Von Bastille bis Waterloo. Wiki
Advertisement
Holland

vor und nach

der

Revolution

in Beziehung

mit der

Statthalterwürde

betrachtet.

-- --

Frankfurt am Main

in der Hermannschen Buchhandlung

1795.
- - - - - - - - - -

Allgemeine Sätze.

Die Form des Staats verdient allerdings die sorgfältigste Aufmerksamkeit; jedoch nur in so weit, als dadurch eine bessere und leichtere Verwaltung und die Prosperität des Ganzes und jedes einzelnen Bürgers bezweckt wird.

Mehrere neuere Reformatoren der Staatssysteme, hängen schon a priori an der Form, ohne zu wissen, ob dadurch der oben angegebene Zweck erreicht wird. Die Revolution in Frankreich mit ihren dreierlei auf einander gefolgten Constitutionen, giebt einen augenfälligen Beleg hierzu.

Es ist höchst anmassend gesprochen, wenn man geradehin behaupten will, die republikanische Verfassung habe vor der monarchischen, oder diese vor jener, den Vorzug, wenn nicht zugleich die Art und Weise der Verwaltung beleuchtet wird. Die Leidenschaften, welche den sinnlichen Menschen regieren, und bei jedem Sterblichen, wenn er sich auch noch so sehr gegen ihren Einfluss durch die sittliche Vernunft verwahret, immer noch ihre Rolle spielen, mischen sich oft unbemerkt mit ein und täuschen dadurch, dass sie die Bilder der Einbildungskraft als Vernunftschlüsse hinstellen. Auf diese Weise entstehen die anlockendsten Gemälde von Volksglück. Schwärmer, und Männer von würklich gutem Herzen, aber ohne Erfahrung und kritische Vernunft, lassen sich hinreissen, ohne zu wissen oder zu untersuchen, ob diese Sätze aus der Erfahrung und kaltblütig forschenden Vernunft, oder aus einer bilderreichen Phantasie, hervorgingen.

Daher entstehen dann die politischen Machtsprüche und die mancherlei blendenden Gesetze, welche der Morgen werdenden Gesetze, welche der Morgen werden und der Abend schon wieder vernichten sieht; daher entstehen die vielerlei staatswirthschaftlichen Anomalien, welche das Glück mehrerer Generationen zu untergraben vermögen.

Jeder Staat hat die grossen Zwecke zu erreichen und dahin zu trachten, dass er seine Selbstständigkeit gegen alle andere Staaten behaupten und die innere Verbindung seiner Glieder auf die einfachste und harmonisch einwürkende Art erhalten kann.

Selbstständigkeit ist jedem Staat, der sich geltend machen und das Glück seiner Bürger dauerhaft gründen will, um deswillen unumgänglich nöthig, weil er sonst von andern Staaten leicht unterdrückt und seines Handels und seiner Gewerbschaften beraubet wird.

Um aber diesen Staatenzweck zu erreichen, ist es erforderlich, dass die einzelnen Glieder durch dauerhafte und mit dem Stempel der Allgemeinheit bezeichnete Gesetze, innig verbunden seyen. Wo jeder einzelne Mensch als Selbstzweck angesehen und keiner als Mittel behandelt wird, da ist diese beglückende Vereinigung leicht zu erhalten; doch müssen die Gewalten im Staate gehörig vertheilet seyn.

Dieses letztere ist das grosse Problem, dessen Auflösung schon Ströhme von Menschenblut gekostet hat, und noch immer auf ganz verschiedenen Wegen ventilirt wird.

Jeder Staat hat zwo Gewalten: Eine Gesetzgebende und eine Ausübende. Unter diesen beiden ist die Regierung getheilt, oder, beide zusammen genommen, bilden vielmehr die Regierung. In der Monarchie hat der Gesetzgeber auch zugleich die ausübende Gewalt und also die Macht, den Gesetzen den erforderlichen Nachdruck zu geben. Wenn daher keine Gesetze gegeben werden als solche, die Allgemeinheit und den Zweck der Beglückung haben, und den Taglöhner wie den Ersten verbinden, so giebt dieses der monarchischen Verfassung bei jedem unbefangenen Kenner einen grossen Vorzug.

In den Republiken, wo die Gesetzgebende und die Executive Gewalt von einander getrennt sind, beruhet alles auf dem Ansehen, in welchem die Letztere stehet, und ihrer Relation mit der Ersteren.

Welche Gewalt soll hier über die andere erhaben seyn, die Gesetzgebende, oder die Ausübende? Dem ersten Anschein nach sollte man denken, dass die Ausübende sich nur nach dem Willen der Gesetzgebenden zu richten habe, indem der spirituelle Rang dieser, jener weit vorzustehen scheint. Aber wie, wenn die ausübende Macht blindlings alle und jede Gesetze der legislativen exequiren sollte, ohne dass sie selbst prüfen und mitwürken darf, wie sollte es dann so bald um das Ansehen der Gesetze geschehen seyn!

Derjenige, der die Aufrechthaltung des Gesetzes und die gleiche Befolgung zu bewürken hat, lernt dadurch die Masse des Volks, seine Bedürfnisse, seine moralischen und politischen Gebrechen genau kennen, weiss also auch am besten, welche Maassregeln in jedem Verhältnis zu ergreifen sind, um die Summe des Menschenglücks durch neuere Anstalten zu multipliciren, oder den Nachtheil von dem Vortheil zu subtrahiren.

Die executive Gewalt ist also diejenige, welche die Totalität des Staats am besten übersiehet und die Perfectibilität desselben am richtigsten zu schätzen weis. Sie muss daher den ersten Platz im Staate behaupten, die Gesetze vorschlagen und dem gesetzgebenden Rath zur Approbation übergeben, oder doch gemeinschaftlich mit Letzterem, bei dem Geschäft der Legislatur würken.

Wird die ausübende Gewalt oft verändert, so fehlt die Allgemeinheit der Uebersicht; und bleibt die legislative nicht beständig, so entstehen darauf eben so nachtheilige Folgen, indem es Veranlassung zu einseitigen und nicht überall passenden Verordnungen giebt. Vieler anderer Mängel nicht zu gedenken.

Die Republiken, wo beide Gewalten, von einem und demselben Rathe versehen werden, sind nur darinnen von der monarchischen Regierungsform verschieden, dass statt Einem, mehrere das Ruder führen und dass statt dieses Einen, den Liebe gleich stark an jedes Individuum des Staates fesselt, weil sein Interesse innig damit verbunden ist, diese Mehrere an ihren Privatvortheil denkend, das Wohl des Ganzen vergessen und -- ein aristokratisches Wesen treiben.

Von den Staatsabgaben habe ich geflissentlich bisher geschwiegen, weil diese eben so wohl in der Monarchie, als in der Republik, gleich vertheilt seyn müssen.

Ist es dann wohl möglich, aus allen und jeden Staaten des Universums, eine der Demokratie sich näherende Republik zu bilden?

Diese äusserst wichtige Frage wird so leicht niemand bejahen, wenn es gefällig ist, folgenden Sätzen einige Aufmerksamkeit zu schenken.

Alle Staaten der bewohnten Welt sind in Absicht ihres Nährstandes von einander unterschieden. Der Eine hat mehr, der Andere wenigere einländische Gewerbe. Den Einen nährt der Ackerbau, den Andern der Handel. Hierinnen sind also alle Staaten verschieden; nur in dem Bedürfnissgefühl und dem Streben nach Ruhe und Lebensglück, finden sie ein gemeinschaftliches Ziel ihres Ringens, ob sie es gleich auf sehr verschiedenen Wegen suchen, finden oder verfehlen; wodurch dann die vielerlei Modificationen des Charakters entstehen.

Wo man allein vom Ackerbau lebt (aber wo geschiehet dieses dermalen noch von grossen europäischen Staaten?) und nur die Produkte des Landes für den inneren Verbrauch verarbeitet, da sind die Sitten einfach, und die Begierlichkeit hat den reinen Sinn für das Gute und prunklose Schöne noch nicht verdorben. Der Volkscharakter hat mehr Allgemeinheit und die wenigen Bedürfnisse, sind den leicht zu erwerbenden Befriedigungsmitteln angemessen, sind allenthalben dieselben und erzeugen eine homogene Denkart, welche immer aus der Gleichheit der Nährmittel entspringt. Der Charakter solcher Völker ist friedfertig, offen und hat auch, bei anscheinender Flexibilität, eine Energie, die bis zu einer bewunderungswürdigen Grösse würksam ist, so bald es die Noth erfordert, oder die Klugheit erheischt. Die Bedürfnisse, welche Ein Hausvater fühlt, sind auch dem Andern und Allen nothwendig, keine mehr und keine weniger. Die Summe aller dieser gleichartigen einfachen Bedürfnisse, ist das Totalbedürfniss des Staats. Eine solche Nation würde von andern Völkerschaften wenig begehren, und wenig an sie abgeben; ihre Concurrenz, intensiv und extensiv betrachtet, ist also äusserst einfach und kann sich eben so wenig im Innern verwirren, als sie einer Auswärtigen in den Weg tritt.

Bei dieser Einfachheit der Lebensweise, da Alle mit Einem und Einer mit Allen, ein ruhiges, harmonisches Leben geniessen, das rein, und gleichsam Idillenartig dahin fliesset, ist die Regierungskunst, auf die einfachsten Sätze reducirt; die Erfahrung thut bei strittigen Fällen den Ausspruch; vor ihrer Weisheit und ihren Silberlocken neigt sich jeder im Volk, und verehrt alles als Gesetz, was Männer von gutem Kopf vortragen und mit Erfahrungssätzen unterstützen. Man verachtet die List, weil sie als die Störerin der Glückseligkeit betrachtet wird, und man nicht in die Nothwendigkeit gesetzt ist, ihren Rathschlägen zu folgen. Dahingegen wird die Klugheit und sittliche Güte über alles geschätzt und geehrt; gleichviel wo man sie findet. Nichts als beide Eigenschaften können ein gewisses Vorrecht, ein Ansehen, geben. Jeder strebt daher um diesen Preiss zu erringen, und bevölkert dadurch das Reich der Moralität.

Wo lebt dieses Volk, unter welcher Zone ist es zu finden? damit man den Thron der Demokratie allda erbauen kann!

Sollte denn in einem Staate, dessen Nährstand sich über alle Arten der Gewerbe verbreitet, eine der Demokratie sich näherende Staatsverfassung, nicht eben so leicht einzuführen seyn? -- Schwerlich, oder geradehin: nein! Wir wollen die Sache näher beleuchten.

Ein Staat, welcher einen ansehnlichen Handel treibt und alle Zweige des Gewerbes vereinigt, muss nothwendig mit mehreren auswärtigen Staaten in Relation stehen. Durch den Umgang mit fremden Nationen, werden fremde Sitten eingeführt. Alle können nicht ein und denselben Handel, nicht ein und dasselbe Gewerb treiben. Daher kommt es dann, dass eine Provinz oder diese und jene einzelne Stadt im Staate, mit diesem oder mit einem andern fremden Volk in Verbindung stehet. Diese Verschiedenheit des Umgangs macht eine Verschiedenheit des Charakters nothwendig. Durch die anwachsenden Schätze der einzelnen Staatsglieder wird zwar die Aemulation rege gemacht, aber auch zugleich die Eifersucht angefeuert und die Harmonie im Innern zerstöret. Es entstehet ein Reiben und Treiben, und die Factionen können nicht ausbleiben. Jeder begünstiget die auswärtige Nation, mit welcher er in Verkehr stehet und sucht denjenigen seiner Mitbürger zu unterdrücken, den er sich im Wege glaubt. Im Innern haben also alle auswärtige Staaten ihre Freunde und ihre Feinde, je nachdem es das Interesse der Factionen erheischt. Von letzteren sucht eine über die andere das Uebergewicht zu erhalten, wie es das Privatinteresse erfordert; diejenige, welche die Mächtigere wird, trägt den Sieg davon.

In monarchischen Staaten, oder auch in jeder Republik, wo die höchste Gewalt in den Händen solcher ist, deren Interesse und Ehre es erfordert, allem diesem Streben zu widerstehen, um das Glück des Ganzen zu befördern, können solche Factionen nicht mächtig werden; es wird ihnen entgegen gearbeitet, ehe sie ihren Mitbürgern schädlich werden können.

Man gebe einem solchen Staate aber eine demokratische Verfassung, und man wird bald sehen, wie eine Faction die andere aufreibt; bis die letzte unter sich selbst uneinig wird, und alle Kräfte zum eignen Ruin ihrer Glieder verwendet.

Die Menschen, sobald die Leidenschaften mitwürken, gehen gemeiniglich zu weit; sie schütten das Kind samt dem Bade aus: so würde es auch in dieser Demokratie gehen, so lange die Factionen noch sämtlich ihre ersten Kräfte zum Gegenwürken verwenden können. Angenommen, dass der höchste Rath aus der Nation, das heisst aus Menschen von allen Gewerben und Geschäften, bestünde, die sich versammelten, um über das Glück ihrer Mitbürger zu berathschlagen und die oberste Verwaltung zu führen, und nun jeder seines und seiner Faction Eigennutzes eingedenk, diesen zu befördern suchte; so würde die kleine Zahl der Edeldenkenden und Klügsten, welche den aufrichtigen und festen Vorsatz haben, das Glück des Allgemeinen zu befördern, wohl dahin trachten, um dem Uebel zu widerstreben. Dadurch entstünden Dispüten, und jeder Theil suchte eine Parthie zu bekommen. Das Signal zu einer allgemeinen Uneinigkeit wäre gegeben, und jeder Gute und nützliche Vorschlag würde schon deshalb nicht ausgeführt werden, weil er von dieser oder jener Parthei unterstützt wird.

Dieses Gemälde ist freilich nicht ehrenvoll für die Menschheit; aber -- blicke um dich her, Leser, sage ob ichs übertreibe oder Unwahrheit rede, und ob du einem solchen Staate nicht einen wohlwollenden Regenten wünschest, der seine grösste Wollust in dem ruhigen Glück seiner Mitbürger findet?

Aber der Handel und alle Gewerbe können doch nur da vollkommen gedeihen, wo die Fahne der Freiheit gepflanzet ist? Ganz recht! Die Freiheit der Gewerbe, des Handels, und selbst die den Menschen- und Bürgerrechten gewidmete Freiheit, kann in jedem Staate bestehen und würde jeden glücklich machen. Diese allgemeine Gewerbsfreiheit ist es auch, welche die Staaten bereichert und ihr Ansehen erhebt: die Monarchie wie die Republik.

- - - - - - - - - -

Die ganz eigene Verfassung der sieben vereinigten Provinzen, die beständigen Unruhen in diesem so glücklich seyn könnenden Staate, werden mehrentheils aus dem unrichtigen Gesichtspunkte angesehen. Der Eine hat keinen richtigen Begriff von der Verfassung selbst, und wird dadurch geneigt, die Ursache dieser verderblichen Unruhen an dem unrechten Orte aufzusuchen; -- er glaubt sie als eine Folge der Statthalterschaft ansehen zu müssen -- : und schliesset falsch. Die Statthalterschaft, besonders bei der dermaligen Politik der europäischen Staaten, ist diesem Freistaat unentbehrlich, wie man in der Folge sehen wird; sie, die Statthalterwürde ist es, welche dem Ganzen Haltbarkeit und Vereinigung bewürkt.

Andere, welche sich ein Urtheil über die holländischen Unruhen anmassen, wissen gar nichts von der innern Einrichtung dieses Staats und nehmen auf guten Glauben an, was die sogenannten Patrioten vorbringen.

Ich will er versuchen, ob ich vermögend bin, die Urtheile des Publikums hierüber einigermassen zu berichtigen. Dieses Geschäft ist mir um so wichtiger, da der dermalige Erbstatthalter, Wilhelm V. ein Fürst ist, der wegen seiner Herzensgüte unter die liebenswürdigsten Regenten gezählet wird, und der niederländische Freistaat eins der merkwürdigsten Länder auf dem Erdkreise ist.


Holland vor der dermaligen Revolution.

Die Sieben vereinigten Staaten waren vorher Provinzen der grossen spanischen Monarchie und wurden nach der damaligen Politik des Cabinets behandelt; so gar die Inquisition, diese Feindin der Vernunft und menschlichen Freiheit, wurde eingeführet. Da sich das Volk hierauf empörte und anfieng sich in den Besitz seiner Rechte zu setzen: so stellte sich Wilhelm der Erste, Prinz von Oranien, an seine, des Volks, Spitze und half ihm die Freiheit erkämpfen. Heldenmüthig und mit Gefahr des Lebens vertheidigte Prinz Wilhelm und einige seiner Verwandten, die Grafen von Nassau, die Sache der Niederländer. Ihre Tapferkeit würde nicht gesiegt haben, wenn des Prinzen Klugheit und standhafter Muth nicht vorgeleuchtet und die Mittel ersonnen hätte, wie sie ihre Freiheit behaupten und ein selbstständiger Staat werden konnten.

Im Jahr 1579 kam zu Utrecht die Vereinigung der sieben vereinigten Provinzen zu Stande. Sie vereinigten sich zwar zu Einem Staat, aber jede einzelne Provinz behielt sich doch die höchste Gewalt, innerhalb ihrer Grenzen auszuüben, vor. Es sind also sieben souveraine Staaten, welche in einem eng verflochtenen Staatenbunde leben. Hier wurde der erste Grund zu den Holländischen Unruhen gelegt.

Wir wollen die Sache näher beleuchten.

Der holländische Freistaat bestehet aus Sieben unabhängigen Staaten. Jeder hat seine eigene Verfassung; jeder übet innerhalb seiner Grenzen die Hoheitsrechte aus. Diese Staaten leben in einem gemeinschaftlichen Staatenbund vereint, und bilden also in dieser Rücksicht nur Einen Staat.

Jede Provinz hat ihre Provinzialstaaten, welche die Regierung in derselben besorgen; und in der Versammlung der Generalstaaten, hat jede Provinz Eine Stimme, wozu sie aber mehrere Deputirte, jedoch auf ihre eigene Kosten, abschicken kann. Da nun die Generalstaaten-Versammlung gewöhniglich aus vierzig, oft fünfzig Gliedern besteht, und nur Sieben Stimmen, für jede Provinz Eine, in der Staatenversammlung abgelegt werden, so haben jederzeit mehrere Deputirten nur Eine Stimme.

Jedes neue Gesetz oder neue Einrichtung, welche die Generalstaaten entwerfen, kann erst gesetzliche Kraft erhalten oder ausgeführet werden, wenn es durch die sämtlichen vereinigten Provinzen ist gebilliget worden. Dass dieses einen ungewöhnlich trägen Gang, selbst bei den wichtigsten Vorfallen und Projekten, veranlasset, ist leicht abzusehen. Bis eine solche Materie in allen Provinzen ventilirt ist und die erforderlichen Gelder verwilligt sind, gehet viele Zeit verlohren; ja die Sache selbst, so nützlich sie auch an und für sich selbst ist, unterbleibt oft, weil diese oder jene Provinz glauben mag, dass eine andere vorzüglichen Nutzen und Gewinn davon zu erwarten und nur deshalb die Sache vorgeschlagen habe. Dieses verhindert die Operationen bei Kriegen und stöhret das Geschäft bei Friedensunterhandlungen.

Da nun das Stimmenrecht in jeder Provinz, wieder von verschiedenen Städten und Corporationen, abhängt: so ist es klar einzusehen, wie viele Discussionen es geben muss, so oft über eine wichtige Sache die Frage ist.

In handelnden Staaten ist das Interesse der Staatsbürger einer immerwährenden Rivalität unterworfen. Daher die Verschiedenheit bei jeder Abstimmung.

Es ist wahr, von je Mehreren Seiten eine Sache beleuchtet wird, desto mehr wird sie ins Licht gesetzt. Die Einrichtung mit den General- und Provinzialstaaten lässt sich also in dieser Absicht vertheidigen. Aber wie, wenn eine dem ganzen Freistaate nützliche Anstalt von Wichtigkeit in Vorschlag gebracht wird, und dieser und jener im Ansehen stehende Deputirte bei den Provinzialstaaten, hält sie für sein oder seiner Familie Privatinteresse nicht vortheilhaft; wird er da nicht alles anwenden, um seine Provinz dahin zu bringen, dass sie verneinend votirt? und wenn sich nun dieses zu gleicher Zeit in mehrern Provinzen zutrüge, soll deswegen der allgemein nützliche Vorschlag unausgeführet bleiben? Jeder wird diese letzte Frage verneinen; aber dich geschieht es, wenn es dem Statthalter nicht gelingt, eine Vereinigung zu Stande zu bringen; zumalen da nach der Constitution es erforderlich ist, dass bei wichtigen Geschäften nicht die Mehrheit der Stimmen, sondern Einstimmigkeit entscheidet.

In solchen Fällen, wo die Provinzen unter sich nicht einig werden können, welches sehr oft geschieht, da der Ausdruck der Constitution: wichtige Geschäfte, oder Angelegenheiten, zu unbestimmt ist, und den Geschäftsgang hemmt; da derjenige, welcher diffentirt, sich hinter die Constitution steckt, und den Fall als wichtig oder nichts wichtig auslegt, sucht der Statthalter die Vereinigung zu bewürken. Ist er glücklich, und der in Frage stehende Vorschlag wird ausgeführet; so hat der Fürst für seine dabei gehabte Mühe und vaterländische Absicht, weiter keinen Dank -- als dass er von den diffentirenden Deputirten, die ihren Privatvortheil durchzusetzen, verfehlet haben, nunmehro angefeindet wird! Diese suchen nun die guten Absichten des Statthalters in ein verkehrtes Licht zu setzen und wenden alle Mittel an, im sich Anhänger zu verschaffen. Schreier werden gedungen und dem schwachköpfigten Theil wird eine Brille auf die Nase gesetzt, durch die sie nichts sehen, als was die Feinde der Statthalterwürde sie wollen sehen lassen.

Dieses ist die in der Wahrheit begründete Ursache fast alle Unruhen in dem Freistaate. Daher kommt es dann aber auch, dass bei allen und jeden Unruhen, ohne Ausnahme, jederzeit so viele durchaus ehrliche und kluge Männer, die Theil an der Regierung haben, auf der Oranischen Seite sind, und dass es das Volk grösstentheils immer ist. Das Volk, oder die Nation, nicht die, welche in ihrem Namen zu reden, sich kürzlich angemasset haben, urtheilet richtig und weiss, dass ohne die Statthalterwürde seine Rechte von andern schon lange wären usurpirt worden. Eine solche Staatenverbindung kann auf die Länge durchaus nicht bestehen, wenn nicht ein gemeinschaftlicher Vereinigungspunkt die Einzelnen Staaten verbindet. Diese Vereinigungspunkt in dem niederländischen Freistaate, sind die Generalstaaten und der Erbstatthalter. Da aber die Glieder der Generalstaaten nur nach dem Willen ihrer Provinzen stimmen können; so sollte hierinnen die Verfassung einige Modificationen erhalten, wodurch auch zugleich der Statthalter in den Stand gesetzt würde bei solchen strittigen Fällen, die besten Mittel in Verbindung mit den Generalstaaten zu wählen. Je blühender der Freistaat ist, je vortheilhafter ist es für den Erbstatthalter; es wäre also für die Haltbarkeit des Staats gesorgt gewesen, wenn ihm in Fällen, wo es dessen Wohl erfordert, ein entscheidenderes Wort zu sprechen, besonders in Rücksicht der ausübenden Gewalt, eingeräumt wäre. Die Geschichte, diese wahrheitsliebende Lehrerin, beweisst es ganz deutlich, dass die Statthalterwürde unentbehrlich ist. Wenn Holland keine Statthalter hatte, so war die Rolle, welche der Freistaat spielte, klein und glanzlos; ausser in einigen Fällen, wo verschiedene Regierungsglieder das Ansehen eines Statthalters usurpirt hatten; welches letztere für die Statthalterschaft alles beweiset und sie dem Batavischen Volk als sehr wichtig darstellen sollte.

Die Statthalterwürde ist in dem Gesetz und mehreren beschwornen Verträgen gegründet; so lange sie also bestehet, fallen alle Begierden nach solchen Usurpationen dieser erblichen Würde hinweg; dadurch wird gar vieles Unheil vermieden und der Staat gegen Ruin bringende Zwistigkeiten gesichert. Dem Erbstatthalter ist eine Provinz und das Wohl derselben, so angelegen als die andere. Das würde aber ganz anders sich verhalten, wenn ein Demagoge seine Stelle an sich reissen könnte. Die Provinz von der er deputirt wäre, würde vorzüglich die Begünstigte werden; es würden dadurch Streitigkeiten entstehen, welche die Festigkeit des Staatenbunds tief erschütterten. Wenn auch keine völlige Dissolution sogleich erfolgte; so würde sie doch in der Folge nicht ausbleiben, und nun wäre das Glück des Staats ruiniret.

Von den innern Unruhen machen die auswärtigen Mächte Gebrauch, der Handel sinkt und kehrt zuletzt in ein trauriges Nichts zurück. Bei der constitutionsmäsigen alten Verfassung entstanden und herrschten ewige Missverständnisse unter den einzelnen Provinzen, welche nur durch die sorgfältigste Verwendung des Erbstatthalters konnten beigelegt werden; wohin sollte wohl der Staat schon lange gekommen seyn, wenn er keinen andern Vereinigungspunkt als die Generalstaaten -- wenn er keinen Statthalter gehabt hätte?

Da die vereinigten Staaten eine handelnde Seemacht sind, so sollten sie billig auf die Erhaltung ihrer Kriegsschiffe alle Aufmerksamkeit wenden. Die Anlage dazu existirt -- die Ausführung aber ist zu erwarten.

Die Angelegenheiten der Marine, werden durch fünf Admiralitäts-Collegien besorgt. Diese schlagen den Provinzen vor, wie viel Schiffe, und von welchem Rang, zu erbauen sind, und wie hoch sich die erforderlichen Kosten belaufen. Wenn dieses geschehen ist, so verwilligen -- nicht der Erbstatthalter -- nicht die Generalstaaten -- sondern die einzelnen Provinzen, die behufigen Gelder.

Aus dem letzten deutschen Reichskriege weiss man, wie es mit den Contingenten geht; jeder mächtigere Stand stimmt, verspricht, stellt oder zahlet aber nichts. So gehet es auch mit diesen Schiffsbau-Geldern. Im Jahr 1741. thaten die Admiralitäts-Collegien einen Vorschlag zu Verbesserung der Flotte und verlangten die nöthigen Gelder; die Sache wurde theils declinirt, theils verwilligt; endlich, auf vielfache Verwendung Wilhelms IV, der Vormundschaft, und des darauf folgenden dermaligen Statthalters, wohl verwilliget, aber nicht bezahlet. Im Jahr 1771. waren die Gelder bei weitem noch nicht gezahlt; wenig oder nichts.

Die Wahrheit des so eben Erzehlten, bezeugen mehrere glaubwürdige holländische Schriftsteller.

Wer wird nun wohl noch den verläumderischen Aussprengungen beitretten können, als habe der Erbstatthalter, dieser gütige liebevolle Fürst, die Flotten absichtlich vernachlässiget? -- Das Gegentheils liegt hier klar zu Tage! Auch den Admiralitäts-Collegien ist die Schuld nicht beizumessen; diese thaten ihre Pflicht -- die Provinzen zauderten.

Es ist ein schändlicher Zug in dem Charakter der Undankbarkeit, wenn geleistete wichtige Dienste nicht belohnet werden; schändlicher aber noch: wenn sie ganz und gar vergessen werden.

So blühend der Handel Hollands von je her war, mit so vielen Schwierigkeiten hatte er doch immer zu kämpfen. Die ungeheuren Sandbänke den Küsten entlang, beschweren das Einlaufen der Schiffe. Die verschlossene Schelde sicherte bisher dem batavischen Volk seinen Handel, und hinderte das Aufblühen von Antwerpen und den andern Städten dieses Flusses.

Es war daher kein geringer Schrekken, welchen der Kaiser Joseph II. im Jahr 1784. den Holländern einjagte, als er Miene machte, die Schelde mit Gewalt zu eröffnen und den Freistatt mit Krieg zu überziehen drohete. Die Stellung, welche der Erbstatthalter dazumal die niederländische Armee nehmen liess, diese, einen grossen Feldherrn zu erkennen gebende Disposition, setzte die Kaiserliche Armee so ausser allem Vortheil, dass ihr die Lust zum Vordringen benommen wurde. Die darauf erfolgten Unterhandlungen, welche der grosse Einfluss, welchen der Erbstatthalter an allen europäischen Höfen, durch seine erhabenen Verwandtschaften hat, durchaus begünstigte, und die er sich so sehr angelegen seyn liess, wendete die drohende Gefahr vollends ab. Die Schelde blieb verschlossen; kein Schiff durfte ein- noch ausgehen.

Den Ruhm, welchen der Erbstatthalter sich in dieser kritischen Lage erwarb, konnte ihm der Neid nicht rauben, obgleich das Dankgefühl, das in dem Busen der erkenntlichen Bataver brannte, nur im Stillen dem Verdienste zu opfern vermochte.

Zu dieser Zeit waren die Verführer des Volks nur eine kurze Zeit und dem Schein nach, ausser Thätigkeit gesetzt.

Unter den Verführern waren Verführte und wurden wieder Verführer; so täuschte einer den andern. Jeder glaubte in den Tagen der Zukunft zu höheren Ehrenstellen zu kommen, dadurch Gewalt an sich zu reissen, und seine unlauteren Begierden zu befriedigen. Der Herrschsüchtige sehnte sich nach Macht; nicht um dich freier und glücklicher zu machen, gutmüthiges Volk! sondern um dich zu unterdrücken; seine Willkühr sollte die Norm deiner Freiheit enthalten; seine Vorschläge würden Vorschriften, und seine Wünsche despotische Befehle geworden seyn.

Der revolutionssüchtige Geizige wollte nicht dich -- nein! er wollte sich selbst bereichern.

Um diese, im Finstern geschmiedeten Plane ausführen zu können, fehlte es an öffentlichen Aemtern, so wie solche gewünscht wurden; da sie sich den Erbstatthalter hierbei im Wege glaubten, und sich vor dessen aufrichtigen, vaterlandsliebenden Gesinnungen fürchten mussten: so suchten sie Anhänger zu bekommen, und bedienten sich dazu aller der Mittel, die dahin abzwecken konnten.

Catalina war der Lehrmeister dieser Männer; der Plan war derselbe, nur dass in Ansicht der Anlage einige Modification statt findet, die dem veränderten Zeitalter, nicht dem Charakter der handelden Personen, beizumessen ist.

Wie sich diese intendirte Revolution einigte, ist bekannt; die kleine Zahl der Verführer knirschte -- die grosse Menge der Verführten schämte sich ihrer Leichtgläubigkeit und -- doch lasst und hinwegblicken von diesen Auftritten, welche das sonst so dankbare batavische Volk nachher bereuet hat -- das Volk, nicht diejenigen, welche unter französischem Beistand, dermalen die höchste Gewalt an sich gerissen haben.

Kurz nach der Revolution von 1787. sprach ich selbst einen von den Gegnern des Erbstatthalters und fragte ihn:

"Sind sie persönlich durch den Erbstatthalter beleidiget worden?"

Nein!

"Aus welchen Gründen hassen Sie denn diesen liebenswürdigen Fürsten?"

Gründe habe ich keine.

"Müssen Sie nicht gestehen, dass ohne die Statthalterwürde der Genius der niederländischen Freiheit vielleicht schon lange mit Asträa zurückgekehret, der Staat zertrennt oder das Eigenthum eines angrenzenden Monarchen wäre?"

Das ist sehr wahr; ohne Statthalter kann unser Freistaat nicht bestehen, und würde ohne diese Würde nicht bis jetzt bestanden haben.

"Und Sie waren bei dieser Ueberzeugung gegen den Statthalter? die Hand auf die Brust: warum?"

Aufrichtig! ich bin reich und war begierig eine öffentliche Rolle zu spielen; die Anführer und Lenker benutzten meine schwache Seite, versprachen mir Ehrenstellen -- und ich liess mich verführen.

"Ha, bravo! -- aber Ehre dem Ehre gebühret!"


Holland nach der Revolution.

Reformare in ecclesia oportet, non ecclesiam, sagt ein berühmter Niederländer sehr richtig. Dieses gilt auch von Staatsveränderungen. Derjenige, welcher sich mit einer vorgefassten Meinung an eine Sache macht, es sei was es will, wird alles hernach accommodiren wollen und dadurch seinen Zweck verfehlen. Deswegen ist alle Partheisucht dem Staate gefährlich. Der Partheisüchtige wird nie vermögen eine beglückende Staatsreform hervorzubringen. Das was er macht und vornimmt, geschiehet mit gehässigen Rückblicken; sein erschaffenes Werk giebt Spuren des Kleinlichen, beim ersten Anblick zu erkennen; es ist ein politischer Basilìsk, der, wie die Fabel sagt, so lange lebt und durch seinen Anblick tödtet, als er sich selbst noch nicht gesehen hat; -- man bringe eine solche Reform in Anwendung: und ihre Schädlichkeit wird mit dem ersten Tage offenbar. Mein Gott! wie ist es denn auch anders möglich! -- die Partheisucht hat nur immer den Gegenstand im Auge, der ihr zuwider ist: sie verwechselt daher den sittlichen Zweck, den sie erreichen sollte, mit dem nicht sittlichen, den sie erreichen will, sie mischt süsses Gift, und lockt durch Syrenengesang.

Wie kann der so geradhin eine ganz veränderte Staatsverfassung bezwecken und eine lautere Absicht, zugleich dabei haben, der da weiss, dass sich hier die Materie mit der Form nicht umändert; nicht einmal umändern lässt.

Die Prinzipien der reinen Staatswissenschaft, so weit solche als aufsteigende Sätze, a priori, gelten, müssen mit den abgeleiteten Sätzen der Erfahrung zusammengestellt, geprüfet und verglichen werden. Obgleich die Letzteren die Ersteren nie einer unbedingten Unrichtigkeit überführen können, so zeigen sie doch die Perfectibilität der Materie; sie zeigen, wie viel Moralgesetz und sittliche Vernunft schon bewirkt haben, und ob solche dergestalt verallgemeint sind, dass man auf diesen Grundsätzen fortbauen kann?

Diese Untersuchungen müssen billig vorhergehen, ehe man Hand anlegt; -- vieles Unglück würde alsdann verhütet werden.

In wie weit man sieh hiernach in Holland gerichtet hat, und ob diejenigen Personen, welche jene wichtigen Rollen übernahmen, dazu qualificirt waren, wird die Erfahrung darthun.

Nachdem die Unruhen in Holland wieder waren gedämpft worden, und die vorige Ordnung hergestellt zu seyn schien, bracht die Revolution in Frankreich aus. Die Gegenparthei des Statthalters glaubte diesen Zeitpunkt benutzen zu müssen: sie hielt ihre Abgeschickten in Paris.

Die coalisirten Mächte hatten schon einen Feldzug gemacht und die vereinigten Niederlande waren noch immer dem Bündniss nicht beigetreten, -- sie blieben neutral. Da dieses gegen den Plan der Nichtprinzlichgesinnten war, und die Franzosen das Glück der Waffen zu begünstigen schien; so steckten sie sich hinter den General Dümourier, dieser musste bewürken, dass dem Erbstatthalter persönlich der Krieg angekündiget wurde. Der Zweck ist leicht zu errathen: man dachte den Erbstatthalter dadurch gehässig zu machen.

Die Vereinigten Niederlande traten hierauf der Coalition bei, nachdem sie von Frankreich dazu genöthiget worden. Ihre Armee, unter dem Oberbefehl des Erbprinzen von Oranien, stiess zu der Friedrich Josias von Sachsen-Coburg-SaalfeldHauptarmee des Prinzen von Coburg. Sie avancirte und retirirte mit dieser, da ihr Schicksal mit dem Schicksal dieser Armee verbunden war. Der Rückzug aus dem Elsass, den das grosse Talent des Herzogs von Braunschweig, aus einer Flucht in einen militärischen Rückzug verwandelte, der, wenn keine preussische Armee, so treflich angeführet, in der Nähe gestanden hätte, das Unglück von ganz Deutschland würde gemacht haben, hatte auf die grosse Linie bis Ostende den nachtheiligsten Einfluss. Nicht nur deswegen, weil die Operationen der ganzen Truppenkette dadurch sehr litten, und diese eine veränderte Stellung nehmen musste; sondern auch aus dem Grund, weil ein solches widriges Ereigniss jederzeit auf den Soldaten unvortheilhaft würkt, und ihn Mistrauen in die eigenen Kräfte setzen lässt.

Während dem was die Gegenoranische Parthei in Holland würksam; sie machte Versuche: allein sie gelangen nicht. Die Obrigkeiten in den Provinzen und Städten waren wachsam; selbst das Volk hat an mehreren Orten dergleichen Ausbrüche gedämpft.

In dem Winter 1794. war die feindliche Armee bis auf die holländischen Gränzen vorgedrungen. Die anhaltende ausserordentliche Kälte, trotz dessen die Truppen immer unter den Waffen waren, begünstigte ihre Unternehmungen. Die Flüsse und Kanäle bedeckten sich mit Eis, und diese Eisdecken wurden Brücken für sie. Die Armee erhielt Ordre vorzudringen; es geschah, und die Linie von Krep wurde überwältiget.

Durch die in Paris und bei den Armeen sich aufhaltenden Antioranischgesinnten, war der National-Convent benachrichtiget worden, dass in den Städten und Vestungen die Anstalten so getroffen waren, dass sie den anrückenden französischen Truppen geöffnet und übergeben werden sollten. Dies veranlasste jenen Befehl, und deswegen wurden auch die Friedensvorschläge nicht angenommen.

Die allgemeine Furcht, welche dies plötzliche Vordringen veranlasste, wussten die Feinde des Erbstatthalters treflich zu benutzen. Sie reiseten im Lande herum und versprachen, dass, wenn man die Thore allenthalben gutwillig eröffnen würde, sie es dahin bringen wollten, dass das Eigenthum geschont werden sollte.

Eine unbedingte Kleinmüthigkeit ist die Ernährerin der Furcht; mit ihr ist die Leichtgläubigkeit verschwistert; besonders in der Lage, worin die Holländer itzt waren.

Die Franzosen liessen sich die Bedingung, das Eigenthum zu schonen, gar gern gefallen. Sie wussten, dass ihnen der Besitz von Holland und die darauf erfolgenden Tractaten mehr Nutzen bringen würden. Die Quelle, aus welcher alle diese Reichthümer geflossen waren, hielten sie mehr werth als die Schätze selbst; sie hatten ganz recht geschlossen; diese waren nur verzehrbare Interessen, jene aber ein immerwährendes, sicher hypothecirtes Kapital.

Der Erbstatthalter, der bisher standhaft auf seinem Posten ausgehalten und alle Mittel aufgeboten hatte, um dieses Unglück von Holland, wo möglich noch abzuwenden, sah, dass dieses vergebens war. Eine Stadt wurde nach der andern, freiwillig eröffnet.

Er begab sich daher in die Staaten-Versammlung, und kündigte in einer Rede, welche allen Anwesenden Thränen entlockte, derselben an, dass das Vaterland durch den einrückenden Feind in der grössten Gefahr sey; dass trotz aller seiner angewandten Mühe, die revolutionssüchtigen Einwohner durch die ihren Mitbürgern eingejagte Furcht, es dahin gebracht hätten, dass man allenthalben dem Feinde die Thore eröffnete; Er wolle den Frieden nicht hindern, und seye daher entschlossen, bis zu günstigeren Zeiten welche die alllenkende Vorsehehung dem Vaterlande bald wieder geben wolle, aus dem Gebiete der Republik zu verreisen.

Die Staatenversammlung, welche einsah, dass diese Maasnehmung des Prinzen, bei der dermaligen Lage, gut und für den Staat vortheilhaft war, und dass neben der persönlichen Sicherheit vaterlandsliebende, die allgemeine Ruhe bezweckende Absichten, den Erbstatthalter dazu vermogten, billigte dieses Vorhaben und schickte des Endes nachher noch eine Deputation an denselben.

Der Erbstatthalter hat also nie die Absicht gehabt, noch haben können, dass er die Republik auf immer verlassen wolle.

In dieser krittischen Lage konnte der Prinz gewiss nichts anders thun, als das, was er that. Seine Reise sicherte ihn, dass er einem Feinde, welcher ihm persönlich den Krieg angekündigt hatte, nicht in die Hände fiel; sie sicherte die innere Ruhe: und war also in dieser Rücksicht so lobenswerth als klug. Seinen Feinden war er aus den Augen. und denjenigen, welche sich von der Nothwendigkeit der Statthalterwürde überzeugt halten, war dadurch gewissermassen für jetzt die Aussicht benommen, etwas zu seinem Vortheil zu unternehmen, das unter diesen Umständen ohnehin nichts würde geholfen haben. Das Land war in Feindes Hand und kein Bürger konnte frei handeln.

Vermöge der getroffenen Convention wurde zwar den Soldaten das Plündern verboten, den Conventsdeputirten aber war es nicht verwehrt, Brandschatzungen anzusetzen. Letzteres geschah: er wurden hundert Millionen Gulden angesetzt.

Durch das Plündern würde sich nur der Soldat bereichert und dadurch weichlich gemacht haben; die Brandschatzungen aber flossen der Kriegskasse zu.

Die vielen Requisitionen von Vivres, Fourage, Kleidungsstücken und dergleichen, wurden fast unerträglich. Aber was war zu thun? -- Die Befreier waren Herrscher. Wer sich einen leisen Widerspruch erlaubte, fühlte die Macht der neuen Obergewalt und musste sich Demüthigungen aller Art gefallen lassen.

Die Erklärung der französischen Conventsdeputirten:

"Die holländische Nation sollte sich eine selbstgewählte Verfassung geben."

schränkte den freien Willen der ganzen Volksmasse ausserordentlich ein und erlaubte keine freie Wahl; sie enthielt in dem Zusatz:

"Eine Verfassung, welche sich auf die Gesetze der Freiheit und Gleichheit gründet."

die strengste Vorschrift, indem dadurch der Nation gleichsam aufgegeben wurde, wie sie ihre Verfassung einrichten sollte. Wenn die Nation frei und ohne allen Zwang wählen sollte: so hätte ihr auch die Freiheit bleiben müssen, die vorige Verfassung beizubehalten. Eine Verfassung, welche zweihundert Jahre schon bestanden und das Land an seinem Aufblühen nicht verhindert, vielmehr zu dem Glück der einzelnen Bürger beigetragen hat, die sich unter ihrem Schutz Schätze und Reichthümer gesammelt haben, ist wahrhaft zu respectabel, als dass man sie so gerade hin, durch einen von Waffen unterstützten Machtspruch, umwerfen sollte.

Eine Staatsverfassung zu verändern, ist ein Schritt von der grössten Wichtigkeit. Es gehört ein ausserordentlicher Grad von Frechheit, oder das Wohl der Menschheit verachtender Bosheit dazu, wenn man dieses Geschäfte zu dem Werk einer Stunde macht, -- wenn man das zusammen berufene Volk darüber absprechen lässt. Reformare in ecclesia oportet, non ecclesiam. Was zu bessern ist, bessere man; hüte sich aber die ganze Verfassung umzustossen.

Eine Nation kann den Willen haben, ihre Staatsverfassung zu verändern -- die Freiheit aber selten. Diese Freiheit ist in eine äusserliche und innere Freiheit einzutheilen. Vermöge der Ersteren können ihr keine fremde Kräfte im Wege stehn, vermöge der Letzteren aber ist es erforderlich, dass sie den sittlichen Willen hat, die beste Verfassung zu wollen, und damit die Einsicht verbindet, welche erforderlich ist, dieselbe wählen zu können. Dieses sind unnachlässliche Bedingnisse; werden sie wohl bei solchen Volksversammlungen erfüllt? -- Gewiss nicht!

Die französische Conventsdeputirten wollte Holland eine Verfassung geben, wie sie ihr eigenes Vaterland einzuführen versucht hat. Denn Versuch ist es bis jetzt noch.

Die Revolutionnärs in Holland bildeten sich nun, von französischen Waffen unterstützt, eigenmächtig zu einem provisorischen Nationalkonvent; sie erdreusteten sich, ohne Einwilligung der ehrwürdigen, freien Nation Gesetze zu geben, und aller Ordnung zuwider laufende Neuerungen zu machen. Sie erklärten Holland zu dem, was es vorher schon war -- zu einer Republik und setzten den Statthalter ab. Obgleich diese Absetzung eine lächerliche Grimasse ist, da sie von einer Versammlung geschehen, welche sich eigenmächtig und von feindlichen Waffen unterstützt, die Regierung angemasset hat: so zeigt sie doch, wie und wohin man die Nation zu leiten gedenkt. Es soll eine demokratische Verfassung, im strengsten Sinne genommen, eingeführt werden. Wie wenig dieses aber angeht, zeigt das in der Einleitung zu dieser Schrift gegebene Beispiel von einem handelnden Staate, der sich in eine Demokratie umwandelt. Dieses Gemälde ist reine Wahrheit, ohne Schminke und enthält nichts übertriebenes.

Die Statthalterwürde ist bei der Verschiedenheit des Interesse's unter den Provinzen, bei allen den politischen Abstufungen, welche sich im Innern durchkreuzen, und ewig rivalisiren und durchkreuzen werden, durchaus erforderlich. Wenn bei der erblichen Würde eines Statthalters, etwas zu wünschen ist: so wäre es eine vermehrtere Extension, wodurch ihr wohlthätiger Einfluss die Geschäfte des Staats nachdrücklicher betreiben könnte. Der Staathalter sollte besonders in Absicht der executiven Gewalt, freiere Hände haben, um die Haltbarkeit des Staats, sowohl in Absicht der einzelnen Provinzen, als des ganzen Staatenbundes, besser bewirken zu können. Glücklicher und freier würde dadurch jeder Bürger werden, und die Macht des Staats würde wachsen.

Die Holländer haben an der ersten Probe, welche der sich selbst organisirte, provisorische sogenannte National-Convent abgelegt hat, einen klaren Beweis, wohin sie ohne Statthalter kommen und in welch ein Labyrint sie durch diese Menschen verwickelt werden: Ich meine den Vertrag mit Franckreich.

Ohne alle gesetzliche Vollmacht, ohne alle öffentliche Authorität schliesst dieser Convent einen Tractat mit Frankreich, der die absichtlich übelsten Folgen haben muss, und den bisher selbstständigen Freistaat seiner Selbstständigkeit beraubt und in eine französische Provinz verwandelt. Durch diesen Tractat werden die Grenzvestungen, theils ganz abgetretten, theils mit französischer Besazzung belegt.

Der Staat hört also auf sich selbst zu vertheidigen und giebt sich unter die Willkühr einer fremden Macht, die über ihn dominirt, wie sie will. Diese Volksvertreter sind von den Absichten Frankreichs schlecht unterrichtet. Diese sind keine andern, als allen Handel an sich zu ziehen und die erste Rolle dereinst auf der See zu spielen. Wie wenig ist also das Interesse der Nation beobachtet worden! Ein handelnder Staat kann keine Provinz eines andern Staats, oder gar demselben einverleibt werden, und dennoch blühend und reich bleiben. Der Mächtigere zieht den Handel des Kleineren an sich und gebraucht ihn als Mittel. Der angeführte Tractat zeigt deutlich, dass die Franzosen diese Absicht haben. Deshalben liessen sie sich Staatsflandern und Vliessingen nebst den Barrierstädten abtretten. Dass dieses die Holländer einsehen, ist keinem Zweifel unterworfen. Einzelnen Menschen kann man es zur Noth noch verzeihen, wenn sie die Albernheit so weit treiben, und glauben, alles was die Franzosen bei Verträgen mit andern Nationen vornehmen, geschehe aus den reinsten Absichten der Menschenbeglückung; aber von einer ganzen Nation lässt sich so etwas nicht glauben.

"Die holländische Armee soll durch einen General der Frankenrepublik in Zukunft kommandirt werden."

Man sollte beinahe an dem gesunden Verstand der freien Männer zweifeln, die eine solche knechtische Bedingung eingehen konnten!

"So oft und so lange Frankreich mit England im Krieg verwickelt ist, so oft und so lange hat Holland ebenfalls Krieg mit England."

Welch ein Versprechen! zu welchen unglücklichen Folgen kann dieses hinführen! Wie, wenn nun in Frankreich ein Bürgerkrieg ausbricht, der gefährlich und drohend wird, und wobei die eine Parthei von England unterstützt würde, wie soll sich, oder vielmehr wie will sich Holland da betragen, wenn z. B. die in seinen Vestungen liegenden französischen Besatzungen sich auf die englische Seite schlügen? Holland müsste vermög seines Vertrags gegen England zu Wasser und zu Land agiren und hätte den Feind in seinen festen Plätzen und im Innern des Landes. Wäre in diesem Fall der Staat nicht in einer Falle, aus der er nicht entwischen könnte?

Kurz! der mit Frankreich abgeschlossene Tractat, schlägt dem vereinigten Freistaate tiefe Wunden. Glück ist es noch, dass er wohl nicht bestehen wird. Diejenigen, welche ihn eingingen, waren keine gesetzliche Gewalt; sie hatten sich ohne Willen der Nation zu ihren Herrschern aufgeworfen und radotirten von Freiheit, indem sie von Einzelnen französischen Bürgern, Gliedern des Pariser Convents, in Unterwürfigkeit gehalten wurden. Alles was diese provisorische Versammlung thut, hat keine Verbindlichkeit für den Staat, wenn es nur auch keine üble Folgen für ihn hätte; aber diese sind vorauszusehen. Der Anfang ist gewöhnlich die glänzendste Periode für jede neue Regierung. Der erste Schritt geschieht mit Ueberlegung; und findet dieses bei dem ersten nicht statt, was ist alsdann von den folgenden zu erwarten? Was hat sich Holland von Menschen zu versprechen, die so jämmerlich begannen? die damit anfiengen dass sie, von feindlichen Waffen unterstützt, die gesetzliche Verfassung leichtsinnig, wie der muthwillige Knabe ein aufgebautes Kartenhaus, über den Haufen warfen, die ihren Kopf in den Schooss des Feindes legten und nicht daran dachten, dass Frankreich seinen Handel auf den Ruinen des Holländischen Handels gründen will; die ihrem Vaterlande eine festgegründete Verfassung raubten, ohne ihm eine bessere geben zu können; die nicht einmal einsahen, dass sie durch diesen Tractat, ob er gleich den Staat für eine unabhängige Republik erklärte, dennoch das Land zu einer Provinz von Frankreich machten.

Da der Prinz von Oranien persönlich keinen Krieg mit Frankreich gehabt hat: so waren seine Güther und Mobilien, so bald die Sicherheit des Privateigenthums zugesichert war, unter dem nemlichen Schutz des Gesetzes, unter welchem jedes andere Eigenthum war; sie sind aber dennoch eingezogen worden. Sie werden zurückgegeben werden, sobald die Unpartheilichkeit entscheidet. Die Franzosen können und werden sie nicht behalten, weil ihr Versprechen, das Eigenthum zu schonen, unbedingt ist gegeben worden; und was der provisorische Convent von diesem Vermögen eingezogen hat, wird zurückgegeben werden, sobald man sich wieder von der Nothwendigkeit der Statthalterschaft wird überzeugt haben. Und diess geschiehet gewiss, indem der Erbstatthalter zu innig mit der Nation -- und diese zu fest und innig mit ihm verbunden ist, als dass sich diese Voraussagung nicht bestätigen sollte. Die Majorität der Nation ist bei weitem auf der Seite des Erbstatthalters. Man entferne die Mittel, wodurch das Volk in Furcht und Schrecken gehalten wird, entledige jeden der Fesseln, die ihn jetzt drücken, und frage sodann jedermänniglich: "Wollt ihr euren Erbstatthalter wieder?" und horcht ob nicht alles ruft: "Gebt und Ihn wieder, den Beschützer unserer Freiheit, Ihn, den Fürsten mit dem wohlwollenden Herzen, der so gerne das Glück seiner Mitmenschen befördert, der unsere armen Brüder kleidete, speisste und tränkte -- gebt uns Ihn wieder: der Staat macht es zum Gesetz, die Menschlichkeit macht es zur Pflicht!


Schluss.

Die Freiheit der Staatsbürger ist in den Gesetzen einer harmonischen Einwürkung gegründet. Der Satz: "Verbessere dich und deine Lage so viel du kannst und thue den unveräusserlichen Rechten eines andern keinen Abbruch," umfasst ihren Inhalt. Hieraus fliessen die Vorschriften, welche die Gesetzgebung zu beobachten hat.

"Sorge, dass jedes Glied der bürgerlichen Gesellschaft bei seinen Rechten geschützt wird," ist der Inhalt der Gesetzverwaltung, oder der executiven Gewalt. Wenn diese Gewalt zu viel vertheilt wird, so kann die Reinheit der Gesetze nicht allenthalben beobachtet werden: es fehlt an Uebersicht; daher entstehen Unruhen und Vernachlässigung des Gesetzes unter den einzelnen Bürgern; das Uebel greift weiter und die Maschine des Staats kommt in Unordnung; sie hat zuletzt keine Haltbarkeit und wird entweder in sich selbst zerfallen, oder die Beute eines Dritten werden. "Discordia res maximæ dilanbuntur," sagt Sallust sehr richtig; so wie der schöne Denkspruch der Niederländer: "concordia res parvæ crescunt," so lange man hiernach handelte, das Glück des Staats gemacht hat.


Quellen.[]

  • Holland vor und nach der Revolution in Beziehung mit der Statthalterwürde betrachtet. Frankfurt am Main in der Hermannschen Buchhandlung 1795.
Advertisement