Honor. Gabriel Riquette, Graf von Mirabeau.[]
Mirabeau (Honor. Gabriel Riquette, Graf von) geboren 1749; jugendlicher Ungestüm und glühende Leidenschaften stürzten ihn in seinen frühern Jahren in Ausschweifungen und Unglück. Nachdem er einige Jahre gedient und den Korsischen Krieg mitgemacht hatte, heirathete er das Fräulein von Marignane, ein Mädchen von großem Vermögen aus Aix. Diese Verbindung war nicht glücklich. Die Verschwendung, der er sich ergab, brachte sein Vermögen in gänzliche Unordnung und verschuldete ihn mit 300,000 Livres. Um seine Verirrungen zu beschränken, ließ ihm sein Vater von dem Châtelet die eigne Verwaltung seines Vermögens nehmen. Wüthend darüber, ließ er sich zu Manosque nieder, wo ein besonderer Handel, in dem er sich eingelassen hatte, veranlaßte, daß er aufgehoben und 1774 auf das Schloß If gesetzt wurde. Nachdem man ihn von da auf das Schloß Joux in der Franche-Comté gebracht hatte, erhielt er die Erlaubniß, bisweilen nach Pontarlier zu gehen. Hier machte er die Bekanntschaft mit Sophie von Rüssey, Marquise von Monnier, Gemahlinn eines Parlamentspräsidenten von Besançon; schön und geistreich, wie sie war, konnte es nicht fehlen, daß Mirabeau die heftigste Leidenschaft für sie empfand, und er flüchtete sich mit ihr nach Holland. Da ihm wegen dieses Raubes der Kopf abgesprochen worden war, hätte er seine Tage wahrscheinlich ferne von seinem Vaterlande beschlossen, wenn ihn nicht 1777 ein Helfershelfer der Polizey arretirt und nach Frankreich zurückgeführt hätte, wo er bis zu Ende des Jahrs 1780 auf dem Schloße Vincennes in Verhaft gehalten wurde. Zu dieser Zeit erhielt er seine Freyheit wieder, und das erste, was er that, war vor Gericht seine Gemahlinn, die sich nicht wieder mit ihm vereinigen wollte, zurück zu fordern. Er führte seinen Prozeß selbst vor dem Parlament von Aix, verlor ihn, und wurde von seiner Gemahlinn geschieden. Die französische Revolution trat ein und eröffnete eine weite Karriere für Mirabeaus Thätigkeit. Nachdem ihn der Adel der Provence bey der ersten Wahl zurück gewiesen hatte, miethetete er ein Magazin, setzte die Firma darüber: Mirabeau, Tuchhändler, und ließ sich zum Deputirten des dritten Standes von Aix wählen. Bey Eröffnung der General-Stände-Versammlung säumte er nicht, sich der Tribune zu bemächtigen, und die wichtigsten Streitfragen über die gesellschaftliche Einrichtung mit spielender Leichtigkeit auseinander zu setzen. Er hatte sich damals noch keinesweges die Möglichkeit gedacht, in einem so ungeheuern Staate, wie Frankreich, eine Demokratie zu errichten. Natürlicher Hang und Grundsätze näherten dem Hofe unabläßig einen Mann wieder, dessen aufgeklärter Verstand seinen Lastern die Wage hielt, und der den Erfolg seiner Rolle als Demagog sehr wenig geachtet haben würde, hätte sie ihm nicht den Weg zu Ehrenstellen und den Einkünften der Regierung gebahnt. Er näherte sich damals dem Herzoge von Orleans und erhielt von diesem Prinzen die Summen, die er bedurfte; doch nahm er bald wahr, daß sich mit dieser niedrigen Seele unmöglich etwas thun ließ, und ihre Verbindung dauerte nicht länger als bis im Oktober 1789. Erst gegen das Ende der Sitzung hatte durch Vermittelung Montmorins und der Frau von Mercy seine Annäherung an den Hof Statt; man bezahlte ihm seine Schulden, und gestand ihm eine Pension zu. Nunmehr widmete er sich ganz der Wiederbefestigung der Monarchie und der Religion, als Grundstütze jener, und addressirte an den König in dieser Absicht ein Memoire über die Ursachen der Rebellion und die Mittel, sie aufzuhalten. Sollte ihm dieses Unternehmen gelungen seyn? Man wird daran zweifeln dürfen; doch weiß man gegenwärtig sicher, daß er sich in dem Augenblicke, wo ihn der Tod wegraffte, mit dem Plane beschäftigte, eine Versammlung aufzulösen, die er nicht mehr zu beherrschen vermochte. Und, wenn es noch ein Mittel gab, so war vielleicht dieses das einzige, die Monarchie zu retten. Er starb den 2. April 1791. Die kurze Dauer seiner Krankheit gab anfangs Veranlassung zu glauben, daß er vergiftet worden wäre, und alle Partheyen klagten sich gegenseitig dieser Schandthat an; allein bey Oefnung seines Leichnams fand sich, dem berichte der Aerzte nach, keine Anzeige von Gift. Er behielt bis zum Augenblick seines Todes seine ganze Geistesgegenwart und Standhaftigkeit. Sein Verlust hatte den Anschein eines allgemeinen Staatsverlustes; und, was bemerkenswerth ist, alle Partheyen, in der Meinung, ihn für sich gewonnen zu haben, vereinigten sich für seine Trauer. Man hielt ihm ein prächtiges Leichenbegängniß; alle Theater wurden geschlossen; die Deputirten, die Minister, die Mitglieder aller Stellen bildeten einen Leichenzug, der über eine halbe Meile Raum füllte und 4 Stunden lang dauerte. Sein Leichnam wurde im Pantheon niedergesetzt; im November 1793 aber auf Befehl des Konvents daraus verstossen und von dem Volke mißhandelt. Er hatte gewöhnliche Mannslänge; sein Gesicht war durch Blatternarben entstellt, und sein Kopf, mit einem Walde von Haaren umdüstert, gab ihm einige Aehnlichkeit mit einem Löwen.
Historische Portraits aus den Jahren 1780 bis 1789.[]
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Der Graf von Mirabeau.
Mittelstatur, große Korpulenz, doch ohne Schwerfälligkeit. Angenehme Züge, Augen voll Geist und Feuer; aber das ganze Gesicht durch die Blattern entstellt. Der herrschende Ausdruck seiner Physiognomie war ein ironisches Lächeln. Seine niedrige Stirn, sein starker Haarwuchs gaben derselben ebenfalls viel Eigenthümlichkeit. Mirabeau hatte im Grund ein gutes, gefühlvolles Herz. Aber seine heftigen Leidenschaften, verbunden mit der Härte eines egoistischen Vaters, wurden die Quelle aller seiner Verirrungen, und seines Unglücks. Dieß entfernte ihn auch zugleich aus der guten Gesellschaft, die sich von ihm zurückzog, obgleich sein Umgang sonst höchst angenehm war. Er brauste leicht auf, eine Kleinigkeit konnte ihn in Feuer und Flamme setzen, aber Rache, Neid und Bosheit waren fern von ihm Es machte ihm Freude, jemanden etwas Verbindliches zu sagen, und er that dieß immer mit vieler Geschicklichkeit Ich erinnere mich nur eines einziges Beyspiels, wo er sich etwas boshaft über den bekannten Rivarol heraus ließ. Dieser trat nähmlich in ihre gewöhnliche Abendgesellschaft mit großem Geschrey ein. Man habe ihn mit einem Holzscheite todt schlagen wollen, beklagte er sich. -- "Wie doch Rivarol aller vergrößert!" sagte Mirabeau -- "Ich wollte wetten, daß dieß Holzscheit nur ein Stock gewesen ist."
Mirabeau liebte die Freyheit, die Monarchie und selbst den Adel; wiewohl er das letzte sehr geschickt verbarg. Indessen ließ er seinen Leuten doch Livreen machen, so bald es ihm seine Umstände erlaubten, und dieß zu einer Zeit, wo man die Livreen allgemein abzuschaffen anfing. Als von der Vertilgung des Adels die Rede war, sagte er: "Das wird sehr leicht seyn, aber ein Patriziat muß Frankreich doch immer haben!" Seine Freyheitsliebe war mehr gegen den Mißbrauch der königlichen Autorität gerichtet, als gegen diese Autorität selbst. Er war Royalist aus Grundsatz. Wenn er daher Geld vom Hofe annahm, wenn er, um es gerade herauszusagen, seine Stimme verkaufte; so war dieß undelicat, aber gegen keine Überzeugung handelte er nicht. Der Hof beging nur den Fehler, daß er zu viel, ja daß er das Unmögliche von ihm verlangte. Mirabeau sollte öffentlich Partey nehmen; wie konnte er das? Seine ganze Popularität, sein ganzer großer Einfluß stand ja dabey ganz unnütz auf dem Spiel. Vergebens machte er Vorstellungen dagegen, man traute ihm nicht mehr, und so war alles aus. Um diese Zeit suchte sich auch Necker mit ihm zu verbinden; so daß es zu einer Zusammenkunft und fünfstündigen Unterredung kam. Die Sache zerschlug sich wieder, wie bey dieser gänzlichen Verschiedenheit der Charaktere zu erwarten war. "Necker hat viel Verstand" -- sagte Mirabeau -- "allein kein Genie. Er ist ein großer Financier, aber die Finanzen sind nicht der ganze Staat!"
Mirabeau war ein großer Redner, aber ungleich und uncorrect. Er hatte eine starke, durchdringende Stimme, einen edeln Anstand, eine lebhafte, natürliche Gesticulation. Trotz seiner natürlichen Heftigkeit sprach er doch zuweilen langsam, und ward alsdann sogar gesucht. Unterbrechungen, selbst Beleidigungen ertrug er mit großer Geduld. Bey einer ungerechten Anklage brauste er mit Leidenschaft auf, und dann ward seine Rede ein reissender Strom. Man könnte sagen, er brach wie ein Ungewitter auf seine Gegner ein, und zerschmetterte sie. Er gerieth dadurch in viele Händel, schob aber alle Duelle bis zur Aufhebung der Versammlung, d. h, auf Jahre hinaus. Zuletzt hatte er ein ordentliches Circulare dafür. -- "Ich habe Sie auf meine Liste gesetzt; Sie müssen aber wissen, daß sie sehr lang ist, und daß ich Niemanden überspringen kann." Man hat ihn deßhalb für feig gehalten, allein mit Unrecht. In dem corsischen Kriege diente er mit Auszeichnung. Viele seiner Reden sind allerdings nicht von ihm, aber überarbeitet hat er sie gewiß. Mit einigen seiner andern Schriften, z. B. mit dem Essai sur la monarchie prussienne ist dieß auch der Fall. Er machte aber Alles durch sein Genie zum Eigenthum. Stolz war er keineswegs, doch kannte er seine Überlegenheit. In dem Augenblicke seines Hinscheidens sagte er zu seinem Kammerdiener, der ihm den Kopf hielt: "Hélas tu portes la plus forte tête de France!" -- und das war er gewiß. Hätte er länger gelebt, wir hätten die Gräuel der folgenden Jahre wahrscheinlich nicht gesehen.