Von Bastille bis Waterloo. Wiki
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Grodno.[]

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Grodno, offene Stadt in der ehemaligen Woiwodschaft Trocky in Litauen, am Flusse Niemen oder Memel, über welchen eine steinerne Brücke geht, war der Sitz eines Tribunals und einer Castellaney. Sie enthält ein Gemische von hölzernen Hütten, einstürzenden Häusern und verfallenen Palästen, ist aber doch nach Wilna die beste Stadt Litauens. Die christlichen Einwohner, werden auf 3000 und die Juden auf 1000 geschätzt. Zufolge eines 1673 gemachten Schlusses sollten allemal 2 Polnische Reichstage zu Warschau und der dritte zu Grodno gehalten werden. Dieser Schluß wurde aber nicht genau beobachtet. Von 1752 stund es an bis 1784 da endlich wieder ein Reichstag daselbst, nicht ohne große Unbequemlichkeiten, gehalten wurde. Nach der gänzlichen Zerstücklung Polens wurde Grodno durch die Verfügungen K. Pauls eine Kreisstadt im Russischen Gouvernement Lithauen, und das Litauische Obergericht hatte ein halbes Jahr seinen Sitz in der Hauptstadt Wilna, das andere zu Grodno. Nach den neuesten Einrichtungen K. Alexanders ist aber nun Grodno zur Kreisstadt im Gouvernement Slonim geworden.


Von Reisende.[]

Friedrich Schulz.[]

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[1793]

Den 4ten May. Von Przewalk bis Kryniczney, (3 M.) wo ich übernachtete, und von da bis Grodno, (2½ M.) ist die Landschaft abwechselnd waldigt und flach, aber immer sandig, und bietet wenig Veränderung dar, bis nahe vor Grodno, wo diese alte Stadt allmählig in dem Niementhale sichtbar wird. Der Anblick derselben, von oben herab, ist nicht unangenehm. Mehrere Kirchen mit ihren Thürmen, und eine gute Anzahl, in neuerm Geschmack gebauter, aber sehr zerstreuter, Palläste und Häuser ragen über die schwarzen, hölzernen Hütten hervor, welche die Masse der Stadt eigentlich bilden. In einiger Entfernung vor der Stadt fand ich eine beträchtliche Anzahl Stücke aufgefahren, die sämmtlich nach derselben gerichtet waren, deren Lösung aber der nächstens zu versammelnde Reichstag schwerlich nöthig machen wird. Uebrigens ist der erste Eintritt in die Stadt ansehnlich genug, und er wird es durch das königliche Schloß und mehrere Häuser von Großen, die hier auf einen Fleck zusammengedrängt erscheinen. Ist man diesen vorüber, so gelangt man, über eine neue feste Brücke, in die Stadt selbst und hier wird einem jener Absicht in der Bauart, der allen Polnischen beträchtlichen Städten gemein ist, sehr auffallend. Bey Einem guten Hause stehen drey, den Einsturz drohende, hölzerne Hütten, dann ein Pallast, dann eine Kirche, auf einem Pflaster, das man kaum so nennen kann, weil es, bey dem geringsten Regen, mit einem Strome von Koth überzogen ist.

Uebrigens zeigte sich Grodno jetzt sehr volkreich und lebhaft. Außer der starken Russischen Besatzung befanden sich mehrere Gesandte nebst ihrem Gefolge, der Hauptstab aller umherliegenden Russischen Truppen und schon mehrere von denjenigen Polnischen Großen hier, die an dem nächsten Reichstage noch Theil nehmen dürfen. Daß ein König in Grodno war, davon zeigte sich keine Spur; auch lebte er, mit einem sehr kleinen Gefolge, in seinem Pallaste wie verschlossen. Vor demselben bemerkte ich keinen einzigen Wagen, aber desto mehr vor der Wohnung unseres Botschafters. Die Umgebungen unserer Staabs-Officiere, die mit Vieren und Sechsen einher fuhren, waren, sehr prächtig und füllten fast alle Straßen; aber die Polnischen Großen hielten sich jetzt, in einem bescheidenen Wagen wie versteckt, an den Seiten der Straßen. -- Uebrigens waren mehrere Modenhändler aus Warschau mit ihren Läden hier; und eine ziemliche Anzahl der hübschesten und berühmtesten Mädchen von eben daher, hatten sich hier, nach ihrer Weise, ansässig gemacht, im durch ihr Beyspiel (so vermuthe ich wenigstens) die verschiedenen Partheyen und Nationen zur Nachgiebigkeit und Verträglichkeit zu ermuntern.

Da Grodno für seine gegenwärtige Volksmenge nicht geräumig, und die Landschaft umher nicht ergiebig genug ist, so herrschte eine außerordentliche Theurung in Wohnungen und Zehrung. Ein Stübchen mit einem Bette kostete täglich einen, zwey oder drey Dukaten, und ein erträgliches Mittagsessen, acht bis zwölf Polnische Gulden. Ein Fuder Heu, von einem Pferde gezogen, mußte mit drey und vier Dukaten bezahlt werden. Nach diesem Maßstab alles übrige.

Ich hatte nicht Zeit, die Trümmer der Wollenmanufaktur, die der König vor Jahren hier anlegte, und die Chirurgische Akademie nebst ihrem Pflanzengarten, zu sehen. Bey meiner Zurückkunft werde ich beydes nachholen.

Hinter Grodno mußte ich noch einmal über die Niemen, und sodann eine beträchtliche Anhöhe hinauf, die sich in eine weite Fläche ausdehnte. Ich fand eine breite, gemachte, mit ziemlicher Sorgfalt unterhaltene, Straße, die an beyden Seiten mit Graben versehen und mit Bäumen bepflanzt war. Dieser Straßendamm ist ebenfalls ein Werk des unermüdlich-thätigen Tyßenhausen; Schade, daß die Landschaft, durch die er führt ziemlich traurig ist. Man sieht fast nichts, als einen kahlen, gelblichen, sandigten Boden, dessen Fläche nur hier und da durch kleine Anhöhen und einzelne Baumgruppen und Buschwerk unterbrochen wird. Hier zeigte sich eine sehr angemessene Bahn für die Eilfertigkeit der Postknechte. Ich legte in 4½ Stunde zwey Posten, nach Kuznicz und Sokolk, oder sechs Deutsche Meilen, zurück. Streckenweise ging es in gestrecktem Laufe, die übrige Zeit im Sprunge. Aber es ist gewiß, daß man nur Polnischen Pferden so etwas zumuthen kann.


Quellen.[]

  1. Geographisch- Historisch- Statistisches Zeitungs-Lexikon von Wolfgang Jäger, Professor zu Altdorf. Neu bearbeitet von Konrad Mannert, Königl. Bairischen Hofrath und Professor der Geschichte und Geographie zu Würzburg. Nürnberg, bey Ernst Christoph Grattenauer 1805.
  2. Reise eines Liefländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau, Dresden, Karlsbad, Bayreuth, Nürnberg, Regensburg, München, Salzburg, Linz, Wien und Klagenfurt, nach Botzen in Tyrol. Berlin, 1795. bei Friedrich Vieweg dem ältern.
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