J. Necker.[]
Necker (J.) General-Kontroleur und Minister der Finanzen am französischen Hofe, Sohn eines Professors am Kollegium zu Genf. Als geborner Republikaner, Unadeliger und Kalvinist nahm er allen Haß und alle Vorurtheile, die er unter diesem dreyfachen Verhältniß von seiner Kindheit an eingesogen hatte, mit in sein Ministerium hinüber. Sein Anfang war die Stelle eines Dieners bey dem Pariser Banquier Telüsson, dessen Handlungsgenoß er nachher wurde. Sein Vermögen, daß er in einem Zeitraume von 12 bis 15 Jahren sammelte, überstieg das der ersten Wechselhäuser. Necker dachte nunmehr einen Platz in der Staatsverwaltung zu erhalten; richtet aber anfangs sein Augenmerk blos auf die Stelle des ersten Kommis in der Finanzkanzley. Um dahin zu gelangen, ließ er es sich angelegen seyn, einen literärischen Ruf zu erhalten und gab die Lobschrift auf Colbert heraus, worin er ein Gepränge von oberflächlichen Kenntnissen über den Staatskredit und den Handel auskramte; dieser ließ er ein Werk über die Getreidegesetze folgen. Nun fing er an, einen gewissen Ruf zu genießen, als Türgot in Ungnade fiel, und um die Verschwendung, in welcher der neue Minister Clügny lebte, zu benutzen, übergab er dem Herrn von Maurepas Aufsätze, in welchen er die Hülfsquellen des Staats in übertriebenen Umfange schilderte. Neckers schnell entstandener Reichthum ließ wohl auf seine Fähigkeit schließen, und nach Clügnys Tode wurde der Genfer durch Vorschub des Marquis von Pezay, der, ohne eine Stelle zu bekleiden, auf das ganze damalige Ministerium Einfluß hatte, dem neuen Finanzminister Taboureau an die Seite gegeben, und dieser sah sich nach 8 Monaten, den 2. July 1777 sogar genöthigt, seinem zeitherigen Gehülfen seine ganze Stelle einzuräumen. Gedrungen von dem Bedürfniß, Lob zu ernten, das ihn sein ganzes Leben hindurch gepeinigt hat, ließ er 1781 seine abgelegte Rechnung im Publikum erscheinen. Bald darauf versuchte er in der Trunkenheit seines Glücks auf die Gunst des Publikums zu pochen, und erkühnte sich auf eine Stelle im Rathe Anspruch zu machen. Man machte wegen seiner Religion Einwendungen; allein in der Ueberzeugung, daß die Furcht, ihn zu verlieren, über die Bedenklichkeit siegen würde, bestand er auf seinem Gesuche, und drohte seinen Platz zu verlassen, aber seine Eigenliebe hatte ihn getäuscht; man ließ ihn ziehen. Damals war es, wo er in der Schweiz sein Werk über die Finanzverwaltung in Frankreich herausgab. Als 1788 die Gährung, die gegen Brienne sichtbar wurde, den Hof schreckte, wurde Necker in die Stelle des Generalkontroleurs zurückberufen, und da er fühlte, daß er die Stimme des Volks für sich hatte, genehmigte er, das Ministerium nur mit der Bedingung zu übernehmen, daß er nicht mit dem ersten Minister zu arbeiten habe. Den 5. May 1789 hielt er bey Eröffnung der General-Stände-Versammlung eine lange Rede, und mitten unter den abgeschmacktesten Lobeserhebungen für die Nation und den Souverain setzte er darin einen Arbeitsplan für diese Versammlung nieder, die er, seiner tollen Eigenliebe gemäß, nach seiner Willkühr zu leiten hoffte. Den 11. July, wo der Hof glaubte, Maßregeln gegen die Factionen ergreifen zu müssen, erhielt Necker, der gleichsam die Schildwache dieser Factionen in dem Rathe des Königs selbst geworden war, seine Entlassung. Den 16. bezeugte ihm die Versammlung schriftlich ihr Bedauern über seinen Abgang und kündigte ihm an, daß sie seine Zurückberufung erhalten habe. In der That hatte, seit den 12., das Volk der Hauptstadt seine Büste an der Seite der des Herzogs von Orleans im Triumphe herumgetragen. Den 27. las man in der Versammlung seinen Danksagungsbrief, und seine Rückkehr, von Basel nach Paris, war ein ununterbrochener Triumph. An dem Tage seiner Ankunft ging er auf das Rathhaus, seinen Dank abzustatten, und am folgenden, den 29., in die Nationalversammlung. Während des übrigen Theils von diesem Jahre legte er jeden Augenblick neue Aufsätze über die Finanzhülfsquellen vor. Im September verlangte er eine Anleihe von 80 Millionen, die ihm Mirabeau erhalten half, um ihm eine Verantwortlichkeit aufzuladen, von der er voraussahe, daß sie Neckern politisch tödten würde. Endlich erschien im Aprill das berüchtigte rothe Buch und raubte ihm den letzten Rest der Volksgunst. Er entschloß sich, im Monat Dez. in sein Vaterland zurück zu gehen, und hinterließ, zum Pfand seiner Administration 2,400000 Livres, die er in den königlichen Schatz gelegt hatte, ein Landhaus und seinen Pallast in Paris. Verfolgt von den Schmähungen und dem Hasse aller Partheyen, wurde er unterwegs arretirt und konnte nur unter Begünstigung eines Dekrets der National-Versammlung seine Reise fortsetzen. Im Laufe des Jahrs 1792 hatte er ein Werk unter dem Titel: "Die vollziehende Gewalt in den großen Staaten," herausgegeben; und zu Ende desselben Jahres unternahm er, die Freunde Ludwigs XVI. einzuladen, ihn vor den Schranken des Konvents zu vertheidigen. Necker lebte ruhig auf seiner Baronie Copet am Genfersee, nicht ohne an seinen Ruhm zu denken, für den er sich doch bloß auf seine Schriften beschränkt sah. Er brachte deren eine zahlreiche Menge zu Papier, von der schon ein Theil durch die Besorgung seiner Tochter, der Frau von Stael, erschienen ist. Im Jahr 1802 gab er ein Werk gegen die Konsularregierung heraus, das im ersten Augenblicke ziemliches aufsehen machte, und in welchem man republikanische Ideen mit monarchischen Einrichtungen untereinander geworfen findet. Er starb endlich zu Genf den 9. Aprill 1804.
Necker wird von seiner Stelle als Finanzminister entlassen.[]
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Der eilfte Julius 1789.
Necker sah bald nach seiner Erhebung zum französischen Finanzminister, daß er mit allen seinen guten Absichten doch nur wenig, oder gar nichts ausrichten werde. Er begehrte seine Entlassung, die ihm verweigert wurde, aber seine Feinde ruhten nicht, bis er entfernt ward. Am heutigen Tag erhielt er von der Hand des Königs ein Billet mit den Worten: "Die Ruhe meines Reichs erfordert es, daß Sie meinen Hof und sogar Frankreich verlassen. Ich geben Ihnen 24 Stunden Zeit, um sich reisefertig zu machen, empfehle Ihnen Verschwiegenheit und Klugheit bey Ihrer Abreise." -- Drey Stunden nach Empfang dieses Billets reiste Necker im Stillen aus dem Lande, wo sein Eifer für das gemeine Beste so viele Hindernisse gefunden hatte. Die Nachricht von seiner Verbannung kam am 12ten Julius nach Paris und ward das Signal zu einem allgemeinen Volksaufstand, sowohl in der Hauptstadt, als in den Provinzen des Reichs.
Neckers Zurückkunft nach Paris.[]
[3]
Der dreyßigste Julius 1789.
Wie Necker von seinem Posten als königlich französischer Finanzminister entlassen wurde und welche traurige Folgen dies gehabt habe, davon wurde im ersten Band dieses Handbuchs S. 296. ff. erzählt. Der König sah sich in die Nothwendigkeit gesetzt, den verbannten Minister wieder zurückzurufen und die Nationalversammlung legte einen Brief bey, daß ihr Wunsch sich mit dem des Königs vereinige. Diese Briefe trafen ihn zu Basel; er reißte nach vier Tagen ab und seine Reise nach Paris glich einem wahren Triumphzug. Von Basel bis nach Versailles hatte das Volk die Strassen besetzt, das Bürgermilitair nebst den Truppen zog aus, um ihn zu empfangen. Junge Mädchen, zierlich gekleidet, brachten ihm Blumen und Kränze, Glückwünsche tönten ihm von allen Seiten entgegen. Als er am 29ten Julius in der Nationalversammlung erschien, wurden ihm vier Herolde entgegen geschickt und ein eigener Lehnstuhl wurde für ihn bereit gestellt, den er unter beständigem Jubelgeschrey der Stellvertreter der Nation einnahm. Am heutigen Tag kam er nach Paris, um auch da seiner Eitelkeit Opfer bringen zu lassen, die zwar nicht kärglich verschwendet wurden, aber den Sturz Neckers wirklich vorbereiteten, denn indem er dem Volk schmeichelte, machte er sich demselben verächtlich, und die Menge, die ihm zugejauchzt hatte, war bald darauf eben so unzufrieden, weil auf sein Bitten der General Besenval freygegeben werden mußte. Hätte der Minister es gefordert und nicht kriechend den Pöbel darum gebeten, so würde er Respekt eingeflößt und sich bey Ehren erhalten haben; so aber mußte er noch am Tage des Triumphs seiner Eitelkeit sehen, daß das Volk Mißtrauen in seine Gesinnung setzte und der Aufruhr von neuem ausbrach.
Historische Portraits aus den Jahren 1780 bis 1789.[]
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Calonne und Necker.
Calonne war der liebenswürdigste Weltmann, der sich denken läßt. Eine herrliche Figur, eine einnehmende Physiognomie; voll Geist, voll Grazie und Lebhaftigkeit; immer artig, immer zuvorkommend, immer galant. Er sprach und arbeitete mit großer Leichtigkeit; er kannte alle Feinheiten der Dialectik, aber für seine Stelle war er nicht gemacht. Der Kopf, der die Decoration eines Hotels angeben, oder eine Fete anordnen konnte, -- und hierin war Calonne unübertrefflich -- erlag unter der Geschäftslast.
Necker war ein großer, dicker, schwerfälliger Mann, mit einem höchst sonderbaren Gesichte, auf dem Alles von unten nach oben ging. Wenn man ihn ansah, errieth man seinen Charakter auf den ersten Blick: Ehrgeitz und Stolz, ja selbst mit Hochmuth vermischt. Er hatte mehr Gravität als Würde; er war steif, aber er imponirte nicht; er sprach mit Geläufigkeit; aber er war immer emphatisch dabey. Er hielt sich für einen der größten Minister Europens, wo nicht für den größten selbst. Sein Finanzfach, worin er unstreitig die meisten Kenntnisse besaß, schien ihm viel zu klein für seinen hohen Geist. Er wollte auch als Gesetzgeber, als Reformator von Frankreich gelten; aber er kannte die Menschen nicht. Er war ein guter Financier, denn er war ein guter Kaufmann; aber er war ein schlechter Politiker, denn er beurtheilte eine Monarchie wie Frankreich, nur nach den Verhältnissen einer kleinen Republik wie Genf.
Man hat ihm indessen häufig Unrecht gethan; wenigstens hat man häufig seine Motive verkannt. Als er sich des Tiers-Etat so heftig annahm, ward er als Demokrat ausgeschrieen. Das war er aber durchaus nicht. Er wollte den Tiers-Etat nur als Mittel gebrauchen, um den Adel zu schwächen, und um die Gewalt des Königs; d. h. seine eigene zu erhöhen. Späterhin nach seiner Zurückberufung, glaubte man ihn an den Hof verkauft. Allein gerade das Gegentheil. Er fühlte recht gut, daß er dem Hof zuwider war, und daß man ihn nur aus Furcht in seiner Stelle ließ. Sein ganzes Bestreben ging also darauf, sich in der Nationalversammlung eine Partey zu verschaffen, um auf diese Art immer gedeckt zu seyn. Allein er hatte falsch gerechnet. Man fand ihn viel zu gemäßigt, und besonders zu eingenommen für sein eigenes System.
Mit Calonne verglichen, gewinnt er allerdings als Finanzminister, oder eigentlich als Staatsbanquier; allein er verliert als Politiker. Calonne kannte die Nation weit besser, er wußte, wie weit man sie gehen lassen darf; doch sie selbst im Zaume zu halten, das verstand er ebenfalls nicht. Necker war ein großer Rechner, Calonne hatte einen Abscheu vor Allem, was Zahlen hieß. Necker brachte den Staat durch seine Systemsucht, Calonne durch seine Systemlosigkeit ins Unglück.
Zeitungsnachrichten.[]
1793.[]
Paris, vom 11. Weinmonat. [5]
Hr. Necker hat von Copet aus unterm 22. des vorigen Monats schriftlich gegen die in verschiedenen offentlichen Blättern enthaltene Nachricht protestiert, daß er wegen seiner mit Hr. Semonville geführten Correspondenz in Verhaft genohmen worden sey. Er sey nie in irrgend einer Verbindung mit Hr. Semonville gestanden und führe mit niemand eine geheime Correspondenz; und also sey jene Nachricht eben so grundloß, als sie unwahrscheinlich war.
Nekrologie.[]
Der Tod des berühmten, und in der Geschichte des Endes des achtzehnten Jahrhunderts so ausgezeichneten ehmaligen Staatsministers Necker, ist bisher nur von seinen Freunden beweint worden, und nur ein einziger derselben hat öffentlich einige Blumen auf das Grab des Edeln gestreut. Necker wiedmete schon lange seine Abwesenheit von den öffentlichen Geschäften, und seinen stillen Landaufenthalt ernsten Betrachtungen, und den erhabnen Freuden der Wohlthätigkeit. Niemand, der Hülfe bedurfte, gieng ohne Trost von ihm weg; manche, die sich feindselig und unedel gegen ihn betragen hatten, erfreuten sich nachher seines Grosmuth. Die öftere Anwesenheit seiner Geist- und Lebenvollen Tochter brachte einige Abwechslungen in dieses einfache Leben; leidenschaftlich mit ihrem Glücke beschäftigt, suchte der edle Vater ihr alsdann alle möglichen Vergnügungen herbeyzuschaffen, und wenn die Zeit ihrer Abreise nahte, war er zum Voraus bemüht, ihr bey seinen entfernten Freunden die angenehmste Aufnahme vorzubereiten.
Necker, den das Publikum nur als ernsten, und oft kalten Staatsmann kannte, war im vertrauten Cirkel seiner Freunde der angenehmste, ja der belustigendste Gesellschafter von der Welt. Mit unnachahmlicher Lebhaftigkeit schnellte er die Pfeile des treffendsten Witzes auf diejenigen ab, von denen er wußte, daß ein freundschaftlicher Scherz nicht mißverstanden werden würde. Mit seltnem komischem Talent ausgerüstet, verbarg er es so, wie seinen beissenden Wiz überall, wo beyde an der unrechten Stelle gewesen wären. Einige kleine Schriften, die bisher nur seine Freunde kannten, dürften jedoch bald auch das grössere Publikum über diese innere Seite seines Charakters belehren. Sein Ende war sanft, einige Tage vorher hatte er mehrere Stunden lang die Besinnung verlohren, und drükte während dieser Geistesabwesenheit, ohne es zu wissen, die rührendsten und wohlwollendsten Gefühle aus! So triumphiren edle Gesinnungen selbst über die Natur.
Quellen.[]
- ↑ Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
- ↑ Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
- ↑ Neues historisches Handbuch auf alle Tage im Jahr mit besonderer Rücksicht auf die Ereignisse der neuesten Zeiten von Wagenseil Königl. baier. Kreißrath. Augsburg und Leipzig in der Jenisch und Stageschen Buchhandlung.
- ↑ Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst. 1813.
- ↑ Post- und Ordinari Schaffhauser Samstags-Zeitung. Vom 19. Weinmonat, 1793. Num. 84.
- ↑ Französische Miscellen. Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1804.