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Ein berühmter französischer Mahler, welcher zu Paris im Jahre 1756 gebohren wurde. Er ging frühzeitig -- im Jahr 1774 -- nach Rom, hielt sich mehrere Jahre daselbst auf, und widmete sich vorzüglich dem Heroischen in der Historienmahlerei. Seine ausgezeichneten Talente für diese Gattung der Kunst entwickelten sich sehr bald, und die Italiener sahen sich gezwungen, ihm alle Achtung zu zollen, die sie sonst dem Ausländer so gern versagen.
Noch höher stieg aber ihre Bewunderung, als David im Jahr 1784 abermals nach Rom zurückkam, und sein Meisterstück, den Schwur der Horatier, welchen ihm Ludwig der Sechzehnte nach einer Szene aus den Horaziern des Corneille zu entwerfen aufgetragen hatte, unter ihren Augen vollendete. Kenner und Liebhaber behaupteten einstimmig, daß dieses Stück unübertrefflich sey, und den Geist eines Raphael athme. Die Pariser fanden es als etwas noch nicht Gesehenes natürlich auch sehr schön, und David, der nun anfing als Portraitmahler Aufsehen zu machen, würde in ihrer Mitte sehr glänzend haben leben können, wenn er nicht unglücklicher Weise bei der Revoluzion eine Rolle übernommen hätte. Gleich anfänglich war er warmer Beförderer derselben, wurde aber in der Folge noch mehr dafür eingenommen, als er von der Nationalversammlung den Auftrag erhielt, verschiedene merkwürdige Szenen daraus durch den Pinsel zu verewigen.
Man war so innig von seinem Patriotismus überzeugt, daß man ihm im Jahre 1792 eine Deputirtenstelle bei dem nachherigen Konvent übertrug, und im September 1793 zu einem Mitglied des Sicherheits-Ausschusses machte, worinn er sich bis zum Sturz des Robespierre erhielt.
Voll von dem überspanntesten Republikanismus war er allemahl auf der Parthei der wüthendsten Demokraten, und lieh willig seinen Pinsel zur Aufbewahrung mancher schändlicher Szene. Die Anordnung der Volksfeste, der Entwurf der kolossalischen Statue der Freiheit, und mehrere andere, größtentheils unausführbare Projekte ähnlicher Art, waren das Werk seiner jetzt zerrütteten Einbildungskraft.
Sein einziges Verdienst in jener Periode bestand unstreitig nur darinn, daß er die Künste gewisser Maaßen vor dem gänzlichen Untergange rettete, womit sie die Barbarei der Sansküllotten bedrohte.
Nach Robespierre's Falle verlohr David die politische Existenz eines Demagogen, und entging, wahrscheinlich bloß aus Achtung für seine artistischen Verdienste, mit genauer Noth der Guillotine. Man verhaftete ihn auf einige Monathe, dann erhielt er aber seine Freiheit wieder, und ist seitdem ein Mitglied des Nazional-Instituts.
J. L. David.[]
[2] David (J. L.), berühmte Mahler, 1792 Wähler von Paris, darauf Deputirter beym Nationalkonvent und Mitglied des Sicherheitsausschusses während der Schreckensregierung, war einer der wärmsten Freunde Robespierres und votirte Ludwigs XVI. Tod. Er hatte den 25sten September 1790 dem gesetzgebenden Körper ein Gemählde verehrt, das den Eintritt dieses Fürsten am 4ten Februar in die Nationalversammlung vorstellte. Im September 1793 hatte David schon in der Jakobinersitzung vorgeschlagen, auf dem Pontneuf aus den Trümmern der Königsstatuen ein Monument zu errichten, welches das Volk als Riesen vorstellte. Im Januar 1794 präsidirte er im Konvent. Nach Robespierres Fall wurde er mehrere Mahle als einer seiner Mitschuldigen angezeigt. Lange Zeit gelang es ihm, die Anzeigen zurückzuweisen. Den 2ten Aug. 1794 ward er endlich arretirt; die Amnestie vom 4ten Brümaire endigte erst seine Gefangenschaft. So grosser Mahler er ist, so gilt er doch für unwissend. Eine Geschwulst an der Wange macht seine Züge häßlich und hindert sein Organ, so daß er kaum zehn Worte in demselben Tone sprechen kann. Die Konsuln ernannten ihn 1800 zum Gouvernementsmahler. 1805 erhielt er den Auftrag, die Kaiserkröning zu zeichnen, und machte dem Pabst Pius VII. seine Aufwartung. Er ist ohne Widerspruch heut zu Tage der erste Mahler der französischen Schule, und diese Rücksicht hat ihn auch nach den 9ten Thermidor retten helfen; so machte sie Boissy d'Anglas mit Erfolg gelten. David ist Mitglied der Ehrenlegion, des Nationalinstituts und hat nun den Titel eines Hofmahlers und eines Ritters erhalten.
Paris.
Ich habe bei David einige interessante Stunden zugebracht. Er lebt mit seinen glühenden Ideen nur in den Zeiten und Regionen der Griechen und Römer; nur mit Vorstellungen aus der Geschichte des Alterthums wiegt und nährt sich seine fruchtbare Einbildungskraft; seinen Blik umschweben die IdealGestalten Griechenlandes und seiner Heroen. -- Die Aufopferung des Leonidas und der dreihundert Spartaner für das Vaterland, ist der Gegenstand eines Gemäldes, darüber er jezt brütet. Er wird dazu den grossen Moment wählen, wo die Helden den erhabnen Entschluss, für das Vaterland zu sterben gefasst haben, und dem Tode entgegen gehen. Nicht durch wildes lärmendes Gedränge, sagte er, nicht durch Schwingen der Schwerdter und Fahnen, will ich diesen Moment andeuten. Das ist der gemeine Ausdruk des erkünstelten Enthusiasmus unsrer Soldaten. Das grosse ruhige Hingeben, der feste Wille, die durch tief empfundne Liebe zum Vaterlande eingehauchte heilige Begeisterung, welche die griechischen Helden beseelte, muss in meinem Bilde sichtbar seyn, hier soll eine Gruppe Krieger in die Felsenwand der Thermopylen die hohen Worte eingraben: -- "Sage, Fremdling, dem Lacedemoniern, dass ihren Gesezen getreu, wir hier gefallen sind. -- Dort soll die übrige kleine Heldenschaar; ihrem Leonidas zum Tode folgen." In David's Kabinet, sah ich, längst erwünscht, die ausgeführte Zeichnung zu seinem schönen Gemälde, das den Tod Sokrates darstellt. Er selbst spricht mit besondrer Vorliebe von diesem Gemälde, und zeigte mit die Zeichnung mit der Selbstzufriedenheit eines Künstlers, der seines Ruhms gewiss ist. Das Bild ist eines der glüklichsten Kompositionen. Er stellt Sokrates, in der lezten Unterredung mit seinen Freunden, über die Unsterblichkeit vor. Der grosse Sterbende sizt, mit einem leichten nur über die Beine geworfnen Gewande bedekt, auf einem Ruhebette. Mit einer mechanischen Bewegung greift er nach dem Giftbecher, den ein in Mantel gehüllter Sklave zitternd ihm reicht. Höhere Gedanken erfüllen ihn. Begeistert von seinem Gegenstand, hebt er mit Kraft und Würde die andre Hand zum Himmel, und blikt voll hoher Zuversicht auf seine Schüler, die am Obertheil des Bettes sitzen, und der Lehrer ihres Meisters mit angestrengter Aufmerksamkeit, und Bewunderung horchen. Mit dem Ausdruk des Kummers, legt Kriton ihm die Hand aufs Knie, als wollte er ihn bitten, den Todeskelch noch nicht zu trinken. Im tiefen Nachdenken versunken sizt Platon abgekehrt zu den Füssen des Bettes. "Ob er da war, oder nicht, sagte David, gilt mit gleich." Ich habe mir die Erlaubniss genommen, ihn in diese gute Gesellschaft einzuführen. -- Platon war nicht bei seinem sterbenden Freunde, hatte aber den Vorsatz hinzugehen. -- Weniger, als in den meisten Gemälden dieses grossen Künstlers, ist in diesem die strenge neue Nachahmung der Antike in den einzelnen Figuren sichtbar. David übertreibt fast diese Anhänglichkeit an die Formen der griechischen Bildnerkunst in seinen Gemälden. In diesem ist mehr freie, grosse, der Natur und Wahrheit getreue Erfindung des Künstlers selbst.
Aus der Kirche wurden wir in den grossen Saal der Bibliothek geführt, worin ein ganzer Kreis von Invaliden um den wärmenden Ofen herum mit dem Buche oder dem Zeitungsblatte in der Hand sassen, und sich der gemächlichen Ruhe erfreuten, die sie nach den überstandenen Gefahren auf dem Schlachtfelde zur Belohnung hier geniessen sollten. Militärische, historische Schriften und Romane machen, nebst einigen Erbauungsbüchern, die Lektüre der alten Krieger aus. Aber was in unsern Augen eine ganze Büchersammlung aufwog, das war Davids Meisterstück: Bonaparte, wie er über den Bernhard geht. Eine so glückliche Auflösung der schweren Aufgabe, den ungeheuren Berg und eine einzelne Figur zu Pferde, beyde zusammen in gehöriger Grösse und Würde vorzustellen, hatte ich mir nicht denken können. Erfindung, Colorit und Haltung stehen hier im lieblichsten Verein, und sichern dem berühmten Maler die Bewunderung seiner Zeitgenossen und die Achtung der Nachwelt. Auf dem weissen Pferde sprengt in kühner Begeisterung der Held den Berg hinan, und zeigt mit der rechten Hand hinüber, während der Wind in seinen Haaren flattert und mit der Mähne des Pferdes spielt, dessen Kopf vor dem hingeworfenen rothen Mantel unvergleichlich hervortritt. Keine Spur von wildem Trotz erblickt man in den zartgehaltenen Zügen des milden Angesichts der Hauptfigur. Die Wange schmerzt uns, die der rauhe Sturm mit den fliegenden Haaren peitscht; aber in dem Kampfe mit der ungestümen Natur sieht man den ruhigen geist immer aufwärts, immer vorwärts fliegen, während in der dämmernden Ferne die Soldaten Kanonen und Gepäcke die steilen Felsenbänke hinanziehen und bald den höchsten Gipfel des Gebirges erklommen haben. Ueber den Eisschollen unter dem Hufe des Pferdes erblickt man die Namen: Bonaparte, Carolus Magnus, Hannibal.
Nahe bei demselben sind zwei Gemälde von David, einem berühmten Geschichtsmaler und einem der größten jetzt lebenden Künstler aufgehängt. Eins stellt den ältern Brutus vor, wie er seine Wohnung zum erstenmal wieder betritt, nachdem er seine beiden Söhne zum Tode verurtheilt hatte. Der Consul, in seine Toga gehüllt, überläßt sich ganz dem Schmerz. Er sitzt in dem Winkel eines großen Saals; zu seinen Füssen ruht die Bildsäule Roms, die ihn mit ihrem Schatten bedeckt. Seine Gesichtszüge und seine Stellung drücken den nagenden Gram aus, der sein Inneres durchbohrt, und den Kampf, welchen die Stimme der Natur und das Pflichtgebot in seiner Seele kämpfen. Im Hintergrunde sieht man die Lictoren die entseelten Leichname seiner unglücklichen Söhne herbeibringen, und auf der andern Seite die Gattin und die Töchter des Brutus in der heftigsten Verzweiflung.
Das andere Gemälde stellt den Moment vor, wo die drei Horatier ihrem Vater melden, daß die Wahl zur Bekämpfung der Curiatier auf sie gefallen ist; vor Freude außer sich, fordert er ihnen den Eid ab, zu siegen oder zu sterben. Der kriegerische Muth, die trotzige und furchtbare Stellung der drei Horatier; die rührende Gruppe, welche ihre Mutter und Schwester, und die Gattin des ältern Horatius mit ihren Kindern bilden, der Ausdruck des Jammers über das schreckliche Gefecht, das ihre Söhne, Brüder und Väter liefern sollen, macht einen bewundernswürdigen Effekt.
Die große Wahrheit des Ausdrucks, die Regelmäßigkeit der Zeichnung und die Lebhaftigkeit des Kolorits sind Vorzüge, durch welche diese Gemälde sich besonders auszeichnen. Es ist jedoch zu bedauern, daß sich der Künstler in beiden von der Einheit der Handlung entfernt hat, von welcher die alten Meister nie abwichen. Er hat nämlich in beiden Gemälden zwei Sujets von ganz verschiedenem Interesse zusammengestellt, welche beide die Aufmerksamkeit fesseln, und deren jedes für sich hinreichenden Stoff zu einem Gemälde dargeboten hätte.
David, der sehr oft in den Jahrbüchern der Revolution unter den enthusiastischen Verehrern derselben figurirt hat, nimmt nicht durch sein Aeußeres ein. Weder sein hochfahrendes unfreundliches Wesen, weder seine Phantasie, noch sein Pinsel sind für den Ausdruck der Zartheit und Milde und deren Neigungen, denen sie das Daseyn giebt, gemacht. Für ihn eignen sich nur diejenigen Sujets, in welchen die Heftigkeit der Leidenschaften durch die Verhältnisse der abgebildeten Personen aufgeregt wird, deren Charaktere in Erstaunen setzen, und deren Handlungen Schauder einflössen.
Da David Hofmaler ist, und im Solde des Kaisers steht, so muß er sich jetzt zufolge höchsten Befehls mit dem großen Gemälde der Krönungs-Feierlichkeit beschäftigen, welches eine lange und beschwerliche Arbeit ist; denn alle Personen der kaiserlichen Familie und alle hohe Beamte der Krone, die bei dem Krönungs-Akt zugegen waren, müssen auf diesem Gemälde als Portraits erscheinen. Wenn er dieses Werk vollendet haben wird, will er sich, wie er mir gesagt hat, vom Kaiser Urlaub erbitten, nach Italien gehen und dort ein schönes Gemälde vollenden zu dürfen, welches den Leonidas und die Lacedämonier bei Thermopylä vorstellt, und wozu er bereits seit einiger Zeit die Zeichnungen entworfen hat. Nach den Details, die er mir darüber mitgetheilt hat, läßt sich von diesem Gemälde sehr viel erwarten. Die Unterhaltung mit David ist übrigens interessant und belehrend, indem er nicht nur sehr einsichtsvoll über seine Kunst spricht, sondern auch die alte Geschichte gründlich studirt hat.
Der berühmte Maler David ist mit einem Gemälde beschäftigt, daß den Kaiser in seinem Kabinette des Nachts arbeitend vorstellt. Er erhebt sich vom Tische, die Lichte sind abgebrannt, die Uhr zeigt auf 4. Nach dem Morgenblatte soll das Gemälde für London bestellt seyn.
Quellen.[]
↑Charakterzüge und interessante Szenen aus dem Leben denkwürdiger Personen der gegenwärtigen und verflossenen Zeiten. Herausgegeben von Julius Gustav Meißner. Wien, 1800. Im Verlage bei Anton Doll.
↑Moderne Biographien, oder kurze Nachrichten von dem Leben und den Thaten der berühmtesten Menschen, von Karl Reichard. Leipzig, 1811. In Commission bey Peter Hammer.
↑Briefe aus der Hauptstadt und dem Innern Frankreichs, von F. J. L. Meyer Dr. Domherrn in Hamburg. . . Tübingen in der J. G. Cotta'schen Buchhandlung. 1802.
↑Reise nach Frankreich, England und Holland zu Anfange des Jahres 1803 gemacht und beschrieben von C. G. Horstig. Berlin, bei Friedrich Maurer 1806.
↑Paris, wie es jetzt ist, oder Neuestes Gemälde dieser Hauptstadt und ihrer Umgebungen. In Briefen von einem reisenden Deutschen. Chemnitz bei Carl Maucke. 1810.
↑Allgemeine deutsche Zeitung für Rußland. No. 94. Donnerstag, den 18. April 1812.