Helvetische Republik (1798 - 1803).
Die Republik Helvetien.[]
Litteratur. Norrmanns geographisch-statistische Darstellung des Schweizerlandes. Hamburg 1795 - 98. 4 Bde. in gr. 8. -- Helvetien oder die Schweiz, oder der neuesten Länder- und Völkerkunde B. V. Nro. 1 und 2. -- Charten. Charte von der helvetischen Republik nach ihrer neuesten Verfassung. Weimar 1803. -- Mannerts Charte von der helvetischen Republik. Nürnberg 1805.
Staatskräfte.[]
I. Land.
- 1. Bestandtheile. Die Republik Helvetien, die einzige in Europa, besteht 1) aus dem ehemaligen Gebiete dieses Freistaates, mit Ausnahme der ehemals mit demselben verbündeten Länder, 2) aus der neu erworbenen Herrschaft Trasp, und dem Frickthale.
- 2. Größe. Etwa 850 Quadratmeilen *) in runder Zahl.
- *) Nach Meusel 746 ¼; nach der neuesten Länder- und Völkerkunde 900 Quadratmeilen.
- 3. Gränzen. Gegen Süden sind Frankreich und das Königreich Italien, gegen Osten Tirol, gegen Norden Frankreich und Schwaben, und gegen Westen Frankreich Helvetiens nächste Nachbarn. Fast überall ist das Land theils von Wasser, theils von hohen, beinahe unersteiglichen Gebirgen; gegen Osten und Norden vom Rhein, gegen Westen vom Juragebirge, gegen Süden vom Genfer See und von den Alpen umschlossen: eine in Rücksicht auf dessen Sicherheit von außen sehr vortheilhafte Lage, wenn nicht die Erfahrung längst bewiesen hätte, daß Flüsse, und selbst die rauhesten Gebirgen nur schwache Schutzwehren sind!
- 4. Beschaffenheit des Bodens. Nur einige Thäler, und wenige Ebenen, besonders im nördlichen Theile Helvetiens haben fruchtbares Ackerland. Bei weitem der größere Theil besteht aus hohen und rauhen Gebirgen: den Alpen, und dem Juragebirge. Von jenen sind die obern Theile entweder kahle Felsen, oder mit ewigem Schnee und Eise bedeckt; die mittlern hingegen mit wohlriechenden Futterkräutern besetzt, und vorzüglich zur Viehzucht geeignet. Auch ragen hier und da Gletscher empor, ganz aus Eis allein aufgethürmt. Die Grundlage der Hauptgebirge besteht aus Granit, der Vorberge aus Kalk- und Sandstein; der Jura, minder Hoh, als die Alpen, besteht ganz aus Kalkstein.
- 5. Gewässer. Quellen in Menge stürzen von den Gebirgen herab. Doch hat das Land außer dem Rhein, und dem Rhone, die bald aus dem helvetischen Gebiete treten, keinen einzigen Fluß von Bedeutung. Nur die Aar, welche das Gebiet von Bern und Solothurn benetzt, unterhält eine Schiffahrt. Der Ticino, der erst außerhalb Helvetien beträchtlich wird, die Limmat, Rüß, Emme und der Sanen diesen nur zur Bewässerung des Landes, zum Fischfange, und zum Treiben der Mühlen und verschiedener Maschinen.
- An Seen, welche viel Schiffahrt und Fischerei veranlassen, hat Helvetien eine größere Zahl: den Bodensee, wovon nur ein Theil, den Genfer See, wovon ungefähr die Hälfte der Republik zugehört, den Neufchateller- und den Bieler See, von denen gleichfalls nur Theile im helvetischen Gebiete liegen, den Zürcher- die vier Waldstädter Seen, den Thuner- und den Brienzer-See, nebst mehr andern kleinern Seen.
- 6. Klima. Kälte, den zuweilen scharfe, aber zugleich reine und gesunde Luft durchweht dieses hohe Gebirgsland. Auf den hohen Gebirgen übt der Winter eine unerbittliche Strenge aus; selbst im Sommer empfindet man rauhe Winde; aber in den Thälern droht um diese Jahreszeit die Sonnenhitze alles zu versengen. Im nördlichen Theile ist jedoch das Klima gemäßigt.
- 7. Producte. a. Aus dem Pflanzenreiche. Seiner natürlichen Beschaffenheit wegen dem Ackerbau ungünstig, bringt das Land an den gewöhnlichen Getreidearten, dann an Dinkel, Mais, Haidekorn, Hirse und Hülsefrüchten bei weitem nicht so viel hervor, als der innere Verbrauch fordert. Auch hat es an Kartoffeln, Rüben und Gartengewächsen keinen Ueberfluß. Häufiger sieht man Hanf, Flachs, Mohn, Rübsaamen, Kümmel, hier und da- auch Safran, Krapp und Tabak auf den Feldern. Das wichtigste Product sind das fetteste Gras, Klee, und andere der besten Futterkräuter. Die Alpen erzeugen viele medicinische Pflanzen. Der Weinstock liefert in einigen Gegenden sehr guten Wein; Obst von allen Gattungen ist im Ueberfluße vorhanden, und der wärmere Theil bringt sogar edle Südfrüchte hervor. Viele Gegenden sind mit Waldungen bedeckt, worin sich außer den gewöhnlichen Laub- und Nadelhölzern auch Eichen, Ulmen, Ahorne, Lerchen und Zirbelnußbäume finden.
- b. Aus dem Thierreiche. Der Reichthum des Landes besteht in dem Hornvieh, welches durch seine Größe sich vor dem Hornvieh aller andern Länder auszeichnet. Das schönste und stärkste sieht man im Canton Schwyz. Die zahl der Pferde, und der Schaafe ist nicht sehr groß; desto größer diejenige der Ziegen, besonders in den Gebirgsgegenden. Schweine werden in beträchtlicher Zahl gezogen. Das Wild von allen Gattungen hat sich sehr vermindert; doch machen noch hier und da Wölfe und Bären die rauhern Gebirgsgegenden unsicher. Unter dem zahlreichen wilden Geflügel lauert auch der schädliche Lämmergeier auf Raub. In einigen Gegenden befinden sich Schildkröten. Fische von verschiedener Art, worunter auch der köstliche Salm ist, halten sich in den Seen, Flüssen und Bächen in Menge auf. Bei Sargan sind Schneckengärten angelegt. Zahlreichen Bienenschwärmen gewähren die blumenreichen Wiesen, und die vielen Wälder und Quellen einen angenehmen Aufenthalt. Auch der Seidenwurm ist in den wärmern Gegenden einheimisch.
- c. Aus dem Mineralreiche. Verschlossen im eigentlichen Sinne liegt in den Gebirgen ein Schatz mannigfaltiger Mineralien, da der menschliche Fleiß hier nur wenige Aufsucht, und benützt. Das Daseyn des Goldes verräth der Goldsand in den Flüssen; Silber hat man im Canton Bern, und Spuren dieses Metalles in mehrern Gegenden. Mit Kupfer sind die Cantone Bern, Uri, St. Gallen und Graubünden versehen, mit Blei und besonders mit Eisen mehrere Orte; Quecksilber hat man hier und da entdeckt; in Uri und Graubünden findet man Antimonium, in Bern Braunstein. An Kalksteinen und schönen Marmorarten, an Gyps und Alabaster, guten Mühlsteinen, Hornstein, Krystallen, Achat, Granaten xc. an Kreide, Trippel, Mergel, guten Thon- Fayence- Porzellanerden und Bolus fehlt es nicht; auch nicht an Schwefel, Torf und Steinkohlen, wenn gleich von letztern wenig Gebrauch gemacht wird. Man hat Salpeter, Vitriol und Alaun; aber an Kochsalz großen Mangel; daher beinahe der ganze Bedarf aus Frankreich und Baiern eingeführt werden muß. Unter mehrern mineralischen Quellen sind besonders diejenigen bei Baden und Schinznach, zu Bonn in Freiburg, zu Nieder-Urnen in Glarus, zu Fidris in Graubünden, das Nidelbad in Zürich, und das Pfeffersbad in St. Gallen berühmt, dasjenige bei Balgach und bei Kobelwies, das Weißbad, das Gonter- und das Waldstädter-Bad im Canton Appenzell.
II. Einwohner.
- 1. Nach ihrer Anzahl. Etwa 1½ Millionen Menschen bewohnen dieses Gebirgland: eine gesunde, nervigte Menschenclasse, von starkem, bauerhaften Körperbau, der gewöhnliche Klima und Lebensart ein hohes Alter verschaffen. Ungeachtet des großen Raumes, welchen die Gebirge und Seen einnehmen, fallen doch im Durchschnitte mehr als 1700 Einwohner auf die Quadratmeile, was der helvetischen Republik einen Rang unter den verhältnißmäßig wohl bevölkerten Staaten anweiset.
- 2. Nach ihrer Abstammung, und ihren Sitten. Der Hauptmann und größte Theil der Nation besteht aus Teutschen. Aber in einigen Gegenden verräth die Sprache der Einwohner, daß sie aus einem andern Stamme gesprossen seyen, oder sich wenigstens mit Völkern andern Ursprunges vermischt haben. In einem Theile von Graubünden ist die romanische, oder kurwälsche, im Canton Tessin die italiänische, und längst dem Jura hin die französische die Landessprache. Doch an Charakter sind sie sich ziemlich gleich. Geradheit und Treue, feste Anhänglichkeit an ihre alten Gewohnheiten, Sitten, Verfassung, und daher rührende Unbeugsamkeit, und enthusiastische Liebe zum Vaterlande und zur Freiheit gaben ihnen von je her das Gepräge eines originellen Volkes. Im Kriege sind sie tapfer und ausdauernd; zu Hause arbeitsam, gutmüthig und gastfrei.
- 3. Nach ihrer Erziehung und Bildung zu den Wissenschaften und Künsten. Meist als Kind der Natur wächst der junge Schweizer auf dem Lande auf, und erhält beinahe keine andere Bildung, als die ihm das Anschauen väterlicher Sitten giebt. Dürftig, wie der Gehalt der Schullehrer, ist der Unterricht in den Landschulen; er schränkt sich auf Lesen, Schreiben, Rechnen und Singen ein. Das Schullehrer-Seminarium zu Pfeffers wird wahrscheinlich seinen Zweck, bessere Schullehrer zu bilden, erst dann erreichen, wann der Schullehrer nicht mehr darben wird. Besser sind Privaterziehung und öffentlicher Schulunterricht in den Städten. Man hat eine Bürgerschule zu Zürch, Töchterschulen zu Zürich und an andern Orten, eine Arbeitsschule für arme Mädchen, und eine Zeichnungsschule für Handwerker ebendaselbst, eine Industrieschule zu Basel, und Realschulen in mehrern Städten. Der Unterricht in dem Pestalozzischen Lehrinstitute -- einer Anstalt von zweifelhaftem Werth, -- dehnt sich auf mehrere Zweige des menschlichen Wissens aus.
- Diejenigen, welche sich dem gelehrten Stande widmen, finden Unterricht in den Gymnasien, dergleichen für Protestanten und Katholiken in mehrern Städten vorhanden sind. Aber für die eigentliche gelehrte Ausbildung hat Helvetien nur die einzige Universität zu Basel. Doch bestehen in einigen der größern Städte akademische Gymnasien, zu Zürich eine medicinisch-chirurgische Akademie, zu Bern ein der Bildung künftiger Staatsmänner gewidmetes, politisches Institut, und in mehrern Städten theologische Seminarien.
- Sehr thätig wirken auch zur Aufnahme der Wissenschaften die helvetische Gesellschaft zu Aarau, die medicinische, physikalische zu Zürich, Basel und Bern, die ökonomischen zu Bern, Nidau, Büren und in Graubünden, die historisch-politische zu Zürich, und mehr andere. Eine wohlthätige Unterstützung gewähren die öffentlichen Bibliotheken zu Zürich, Bern und Basel, die Münz- und Naturaliencabinete an beiden erstern Orten, die Sternwarte zu Zürich, der botanische Garten zu Basel, ein lebhafter Buchhandel, und gute Buchdruckereien, besonders zu Basel, Bern, Zürich, Winterthur und St. Gallen. Daher hat Helvetien jederzeit berühmte Gelehrte fast in allen Fächern, doch mit Ausnahme der Jurisprudenz, und trefflicher Dichter hervorgebracht.
- Aber nicht bloß zu den Wissenschaften haben die Schweizer große Anlagen; sondern auch viel Kunstsinn herrscht unter ihnen. Als Medailleurs und Steinschneider, als Bildhauer, Kupferstecher, Maler, besonders als Landschaftsmaler, wie auch als Tonkünstler, zeichnen sich viele ruhmvoll aus. Die Künstlergesellschaft zu Zürich, und die musikalischen Gesellschaften an mehrern Orten tragen viel zur Verbreitung und Berichtigung des Kunstgeschmacks bei; doch befindet sich in Helvetien keine einzige öffentliche Gemälde- oder andere Kunstsammlung.
- 4. Nach ihrer Religion. Vermöge alter Gewohnheit leben hier zweierlei Kirchenpartheien verträglich nebeneinander. In einigen Cantonen ist die reformirte, in andern die katholische Religion, wieder in andern sind beide Religionen die herrschende. Die Zahl der Katholiken ist ungefähr um ein Drittheil geringer, als diejenige der Reformriten. Der evangelisch-Lutherischen giebt es in der Schweiz nur sehr wenige, und sie haben keinen öffentlichen Gottesdienst; Juden findet man nur in zwei Dörfern des Cantons Aargau.
- 5. Nach ihrer Industrie. Die vornehmste Nahrungsquelle der Einwohner ist
- a) die Landwirthschaft, zu deren Aufnahme ihr Fleiß und die Bemühungen der ökonomischen Gesellschaften vieles beitrugen. Der Ackerbau lohnt zwar dem Schweiße des Landmanns nur sehr karg, höchstens durch fünf Saamen; doch widmet sich derselbe in denjenigen Gegenden, die ihm nicht ungünstig sind, mit Verstand, und vermindert wenigstens das große Bedürfniß auswärtigen Getreides. Die Obstbaumzucht wird stark betrieben, und befördert einen beträchtlichen Handel ins Ausland mit Kirschengeist. Nicht weniger eifrig ist man in den wärmern Gegenden mit dem Weinbau beschäftigt. Aber vorzüglich hat die Natur das Land zur Viehzucht bestimmt, daher man stets bedacht ist, theils die Fruchtbarkeit der Wiesen zu vermehren, theils neue künstliche Wiesen anzulegen. Am stärksten ist die Hornviehzucht in den Cantonen Unterwalden, Uri, Schwyz und Appenzell. Schwyz allein hält jährlich über 20,000 Stücke auf den Alpen, ohne diejenigen, welche während des Sommers zu Hause bleiben, Appenzell in allem wohl an die 30,000 Stücke. Nicht nur mit Hornvieh selbst, sondern auch mit Butter, und besonders mit Käse, den man in großer Menge bereitet, wird ein starker Handel ins Ausland unterhalten. Den Vorzug unter den Schweizerkäsen haben diejenigen von Freiburg. Aus Schwyz geht jährlich Hornvieh für mehr als 500,000 Francs in fremde Länder. Die Pferde- und Schaafzucht sind nicht beträchtlich; aber desto mehr ist es in einigen Gegenden die Zucht der Ziegen. In Appenzell sieht man Heerden zu 2000 Stücken. An mehrern Orten hält der Landmann auch Bienenstöcke; besonders viele sieht man in Appenzell und um Sargan.
- b. Der Bergbau ist ziemlich unbedeutend. Nur ein einziges Silberbergwerk ist im Lauterbrunnenthal im Canton Bern im Gange. Dort gewinnt man auch Blei. Selbst auf Eisen wird sehr wenig gebaut. Die besten Eisenminen sind bei Flums. Auf dem Blattenberge im Canton gebrochen. Ein Marmorbruch befindet sich nicht weit von Stanz im Canton Unterwalden.
- c. Manufacturen und Fabriken. Groß ist die Industrie der Schweizer in Bearbeitung des Flachses, wovon ein beträchtlicher Theil vom Ausland eingeführt wird, und ausgebreitet der Absatz der helvetischen, sehr geschätzten Leinwand. Zum Besten dieser Manufacturen wird die Spinnerei in St. Gallen, und an mehr andern Orten lebhaft betrieben, und sowohl in diesem, als im Canton Glarus sind vortreffliche Bleichen angelegt. Nicht minder gesucht ist das helvetische Papier, besonders dasjenige von Basel. Auch zu Cham im Canton Zug befindet sich eine sehr beschäftigte Papierfabrik. Aber die Baumwollen- und Seidenmanufacturen, worin einst eine große Lebhaftigkeit herrschte, hat der Druck der Zeitumstände tiefer herabgebracht. Viele Baumwollenwaaren verschiedener Art: besonders Ziz, Cattun, Musselin, Piquet xc. wozu die beträchtlichen Baumwollespinnereien in Glarus, zu Gersau, und an andern Orten das Materiale liefern, werden indessen noch immer in den Cantonen Bern, St. Gallen, Appenzell, Schafhausen, Aargau und Glarus verfertiget. Die in einigen dieser Cantone, wie auch zu Zürich und Winterthur angelegten Ziz- und Cattundruckereien haben dadurch viele Beschäftigung. Der Hauptsitz der Seidenmanufacturen, welche Strümpfe, Bänder, Tücher und Zeuge fast aller Art meist aus italiänischer Seide liefern, ist in den Cantonen Bern, Zürich, Aargau, Schafhausen und Basel. Berühmt waren von je her besonders die seidenen Bänder, die aus der Schweiz kamen. Von Wollenwaaren wird in der Schweiz außer einigen leichten Zeugen, und groben Tüchern, welche letztere der Canton Bern zum Gebrauche der Landvolks liefert, nichts fabricirt. Die Lederbearbeitung, selbst diejenige des Gemsenleders, ist nicht bedeutend. Die Metalle werden beinahe gar nicht bearbeitet. Außer einigen Eisen- und Kupferhämmern bei Baden, Lugano xc. bestehen in der Schweiz gute Schriftgießereien, Messerschmieden im Canton Aargau, und Fayencefabriken in Waadtland und bei Zürich.
- d. Der Handel der Schweiz ist, wiewohl durch die Einschränkung der Einfuhre schweizerischer Kunstproducte nach Frankreich, durch die Abnahme der Manufacturen, und durch andere Unfälle der zeit etwas vermindert, doch noch immer nicht unbedeutend. Die natürlichen Producte, besonders das schöne Hornvieh, wie auch Talg, Häute, Butter, Käse, etwas Weniges an Pferden, etwas Wein, verschiedene Gattungen Holzes, dann gebrannte Wasser, und die einheimischen Manufacturen in Leinen, Baumwolle und Seide, endlich Gemsenleder und feines Papier befördern in mehrern Ländern Europens einen so beträchtlichen Absatz, daß dadurch die nöthige Einfuhre von Getreide, Flachs, Hanf, Tabak, Baumwolle, Wein, Südfrüchten, Olivenöl, Kaffee, Zucker, Schaafen, Schweinen, Wolle, Seide, Pelzwaaren, Tüchern, Häringen, Stockfischen, Salz, Metallen, und den ost- und westindischen Spezerei- und Medicinalwaaren wahrscheinlich gedeckt wird. Der Handel mit eigenen Producten begleitet zugleich ein vortheilhafter Speditionshandel mit fremden Waaren sowohl in die verschiedenen Theile der Republik selbst, als auch in auswärtige Länder. Die Hauptspeditions- und Handelsplätze sind xc. Schafhausen, Zürich, Basel, Bern, Luzern, Bellinzona, und Morsee im Waadtlande. Beträchtliche Geschäfte werden jährlich auf der Messe zu Zurzach am Rhein gemacht.
- Zu einem lebhaften Verkehr gaben sowohl menschliche Anstalten, als die Natur selbst diesem Lande eine glückliche Anlage. Nicht nur liegt es zwischen drei handelnden Staaten: zwischen Frankreich, Italien und Teutschland, sondern es ist auch mit Seen und einigen Flüssen versehen, wodurch die Communication theils der einzelnen Provinzen mit sich selbst, theils mit dem Auslande offen ist. Ins Besondere setzt der Rhein diese Republik in Verbindung mit der Nordsee, der Rhone mit dem mittelländischen Meere. Ueberdieß hat noch die Speculation der Ausländer mehrere Landstrassen, die von Helvetien ausgehen, in entfernte Länder fortgesetzt, z. B. die zwei Strassen von Basel an beiden Ufern des Rheins bis nach Holland, die Strassen über den St. Bernhard, den Simplon, den Gotthards- und den Splügerberg nach Italien. Ferner hat man noch Strassen über das Juragebirge, die Hauptstrasse über Schafhausen und den Rhein, eine Hauptstrasse nach Tirol, auf welchen reitende Posten, Postwagen und fahrende Boten Briefe und Gepäcke von einem Orte zum andern befördern.
- Sonst bestehen dort außer der Niedrigkeit der Zölle, wodurch die Spedition sehr begünstigt ist, keine besondern Anstalten zur Beförderung des Handels. Das Münzwesen ist zwar seit 1803 für die ganze Republik dergestalten bestimmt, daß ein Schweizer Franc127 19/80 Gran sein Silber, die Goldstücke für jeden Frankenwerth 8 1/5 Gran sein Gold enthalten sollen. Allein es ist meist nur ausländisches, besonders französisches Geld im Curse, und man rechnet noch immer bald nach Schweizer Franken, Sous und Deniers, bald nach Gulden, Batzen, oder Schillingen und Kreuzern, bald nach Kronen, Batzen und Kreuzern. Auch die Verordnung, daß man in allen Cantonen gleiches Maaß und Gewicht annehmen sollte, konnte noch nicht allgemein zur Ausführung gebracht werden.
- 6. Nach ihrem Wohlstande, und ihren Beiträgen zur Erhaltung des Staats. Die Zerstörungen, welche die leidige Revolution begleiteten, und die Auswanderungen mehrerer reicher Fabricanten und Kaufleute, noch mehr aber die Revolution, die schon früher angefangen hatte, in der Lebensart eines Theiles der helvetischen Nation vorzugehen, haben den Wohlstand dieser einst blühenden Republik nach und nach sehr vermindert. In mancher Gegend, wo einst die Viehzucht die gesammte genügsame Volksmasse wohl ernährt hatte, lebt jetzt nur noch ein Drittheil von derselben; ein Drittheil, gereitzt durch den unsichern, aber freilich größern Gewinn, den die Arbeiten in Baumwolle abwerfen, widmete sich nebst der Viehzucht zugleich dieser Gattung von Industrie, und ein Drittheil sucht seinen Unterhalt allein durch Spinnen und Weben der Baumwolle. Selbst die Arbeiten in Leinen, welche ehedem neben der Viehzucht ihren Mann sicherer nährten, weil die Erhaltung des rohen, und der Absatz des verarbeiteten Materials meist weniger von politischen Conjuncturen abhängt, wurden häufig mit der einträglichern Industrie in Baumwolle vertauscht. Der dadurch in günstigen Zeiten erworbene Reichthum Einzelner erzeugte Luxus, Uebervölkerung, starke Zerstückelung der Grundstücke und eine große Theuerung aller Lebensbedürfnisse. Der Luxus nahm selbst auf dem Lande so sehr überhand, daß gegen das Ende des achtzehnten Jahrhunderts nur aus dem kleinen Bezirke von Toggenburg für Wein, Branntwein und Caffee jährlich über 100,000 fl. in fremde Länder giengen. Die wegen der wachsenden Zahl der Familien nöthig gewordene Zerstückelung der Güter wurde so weit getrieben, daß viele, die zugleich das Baumwollengewerbe ergriffen, an Wiesen und Weiden nur so viel übrig behielten, als zur Nahrung für 3 - 4, oder wohl gar nur für 1 Kuh hinreicht. Das leider in den neuern Zeiten nicht ungewöhnliche Stocken der Baumwollengewerbe machte daher in mancher Gegend wohl ein Drittheil der Einwohner, den die Viehzucht ihren Unterhalt nicht mehr allein verschaffen kann, zu dürftigen, und das zweite Drittel, welches gar keine Grundstücke besitzt, zu Betteln *). Zwar sind Reichthum und Wohlstand nicht ganz aus diesen Gegenden verschwunden; aber des erstern erfreut sich nur ein kleiner Theil der Einwohner, und der letztere ist unter ihnen zu wenig gleich vertheilt.
- *) S. Elbels Schilderung der Gebirgsvölker der Schweiz. Th. I. S. 30. 271 ff. 287 f. u. 293. -- Th. II. S. 6 f. S. 9 ff. besonders S. 279.
- Ein glücklicher Wohlstand, gleich weit entfernt von großem Reichthum, und von trauriger Dürftigkeit, findet sich besonders in denjenigen Cantonen, deren Bewohner, der väterlichen Sitte getreu, sich mit der Viehzucht, oder nach der Beschaffenheit des Bodens zugleich mit dem Acker- Obst- oder Weinbau beschäftigen. Die Arbeitsamkeit dieser Leute, und ihre Genügsamkeit, die sich gern mit demjenigen befriedigt, was ihr eigener Boden und ihr eigenes Vieh ihnen liefern, erhält sie in jenem glücklichen Zustande der Wohlhabenheit, die ihnen nicht nur ihr Auskommen verschafft, sondern sogar eine Art von Wohlleben möglich macht. In ein großentheils aus einheimischer Wolle, oder einheimischem Flachs gewebtes Kleid gehüllt, lebt der helvetische Landmann zufrieden in seinem aus inländischem Holz erbauten, sehr geräumigen, und bequemen Wohnhause, verzehrt in Ruhe sein Fleisch, seine Butter, seinen Käse, die sein eigenes Vieh ihm darbietet, trinkt seine Kanne selbst erzeugten, oder erkauften vaterländischen Weines, und verkauft den Rest seiner Producte. Eine einzige Kuh wirft ihm in der Gegend von Zürich ohne Molken und Kalb währen des Sommers allein 50 - 56 fl. in Glarus mit dem Kalb 100 fl. in Appenzell, wenn er fetten Käs bereitet 40 - 45, bereitet er aber Butter und magern Käs 57 - 60 fl. ab. Im Thurgau verschafft in einziges Juchart Weinland seinem Besitzer in guten Jahren 250 fl. Im Rheinthale bringt jede Maaß jungen Weins dem Besitzer eines Weinlandes 10 Kreuzer, und die Maaß alten Weines 15 Kreuzer ein *).
- *) Elbel Th. II. S. 43 u. 246. Th. I. S. 119 u. 28. Th. II. S. 92.
- Zur Begründung dieses glücklichen Mittelstandes zwischen Dürftigkeit und Reichthum unter dem größten Theile der Helvetier trug unstreitig nebst ihrer Arbeitsamkeit, dem guten Ertrage der Landwirthschaft und ihrer Genügsamkeit auch die Mäßigkeit der Abgaben, welche sie zu entrichten hatten, viel bei. In einigen Cantonen hatten die Grundbesitzer nur Zehenden, in andern nur einen Grundzins, oder eine Kopf- oder Vermögenssteuer, oder unbedeutende Abgaben an Naturalien zu entrichten. In St. Gallen belief sich die Vermögenssteuer vom 100 fl. auf 20 Kreuzer, in Glarus nur auf 6 Kr. Im Thurgau bezahlte jede Haushaltung nicht mehr, als 4 Kr. Schirmgeld. In Appenzell waren die Einwohner von jeder Abgabe gänzlich frei. Die Staatsverwaltung erforderte nur seht geringe Summen; die öffentlichen Aemter versahen Männer äußerst geringen Gehalt, ihre Belohnung lag in dem Bewußtseyn, dem Vaterlande zu nützen. Höhere Staatsausgaben, als welche die geringe Einnahme möglich machte, bestritt man aus dem Ertrag einiger Staatsgüter, und sehr mäßiger Zölle, welche letztere aber, nur mit Ausnahme der Wegegelder, aufgehoben sind, ferner aus den Zinsen anliegender Staatscapitalien, aus Confiscationen und Strafgeldern, und aus den Subsidien, welche fremde Mächte bezahlten.
- Noch jetzt scheinen die Abgaben der Einwohner sehr mäßig zu seyn; man hat aber weder von diesen, noch von den Staatseinnahmen und Ausgaben eine ausführliche Kenntniß. Nur so viel ist seit 1803 bekannt, daß, wenn die Staatsausgaben der gesammten Republik 490,517 Schweizer Franken betragen, der reichste Canton: Bern 91,695, Zürich 77,153, Waadtland 59,273, Aargau 52,212, St. Gallen 39,451, von den kleinern und minderreichen Cantonen aber Uri 1184, Unterwalden 1917, Schwyz 3012 u. s. w dazu beitragen. Auch weiß man aus dem Endbeschluße der schweizerischen Liquidationscommission vom J. 1804, daß damals die Staatsschuld, welche erst die leidige Revolution herbeigeführt hatte, 3'757,031 Franken betrug.
- 8. Nach ihren Vertheidigungsmitteln. Alle Truppen Helvetiens werden durch Werbung zusammengebracht; aber kein Kanton darf vermöge der Vermittelungsacte vom J. 1803 mehr als 200 Mann besoldeter Truppen halten, und keiner mehr, als 500 Mann Miliz ohne Vorwissen des Landammanns aufbieten. Außer dieser geringen Zahl der Truppen, die unter einem Volke von mehr verdorbenen Sitten kaum zur Handhabung der Polizei hinreichen würden, hat die Republik nach vertragsmäßig 16,000 Mann in französischem Sold. Große Zeughäuser, und einen ansehnlichen Vorrath von Geschütz, Gewehren, Munition und andern Kriegsbedürfnissen kann man hier bei der geringen Zahl des Militärs nicht suchen. Anstatt der Festungen dienten einst die hohen Gebirge; die Kühnheit und Unverdroßenheit der neuern Krieger hat auch diesen Schutz unwirksam gemacht.
Verfassung des Staats.[]
- 1. Das einzige Grundgesetz, wodurch sowohl die Verfassung, als auch die Gesammtregierung der helvetischen Republik bestimmt worden, ist die unter Frankreichs Vermittelung im J. 1803 angenommene Mediationsacte.
- 2. Staatsform. Vermöge dieser Acte ist Helvetien ein aus 19 kleinern Republiken, oder theils demokratischen, theils aristokratischen Cantonen zusammengesetzter, fest miteinander verbundener, republikanischer Staat. Alle Cantone haben gleiche Rechte, und verhältnißmäßig gleiche Pflichten, und sind zu gegenseitigem Beistande verbunden. Jeder Canton ist an und für sich souverain; kann aber gewisse Rechte, die der ganzen Republik vorbehalten sind, nicht ausüben. Keiner kann für sich allein Krieg erklären, Frieden schließen, Bündnisse mit andern Mächten eingehen, Recruten in seinem Gebiete durch eine fremde Macht werben lassen. Alles dieses liegt nur in der Macht der ganze Republik. Sie ernennt und sendet Gesandte in fremde Staaten, schlichtet die Streitigkeiten zwischen einzelnen Cantonen, bestimmt den Münzfuß für die ganze Schweiz, setzet das Contingent fest, welches jeder Canton im erforderlichen Falle zu stellen hat, und ernennt den General. Das Directorium wechselt mit jedem Jahre zwischen den Cantonen Freiburg, Bern, Solothurn, Basel, Zürich und Luzern.
- 3. Rechte und Pflichten des Landammans. Den ganzen Staat stellet die Tagsatzung, und wann diese nicht versammelt ist, der Landamman vor. Diese Stelle bekleidet jederzeit der erste Beamte oder Bürgermeister des dirigirenden Cantons. Er ist der Präsident der Tagsatzung, und der erste Beamte der ganzen Republik. In seiner Verwahrung sind die Staatssiegel; vor ihm treten die Gesandten fremder Mächte auf, und mit ihm pflegen sie ihre Verhandlungen.
- 4. Rechte der Staatsbürger. Gleichwie kein Canton, und kein Bezirk Helvetiens durch mehr oder weniger Rechte, oder durch den Genuß besonderer Privilegien sich von dem andern unterscheidet, so auch kein Staatsbürger. Alle, sie mögen zum bürgerlichen, oder zum Bauernstande gehören (einen Adel giebt es in Helvetien nicht), haben gleiche Rechte, genießen gleichen Schutz, und tragen gleiche Bürde. Jeder Bürger kann sich ungehindert in einem andern Cantone niederlassen, und daselbst Gewerbe treiben.
Verwaltung des Staats.[]
- 1. Die Gesammtverwaltung der ganzen Republik geschieht nach der bereits erwähnten Mediationsacte durch die Tagsatzung, und, wann sie nicht versammelt ist, durch den Landamman. Erstere tritt jährlich am 1. Junius zusammen, und ihre Dauer soll sich nicht über einen Monat erstrecken. Sie besteht aus den Deputirten der 19 Cantone, welche zusammen 25 Stimmen haben. Von den volkreichern Cantonen: Bern, Zürich, Waadtland, St. Gallen, Aargau und Graubünden hat jeder zwei Stimmen, von den kleinern jeder nur eine. Zu einer Kriegserklärung, zu einem Friedenschluße, und zur Schließung eines Bündnisses mit einer fremden Macht werden die Stimmen von drei Viertheilen der Cantone erfordert.
- Was die Verwaltung der Justiz ins Besondere betrifft, so hat die Republik weder gemeinschaftliche Gesetze, noch ein gemeinschaftliches Tribunal.
- 2. Zu jedem einzelnen Cantone ist die Staatsverwaltung auf das Herkommen gegründet. Hier findet da, her keine Gleichheit statt, ausgenommen in so fern die Mediationsacte gewisse Puncte für alle Cantone festgesetzt hat.
- Zur Handhabung der Justiz sind in jedem Canton niedere und hohe Gerichtshöfe eingesetzt, welche nach den besondern Gesetzen eines jeden Cantons Recht sprechen. Auch sind in Helvetien seit 1798 Friedensgerichte eingeführt.
Quellen.[]
- Handbuch der Statistik der europäischen Staaten, zum Gebrauche bei Vorlesungen und zur Selbstbelehrung von D. Joseph Milbiller. Landshut, 1811. Bei Philipp Krüll, Universitäts-Buchhändler.