krieges mit Ruhm beschrieben werden.

Sein ausgezeichneter Antheil an allen glänzenden Ereignissen der Campagne gegen Rußland, wie daß er den schrecklichen Ausgang dieses Krieges von Moskau bis jenseits der Berezina und Wilna in der näheren Umgebung des Kaisers Napoleon zu durchkämpfen hatte, ist weltbekannt. Der König von Sachsen erhob ihn in den Freiherrnstand.

Seine Schule war vollendet; er hatte sie mit den kräftigsten Jahren seines Lebens und mit seiner Gesundheit bezahlt; das Pfand der Dienstpflicht gegen seinen Herrn hatte er redlich und gewissenhaft eingelös't. Es war wohl Zeit nunmehr, das Ziel seines Lebens, die veränderten Umstände, und die Morgenröthe, die durch höhere Fügungen inzwischen über das deutsche Vaterland aufgegangen war, ruhig zu betrachten. Als ihm die Vertheidigung Torgaus übergeben wurde, noch mehr aber in jenem hoffnungsreichen Zeitpunkte, wo sich der König von Regensburg gegen Prag wandte, mußte die Ahnung, daß der Gedanke seines Lebens in Erfüllung ginge, sich wohl seiner ganzen Seele bemächtigen. Er kannte des Geheimniß der Größe Napoleons, also auch seines Verfalls. Man denke sich den schrecklichen Augenblick seines Lebens, wo er die Partei, welche der König ergriffen, erfuhr, und nun in seinen Mauern, fast im Angesichte der Zukunft Deutschlands und Sachsens, vor dem Bilde seines Königs erwog, welche Partei er zu ergreifen hätte. Es war eine Lage, wo die irdischen Gesetze und Rücksichten ihre Kraft verlieren, und wo man nur den jenseitigen Richter im Auge hat. Torgau, das letzte Unterpfand, welches er von seinem Herrn empfangen, gewissenhaft zurückstellen, seine Dienste niederlegen, und das heiligste, unveräußerliche, langgeprüfte Gefühl seiner Brust dahin retten, von wo allein Rettung für das unglückliche Sachsen kommen konnte: dies war die Partei, welche er ergriff. Deutschland war kein wesenloser Name mehr; Souverainität und Krone waren dem gewissenhaften Herrn aufgedrungen; wenn auch kein deutscher Kaiser, doch die kaiserliche Herrschaft des Rechts war im Anzuge; vor solchem Tribunal konnte der deutsche Freiherr den edelmüthigen, frommen Fürsten, der ihn dazu ernannt hatte, ruhig erwarten; in diesem Sinne wird die Nachwelt den Schritt des Generals Thielmann beurtheilen.

Was er auf der Seite der Alliirten, zumal zur Vorbereitung der Schlacht von Leipzig und für den Erfolg des ersten Feldzuges gegen Frankreich gethan, ist in Aller Gedächtniß. Der Kaiser von Rußland hat es durch die Ertheilung des Commandeurkreuzes des hohen Ordens vom heiligen Georg anerkannt. In dem Siege, der die Laufbahn Napoleons unwiderruflich beschloß, zeigte sich zwar kein Antinapoleon; der irdische Ruhm des Tages bei Waterloo wurde unter zweien getheilt, damit die Welt des unsichtbaren Herrn der Heerschaaren eingedenk seyn sollte; aber wie alle tüchtige und rechtliche Absicht auch irdisch erfüllt wird, so fand sich der General Thielmann an diesem entscheidenden Tage als Divisionär jenes Feldherrn, der die ungetheilteste Bewunderung seiner Zeitgenossen davon getragen, und hatte das Glück, zu dem Erfolg wesentlich mitzuwirken.


Vermischte Nachrichten.[]

[1812]

Dresden.[2] Der Generallieutenant Thielmann ist wegen seiner Auszeichnung im Felde von Sr. Königl. Sächsischen Majestät in den Freyherrnstand erhoben worden.


Quellen.[]

  1. Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
  2. Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 258. Sonnabend, den 26. Oktober/7. November 1812.
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