Inspruck.[]
Inspruck (Insprugg),[1] Hauptstadt des Tirols, am Inn, über welchem sich hier eine schöne Brücke befindet. Die Stadt ist an sich klein, hat aber ansehnliche Vorstädte, schöne Kirchen, 574 Häuser und 10,000 Einwohner. Sie ist die Residenz des Lands-Hauptmanns oder Gouverneurs über Tyrol, so wie des österreichischen Landesguberniums über Oberösterreich. Kaiser Leopold I. errichtete hier 1672 eine Universität, welche 1782 in ein Lyceum verwandelt, 1792 wieder hergestellt, im Jahre 1810 jedoch abermals aufgehoben und in ein Lyceum verwandelt wurde. Mit derselben war ehemals auch ein General-Seminarium für Tyrol verbunden. Die dortigen Handschuh-, Seidenzeug-, Bänder- und Cattun-Fabriken, so wie die Glasarbeiten, sind nicht unbedeutend. Seit 1810 war sie eine Zeitlang die Residenz des Kronprinzen von Bayern (s. Tyrol).
Von Reisende.[]
August von Kotzebue.[]
- [1804]
Zwischen Zeit und Inspruk ist eine Grotte, an steiler Felsenwand, in so schwindelnder Höhe, daß das Auge ein daselbst errichtetes großes Crucifix kaum unterscheidet. Hieher soll Kaiser Maximilian sich auf der Gemsenjagd verirrt haben, und durch einen Engel herab geleitet worden seyn. Eine wahre Begebenheit scheint dieser allgemein verbreiteten Volkssage zum Grunde zu liegen; auch kann ich es Niemanden verdenken, wenn er glaubt, daß man von diesem schroffen Felsen nur an der Hand eines Engels herabgleiten kann.
Dicht bei Inspruk war vormals ein großer Thiergarten, wo, (ich weiß nicht einmal zu wessen Vergnügen, da bloß eine Dame hier residirte) allerlei Wild unterhalten wurde. Die Regierung hat ihn sehr weislich eingehen lassen, da Tyrol ohnehin Mangel an Ackerbau hat. Jetzt ist Korn darauf gesäet.
Inspruk, vom grünen Innstrom umflossen, ist eine schmutzige Stadt, und zählt trotz ihrer Größe, nicht mehr als zehn bis zwölftausend Einwohner, ein Garnison-Regiment ungerechnet. Es ist da wenig Merkwürdiges zu beschauen. Kaiser Maximilians Grab in der Domkirche, hat schön gearbeitete Basreliefs von weißem Marmor, des Kaisers Leben und Thaten vorstellend, aufzuweisen. Im Grabe selbst liegen nur die Eingeweide des Helden; ich habe vergessen, wo man seinen Kopf gelassen hat, der doch wahrlich das Beste an ihm war. -- Auffallend und einzig ist der Einfall, in die Mitte der Kirche eine doppelte Reihe von (wenn ich recht zählte) acht und zwanzig colossalen Bildsäulen in Bronze zu stellen, die fast alle im Jahre 1528 gegossen sind, und da stehen, als ob sie bei Hofe an einem Courtage auf die Erscheinung des regierenden Herrn warteten. Es sind aber lauter Leute, denen man zu ihren Lebzeiten selbst die Cour gemacht hat, auch die reiche Erbin Tyrols, Margaretha Mauttasch, befindet sich darunter. Daß man hier keine Aehnlichkeiten suchen darf, begreift sich leicht, denn viele der Originale, z. B. Rudolph von Habsburg, Gottfried von Bouillon u. s. w. haben wohl nie einem Bildner gesessen. Da nun diese colossalen Puppen weder Kunstwerth noch Interesse der Aehnlichkeit besitzen, so thäte man eben so wohl, Kanonen daraus zu gießen. Doch nein! hier stehen sie ja so unschädlich, höchstens versieht sich dann und wann eine schwangere Frau an ihnen, warum sollte ich wünschen, sie in Mordschlünde verwandelt zu sehen?
Wer dem Küster eine Treppe hinauf zu folgen Lust hat, der tritt in die sogenannte silberne Kapelle, weil eine schlechte Bildsäule der heiligen Jungfrau, und einige andere Kleinigkeiten von Silber darin befindlich sind. Die Kapelle der Liebenden sollte man sie nennen, denn hier ist das Grab der schönen Philippine Waserin, jener reizenden Bürgerstochter, welcher die Liebe den herzoglichen Hut aufsetzte. Ihr Gemahl ist der Stifter der Kapelle, und auch der Tod hat ihn nicht von seiner Geliebten getrennt, sie ruhen hier neben einander. Glich Philippine dem Marmorbilde, das auf ihrem Sarge liegt, so war sie wirklich schön, und mehr als schön; diese edlen Züge haben dem Fürsten-Purpur Glanz verliehen, nicht ihnen der Purpur. Auch blickt man gern von dem silbernen Tand, und selbst von der trefflichen Mosaikarbeit, welche die Gräber umgiebt, immer wieder in dies schöne blasse Gesicht, dessen erhabene Ruhe freilich keine Spur mehr von Leidenschaft trägt. Man gäbe viel darum, die Frau lächeln zu sehn, dann war sie gewiß eben so herzenfesselnd als Preußens schöne Königin. -- Reicher Ablaß ist allen den Gläubigen vom Pabste verliehen, welche in dieser Kapelle beten werden. Ich bin meine Sünden nicht los geworden, denn nur für Philippinen hätte ich beten mögen, und die schien es nicht zu bedürfen. Woher mag es doch kommen, daß wir an der Ruhestätte einer Liebenden weit mehr empfinden, als am Grabe des tapfersten Helden? Die Antwort ist leicht. Zum Lieben sind wir Alle gebohren, zum Todtschlagen, dem Himmel sey Dank! nur wenige.
Ein reiches aber strenges Kloster von lieblosen Urselinerinnen entweiht die Stadt, in welcher die liebende Philippine Waserin begraben liegt. Der Schlachtopfer, die hier seufzen, sollen viele seyn und oft noch vermehrt werden. Das Einlaßbillet zu der klösterlichen Seligkeit ist ziemlich kostbar, denn zweitausend Gulden wenigstens muß eine Novize mitbringen, um des Klosterhimmels und der ewigen Reue theilhaftig zu werden. Daß die letztere jedoch, selbst innerhalb der Mauern, nicht allzulaut werde, dafür wissen die frommen Schwestern Rath. Sie haben nemlich einige stille Wohnungen bereit, die man im unhöflichen Mittelalter Burgverliesse zu nennen pflegte, da überlassen sie die Reuige der süßen Einsamkeit -- auf ewig! -- Unlängst hatte ein Fräulein Pfeifersdorf dieses Schicksal; glücklicherweise -- so erzählt man -- hörte ein Schornsteinfeger in seinem Berufe das unterirrdische Winseln, zeigte er der Polizei an, und das arme Mädchen wurde gerettet. Eine andere junge Nonne, schon Apothekerin des Klosters, entsprang vor Kurzem, und -- man denke sich den frommen Abscheu der alten Urselinerinnen, die verstohlnen Seufzer der jungen Nonnen -- heirathete wenige Tage nachher einen Soldaten vom Regiment Jordis, dessen Commißbrot ihr besser schmeckte als die klösterlichen Leckerbissen. Jetzt soll die vormalige Braut Christi Hoffnung haben, bald ein lebendiges Kind an den mütterlichen Busen zu drücken. Vielleicht hatte sie einmal davon gehört, daß der gottlose Voltaire behauptet, der Vater ihres himmlischen Bräutigams sey ein lockerer römischer Soldat gewesen.
Als ich in Inspruk war, wurde gerade der Namenstag des Kaisers gefeiert. Die Bürger hatten ein Scheibenschießen veranstaltet, und ich hatte Gelegenheit, die berühmte Kunst der Tyroler Schützen zu bewundern. Man sagt nicht zu viel von ihnen. Unter zehn bis zwölf Schüssen gingen wenigstens immer acht ins Schwarze. Die Scheibe selbst fehlte Keiner. Auch war der Hanswurst, (der, wie gewöhnlich, nach jedem Schusse hervorkommen und die Stelle bezeichnen mußte, wo die Kugel getroffen hatte,) so gewiß, daß Niemand vorbey schießen werde, daß er oft während des Schießens neben der Scheibe stehen blieb. Er mußte wohn nicht bloß von der Kunst, sondern auch von der Nüchternheit seiner Landsleute überzeugt seyn. Abends wurde, den festlichen Tag zu verherrlichen, ein schlechtes Schauspiel von Ziegler, Fürstengröße, schlecht gespielt. Auf dem Zettel war angekündigt: das Theater werde heute beleuchtet seyn. Das verstehe man nicht so, als sey es gewöhnlich ganz dunkel, sondern heute waren eine große Menge Wachslichter an der Brüstung der Logen befestigt, und des Kaisers Bild von einigen hundert Kerzen umgeben, glänzte auf der Bühne, und Herr Dreiffler, der Direkteur, sprach einen Prolog. Das Theater, mit zwei Reihen Logen, deren jede, nach Geschmack und Laune des Inhabers bunt oder einfach verziert ist, nahm sich recht artig aus, Leider wurde am Schluß, als man schon das ganze schlechte Stück überstanden zu haben glaubte, noch eine Festung so lächerlich von drei Mann gestürmt und von drei Mann vertheidigt, daß ich mit Ehrfurcht an die Pariser Festungen auf dem Bouleward zurück dachte, wo die kleinen Soldaten mit hölzernen Kugeln über den Haufen geschossen werden. Der Direkteur des Theaters steht unter einer Oberdirektion. Keiner von den Mitgliedern seiner Bühne ist des Namens werth. Bei der geringen Bevölkerung würde ein Schauspiel sich hier gar nicht erhalten könne, wenn nicht die hier residirende Erzherzogin, Tante des Kaisers, das Beste dabei thäte. Den Officieren giebt sie, vom Cadet bis zum Hauptmann, freie Entrée.
Ehe ich Inspruk verlasse, muß ich noch den Wunsch äußern, die Stadt einmal in dem Augenblicke zu sehen, wo alle Einwohner ihre Wäsche trocknen. Auf den meisten Häusern nemlich befindet sich zu diesem Behuf auf den Dächern eine Art von schlechter Gallerie. Diese Gallerien gewähren auch unbekleidet schon einen seltsamen Anblick, aber hilf Himmel! welch ein ungeheures Zelt muß die ausgehängte Wäsche bilden! und wenn der Wind alle die Hemden bewegt, gerade in dem Augenblicke, wenn der Reisende Inspruk zum erstenmale von ferne erblickt, muß es ihm nicht vorkommen, wie eine segelnde Stadt?
Aber welche göttliche Aussichten eröffnen sich wieder, sobald man Inspruk verlassen hat! Möge des Kummers scharfe Klaue ein armes Herz noch so fest zusammen gedrückt haben, hier muß es sich wieder aufthun. Ja, ich muß es wiederholen: die Schweiz hat wahrlich nichts Schöneres aufzuweisen. Verschiedene Denkmähler, am wohl unterhaltenen Wege errichtet, sind bald mehr bald weniger merkwürdig. Daß der Pabst hier vorbei fuhr -- mich kümmerts nicht. -- Daß auf einer andern Stelle ein fürstlicher Bräutigam seine fürstliche Braut empfing -- das mag sehr interessant seyn für das fürstliche Paar, wenn es, nach fröhlicher Begehung einer silbernen Hochzeit, etwa einmal wieder den Platz betritt, wo, mit großer Verlegenheit, sich beide zum erstenmal sahen, und mit schüchternen Blicken prüften, ob sie gewechselten Miniatur-Portraits ähnlich gewesen, oder nicht? -- Aber an einem dritten Monumente verweilt man gern einige Augenblicke. Hier ist zu lesen: daß dieser, wirklich vortreffliche Weg, zuerst von den römischen Legionen unter Septimius Severus und Julian in die Felsen gesprengt, nach Jahrhunderten wieder aufgefunden, die alten römischen Meilenzeiger zum Andenken in einem nahen Schlosse verwahrt werden. Nachher sey er oft durch Ueberschwemmungen zerstört, durch menschlichen Fleiß wieder gebessert worden, bis endlich Kaiser Joseph ihn so vollkommen herstellen lassen, als er noch heute gefunden wird -- eine Wohlthat, für die jeder Reisende ihn segnet.
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