Imanuel Kant.[]
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Kant (Imanuel), ein grosser deutscher Philosoph, geboren zu Königsberg 1724. Frühe schon zeigte er Anlagen zum Forscher und Hang zum Nachdenken. Als Magister ging es ihm ziemlich knapp, und er wurde erst spät zum Professor der Philosophie in seiner Vaterstadt ernannt. Zwanzig Jahre lang brachte Kant damit zu, daß er alle metaphysischen Systeme untersuchte und zergliederte, bis er endlich mit seiner "Critik der reinen Vernunft" hervor trat, und dem menschlichen Geiste und dessen Bestrebungen eine ganz neue Richtung gab. Auch alle seine folgenden Schriften zeigten den großen Denker. Er war nie verheirathet, und sein Körper entsprach seinem grossen Geiste nicht. Als angenehmer Gesellschafter war er überall gern gesehen. Zeitungen waren eine Lieblingslektüre des großen Philosophen, und er widmete ihnen manche Stunde; durch seinen Scharfsinn sagte er daher auch nicht selten Begebenheiten voraus, welche wirklich erfolgten. Er hatte sich in seinen spätern Jahren ein schönes Vermögen erworben, ungeachtet er nicht geizig war. Einige Wochen vor seinem 80. Jahre starb er, am 12. Februar 1804. Sein Verlust wurde von jedem Denker betrauert.
Politische Aussprüche von Kant.[]
(1796.)
- Zum ewigen Frieden, von Kant. 1796.
Das Creditsystem einer ins Unendliche anwachsenden und doch immer für die gegenwärtige Forderung (weil sie doch nicht von allen Gläubigern auf einmal geschehen wird) gesicherten Schuld, -- die sinnreiche Erfindung eines handeltreibenden Volkes in diesem Jahrhundert, -- ist als entgegenwirkende Maschine der Mächte gegen einander, eine gefährliche Geldmacht, nemlich ein Schatz zum Kriegführen, der die Schätze aller andern Staaten zusammengenommen übertrifft, und nur durch den einmal bevorstehenden Ausfall der Taxen (der doch auch durch die Belebung des Verkehrs, vermittelst der Rückwirkung und Industrie und Erwerb, noch lange hingehalten wird) erschöpft werden kann. Diese Leichtigkeit Krieg zu führen, verbunden mit der Neigung der Machthabern dazu, welche der menschlichen Natur eingeartet zu seyn scheint, ist ein großes Hinderniß der Friedenszustandes unter den Völkern, und andere Staaten sind mithin wenigstens berechtiget, sich gegen einen solchen und dessen Anmaßungen zu verbünden.
Der Friedenszustand unter Menschen (oder Völkern) die neben einander leben, ist kein Naturzustand, der vielmehr ein Zustand des Krieges ist, d. i. wenn gleich nicht immer ein Ausbruch der Feindseligkeiten, so doch immerwährende Bedrohung mit denselben. Der Friedenszustand muss also gestiftet werden; denn die Unterlassung der lezteren ist noch nicht Sicherheit dafür, und, ohne daß sie einem Nachbar von dem andern geleistet wird (welches aber nur in einem gesetzlichen Zustande geschehen kann), kann jener diesen, welchen er dazu aufgefordert hat, als einen Feind behandeln.
Für Staaten, im Verhältnisse unter einander, kann es nach der Vernunft keine andere Art geben, aus dem gesetzlosen Zustande, der lauter Krieg enthält, herauszukommen, als daß sie, eben so wie einzelne Menschen, ihre wilde (gesetzlose) Freiheit aufgeben, sich die öffentlichen Zwangsgesetzen bequemen, und so einen (freilich immer wachsenden) Völkerstaat (civitas gentium) bilden, der zulezt alle Völker der Erde in sich fassen würde. Da sie dieses aber nach ihrer Idee vom Völkerrecht durchaus nicht wollen, mithin was in thesi richtig ist, in hypothesi verwerfen, so kann an die Stelle der positiven Idee einer Weltrepublik (wenn nicht alles verloren werden soll) nur das negative Surrogat eines den Krieg abwehrenden, bestehenden und sich immer ausbreitenden Bundes, den Strom der rechtcheuen, feindseligen Neigung aufhalten, doch mit beständiger Gefahr ihres Ausbruchs.
Die Bedingung der Möglichkeit eines Völkerrechts überhaupt ist: daß zuförderst ein rechtlicher Zustand existire. Ohne diesen giebts kein öffentliches Recht, sondern alles Recht, was man sich außer demselben denken mag (im Naturstande), ist bloß Privatrecht. Der einzige mit der individuellen Freiheit der Staaten vereinbare rechtliche Zustand ist aber der föderative, welcher bloß die Entfernung des Krieges zur Absicht hat. Die Zusammenstimmung der Politik mit der Moral ist also nur in einem föderativen Verein (der also nach Rechtsprinzipien a priori gegeben und nothwendig ist) möglich, und alle Staatsklugheit hat zur rechtlichen Basis die Stiftung des ersteren, in ihrem größtmöglichsten Umfange, ohne welchen Zweck alle ihre Klügeley, Unweisheit und verschleierte Ungerechtigkeit ist. -- Die Ausführbarkeit (objektive Realität) dieser Idee der Föderalität, die sich allmählig über alle Staaten erstrecken soll, und so zum Friedenszustande hinführt, lässt sich darstellen. Denn wenn das Glück es so fügt, daß ein mächtiges und aufgeklärtes Volk sich zu einer Republik (die ihrer Natur nach zu diesem Zustande geneigt seyn muss) bilden kann, so giebt diese eine Mittelpunkt der föderativen Vereinigung für andere Staaten ab, um sich an sie anzuschließen, und so den Freiheitszustand der Staaten, gemäß der Idee des Völkerrechts, zu sichern, und sich durch mehrere Verbindungen dieser Art nach und nach immer weiter auszubreiten.
Der Republikanismus der Regierungsform ist das Staatsprinzip der Absonderung der ausführenden Gewalt (der Regierung) von der gesetzgebenden, -- der Despotismus aber das Prinzip der eigenmächtigen Vollziehung des Staates von Gesetzen, die er selbst gegeben hat, mithin der öffentliche Wille, in so ferne er von dem Regenten als sein Privatwille gehandhabt wird. Außer der Lauterkeit ihres Ursprungs aus dem reinen Quell des Rechtsbegriffs, ist die republikanische Verfassung auch die einzige, die zum Friedenszustande hinführen kann, weil, (wie es in dieser Verfassung nicht anders seyn kann) die Beistimmung der Staatsbürger -- durch die Repräsentation -- dazu gehört, um zu beschließen: "ob Krieg seyn solle oder nicht," und mithin nichts natürlicher ist, als daß sie sich sehr bedenken werden, ein so schlimmes Spiel anzufangen und alle Drangsale des Krieges über sich selbst herbeizurufen.
Alle Regierungsform, die nicht repräsentativ ist, ist eigentlich eine Unform, weil der Gesetzgeber in einer und ebenderselben Person zugleich Vollstrecker seines Willens seyn kann. Nur allein im repräsentativen System ist daher der Republikanismus möglich, ohne welchen jede Regierungsart dem Rechtsbegriffe zuwider, und (die Verfassung sey welche sie wolle) despotisch und gewaltthätig ist. -- Keine der alten sogenannten Republiken hat dieses gekannt, und sie mussten sich daher auch schlechterdings in dem Despotismus auflösen, der unter der Obergewalt eines Einzigen noch am erträglichsten ist.
Die Demokratie, im eigentlichen Sinne des Wortes, ist nothwendig ein Despotismus, weil sie eine executive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider Einen (der also nicht mit einstimmt), -- mithin Alle, die doch nicht alle sind, -- beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freiheit ist, die durch die Befugniß erklärt werden muss, keinen äußern Gesetzen zu gehorchen, als zu denen man selbst (durch das Organ der Repräsentation) seine Beistimmung hat geben können.
Bei der Frage von der Zulässigkeit des Erbadels kommt es allein darauf an: ob der vom Staate zugestandene Rang (eines Staatsbürgers vor dem andern) vor dem Verdienst, oder dieses vor jenem vorhergehen müsse. -- Nun ist offenbar, daß, wenn der Rang mit der Geburt verbunden wird, es ganz ungewiss ist, ob das Verdienst (Amtsgeschicklichkeit und Amtstreue) auch folgen werde; mithin ist es eben so viel, als on er ohne alles Verdienst dem Begünstigten zugestanden würde (Befehlshaber zu seyn); welches der allgemeine Volkswille in einem ursprünglichen Vertrage (der doch das Princip aller Rechte ist) nie beschließen wird. Denn ein Edelmann ist darum nicht sofort ein edler Mann. -- Was den Amtsadel (wie man den Rang einer höhern Magistratur nennen könnte, und den man sich durch Verdienste erwerben muss,) betrifft, so klebt der Rang da nicht, als Eigenthum, an der Person, sondern am Posten, und die Gleichheit wird dadurch nicht verlezt, weil, wenn jene ihr Amt niederlegt, sie zugleich den Rang ablegt, und unter das Volk zurücktritt.
Der zwar etwas besonders klingende, aber wahre Satz: fiat justitia, pereat mundus, das heißt auf Deutsche: es herrsche die Gerechtigkeit, die Schelme in der Welt mögen auch insgesammt darüber zu Grunde gehen, in ein wackerer, alle durch Arglist oder Gewalt vorgezeichnete krumme Wege abschneidender Rechtsgrundsatz; nur daß er nicht missverstanden, und etwa als Erlaubniß, sein eignes Recht mit der größten Strenge zu benutzen (welches der ethischen Pflicht widerstreiten würde), sondern als Verbindlichkeit der Machthabenden, niemanden sein Recht aus Ungunst oder Mitleiden gegen Andere zu weigern oder zu schmälern, verstanden wird; wozu vorzüglich eine nach reinen Rechtsprinzipien eingerichtete innere Verfassung des Staats, dann aber auch die der Vereinigung desselben mit andern benachbarten oder auch entfernten Staaten zu einer (einem allgemeinen Staat analogischen) gesetzlichen Ausgleichung ihrer Streitigkeiten erfordert wird. -- Die Natur will unwiderstehlich, daß das Recht zulezt die Obergewalt erhalte, und was man hier zu thun verabsäumt, das macht sich zulezt selbst, obgleich mit viel Ungemächlichkeit.
Das Wollen aller einzelnen Menschen, in einer gesetzlichen Verfassung nach Freiheitsprinzipien zu leben (die distributive Einheit des Willens Aller), ist zu diesem Zwecke nicht hinreichend, sondern das Alle zusammen diesen Zustand wollen (die collektive Einheit des vereinigten Willens), diese Auflösung einer schweren Aufgabe, wird noch dazu erfordert, damit ein Ganzes der bürgerlichen Gesellschaft werde, und, da also über diese Verschiedenheit des partikularen Wollens Aller, noch eine vereinigende Ursache desselben hinzukommen muss, um einen gemeinschaftlichen Willen herauszubringen, welches keine von Allen vermag: so ist in der Praxis auf keinen andern Anfang des rechtlichen Zustandes zu rechnen, als den durch Gewalt, auf deren Zwang nachher das öffentliche Recht gegründet wird, welches denn mancherley Abweichungen von der Theorie in der wirklichen Erfahrung schon zum voraus erwarten lässt.
Gewöhnlich nimmt man an, daß Niemand gegen den Andern feindlich verfahren dürfe, als nur dann, wenn dieser leztere ihn schon thätig lädirt hat. Dieses ist auch ganz richtig, wenn beide im bürgerlich-gesetzlichen Zustande sind; denn dadurch, daß dieser in denselben getreten ist, leistet er jenem (mittelst der Obrigkeit, welche über beide Gewalt hat) die erforderliche Sicherheit. Der Mensch aber (oder das Volk) im bloßen Naturstande (d. i. in der Unabhängigkeit von äußeren Gesetzen) benimmt mir diese Sicherheit, und lädirt mich schon durch eben diesen Zustand, indem er neben mir ist, obgleich nicht thätig (faeto), so doch durch die Gesetzlosigkeit seines Zustandes (statu injusto), wodurch ich beständig von ihm bedrohet werde, und ich kann ihn nöthigen, entweder mit mir in einen gemeinschaftlich-gesetzlichen Zustand zu treten, oder aus meiner Nachbarschaft zu weichen. Das Postulat also, was allen Bedingungen der Möglichkeit des Friedenszustandes zum Grunde liegt, ist folgendes: Alle Menschen (oder Völker) die auf einander wechselseitig einwirken können, müssen zu irgend einer gesezlichen Verfassung gehören. Denn wenn nur einer von ihnen im Verhältnisse des physischen Einflusses auf den andern, und doch im Naturstande wäre, so würde der Zustand des Krieges damit verbunden seyn.
Bei dem Begriff des Völkerrechts, als eines Rechts zum Kriege, lässt sich eigentlich gar nichts denken (weil es ein Recht seyn soll, nicht nach allgemein-gültigen äußern, die Freiheit jedes Einzelnen einschränkenden Gesetzen, sondern nach einseitigen Maximen durch Gewalt zu bestimmen, was Recht sey), es müsste denn darunter verstanden werden: daß Menschen, die so gesinnt sind, ganz recht geschieht, wenn sie sich unter einander aufreiben, und also den Frieden in dem weiten Grade finden, das alle Gräuel der Gewaltthätigkeit samt ihren Urhebern bedeckt.