Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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J. B. von Cloots.[]

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PortretAnacharsisCloots240

Anacharsis Cloots.

Cloots (J. B. von), preußischer Baron, seit der Revolution unter dem Namen Anacharsis Cloots bekannt, gebohren zu Cleve den 24sten Juny 1755, ward Besitzer eines beträchtlichen Vermögens, das er in Kurzem durchbrachte. Natürliche Geistesanlagen, und ein fanatischer Hang zur Freyheit, verbunden mit metaphysischen Grübeleyen, hatten in seinem Gehirn eine Verwirrung hervorgebracht, die, ohne ihm ganz den Verstand zu rauben, ihn zum originelsten Thoren machten. Er reiste in verschiedenen Theilen Europens. Die französische Revolution eröffnete ihm bald eine ihm würdigere Karriere. Die erste Scene, wo er sich bemerkt machte, war die Masquerade, bekannt unter dem Namen: Bothschaft des Menschengeschlechts (Ambassade du genre humain). Cloots erschien den 19ten Juny 1790 vor den Schranken der National-Versammlung, an der Spitze einer ansehnlichen Menge Senftträger von Paris, die in fremder Tracht die Deputirten aller Nationen vorstellten. Er gab sich die Eigenschaft eines Sprechers des Menschengeschlechts, verlangte in die Verbindung aufgenommen zu werden und erhielt sein Gesuch wirklich. Er ward vom Oisedepartement im September 1792 zum Deputirten bey dem Konvent ernannt, und votirte Ludwigs XVI. Tod im Namen des Menschengeschlechts. In der Folge ward er Robespierre verdächtig, als Hebertiste arretirt und den 24. März 1794 zum Tode verdammt. Er starb mit vielem Muth.


Der Prozeß gegen Ludwig XVI.[]

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Ludwig ist des Verbrechens der beleidigten Majestät schuldig. Welche Strafe verdient sein Verbrechen? Ich antworte im Namen des menschlichen Geschlechts: den Tod.


Zeitungsnachrichten.[]

1793.[]

Paris, vom 3. May. [3]

Die Rede des "Anacharsis Cloots" über die zu errichtende Constitution, die er neulich bey Eröfnung der Deliberationen über diesen Gegenstand im N. C. gehalten, ist ein ganz sonderbahres Stük; läßt sich aber theils wegen ihrer Weitläufigkeit, theils wegen ihrer schwehr zu übersezenden exaltirten Schreibart nicht ganz mittheilen. Hier sind nur ein paar Pröbchen, wie der "Sprecher des menschlichen Geschlechts" denckt und redet:

"Wir wollen den ersten Stein von unserer konstitutionellen Pyramide auf den unerschütterlichen Felsen der Souveränität des menschlichen Geschlechts legen! Das N. C. muß nicht vergessen, daß wir die Representanten des Menschlichen Geschlechts sind; unser Auftrag ist nicht auf die Departements von Frankreich eingeschränkt; unsere Vollmachten sind von der ganzen Natur unterzeichnet. -- Die Eigenschaften einer blos eingebildeten Gottheit kommen der politischen Gottheit wirklich zu. Ich wiederhole, was ich auch schon gesagt habe, das menschliche Geschlecht ist Gott, und die Aristokraten sind Atheisten. -- Um alle Arten von Vorwand und alle Misverständnisse zu vertilgen, und den Tyrannen und unsern Feinden ein treuloses Gewehr wegzunemmen, verlange ich die Abschaffung des Namens Franzosen; es wäre sehr weislich und sehr politisch gehandelt einen Namen anzunehmen, der uns ein grosses benachbartes Land gewinnen würde; und da unsere Verbindung eine wahre brüderliche Vereinigung ist, so würde der Nahme "Germanen" sehr schicklich für uns seyn. Die Republik der "Germanen" würde sich bald über alle deutsche Krei_e verbreiten. -- Ihr kennet die wahre Natur der "Sans-Cülotterie" nicht, wenn ihr eine göttliche Natur zugebet. Wer die Schwachheit hat, an einen Gott zu glauben, der kan nicht Scharfsinn genug haben, das menschliche Geschlecht, den einzigen Souverän zu keñen. -- Die Schwach-Köpfe, die einen Gott haben wollen, werden einen auf der Erde finden, ohne sich weis nicht was für einen Souverän über den Wolken suchen zu müssen. Da die Souveränität nothwendig despotisch ist, so müssen wir sie ja nicht irrgend einer andern Macht, als dem menschlichen Geschlecht, zuschreiben." -- Aber das wird den Lesern wohl genug seyn. Nur sey es erlaubt, damit man obiges nicht etwan für eine Erdichtung halte, noch anzumerken, daß es wörtlich aus Nro. 120. des "Moniteur" genommen sey.


Quellen.[]

  1. Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
  2. Gallerie der hingerichteten, gefangenen, oder sonst verunglückten französischen Konventsmitglieder und andrer Revolutionsmänner seit Ludwigs des Unglücklichen Tode; in Verbindung des, von der erstern am Verdammungstage ihres Monarchen, über denselben ausgesprochnen, Endurtheils. Hannover, im Verlage der Helwingschen Hof-Buchhandlung. 1794.
  3. Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 11. May, 1793. Num. 38.
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