Pawel Andrejewitsch Schuwalow. > > > Alexander Iwanowitsch Ostermann-Tolstoi.
Nachrichten über die Kriegsoperationen.[]
Aus dem Hauptquartier in dem Flecken Ikasna, vom 25sten Juny 1812.
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Der Generallieutenant Graf Schuwalow ist, wegen einer ihm zugestoßenen schweren Krankheit, genöthigt gewesen, das Kommando seines Korps niederzulegen. Se. Majestät, der Kaiser, haben Allerhöchst geruhet, dasselbe dem Generallieutenant Grafen Ostermann-Tolstoi, der sich bey der Person Sr. Majestät befunden, anzuvertrauen.
Rückzug des Dorochow'schen Corps von Olita bis Bobruisk.[]
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Die verschiedenen Corps des Russischen großen Armee unter dem Oberbefehl des General Barclay de Tolly, dessen Hauptquartier in Willna war, rückten zu Anfang des Juny a. St. 1812 dem Niemen näher, und sämmtliche Truppen erwarteten mit Ungeduld den Uebergang über diesen Fluß. Das vierte Armee-Corps, welches einen Theil des linken Flügels bildete, wurde vom General-Lieutenant Graf Schuwaloff befehligt. Die Avantgarde dieses Corps bestand aus dem 1sten und 18ten Jäger-Regiment, dem Isumschen Husaren- und wurde vom General-Major Dorochow kommandirt. Die Avantgarde marschirte am 9ten Juny aus Grodno, wo das Corps des General Grafen Pahlen zurückblieb, und gieng längst dem Niemen herauf über Meritsch nach Olita. Der General Dorochow war angewiesen, die Gegend und den Fluß zwischen diesen beyden letztgenannten Oertern zu decken. Derselbe nahm sein Hauptquartier anderthalb Meilen hinter Olita, postirte den Obrist Grafen Dolonne mit einem Husarenbataillon, 200 Kosacken, 2 Jägercompagnien und 2 Kanonen in Olita, und stellte einen Posten von 60 Pferden in Meritsch auf. Die jenseitigen Ufer waren mit feindlichen Vedetten besetzt. Vom 12ten bis zum 14ten zeigten sich viele französische Staabsofficiere, die unsere Stellung und den Fluß rekognoscirten, auch vermehrten sich die feindlichen Truppen bey Olita ansehnlich. Abends am 14ten erhielt der Graf Dolonne den Befehl: auf seiner Hut zu seyn, der Feind würde wahrscheinlich bey Olita übergehen, er möchte den Uebergang aufs äußerste streitig machen, aber auf keinem Fall die Feindseligkeiten anfangen, so lange der Feind auf dem jenseitigen Ufer bliebe. Einige Stunden darauf kam ein Jude und brachte die Nachricht, daß der Feind bey Kowno den Niemen passirt wäre, und im vollen Marsch auf Willna sey. Ohnerachtet wir dieser Nachricht keinen Glauben beymaßen, so wurde sie doch gleich dem General Dorochow mitgetheilt. Abends um 10 Uhr schienen die Franzosen Anstalten zum Uebergange zu machen, und ließen mehrere Artilleriestücke auf dem jenseitigen dominirenden Ufer aufpflanzen. Zu dieser Zeit erhielt der Graf Dolonne den wiederholten Befehl, sich dem Uebergange mit aller Anstrengung zu widersetzen. Um 11 Uhr Abends kam indeß eine Kosacken-Ordonanz, und brachte ihm ein Handbillet vom General Dorochow folgenden Inhalts: Die Franzosen haben bey Kowno den Fluß passirt, und sind wahrscheinlich schon vor Willna. Unsre ganze Armee retirirt in Eilmärschen. Ich habe die Nachricht zu spät erhalten, und bin daher mit der Avantgarde abgeschnitten. Ich muß sehen wie ich das Corps rette, und darf daher keine Zeit verlieren. Ich kann Ihnen keine andere Ordre geben. Retten Sie Sich, wie Sie können.
Der Graf Dolonne verließ hierauf Olita und folgte dem General Dorochow. Gegen Morgen stießen wir auf den General Denissow VII. welcher mit seinem Kosackenregiment gleichfalls zurückgeblieben war. Nach drey anhaltenden und beschwerlichen Märschen erreichten wir endlich den General Dorochow. Vom Feinde gänzlich umgeben, wurden wir von allen Seiten gedrängt, und mußten an manchen Tagen drey bis vier Contremärsche machen, um der feindlichen Uebermacht zu entgehen. Täglich hatten wir Scharmützel mit der polnischen Cavallerie, bey welchen wir viele Gefangene machten. Unser General wußte seine Stärke so geschickt zu verbergen, und marschirte immer mit solcher Schlauheit, daß der Feind jedesmal irre geführt wurde. Unsre Lage wurde jedoch mit jedem Tage kritischer. Die Aussicht, uns mit unserer Armee zu vereinigen, schwand gänzlich, und es blieb uns nur noch die Hoffnung, eine Vereinigung mit der Armee des Fürsten Bagration zu bewerkstelligen, welcher sich sehr wahrscheinlich der Bereszina näherte. Der Mangel an gegründeten Nachrichten machte indeß alle unsere Bewegungen schwankend und unsicher. Der General sah indessen die Nothwendigkeit ein, einen entscheidenden Schritt zu thun. Er warf sich daher in die Moräste von Minsk, um sich durch dieselben einen Weg nach Bobruisk zu eröffnen. Mit den fürchterlichsten Anstrengungen und den unsäglichsten Mühseligkeiten waren diese Märsche verknüpft. Die Standhaftigkeit des Generals überwand alles. Wir langten endlich nicht weit von der Bereszina, ungefähr 9 Meilen von Bobruisk an. Die Möglichkeit unserer Vereinigung mit der Armee des Fürsten Bagration hieng von der Besetzung der Brücke bey Borissowschisno ab. War der Feind uns hier zuvorgekommen, so waren wir nicht allein gänzlich abgeschnitten, sondern der Fürst Bagration war auch nicht mehr im Stande, seine Vereinigung mit der großen Armee bey Bobruisk zu bewerkstelligen, und Napoleons Plan, beyde Armeen zu trennen, wäre vollkommen gelungen.
Der General Dorochow, der die Wichtigkeit der Brücke von Borissowschisno einsah, detaschirte den Rittmeister Martens, um selbige zu besetzen, und wo möglich die Communication mit der sechs Meilen davon belegenen Festung Bobruisk und der Avantgarde des Fürsten Bagration zu eröffnen. Dieser Officier fand Borissowschisno unbesetzt, nahm daselbst Posto, und detaschirte Patrouillen gegen Bobruisk und Sluisk. Die erste brachte die Nachricht, daß der Feind von Minsk aus mit 2000 Pferden Bobruisk berennt hätte, und da er daselbst eine starke Truppenabtheilung gefunden, habe er sich auf Borissowschisno werfen wollen; die Nachricht, daß dieser letzte Ort bereits von unsern Truppen besetzt sey, habe ihn veranlaßt, sich eiligst nach Minsk zurückzuziehen. Die gegen Sluisk ausgesandte Parthey entdeckte glücklich das Cosacken-Regiment Uelowaisky V. welches die Spitze der Bagrationschen Armee formirte. Unser Corps schloß sich hierauf bey Bobruisk an diese Armee an.
Der König von Westphalen, welcher die Französischen und Polnischen Truppen kommandirte, die bestimmt waren die Vereinigung des Fürsten Bagration mit dem General Barclay de Tolly zu verhindern, war durch das zufällige Zurückbleiben unseres Corps getäuscht worden; und alle gefangenen Officiers und Gemeine stimmten darin überein, daß der König unser Corps für einen Theil der Bagrationschen Armee gehalten habe. Nur durch diesen Irrthum war die oben erwähnte Vereinigung möglich, die dem Kayser Napoleon so sehr misfiel, daß er dem König von Westphalen das Commando nahm, und ihm befahl sogleich nach Cassel abzureisen.