Harz.[]
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Harz, ein hohes Waldgebirg in Niedersachsen, an der Obersächsischen Gränze, das nördlichste in Deutschland, welches sich aus dem Amte Langelsheim und der Gegend von Goslar, durch den östlichen Theil des Fürstenthums Grubenhagen, einen Theil der Grafschaft Wernigerode und das Fürstenthums Blankenburg bis in die Grafschaften Hohenstein und Stolberg, und bis an Harzgerode im Anhaltischen, ungefähr 12 Meilen in die Länge und 4 Meilen in die Breite erstreckt. Es besteht aus vielen Bergen und Thälern, die labyrinthisch unter einander wechseln, und von 36,000 Menschen bewohnt werden. Durch den Brocken oder Blocksberg, die höchste Spitze des Harzes, wird er in den Ober- und Unterharz getheilt. Jener ist im Westen des Brockens, und das eigentliche Hochgebirge, dieser im Osten desselben, und die größere Hälfte des Ganzen. Die vorzüglichsten Berge sind der Brocken, der Rammelsberg, Bruchberg, Andreasberg, Rehberg, Burberg, Heinrichshöhe, Brand, Sonnenberg, Iberg, Winterberg u. s. w. Hier entspringen die Bude, Sieber, Ecker, Holzemme und Radau. Berühmt ist die Baumanshöhle bei Blankenburg mit merkwürdige Tropfsteingestalten, und noch sehenswürdiger die nicht weit davon entfernte Bielshöhle (Bielsteinshöhle), welche erst in den neuern Zeiten entdeckt worden ist. Die Hauptprodukte des Harzgebirges sind Holz, das man auf 286,386 Morgen angibt, Eisen, wodurch jährlich 700,000 Thaler in Umlauf gesetzt werden, Silber, Kupfer, Blei, etwas Gold, Salz u. s. w. Beschreibungen des Harzes hat man von Schröder und Gatterer.
Der Harz.[]
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Gar manches Gebirge behauptet einen bedeutenderen Rang als der Harz, wenn wir bloß auf die Höhe Rücksicht nehmen. Nichts desto weniger hat derselbe einen Ruf, der ihn für weit bedeutender nehmen läßt, als er wirklich ist, und mancher, der aus der Ferne dahin kommt, andere Gebirge vor ihm sah, scheidet unlustigen Gemüthes von dem rauhen Brocken, der ihm so wenig einen Punct der Vergleichung mit dem Montblanc oder den Gletschern der eisigen Jungfrau darboth, als das Thal, das hinaufführt, sich mit dem von Chamouni vergleichen läßt. Und das ist ganz natürlich, denn wenn die höchsten Harzspitzen den hohen Alpen Tyrols und der Schweitz wie Zwerge gegenüber stehen, so ist der Abstand für das Auge derer, welche an die Höhen der erstern gewohnt ist, zu groß, um nicht das unangenehme Gefühl der Täuschung in hohem Grade zu empfinden. Um dieses gehörig zu würdigen, erinnere man sich, daß die höchsten Berge des Harzes, der Brocken, der Wurm- und Bruchberg, nebst der Achtermannshöhle sind. Nun hat der Brocken selbst, unter ihnen der höchste, 3275 alte Pariser Fuß Höhe über der Meeresfläche; der ihm südlich gegenüberstehende Wurmberg 2725, der westlich liegende Bruchberg 2667, und die Achtermannshöhle 2605 Fuß. Mit den Schweitzer- und Savoyer-Alpen verglichen, verhalten sie sich also wie eins zu drey bis vier, da z. B. der Ortele in Tyrol 14,200 Fuß, das Finsterahorn 13, 234, die Jungfrau 12,872, und der Montblanc 14,676 Fuß über das Meer emporragen.
Wenn dem so ist, und der Harz doch im Allgemeinen einen solchen Ruf hat, daß für das nördliche und nordwestliche Deutschland eine Brockenreise so interessant wird, als für den Süddeutschen eine in die benachbarten Alpen, so muß wohl ein anderer Grund als die geometrische Höhe, dabey im Spiele seyn; besonders da das Riesen- Fichtel- und böhmische Gebirge am Ende in einzelnen Spitzen wenigstens mit dem Harz, rücksichtlich der letztern wetteifern könnten, und doch bey weitem minder großen Ruf haben.
Das Räthsel, das hier obwaltet, schwindet jedoch, weil der Harz grösser scheint, als er ist. Eine Fortsetzung des Thüringer Waldgebirgs, und also ein weitläufiger Verwandter der hohen Sudeten und Carpathen selbst, steht doch der Harz so isolirt und frey da, daß der Blick des sich ihm nahenden Wanderers, nicht im Stande, seine Höhen durch Vergleichungen mit andern zu messen, ihn viel höher zu nehmen geneigt wird, als er wirklich ist. Nur von niedrigen Hügelketten, die ihn mit dem Thüringer Wald verbinden, wird er umgeben, und dieses Gebirg selbst, das ihn mit den hohen Sudeten, als ein Zwischenglied sich an das böhmische Gebirge anschließend, verbindet, erscheint so niedrig dagegen, daß es ihn selbst noch höher, als er ist, erscheinen läßt. So würde der Inselsberg bey Gotha dem Brocken gar leicht den Rang streitig machen, wenn er dicht neben ihm stände, aber 15 Meilen davon, unter anderen Bergen Thüringens versteckt, hat er nur wenig Ruf, während der Altvater Brocken als einzig in aller Norddeutschen Munde lebt, denen er sich, wenn sie nach Süden und Südwesten zumahl herwandern, auf einmahl ganz senkrecht gleichsam vor die Augen stellt. Mit Recht nannte ihn sicher der alte Sachse den Haart oder Harz, d. h. den hohen Wald.
Wenn wir sagten, daß der Harz mittelst des Thüringer- Fichtel- und böhmischen Gebirgs, so wie der Sudeten, ein Verwandter der Carpathen im fernen Osten selbst sey, so wird dieß keinen wundern, der frey von politischen Vorurtheilen der Geographie die Gebirge Europa's nur nach dem Ganze betrachtet, den sie sich in verschiednen, bald süd- bald nördlich gehenden, Ausbiegungen quer durch unsern Welttheil, theils nach dem schwarzen, theils nach dem nordwestlichen und Mittelmeer bahnen. Interessanter aber wird es seyn, zu bemerken, daß auch Cäsar bereits dem Harz eine Länge von 60 Tagreisen gab, die nur in so fern zutrifft, als wir den Harz für den Anfang eines Gebirges nehmen, das durch Böhmen, Schlesien, zwischen Pohlen, Ungern (Carpathengebirg) nach den Steppen der Tatarey zuläuft.
Möge indessen der Harz dem einen Höher, dem andern niedriger scheinen, immer wird dieses Urgebirg, von mehr als 56,000 Menschen bewohnt, dem Deutschen wichtig und interessant seyn. In Hinsicht der Naturschönheiten wetteifert er zwar nicht gerade mit den hohen Schweitzeralpen und ihren Brüdern in Tyrol, Salzburg xc., wohl aber mit allem, was etwa Thüringen und Schlesien Schönes aufweisen kann. In Hinsicht von Kunst und Gewerbfleiß hingegen wird er nicht leicht übertroffen werden, wenn auch die Zweige der Betriebsamkeit hier meist eine eigene Richtung genommen haben. Was aber nun vollends die Production des Bergbaues anbelangt, so steht derselbe so einzig in seiner Art da, daß er kaum eine Vergleichung mit den übrigen deutschen Bergketten, und allerhöchstens nur, jedoch immer unvollkommen, mit dem sächsischen Erzgebirge zuläßt. Silber, Bley und Eisen sind die Hauptproducte, die das reiche Gebirge liefert, und woran sich dann Kupfer, Spießglas, Nickel, Schwefel und Vitriol reihen.
Wem wären die feinen Harzgulden, die feinen ⅓ und ⅔ Stücke, die Stollbergischen Hirsch-, die Bärnburgschen Bärgulden xc. und wie sonst die vollwichtigen reinen Silbersorten heissen, unbekannt? In Clausthal, worin der Segen des ganzen Harzer-Bergbaues zusammengehäuft wird, pflegt man alle Wochen 6 - 8000 Thaler im 18fl. Fuß auszuprägen, und sonst betrug es noch mehr. Noch im Jahr 1785 rentirten einzelne Kuxe jährlich über 200 Reichsthaler auf jeden Antheil.
Noch ungleich bedeutender, als dieser natürliche Reichthum, ist aber ohne Zweifel der, den die Kunst der Natur abzugewinnen weiß, indem sie das rohe Product veredelt, verarbeitet, nutzbar macht. Wir zielen damit auf die Eisenproduction des Harzgebirges. Nirgends ist sie so groß, so mannigfach. In ganz Deutschland sind nicht so viel Eisenhütten, als in dem Harz; in einem Raum von 14 Quadratmeilen findet man gegen 23 Hochöfen, 35 Frischfeuer, 10 bis 12 Hämmer, 5 Schwarz- und 2 Weißblechhämmer, 46 Drathzangen und 2 Stahlhämmer. Wenigstens fand dieß 1804 noch Statt, und in diesen mannigfachen Werkstätten des Vulkans werden, ein Jahr ins andere gerechnet, gegen 217,700 Zentner Eisen producirt, so, daß gegen 32,000 Zentner Gußwerk, 58,000 Stabeisen, und die übrigen in Blech, seinen Eisenwaaren, Stahl und Drath in Vorschein kommen. Die Natur hat diese Gegenden so reich an Eisenerzen, auch hinlänglich mit dem zum Schmelzen desselben nöthigen Holze versehen. Welche ungeheuere Quantitäten von diesem verbraucht werden, kann man darnach schätzen, daß allein in einem Jahre 127,000 Karren Kohlen und 323,000 Malter Holz verbraucht werden; jeder Karren Kohlen enthält 90 Kubikfuß, jedes Malter 80 Kubikfuß. Welche ungeheure Quantität in einem, welche Menge in zehn, in zwanzig Jahren!
Der Bergbau auf dem Harz ist sehr alt. Der Rammelsberg bey Goslar, das ergiebigste Silberbergwerk, indem es jährlich gegen 4000 Mark Silber, und nach Abzug aller Kosten 30 - 40,000 Rthlr. jährlichen Gewinn gibt, ist bereits vor Ende des zehnten Jahrhunderts unter Otto dem Großen entdeckt worden, und die Kaiser hatten wegen des Zehnten davon bereits im 13ten Jahrhundert häufig Streitigkeiten. -- Um den Bau darin emporzubringen, wurden schon 1016 und dann wieder 1519 Bergleute aus Franken und aus dem Erzgebirge verschrieben, wovon sich noch, durch die Vermischung des Hochdeutschen mit dem Plattdeutschen, Spuren in mehreren Districten erhalten haben.
Will man ausser der Höhe noch einen wesentlichen Unterschied zwischen dem Harz und den Schweitzeralpen aufstellen, so liegt er eben darin, daß in den letztern der Reichthum auf der Fläche, im Harze aber in den Eingeweiden der Berge liegt. Zwar kommt auch im Harze bedeutende Viehzucht vor. In den vielen Thälern der dem Harz entquellenden Flüsse und Bäche sind herrliche Wiesen, die theils durch künstliche Düngung, theils durch Besäung mit Futterkräutern noch einträglicher gemacht werden. Wer nie die Schweitz sah, kann auch wohl durch die auf ihnen herumirrenden Heerden, durch die trefflich zu einander stimmenden Glocken derselben, die in der Ferne eine liebliche Musik erzeugen, wenn die Heerde des Abends in die Viehhöfe heimkehrt, in jene Idyllenwelt versetzt zu seyn glauben. Auch sind die Producte des Rindviehes am Fuße des Unterharzes so beliebt wie anderswo die der Schweitz, aber doch findet sich zwischen dort und hier eine großer Unterschied. Die Schweitz gewinnt jährlich Tausende durch irre Käse. Der Canton Glarus bezieht für seinen mit Gebirgskräutern gewürzten Käse allein auf 100,000 jährlich, und das Thal Urseren, wo kein Baum, kein Halm wächst, wo eine kleine Welt zu seyn scheint, die gleich einer Schachtel in der grössern steckt, hat doch einen uns kaum begreiflichen Wohlstand, weil es in Menge Käse machen kann. So ist es nun aber auf dem Harze nicht; bey aller Viehzucht hat er selbst nicht Butter und Käse genug, sondern muß sich dergleichen noch von Holstein her zuführen lassen. Die Natur gab selten Alles Allen. Mit den Schätzen in der Erde können die Harzbewohner leicht die erkaufen, die sich auf derselben versagte. An diesem minder großen Viehbestand sind die weitläufigen Waldungen Schuld. Alle Wiesen im Harze sind fast nur Waldwiesen. Der ganze Harz ist eigentlich nur ein ungeheurer, einziger Wald, aus Fichten, Rothtannen und etwas Laubholz bestehend. Wo sollten die Tausende von Maltern Holz und Karren von Kohlen herkommen, wenn die Natur nicht so für den Bergbau gesorgt hätte.
Die Bevölkerung des Harzes wird zwischen 50 - 56,000 Menschen berechnet, die eine Grundfläche von 64 Quadratmeilen bewohnen. Die höchste Zahl von Bewohnern angenommen, gibt auf die Quadratmeile 875 Menschen, was gegen die Volkszahl des sächsischen Erzgebirgs und anderer Gebirgsländer wenig sagen will. Die Ursache davon ist der Mange an Manufacturen. Der Harzbewohner lebt nur in den ihm von der Natur angewiesenen Beschäftigungen, der Viehzucht und dem Bergbau; Spinnen, Klöppeln u. dgl. ist ihm fremd. Nur hier und da finden sich Manufacturen in den größeren Städten, die Wolle und ähnliche Stoffe verarbeiten. Der Mangel an Menschenzahl hat inzwischen auch wieder den Vortheil, daß die vorhandenen sich satt essen und froh seyn können, was von anderen übervölkerten Gebirgen nicht immer gesagt werden kann, besonders wenn, wie jetzt, die Erwerbszweige stocken, oder wenigstens nicht im Verhältniß zu den Preisen von den ersten Lebensbedürfnissen bezahlt werden.
Von Reisende.[]
Dr. Johann Friedrich Droysen.[]
- [1801]
Sie erwarten nicht von mir, mein Bester, daß ich Ihnen meinen vergnügten Aufenthalt in Hannover und Göttingen, oder meine angenehme Fußreise auf dem Harz in seinen romantischen Gegenden beschreibe, Sie kennen diese Orte, und wissen wie angenehm man hier lebt, wenn man Bekannte hat, wie ich hier zu finden das Glück hatte; also nur wenige Worte von Göttingen.
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Versetzen Sie sich, lieber Freund, mit mir nun plötzlich auf die Spitze des Brockens, Sie werden diese Höhe kaum wieder erkennen, oben nicht weit vom Wolkenhäuschen, auf der so genannten Wilhelmshöhe, finden Sie jetzt ein Gebäude, wahrlich einen Pallast für diese Gegend. Graf Stollberg hat mit großen Kostenaufwand einen Fahrweg bis zur höchsten Höhe bilden und dieses große, aus Steinklumpen zusammen gesetzte Gebäude aufführen lassen; ein gefälliger Wirth gibt Ihnen für wenig Geld eine bessere Bedienung als Sie ehemahls nicht mit dem doppelten erkaufen konnten. Aber freylich müssen Sie nun erst auf den Thurm steigen, um einer freyen Aussicht zu genießen, müssen hinter das Haus treten, um die Sonne in ihrer Pracht untersinken zu sehen. Sie glauben nun nicht auf dem, noch vor wenig Tagen mit Schnee bedeckten, rauhen Berge zu seyn. Die Kunst hat hier, wie mir scheint, die Natur wenn nicht verdrängt, doch versteckt. Sonst mußte die große Aussicht den Reisenden für die Unbequemlichkeiten entschädigen, diese fallen weg, und die Brockenreise verliert von ihrem Piquanten; doch fühlt mancher dabey anders.
Quellen.[]
- ↑ Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.
- ↑ Archiv für Geographie, Historie, Staats- und Kriegskunst. 1813.
- ↑ Dr. Johann Friedrich Droysen's Bemerkungen gesammelt auf einer Reise durch Holland und einen Theil Frankreichs im Sommer 1801. Göttingen bey Heinrich Dieterich. 1802.