Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Von Reisende.[]

F. J. L. Meyer.[]

[1]

[1801]

Paris. Ich war hier in der Gegend meines noch nie unbesucht vorbeigelassnen Pflanzengartens. Am Eingange sind Buden mit dem schönsten Obst. Nachdem ich das gravitätisch liebkosende Elephantenpaar besucht, und mit Brod gefüttert hatte, -- ein Zoll den jeder Zuschauer ihm bringt, trug ich meinen Obstkauf unter die Ceder von Libanon. Der Sitz hat, ausser dem romantisch klingenden Namen seines Baums wenig anziehendes. Die stolze Ceder wächst auf der mitlern Höhe des Gartens in voller Majestät empor, ihre Krone verbreitet sich im weiten Umfang; aber unwirthbarer ist kein Baum, als sie. Zwischen dem traurigen Stachellaube ihrer kalten Aeste nistet kein Vogel; nur den schreienden Ton des Todtenvogels hört man zuweilen in dem Wipfel; herbstlich sauset der Wind durch das starre dem sanftern Hauch unbewegliche Laub. -- Ich verlasse den Garten nie, ohne einen neuen Fund gemacht zu haben. Als ich heute von seinem Hügel herab kam, fand ich Daubenton's Grab einige Schritte hinter der Ceder. Auf dieser glüklich gewählten Ruhestätte des Nestors der französischen Gelehrten, ist ein einfach schönes Denkmal. Die gebrochne Säule von orientalischem Granit, steht mit ihrem Fuss von weissem Marmor, zwischen malerisch gruppirten grossen Erzstufen, versteinerten Stämmen, kristallisirten Gips- und Salzklumpen. Noch war keine Inschrift daran; der Karakter des Denkmals selbst ist redend genug. Ich traf an dem Grabe einen seiner vormaligen Schüler, einen jungen Naturforscher, der mit tiefer Rührung von den lezten, immer noch den Wissenschaften und dem Vaterlande gewidmeten Tagen des achtzigjährigen Greises sprach. Der Konsul hatte ihm eine Stelle im Erhaltungs-Senat verliehen, und gleich in der ersten Sitzung rührte ihn der Schlag. Von einem feierlichen Leichenzuge begleitet, ward Daubenton auf der Anhöhe des Gartens, in welchem er sich durch seine vieljährigen Arbeiten und durch die Anordnung der Mineralsammlung, einen bleibenden Ruhm erwarb, begraben.


Pflanzengarten Paris

Carl Theodor von Uklanski.[]

[2]

[1808]

Der Jardin des Plantes.

Unter all den herrlichen Anstalten, welche Paris besizt, ist mir diese die liebste. Und dennoch hab' ich sie noch nicht anders, als im Winter gesehen. Was mag sie erst sein, wenn die ganze Vegetazion aller Klimate auf dem gastlichen Boden hoch aufstrebt, und der Reichthum der Natur auch diese seine Schätze zeigt?

Dieser Garten ist das volle, lebendige Compendium der Naturgeschichte, und muß jeden anziehen, welcher auch nicht weiter, als ein Freund der Natur ist. Wer mehr ist, der mag hier wohl nie seine Liebe und sein Suchen endigen, und Daubenton würde gewiß seine kleine Wohnung nicht gegen die Pracht der Tuilerien vertauscht haben. Auch bin ich einmal mit einem Freunde hier gewesen, der sich beinahe mit Thränen den ihm so theuer und so wichtig gewordenen Schätzen trennte, weil er keine bestimmte Hoffnung hatte, sie wieder zu sehen, und ich wurde wehmüthig mit ihm; denn wenn es schwer ist, von einer Geliebten oder einem Freunde zu scheiden, so ist es nicht leichter, einem Orte, dem man Belehrung und höhere Richtungen des Geistes verdankt, lebewohl zu sagen; ja der Schmerz der Trennung von der Geliebten und dem Freunde ist geringer, wenn nicht auch der Geist so viel zu verlieren sich bewußt ist, als das Herz.

Die Liebe zu den Wissenschaften gleicht oft der Liebe zu einem schönen Weibe; aber die Liebe zu den Wissenschaften der Naturgeschichte gewinnt an einem solchen Orte die Wärme und Innigkeit der ersten Liebe. Und so wie in dieser die junge kräftige Fantasie in Ideale hinüberschweift, so schwingt sich jene auf Standpunkte des höchsten Ueberbliks, des kühnsten Aneinanderreihens, und beinahe gewaltsamer Aufhebung des Schleiers, unter welchem die geheimnißvolle Göttin ruht. In den Stunden der höchsten Begeisterung sinkt sie dem feurigen Geliebten in seine Arme, vereinigt sich mit ihm in hoher Wonne, und läßt ihn an ihrer Brust das erste, stolze Gefühl seiner Männlichkeit finden.

Wie viel ist dieser Garten für die, welche seine Schätze verstehen, wenn auch selbst der, der sich immer nur unter den Menschen und ihren kindischen Spielen herumgetrieben hat, hier seine schönsten Freuden und Gefühle der Andacht finden mag! Das ist er mir geworden, darum kann ich ihn nicht genug sehen, und trage immer eine Ruhe des Gemüths aus ihm weg, welche ich unter Menschen nie gefunden habe. Aber, wer sie einmal nur gekostet, der sehnt sich ewig nach ihr. Kein Opfer kann ihm zu schwer sein, und er wird wohl alles dahingeben, um unter diesen Bäumen wohnen zu können.

Man darf diese Anlage wohl einen Garten im erhabensten englischen Styl nennen; denn er ist die Natur in dem verjüngten Maaßstab, wie sie ein jedes Auge übersehen kann. Hügel wechseln mit Ebenen, dickes Gebüsche mit niedrigen Pflanzen, Hütten mit freundlichen massiven Häusern, angenehme Umzäunungen mit offenen Feldern, und Bassins mit grünen Fluren. Zwischen durch ist alles von den Bewohnern belebt; flüchtige Gazellen blicken scheu nach gewaltigen Büffeln hinüber; wilde Strausse hecken neben sanften Schafen; muntere Böcke möchten sich mit den possierlichen Affen ergehen, und diese scheinen sich über den Menschen lustig zu machen, daß er sich einer Aehnlichkeit mit ihnen rühmt, und doch so schwerfällig auf dem ebenen Boden wandelt. Hier ist ein freundliches Schweizerthälchen mit Schafen aller Zonen bevölkert; dort rudern die muntern Wasservögel um den stolzen Schwan, der, nur mit sich selbst beschäftigt, mit dem klaren Wasser und seinen Flügeln spielt, unaufhörlich dem eigenen Bild im Spiegel desselben nachtaucht, und immer schöner sich wieder aus den Wellen hebt. Wie ganz sind sich auch die sanften Tauben selbst genug! Sie haben sogar keine Lust herabzukommen zu den andern; sie sind so gemüthlich auf ihren Zweigen zu Hause, daß man sich hütet, ihnen nur nahe zu kommen und ihr Stilleleben zu stören. Wie in ihrem Selbstgefühl ruhig dagegen die Adler! Auch auf der Stange ihres Kefichts sitzen sie stolz, wie auf der Spitze einer Gebirgseiche, kehren häufig dem Zuschauer den Rücken, um einen einzigen Strahl, der desto stärker durch eine Ritze einfällt, im kühnen Auge aufzufangen. Neben ihnen die Eulen, deren Blik blos in der Nacht lebt, die verachtend in die Sonne sehen, und verachten, was in ihrem Lichte wandelt. Nur den edeln Löwen bedauert man um seine Freiheit; die andern wilden Katzen sieht man gerne für ihre böse Neigung bestraft, und freut sich, daß die höchste Kraft, die in dem Elephanten wohnt, sich zu keinem Mißbrauch versucht fühlt, und minder bewacht, als der kleinste Affe, seinen Stall nur wie ein Prytaneum ansieht, in welchem ihm seine Verdienste einen Plaz verschaft haben.

Wer würde endigen, wenn er diese ganze äsopische Welt aufzählen wollte? Aber nie möchte er fertig werden, wenn er von der Ceder des Libanon bis zu dem niedrigsten Moos, das um die Steine kriecht, herabsteigen wollte? Es ist zu Vieles hier, um auf alles aufmerksam zu machen, und das Lebendige hindert beinahe den ruhigen Blik auf die Schöpfung der Natur. Damit aber ja nichts fehle, so zeigen die verschiedenen Museen, welche wie freundliche Landhäuser angebracht sind, alles durch die Kunst vereinigt, was im Leben sich zu fliehen und zu hassen scheint.

Das Museum der Naturgeschichte ist vielleicht ganz einzig. Wir wollen zuerst in das mineralogische Kabinet gehen, welches man im untern Stocke aufgestellt hat. Es kommt den übrigen Sammlungen an Vollständigkeit weit nicht nahe, enthält aber immer merkwürdiges genug, um das Auge angenehm und den Geist interessant zu beschäftigen. Die Sammlung der vulkanischen Produkte erschien mir freilich gegen verschiedene andere, die ich in Neapel und Sicilien gesehen habe, armselig; desto grösser ist aber der Vorrath von Mondsteinen, und unter denselben ein so ansehnlicher, daß mir froh sein dürfen, wenn uns unser Nachbar in Zukunft mit dergleichen Auswürfen verschont. Viele auch sind der kostbaren Steine, und es dürfte Gedanken der Demuth erwecken, wenn man den herrlichsten aller Steine, den härtesten und schimmerndsten, den Diamant, unter die Kohlen geordnet findet, und weiß, daß man ihn wirklich zu einer Kohle aufzulösen gelernt hat. Desto ehrfurchtsvoller tritt man vor Haü's unzählige Krystallformen, unter die er das ganze Reich der Mineralogie zu ordnen angefangen hat. Aber welches Menschenleben reicht zur Beendigung dieses Geschäfts hin, und wer wird Geduld genug haben, eine Vergleichung fortzusetzen, welche am Ende doch nur auf eine der mühseligsten Klassifikazionen führt? Neben solcher Arbeit werden freilich andere Kunstspielereien mit kostbaren Steinen verächtlich; man denkt aber doch nicht ungern an die Zeit, wo selbst unsere Waschbecken aus Agathen und Onyx geformt sein werden. Denn bis dahin muß doch wohl jene Klassifikazion fertig geworden sein!

Einen Stok höher ist das Museum des Thierreichs. Hier ist alles vereinigt, was die beharrlichsten Sammler, die kühnsten Reisenden, und die unermüdetsten Forscher im Reiche des Lebendigen aufzutreiben gewußt haben. Vom Elephanten bis zur kleinsten Maus hinab, vom Strauß bis zum Kolibri; vom Wallfisch bis zu dem winzigsten Wasserthiere -- Alles ist hier in der schönsten Ordnung hinter Glasscheiben aufgestellt. Aber wer vermag den ganzen Form- und Farbenreichthum der Natur in Ein Gemählde zusammenzufassen? Nur hie und da möchte man wohl ihre Schritte in den feinen Abstufungen verfolgen, durch die sie ihre ganze Schöpfung an einander gereiht, und die große Kette gebildet hat, an deren Spitze der Mensch steht. Man glaubt hier in ihre Werkstätte gekommen zu sein. Wie bei einem fleissigen Künstler stehen die unzählige Modelle, in welchen er sich versucht hat, an der Wand hin, und bilden gleichsam die Geschichte seines Geistes und seines Strebens. Ihre ersten Versuche scheint sie an den Wasserthieren gemacht zu haben, denn deren Formen sind -- den innern Bau abgerechnet, mit welchem diese Sammlung nichts zu thun hat -- die rohsten und die häßlichsten. Und das Meer bedekte die Erde, spricht die alte Kunde, und es wird mir hier, als ob die Geschlechter der Fische aus einer frühern Schöpfung übrig seien, die mich auch immer aus dem Elephanten, dem Rhinoceros und der Giraffe anschaudert. Diese Thiere haben etwas so Fremdes, gewaltig Ernstes, beinahe Grausen Erregendes, daß sie einmal nicht in unsere Vorstellungsweisen passen wollen. Auch wissen wir so wenig von ihrer Lebensweise, scheint die Natur selbst ihnen eine gewisse Scheue eingepflanzt zu haben, die sich sogar an den schönsten Vorzug des Menschen, die Schaam, anschließt, aber, bei der allmähligen Verminderung dieser Thiere, auch wahrscheinlich ihre Naturgeschichte unvollendet lassen wird. Fröhlicher hingegen ist die Schöpfung, welche das Geschlecht der Vögel gebohren hat. Hier ist die schöne Aussenseite, die herrliche Farbe, die Hauptkarakter, und die Natur scheint sich hier lange mit schönen Mischungen und bunten Zusammenstellungen unterhalten zu haben. Bei den Papageien mochte sie wohl am liebsten verweilen, und ihnen zum Beweis ihres Wohlgefallens die Bildungsfähigkeit verliehen haben, welche sie auszeichnet. Das köstlichste auf ihrer Pelette bewahrte sie aber dem zarten Geschlecht der Schmetterlinge, und bei ihnen scheint nur die lange Mühe die höchste Vollendung errungen zu haben. Denn durch wie viele Operazionen treibt sie diesen Lebensfunken hindurch, bis er vom unscheinlichen Wurm zum bedeutungsvollen Sinnbild dessen werden konnte, was im Menschen lebt, denkt, liebt und sich freuen kann? Als ob sie sich damit gefallen hätte, die leichten Fittiche zu Spiegeln ihrer ganzen Schöpfung zu machen, giebt es keine Farbe, selbst wenige Formen, die sie nicht auf den empfänglichen Grund hingeblasen. Man wird kühn genug, selbst auf ihre Ideenverkettung zu rathen, und glaubt, wie sie mit dem Kolibri und den kleinsten Vögeln, welche nur auf den größern Pflanzenblüthen leben, fertig war, den schönen Gedanken bei ihr entstehen zu sehen, auch den kleinern Blumen lebendige Wesen zu schenken, die sie zu besuchen kommen, von ihrem Honig trinken, sich mit ihnen im Winde wiegen, unter ihren Schuz für Regen und Sturm suchen. Als sie aber auch hier Leben und Genußfähigkeit genug ausgegossen hatte, so unternahm sie die Schöpfung der Säugthiere, bei welchen sie der unnützen Farben weniger achtete, und sich in reichern Formen ergieng. Hier ist der Instinkt schon reicher und mannigfaltiger, strebt er schon in stärkerer Kraft, vertheidigt sich gegen seinen Feind, ist gewaltthätig gegen die Unschuld, und schweift unaufhörlich in den Kreis seines Mitgeschöpfs hinüber. Oben an aber stehet der Mensch, dem sich der Affe und selbst das Faulthier in ihrer Organisazion nähern, und lezteres scheint sogar ein mißrathener Mensch, in welchem die freie Bewegung gefesselt ist, damit er in die Ruhe zurücksinkt, die ihm sein thierischer Instinkt anweist. Nur beim Menschen ist jede Fessel gelöst, jedes Mißverhältniß, das ihn dem Affen ähnlich gemacht hätte, vermieden, selbst die Körperkraft gemildert, damit sein Geist das Fehlende zu ersetzen strebt, und ihm ist gegeben, was allen Andern fehlt, Vernunft, Herrschaft über sich selbst, Sinn für das Schöne, und Festigkeit, es auf die verschiedenste Weise hervorzubringen.

So steht er oben, und wagt es seinen Schöpfer zu fragen: wozu hast du diese Schlangen, wozu diese Kröten, diese häßlichen Polypen gemacht? -- O du, dem alles gegeben ist, um eine solche Frage entweder nie zu machen, oder sich selbst zu beantworten, warum hängst du an der Aussenseite und dringst nicht in das Innere der herrlichen Früchte, welche vor dir liegen? Hebe jene unscheinliche Schale auf, löse das widerliche Fell ab, und entdecke die ganze schöne, erhabene Ordnung eines Lebens, eines Wirkens und Geniessens in Sphären, die dein Auge kaum erreichen kann! Das Leben ist die größte Aufgabe; Denken ist weit weniger, als Leben; Wirken ist höher, als Denken; und wenn der Wurm nicht denkt, so lebt und wirkt er dennoch, und wahrlich getreulicher, als die Vielen, die du deine Brüder nennst!

Es wird mir immer wunderbar ernst zu Muth in diesen Sälen; denn hier sind Büffon, Daubenton und Cuvier oft vor der Natur in tiefes Staunen gesunken. Glückliche Männer, die ihr Schicksal vor das lebendige Buch einer Wissenschaft geführt hat, in welcher allein der verwegenste Zweifler den Glauben finden muß, den er überall umsonst gesucht hat! Welche Fülle von Muth und Ruhe muß in euren Herzen wohnen! Denn welches Gefühl kann grösser sein, als das des Mannes, der in einem einzigen Wurm des Staubes die ganze erhabene Ordnung des Planetensystems zu erkennen vermag?

So oft muß man sich wohl versucht finden, zu fragen: wie nahe rükt das Thier dem Menschen in dem, was ihn blos über das Thier erhebt? Die List und die Treue mancher Thiere führt sie zuerst herbei, und es giebt Thatsachen genug, die die Antwort erschweren. Ich will eine von einem Hunde anführen, welcher hier ausgestopft aufbewahrt wird. Er gehörte einer Person, die in der Geschichte der Menschen eine eben so wunderbare Erscheinung ist, als ihr Hund, der berühmten Ninon de Lenclos, deren Liebenswürdigkeit gegen mehrere Generazionen bestanden hat. Ich werde meinen Gewährsmann, Mercier, selbst erzählen lassen.

"Er war schlank, klein, von fahler Farbe, sehr schwarzen Augen, und hieß Raton. Wenn man diese berühmte Frau, die Epikuräerin im edelsten und anständigsten Sinne, irgendwo einlud, so brachte sie immer ihren unzertrennlichen Begleiter, den niedlichen Hund, mit, welcher in einem Körbchen ihr zur Seite seinen Plaz nahm. Er war, so zu sagen, ihr Leibarzt, hielt genau auf die Diät seiner Gebieterin, welche ihre gute Laune und ihre Schönheit beinahe ein Jahrhundert lang erhielt, weil sie keinen Kaffee, keine Ragouts und keine Liqueurs genoß."

"Ohne sich zu rühren, ließ Raton die Suppe, das Rindfleisch und den Braten vorübergehen; so wie Ninon aber nur Miene machte, die Ragouts zu berühren, so brummte er schon, sah sie fest an, und untersagte ihre alle reizende Schüsseln. Es entstand ein sehr lebhaftes Gespräch gleichsam zwischen ihnen, in welchem der Arzt, nach vielen Einwendungen, am Ende jedesmal Meister blieb. Einige Zwischenspeisen ließ er hingehen; doch waren immer welche darunter, die er unerbittlich verbot, besonders wenn ein Gewürzgeruch ihre Gefahren verkündigte."

"Aufmerksam bemerkte er alle Schüsseln, die sich folgten, ohne im geringsten etwas für sich zu verlangen, selbst ohne ein Beinchen anzurühren, das man ihm vorwarf. Sah er aber das Dessert kommen, dann sprang er auf das Tischtuch hinauf, that freundlich mit Damen und Herren, und erhielt natürlich genug, um seinen mit wenigem zufriedenen Appetit zu stillen."

"Früchte und Zuckerwerk ließ er Ninon geniessen, so viel ihr behagte; aber beim Kaffee zeigte er nicht die geringste Nachsicht. Schon glänzten seine Augen halb im Zorne. Als wäre seine Gebieterin in höchster Gefahr, drängte er sich an sie, nahm ihr die Tasse weg, und verbarg sie in seinem Körbchen. Stellte sie sich, als ob sie ungehorsam sein wollte, so fieng er an zu zanken, und wurde so drollig böse, daß jedermann lachen mußte."

"Aber Sie erlauben mir doch, Doktor, sagte dann Ninon, ein Glas Wassers? -- Nun besänftigte er sich, wedelte mit dem Schwänzchen, und trank zum Zeichen der Aussöhnung aus demselben Glase. Auch nahm er wohl noch ein Stükchen Konfekts, und machte dann eine Menge lustiger Sprünge, siegreich und froh, daß die Gefahr für das kostbare Leben seiner unzertrennlichen Freundinn vorüber war."

Wer weiß, wie viel der gute Raton auf die Erhaltung des Lebens und der Schönheit Ninon's gewirkt hat, und ob ihr Sohn, der Chevalier de Villiers, je ohne ihn sich aus verzweifelnder Liebe gegen seine Mutter erstochen hätte?

In einem andern Gebäude dieses Gartens steht die große Sammlung der anatomischen Präparate. Sie sind gleichsam die Rükseite der großen Stickerei, die ich eben zu zeichnen gesucht habe. Hier findet man die Skelette der meisten jener Thiere, und dieses Museum ist für den Naturforscher von weit größerem Werth, indem sich hier die Grundanlage der Schöpfung des Thierreichs zeigt, und selbst die Progression ihrer Arbeit sichtbar gemacht worden ist, wie z. B. bei den Elephantenzähnen, deren ganzer Wachsthum in einigen Präparaten betrachtet werden kann. Es ist schauerlich, unter den mächtigen Skeletten des Elephanten, der Giraffe, des Rhinoceros, des Krokodills und der Riesenschlange zu stehen. Aber in tiefes Nachdenken versinkt man vor den ungeheuren Knochen der Thiere einer Vorzeit, über die wir keine Kunde haben, und welche sich blos in wenigen großen Zügen aus diesen Reliquien errathen läßt. Nur mit Mühe geht man an die Betrachtungen der Gebeine unsrer Mitwelt, um mit Ruhe in den fürchterlichen Rachen des Krokodills und des Haifisches zu sehen. Lezterer hat nichts, was die Verwesung zu überstehen vermag, als seinen knorpelichen Rachen und Rükrath. Aber jener ist mit einem Vorrath von kleinen scharfen Sägezähnen ausgestattet, welche in sechsfacher Reihe hinter einander stehen, daß, so wie einer davon der wilden Gefräßigkeit des Thiers unterlegen ist, gleich wieder ein andrer sich hervorschiebt. Nur zum Verschlingen seines Raubs scheint das ganze Thier organisirt zu sein, und dies ist auch bei der Riesenschlange der Fall, deren Maul kaum eine Menschenhand faßt, das sich aber durch einen ganz eigenen Mechanismus, so wie dessen Bauch, sehr weit ausdehnen läßt, und dem Thiere den größten Raub zu verschlingen erlaubt.

Es ist äusserst merkwürdig, die Schädel aller dieser Geschöpfe durchzugehen, und die meisten sind auch so geöfnet, daß man besonders die Masse von Gehirn, welche ihnen gegeben ist, beurtheilen kann. Es ist im Verhältniß zu der Fäh_gkeit der Thiere immer grösser oder kleiner, und bei manchen scheint es nur eine Verlängerung des Rückenmarks zu sein.

Von verschiedenem Interesse sind einige andere Stücke, wie z. B. das Skelett des Mörders von General Kleber, die Mumien aus Egypten und die der Guanchen von den kanarischen Inseln. Von lezteren findet man hier eine männliches und ein weibliches Exemplar, worunter dieses besonders gut erhalten ist, und sehr schöne Schädelformen zeigt. Sie tragen aber einen ganz eigenen Karakter, welcher Indeß von dem Skelett einer egyptischen Mumie, das auch hier steht, und beinahe kolossal ist, völlig abweicht.

Man muß Kenner sein, um den großen Vorrath von Lehrreichen Dingen, die hier sind, ganz zu schätzen. Sie sind der größte Theil von Daubenton's Lebensresultat, und werden durch den thätigen Cuvier immer mehr vervollständigt.

Einige Wachspräparate, die man noch hier sieht, sind mittelmäßig. Aber sehr wahr sind die, welche Poli zu seinem Werke verfertigt hat. Sie machen einen der merkwürdigern Theile dieser unschäzbaren Sammlung aus.

Es ist noch vieles Andre in diesem Garten zu sehen, wie die Bibliothek, die Anatomie, das chemische Laboratorium. So schön alles dies ist, so findet man es doch auch anderswo. Das Uebrige aber ist einzig.

Ehe man weggeht, besucht man gerne Daubenton's Grabmahl in der Nähe der Ceder. Erinnerungen an solche Menschen stärken und erheben den Geist, und jede Gelegenheit dies zu thun, sei uns willkommen!


Quellen.[]

  1. Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs, von F. J. L. Meyer Dr. Domherrn in Hamburg. . . Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1802.
  2. Ansichten von Paris. Nihil admirari. Zürich, bei Heinrich Geßner, 1809.
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